Urteil des HessVGH vom 16.09.2003

VGH Kassel: behörde, vollziehung, amtshandlung, rohbau, härte, hessen, verordnung, verkehr, aussetzung, neubau

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
5. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 TG 1608/03
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 17 Abs 1 VwKostG HE
(Vermessungsgebühr nach Pauschale für Rohbaukosten)
Leitsatz
Zur Rechtmäßigkeit der Erhebung von Vermessungsgebühren auf der Grundlage
pauschalierender Rohbaukosten
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts
Kassel vom 23. Mai 2003 - 6 G 922/03 - wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 498,85 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts
Kassel vom 23. Mai 2003 ist nicht begründet.
Nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der von der
Antragstellerin im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründe hat auch der
Senat - wie das Verwaltungsgericht - keine die Aussetzung nach der im
gerichtlichen Aussetzungsverfahren des § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung -
VwGO - entsprechend anzuwendenden Vorschrift des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO
rechtfertigenden ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen
Bescheide des Antragsgegners vom 13. März 2002 und 27. Juni 2002. Soweit die
Antragstellerin mit ihrer Beschwerde geltend macht, dass die beiden
streitgegenständlichen Kostenbescheide rechtswidrig seien, da der der
Kostenberechnung zugrundeliegende Gebäudewert (Rohbau) durch den
Antragsgegner zu hoch angesetzt sei und nicht dem tatsächlichen Gebäudewert
entspreche, kann dies der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Grundlage der
Berechnung ist das Verwaltungskostenverzeichnis zur Verwaltungskostenordnung
für den Geschäftsbereich des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und
Landesentwicklung (VwKostO-MWVL) vom 20. Januar 1999 (GVBl. I S. 119),
geändert durch Verordnung vom 10. August 1999 (GVBl. I S. 390). Nach Nr. 702
des Verwaltungskostenverzeichnisses ist bei der Berechnung der Gebühren auf die
Rohbausumme abzustellen, die sich nach der Nr. 651 ergibt. Danach ergibt sich
die Rohbausumme aus der Vervielfachung des Bruttorauminhalts mit den
statistisch für das Land ermittelten jeweiligen durchschnittlichen Rohbaukosten für
die einzelnen Bauwerksgruppen je Kubikmeter umbauten Raumes. Die Oberste
Bauaufsichtsbehörde - das zuständige Ministerium - gibt die durchschnittlichen
Rohbaukosten jährlich im Staatsanzeiger für das Land Hessen bekannt (Nr. 51 des
Gebührenverzeichnisses des Antragsgegners, gleichlautend zur Nr. 651 Satz 2
VwKostO-MWVL). Auf dieser Grundlage hat auch die Baugenehmigungsbehörde die
Rohbaukostenwerte, die sie bei der Berechnung der Baugenehmigungsgebühren
angesetzt hat, ermittelt. Diese liegen insgesamt bei 142.758,51 €, so dass auch
für die Lageplanerstellung und die Gebäudeeinmessung die Einstufung in die
für die Lageplanerstellung und die Gebäudeeinmessung die Einstufung in die
Objektstufe 100.000 € bis 150.000 € (Staffel C Zeile 5) in dem Bescheid vom 27.
Juni 2002 nicht zu beanstanden ist. In dem Bescheid vom 13. März 2002 wurde zu
Gunsten der Antragstellerin mit einem Wert von 99.000 € ohnehin eine Einstufung
in die günstigere Objektwertstufe des Kostenverzeichnisses bis unter 100.000 DM
(Staffel C Zeile 4) vorgenommen, so dass insoweit die Antragstellerin nicht in ihren
Rechten verletzt sein kann. Im Übrigen wurden selbst durch den von der
Antragstellerin beauftragten Dipl.-Ing. R. E. , dessen Handeln ihr zuzurechnen ist,
mit der Beantragung des Lageplans für den geplanten Neubau des Wohn- und
Bürogebäudes Rohbaukosten in Höhe von "ca. 100.000 €" angegeben. Soweit die
Antragstellerin mit ihrer Beschwerde geltend macht, dass der Rohbauwert auf
jeden Fall unter der Grenze von 75.000 € liege, hat sie diese Behauptung nicht
glaubhaft gemacht. Diese Angabe widerspricht bereits erheblich dem Wert von
142.758,51 €, der im Baugenehmigungsverfahren angesetzt worden war. Auch der
im Beschwerdeverfahren vorgelegte Zahlungsplan der ... GmbH, wonach die
Kosten für den Rohbau des Gebäudes 97.353 € betragen sollen, kann nicht dazu
führen, den in dem Bescheid vom 27. Juni 2002 über die Kostenberechnung
zugrundeliegenden Rohbauwert der niedrigeren Stufe von 75.000 bis 100.000 €
zuzuordnen. Der Antragsgegner hat insoweit zu Recht darauf hingewiesen, dass es
bei der Berechnung auf die tatsächlich entstandenen Rohbaukosten nicht
ankommt. Die Gebührenermittlung auf Grund des Maßstabes der
landesdurchschnittlichen Baukosten ist als solche inhaltlich nicht zu beanstanden.
Zugrunde liegt dem der Gedanke, dass die Rohbaukosten einen Anhaltspunkt für
den Nutzen eines Antragstellers aus dem Bauvorhaben und für den
Genehmigungsaufwand der Behörde darstellen. Das Abstellen auf die
landesdurchschnittlichen Rohbaukosten dient dabei - neben Gesichtspunkten der
Praktikabilität - insbesondere auch der Gebührengerechtigkeit, indem
Besonderheiten des einzelnen Bauvorhabens, die zwar die Rohbaukosten, nicht
aber den Nutzen für den Antragsteller oder den Genehmigungsaufwand der
Behörde beeinflussen - wie etwa besonderes kaufmännisches Geschick oder
Ungeschick des Bauherrn, besonders viele oder keine Eigenleistungen oder
ähnliches -, keine Berücksichtigung finden (vgl. Beschluss des Senats vom 15.
Januar 2001 - 5 TZ 3748/00 - und Urteile vom 4. April 1990 - 5 UE 2284/87 -,
ESVGH 40, 254 = HSGZ 91, 404 = NVwZ-RR 1991, 208, vom 1. Juni 1995 - 5 UE
1089/94 -, und vom 23. Januar 1996 - 5 UE 590/95 -, NVwZ-RR 1997, 438 = ZKF
1996, 206; zur Zulässigkeit pauschalierender Rohbaukosten vgl. auch OVG
Thüringen, Urteil vom 29. September 1999 - 1 KO 758/95 -, KStZ 2001, 97 und im
Anschluss BVerwG, Beschluss vom 18. April 2000 - 11 B 20/00 -, KStZ 2001, 34;
OVG Sachsen, Urteil vom 20. Februar 2003 - 1 B 380/01 -). Die
landesdurchschnittlichen Rohbaukosten sind ein Indiz für die Bedeutung der
Amtshandlung für den Antragsteller und den mit der Amtshandlung verbundenen
Genehmigungsaufwand. Für den Fall der Abweichung der tatsächlichen von den
durchschnittlichen Rohbaukosten sieht Nr. 6525 VwKostO-MWVL eine
Ermäßigungsmöglichkeit aus Billigkeitsgründen vor, "wenn die tatsächlichen
Rohbaukosten weniger als 50 % der bekanntgegebenen landesdurchschnittlichen
Rohbaukosten betragen". Dies entspricht der Rechtsprechung des Senats (vgl.
Urteil vom 23. Januar 1996, a.a.O.). Grundsätzlich ist bei derartigen Abweichungen
zu berücksichtigen, dass bereits denkgesetzlich die Zugrundelegung von
durchschnittlichen Rohbaukosten bei der Berechnung der Vermessungsgebühr
voraussetzt, dass die tatsächlichen Rohbaukosten im Einzelfall über, aber auch
unter diesen Durchschnittswerten liegen können. Liegt aber eine über den Regelfall
hinausgehende Unterschreitung der durchschnittlichen durch die tatsächlichen
Rohbaukosten vor, bietet die genannte Ermessensregelung in Verbindung mit § 17
Abs. 2 Hessisches Verwaltungskostengesetz - HVwKostG - eine ausreichende
Möglichkeit, Unbilligkeiten des Einzelfalles durch einen Billigkeitserlass zu
begegnen. Dabei trifft die Bauaufsichtsbehörde eine Ermessensentscheidung, ob
der Grad der Abweichung der tatsächlichen von den landesdurchschnittlichen
Rohbaukosten überhaupt eine Ermäßigung geboten erscheinen lässt und - in
einem zweiten Schritt - in welchem Umfang eine derartige Ermäßigung
vorzunehmen ist. Danach hat sich die Behörde von dem Prinzip der
Gebührengerechtigkeit als Ausprägung des Gleichheitsgrundsatzes leiten zu
lassen. Dieses erfordert, dass der Grad der Abweichung und der Grad der
Ermäßigung zueinander in einem angemessenen Verhältnis stehen muss. Legt
man diese Grundsätze im vorliegenden Verfahren zugrunde, lässt sich die
Gebührenfestsetzung durch den Antragsgegner nicht beanstanden, denn auch die
von der Antragstellerin selbst angegebenen Rohbaukosten unterschreiten die
genannte 50%-Grenze deutlich nicht. Auch die Voraussetzung für eine
Billigkeitsentscheidung nach § 17 Abs. 1 HVwKostG liegen nicht vor. Danach kann
die Behörde die Gebühr ermäßigen und von der Erhebung absehen, wenn dies mit
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die Behörde die Gebühr ermäßigen und von der Erhebung absehen, wenn dies mit
Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Gebührenpflichtigen oder sonst
aus Billigkeitsgründen geboten erscheint. Anhaltspunkte dafür, dass diese
Voraussetzungen ausnahmsweise im Fall der Antragstellerin erfüllt werden,
ergeben sich aus dem Beschwerdeantrag nicht. Im Übrigen wurde ein solcher
Billigkeitserlass bei dem Antragsgegner bisher auch nicht beantragt.
Es fehlt auch an der von der Antragstellerin geltend gemachten unbilligen Härte im
Sinne des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO. Eine unbillige Härte ist nur anzunehmen, wenn
durch die sofortige Vollziehung für den Betroffenen Nachteile entstehen, die über
die eigentliche Zahlung hinausgehen und die nicht oder nur schwer wieder
gutzumachen sind, insbesondere wenn die wirtschaftliche Existenz des
Abgabepflichtigen gefährdet wäre (BayVGH, Beschluss vom 25.1.1988 - 6 CS
87.03857 -, BayVBl. 1988, 727; OVG Bremen, Beschluss vom 12.3.1985 - 1 B 6/85
-, DVBl. 1985, 182; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17.3.1994 - 15 B
3022/93 -, NVwZ-RR 1994, 617). Die Antragstellerin hat nicht geltend gemacht,
dass der persönliche Billigkeitsgrund gerade in der Vollziehung der beiden
Bescheide selbst bzw. der sofortigen Zahlung liegt. Vielmehr behauptet sie, dass
die durchgeführten Pfändungsmaßnahmen ihre wirtschaftliche Situation erheblich
beeinträchtigen würden, vor allem im Hinblick auf die Beziehungen zu
Kreditinstituten und Geschäftspartnern. Die Antragstellerin hat damit allerdings
nicht dargelegt, dass sie hierdurch in ihrer wirtschaftlichen Existenz ernsthaft
gefährdet wird. Im Übrigen würde die behauptete Gefährdung ihrer Kreditwürdigkeit
lediglich in mittelbarem Zusammenhang mit der Vollziehung der angegriffenen
Bescheide stehen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über
den Streitwert aus den §§ 13 Abs. 1, 14 (analog), 20 Abs. 3 Gerichtskostengesetz -
GKG -.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO und § 25 Abs. 3 Satz 2
GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.