Urteil des HessVGH vom 28.01.1988

VGH Kassel: mündliche prüfung, prüfungsordnung, schriftliche prüfung, amtsblatt, prüfer, verordnung, anpassung, hochschulreife, fachhochschule, ausführung

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
6. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 UE 1281/85
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Leitsatz
Zur Anwendbarkeit der "Ordnung für die Zulassung zu den höheren Semestern;
Prüfungen, Zuerkennung der Hochschulreife an Absolventen an Ingenieurschulen" vom
15.03.1966 (ABl. des Hess. Kultusministers S. 332) auf Prüfungen in
Fachhochschulstudiengängen an der Gesamthochschule Kassel.
Tatbestand
Der Kläger studiert seit dem Wintersemester 1971/72 bei der Beklagten im
Fachhochschulstudiengang Elektrotechnik, Fachrichtung Nachrichtentechnik.
Mit Schreiben vom 1. November 1982 beantragte er seine Zulassung zur
Abschlußprüfung ohne Leistungsnachweis im Fach "Grundlagen der
Nachrichtentechnik". Der zuständige Prüfungsausschuß lehnte diesen Antrag in
seiner Sitzung vom 28. Januar 1983 ab. Daraufhin wandte sich der Kläger mit
einem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung an das Verwaltungsgericht
Kassel, das der Beklagten durch Beschluß vom 31. Januar 1983 aufgab, den Kläger
ohne den streitigen Leistungsnachweis zu der am 3. Februar 1983 beginnenden
Prüfung zuzulassen (III/3 G 62/83). In der Begründung der Entscheidung heißt es,
der Kläger könne entsprechend dem Erlaß des Hessischen Kultusministers vom 4.
Juni 1970 (Amtsblatt S. 707) zwischen einer Prüfung nach der "Ordnung für die
Zulassung zu den höheren Semestern; Prüfungen, Zuerkennung der
Hochschulreife an Absolventen an Ingenieurschulen" (Erlaß des Hessischen
Kultusministers vom 15. März 1966, Amtsblatt S. 332) und einer Prüfung nach den
Bestimmungen des durch Erlaß vom 23. April 1970 geänderten
Studienreformerlasses vom 17. März 1970 (Amtsblatt S. 703) wählen. In seinem
Schreiben vom 26. November 1982 habe er sich für eine Prüfung nach der
Prüfungsordnung aus dem Jahre 1966 entschieden. Die Voraussetzungen dieser
Prüfungsordnung für eine Zulassung zur Abschlußprüfung seien erfüllt.
Mit Schreiben vom 31. Januar 1983 teilte der Dekan des Fachbereichs
Elektrotechnik dem Kläger mit, nach Anlage 2 g (N) der Prüfungsordnung 1966
umfasse die Prüfung, zu der er durch Gerichtsbeschluß zugelassen worden sei,
Klausuren in den Prüfungsfächern Übertragungstechnik, Hochfrequenztechnik,
Technische Betriebslehre, Starkstromtechnik sowie Steuerungs- und
Regelungstechnik. Auf eine Prüfung im Fach "Starkstromtechnik" werde jedoch
verzichtet, da es sich hierbei nicht um ein Pflichtfach gehandelt habe.
Die schriftliche Prüfung fand in der Zeit zwischen dem 17. und 22. Februar 1983
statt. In seiner Sitzung vom 2. März 1983 setzte der Prüfungsausschuß die
Endnote in allen vier Prüfungsfächern auf "5" fest und erklärte die Prüfung für nicht
bestanden. Das Prüfungsergebnis wurde dem Kläger mit Bescheid vom 3. März
1983 mitgeteilt. Der Kläger hat diesen Bescheid, der keine Rechtsbehelfsbelehrung
enthielt, nicht angefochten.
Mit Schreiben vom 27. Januar 1984 meldete sich der Kläger zur
Wiederholungsprüfung an. Die schriftliche Prüfung, auf die durch Aushang des
Fachbereichs Elektrotechnik vom 6. Februar 1984 hingewiesen worden war, fand
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Fachbereichs Elektrotechnik vom 6. Februar 1984 hingewiesen worden war, fand
am 10., 11., 13. und 14. Februar 1984 statt. Die Klausuren des Klägers wurden wie
folgt bewertet:
Übertragungstechnik (Prof. Dr. S.): Note 6; Techn. Betriebslehre
1. Teil (Prof. Dr. E.): Note 6;
2. Teil (Prof. L.): Note 5,5 Gesamtnote: 6+ (festgesetzt von Prof. L.)
Hochfrequenztechnik (Prof. P.): Note 6;
Steuerungs- und Regelungstechnik (Prof. K.): Note 6+.
In seiner Sitzung vom 15. Februar 1984 lehnte der Prüfungsausschuß eine
mündliche Prüfung des Klägers ab und stellte fest, daß er die
Wiederholungsprüfung nicht bestanden habe. Gegen diese Entscheidung, die ihm
mit Schreiben vom 16. Februar 1984 mitgeteilt worden war, legte der Kläger mit
Schreiben vom 9. März 1984 Widerspruch ein. Der Widerspruch wurde mit
Bescheid des Beklagten vom 4. Mai 1984 zurückgewiesen.
Der Kläger hatte bereits mit Schreiben vom 2. März 1984 beim Verwaltungsgericht
in Kassel Klage gegen den Prüfungsbescheid vom 16. Februar 1984 erhoben und
beantragt, entweder die Prüfung aufgrund der schriftlichen Leistungen für
bestanden zu erklären oder ihn zu einer mündlichen Prüfung zuzulassen (III/3 E
398/84); dieses Verfahren ist später in der Hauptsache für erledigt erklärt worden.
Mit Schriftsatz vom 30. März 1984 beantragte er den Erlaß einer entsprechenden
einstweiligen Anordnung. Durch Beschluß vom 11. Mai 1984 gab das
Verwaltungsgericht der Beklagten unter Zurückweisung des Antrags im übrigen
auf, den Kläger innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung der Entscheidung
einer mündlichen Prüfung zu unterziehen (III/2 G 603/84). Die hiergegen von der
Beklagten erhobene Beschwerde wurde mit Beschluß des Senats vom 12. Juni
1984 zurückgewiesen (6 TG 1501/84).
Mit Schreiben vom 30. Mai 1984 wurde der Kläger zur mündlichen Prüfung
geladen. Die Ladung wurde am 19. Juni 1984 zur Post gegeben und dem Kläger
am 22. Juni 1984 zugestellt.
Die mündliche Prüfung fand am 25. und 27. Juni 1984 in Anwesenheit eines
Vertreters des Präsidenten der Beklagten statt. Die Prüfung wurde von den
Professoren T., F., H., K., P., S., W. und B. abgenommen; an der Prüfung im Fach
Steuerungs- und Regelungstechnik nahmen außerdem als Prüfer die Professoren
H. und K., an der Prüfung im Fach Technische Betriebslehre Prof. L. und an der
Prüfung in den Fächern Hochfrequenz- und Übertragungstechnik Prof. K. teil. Prof.
E., der den ersten Teil der schriftlichen Prüfung des Klägers im Fach Technische
Betriebslehre abgenommen hatte, war während der mündlichen Prüfung nicht
zugegen.
Die mündlichen Leistungen des Klägers in den einzelnen Prüfungsfächern wurden
wie folgt bewertet:
Steuerungs- und Regelungstechnik: Note 6 Hochfrequenztechnik: Note 6+
Übertragungstechnik: Note 6 Technische Betriebslehre: Note 5.
Im unmittelbaren Anschluß an die mündliche Prüfung setzte der Prüfungsausschuß
- bestehend aus den 12 Professoren, die an dieser Prüfung teilgenommen hatten -
die Endnote in den einzelnen Prüfungsfächern unter Berücksichtigung der
jeweiligen Vornote auf 5 fest und erklärte die Wiederholungsprüfung erneut für
nicht bestanden. Gegen diese ihm mit Schreiben vom 28. Juni 1984 mitgeteilte
Entscheidung legte der Kläger mit Schreiben vom 4. Juli 1984 Widerspruch ein, den
die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. August 1984 als unbegründet
zurückwies.
Der Kläger hatte sich bereits mit Schreiben vom 20. Juli 1984 erneut im Wege des
Eilverfahrens an das Verwaltungsgericht Kassel gewandt. Seinen Antrag, die
jetzige Beklagte zu verpflichten, ihm ein vorläufiges Zeugnis über das Bestehen
der Wiederholungsprüfung auszuhändigen, hilfsweise, die Prüfung nach
Fachschulniveau zu wiederholen, lehnte das Gericht mit Beschluß vom 22. Oktober
1984 ab (III/3 G 1334/84). Die hiergegen erhobene Beschwerde wies der Senat
durch Beschluß vom 14. Januar 1985 zurück (VI TG 2803/84).
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Mit Schriftsatz vom 5. Juli 1984 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Er
hat sinngemäß beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Prüfungsbescheids vom 28. Juni 1984 und
des Widerspruchsbescheids vom 22. August 1984 zu verpflichten, die
Wiederholungsprüfung für bestanden zu erklären,
hilfsweise,
die Prüfung erneut nach Fachschulniveau durchzuführen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 26. Juni 1985
unter Bezugnahme auf die Gründe seines Beschlusses vom 22. Oktober 1984
zurückgewiesen. Gegen diesen ihm am 8. Juli 1985 zugestellten Gerichtsbescheid
hat der Kläger mit am 10. Juli 1985 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 9.
Juli 1985 Berufung eingelegt.
Er ist der Auffassung, ihm seien in der Prüfung Aufgaben gestellt worden, die im
Hinblick auf ihren Schwierigkeitsgrad für eine Fachhochschul-, nicht aber für eine
Ingenieurprüfung auf Fachschulniveau angemessen gewesen seien. Schriftliche
Leistungen im Fach "Steuerungs- und Regelungstechnik" seien früher nicht üblich
gewesen. Zwei Prüfungsaufgaben im Fach "Technische Betriebslehre" seien in den
Vorlesungen nicht behandelt worden. Die Zeit für die Anfertigung der
Aufsichtsarbeit im Fach "Übertragungstechnik" sei zu kurz bemessen gewesen. Die
Aufgabenstellung sei im übrigen unverständlich und kompliziert gewesen.
Der Termin zur mündlichen Prüfung sei ihm so spät bekannt gegeben worden, daß
er sich nicht genügend habe vorbereiten können. Außerdem sei er nicht nur in
einem Prüfungsfach seiner Wahl geprüft worden. Während der Vorbereitung auf die
mündliche Prüfung im Fach "Hochfrequenztechnik" sei er durch eine
Aufsichtsperson, die sich ihm gegenüber auf den Tisch gesetzt habe, in seiner
Konzentration gestört worden. Das habe er am nächsten Prüfungstag gegenüber
dem anwesenden Vertreter des Präsidenten der Beklagten gerügt.
Die Prüfer seien ihm gegenüber voreingenommen gewesen, weil er langjährige
Auseinandersetzungen mit den im zuständigen Fachbereich tätigen Professoren
geführt habe. Insgesamt habe man erreichen wollen, daß er die
Wiederholungsprüfung nicht bestehe, um ihn zwangsexmatrikulieren zu können.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den am 26. Juni 1986 beratenen Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts
Kassel abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Prüfungsbescheids vom
28. Juni 1984 und des Widerspruchsbescheids vom 22. August 1984 zu
verpflichten, die Wiederholungsprüfung für bestanden zu erklären,
hilfsweise,
die Prüfung erneut nach Fachschulniveau durchzuführen,
höchsthilfsweise,
den Prüfungsbescheid der Beklagten vom 28. Juni 1984 in der Fassung des
Widerspruchsbescheids vom 22. August 1984 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie weist darauf hin, daß der Fachhochschulstudiengang Elektrotechnik bereits
eingerichtet gewesen sei, als der Antragsteller im Wintersemester 1971/72 sein
Studium aufgenommen habe. Die Absolventen dieses Studiengangs führten zwar
seit dem Sommersemester 1979 nicht mehr die Bezeichnung graduierter
Ingenieur, sondern Diplom-Ingenieur. Daraus könne jedoch nicht geschlossen
werden, daß sich die Studien- oder Prüfungsanforderungen verschärft hätten. Die
Änderung habe lediglich der einheitlichen Bezeichnung der Abschlüsse im
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Änderung habe lediglich der einheitlichen Bezeichnung der Abschlüsse im
Hochschulwesen gedient. Auch sonst sei nicht erkennbar, daß die Prüfung an
einem rechtlichen Mangel gelitten habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen
Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Kassel mit dem Aktenzeichen III/3 E 398/84
und III/3 G 1334/84, die Restakte des Beschwerdeverfahrens 6 TG 1501/84, die von
der Beklagten übersandten Verwaltungsvorgänge (1 Ordner und 2 Hefter) sowie
auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Klägers gegen den am 26. Juni 1986 beratenen
Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Kassel hat teilweise Erfolg. Der
Prüfungsbescheid der Beklagten vom 28. Juni 1984 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 22. August 1984 ist unter entsprechender
Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung aufzuheben, denn er ist
rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die weitergehende Berufung ist dagegen unbegründet.
1. Der Kläger möchte in erster Linie erreichen, daß die Prüfung für bestanden
erklärt wird. Diesem Begehren hat das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht
nicht entsprochen, wobei es dahingestellt bleiben kann, ob die Prüfungsleistungen
des Klägers ordnungsgemäß ermittelt, aber falsch bewertet worden sind. Die
Abschlußprüfung besteht gemäß §§ 36 Nr. 1 und 3, 40 Satz 1 und 47 Satz 2 in
Verbindung mit § 48 Abs. 2 der von der Beklagten angewandten "Ordnung für die
Zulassung zu den höheren Semestern; Prüfungen, Zuerkennung der
Hochschulreife an Absolventen an Ingenieurschulen" vom 15. März 1966
(Amtsblatt des Hessischen Kultusministers S. 332) in der Fassung des
Änderungserlasses vom 10. Juli 1967 (Amtsblatt S. 657) aus einer schriftlichen
Prüfung in den in Nr. 2 der Anlage 2 g (N) aufgeführten Prüfungsfächern und einer
mündlichen Prüfung in mindestens einem vom Prüfungsausschuß bestimmten
Prüfungsfach. Nach § 51 Abs. 1 der Prüfungsordnung ist die Prüfung bestanden,
wenn der Prüfungskandidat in allen Prüfungsfächern mindestens ausreichende
Endnoten erzielt hat, wobei die Endnoten in den einzelnen Prüfungsfächern gemäß
§ 50 Satz 1 der Prüfungsordnung aus der jeweiligen Vornote und den Noten für die
Leistungen im schriftlichen und mündlichen Teil der Prüfung gebildet werden. Im
Falle des Klägers hat der Prüfungsausschuß die Endnoten in allen Prüfungsfächern
auf "mangelhaft" festgesetzt. Bestanden hätte er die Prüfung deshalb nur dann,
wenn sämtliche Endnoten um mindestens eine Note angehoben würden. Die
Verbesserung sämtlicher Endnoten um mindestens eine Note setzt eine neue
Bewertung oder Gewichtung der vom Kläger erbrachten Prüfungsleistungen
voraus. Dazu wären nur die Prüfer befugt. Ein Gericht kann eine Prüfung nur dann
für bestanden erklären, wenn die Bewertung einer ordnungsgemäß ermittelten
Prüfungsleistung an einem Fehler leidet, der ohne Verletzung des
Bewertungsvorrechts und des daraus resultierenden fachlich-wissenschaftlichen
Beurteilungsspielraums der Prüfer korrigiert werden kann, beispielsweise wenn
ihnen bei einer vorgeschriebenen rechnerischen Ermittlung des
Prüfungsergebnisses ein Fehler unterlaufen ist (vgl. dazu Niehues, Schul- und
Prüfungsrecht, 2. Auflage 1983, RdNrn. 433, 435 f, 482 f und 488). Diese
Voraussetzungen sind im vorliegenden Falle nicht erfüllt. Die vom Kläger
behaupteten Bewertungsfehler könnten nur dazu führen, daß der
Prüfungsausschuß im Wege eines Bescheidungsurteils nach § 113 Abs. 4 Satz 2
VwGO dazu verpflichtet würde, erneut über das Ergebnis der Prüfung zu
entscheiden. Das begehrt der Kläger jedoch nicht. Seinem ersten Hilfsantrag ist
vielmehr zu entnehmen, daß er die gesamte Prüfung einschließlich der
Prüfungsleistungen wiederholen will, wenn die Prüfung nicht für bestanden erklärt
wird. Der Hauptantrag muß deshalb in vollem Umfange abgewiesen werden.
2. Auch der Hilfsantrag, mit dem der Kläger begehrt, die Beklagte zur erneuten
Durchführung der Wiederholungsprüfung auf einem Niveau unterhalb des
Fachhochschulniveaus zu verpflichten, ist nicht begründet. Der geltend gemachte
Anspruch scheitert bereits daran, daß der Kläger von Anfang an in einem
Fachhochschulstudiengang der Beklagten immatrikuliert war und sich auch in der
Abschlußprüfung an diesen Anforderungen messen lassen muß. Die Beklagte ist
deshalb nicht verpflichtet und rechtlich und tatsächlich auch nicht in der Lage, die
vom Kläger gewünschte Prüfung durchzuführen.
3. Der auf die Aufhebung des Prüfungsbescheids vom 28. Juni 1984 in der Fassung
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3. Der auf die Aufhebung des Prüfungsbescheids vom 28. Juni 1984 in der Fassung
des Widerspruchsbescheids vom 22. August 1984 gerichtete Hilfsantrag hat
dagegen Erfolg.
Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig. Dabei kann es dahingestellt bleiben,
ob das Begehren des Klägers, die Prüfungsentscheidung isoliert aufzuheben, in
seinem bisherigen Klagevorbringen hinreichend zum Ausdruck gekommen ist.
Denn die Beklagte hat sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ohne
Widerspruch auf den Antrag eingelassen und damit jedenfalls gemäß § 125 Abs. 1
in Verbindung mit § 91 Abs. 1 und 2 VwGO in eine eventuelle Klageänderung
eingewilligt.
Die Klage ist auch begründet.
Der Kläger hat die Wiederholungsprüfung im zeitlichen Geltungsbereich des
Hessischen Hochschulgesetzes - HHG - vom 6. Juni 1978 (GVBl. I S. 319) in der
Fassung des Änderungsgesetzes vom 10. Oktober 1980 (GVBl. I S. 391) abgelegt.
Nach § 57 Abs. 1 1. Halbsatz HHG werden Hochschulprüfungen aufgrund von
Prüfungsordnungen durchgeführt, die gemäß § 22 Abs. 5 Satz 1 des Gesetzes
über die Universitäten des Landes Hessen - HUG - vom 6. Juni 1978 (GVBl. I S.
348) vom zuständigen Fachbereich zu erlassen sind, sofern es sich bei der
Hochschule um eine Universität handelt. Letzteres ist bei der Beklagten der Fall (§
2 Abs. 1 Nr. 1 HHG und § 2 HUG). Die Prüfungsordnung für Prüfungen an
Ingenieurschulen, die die Beklagte der Prüfung des Klägers zugrundegelegt hat, ist
weder von dem durch § 1 Nr. 16 der Verordnung über die Bildung von
Fachbereichen und Studienbereichen an der Gesamthochschule Kassel vom 17.
Oktober 1978 (GVBl. I S. 671) gebildeten Fachbereich Elektrotechnik noch von der
Organisationseinheit Elektrotechnik verabschiedet worden, die gemäß § 52 Abs. 2
Satz 3 HUG bis zur Bildung der Organe des neugegründeten Fachbereichs ihre
Aufgaben nach diesem Gesetz wahrnahmen; dazu gehörte gemäß § 15 Abs. 2 Nr.
3 der Verordnung zur Ausführung des Gesetzes über die Errichtung der
Gesamthochschule in Kassel vom 28. April 1972 (GVBl. I S. 105) auch der Erlaß der
einschlägigen Prüfungsordnungen. Vielmehr handelt es sich bei der vom
Hessischen Kultusminister erlassenen Prüfungsordnung für Prüfungen an
Ingenieurschulen um eine Vorschrift, die aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des
Hessischen Hochschulgesetzes stammt.
§ 82 Satz 1 1. Halbsatz HHG bestimmt zwar, daß die im Zeitpunkt des
Inkrafttretens des Hessischen Hochschulgesetzes noch geltenden akademischen
Prüfungsordnungen weiter in Kraft bleiben. Die von der Beklagten angewandte
Prüfungsordnung ist jedoch keine akademische Prüfungsordnung im Sinne dieser
Überleitungsvorschrift, denn sie regelt keine Hochschul-, sondern eine schulische
Prüfung. Die Prüfungsordnung für Prüfungen an Ingenieurschulen hat ihre
Grundlage in § 37 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Nr. 5 des Schulverwaltungsgesetzes vom
28. Juni 1961 (GVBl. I S. 87). In dieser Vorschrift heißt es, daß der Minister
allgemeine Schulordnungen erläßt, die insbesondere Bestimmungen für Prüfungen
enthalten. Solche Prüfungsbestimmungen konnten auch für Ingenieurschulen
erlassen werden, denn auf Ingenieurschulen fand dieses Gesetz gemäß § 8 Abs. 1
Satz 1 Anwendung, soweit sich aus der Sache nichts anderes ergab. Auch der
Erlaß des Hessischen Kultusministers vom 4. Juni 1970 (ABl. S. 707), der
Studierenden an Ingenieurschulen das Recht zubilligte, die Prüfung ab dem
Sommersemester 1970 entweder nach der Prüfungsordnung aus dem Jahre 1966
oder nach Nr. 7 des Erlasses vom 17. März 1970 in der Fassung des
Änderungserlasses vom 23. April 1970 (ABl. S. 703) abzulegen, beruhte auf § 37
Abs. 3 Satz 1 des Schulverwaltungsgesetzes vom 28. Juni 1961, das gemäß § 70
des Gesetzes in der Fassung vom 30. Mai 1969 (GVBl. I S. 88) bis zum Erlaß eines
Fachhochschulgesetzes in der bisherigen Fassung weitergalt.
Die Prüfungsordnung von 1966 verlor mit der Überleitung der staatlichen
Ingenieurschulen in die neuerrichteten Fachhochschulen nach § 44 des
Fachhochschulgesetzes vom 15. Juli 1970 (GVBl. I S. 414) ihre Funktion.
Studierende, die ihr Studium im Zeitpunkt der Errichtung der Fachhochschulen an
einer öffentlichen oder staatlich anerkannten privaten Ingenieurschule begonnen
hatten, konnten das Studium zwar gemäß § 45 Abs. 1 des Fachhochschulgesetzes
nach den bisherigen Vorschriften abschließen, die gemäß § 49 des Gesetzes bis
zum Inkrafttreten der gemäß §§ 21 Abs. 2 Satz 1, 29 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 von den
Fachbereichen zu erlassenden Prüfungsordnungen weitergalten. Das
Fachhochschulgesetz und damit auch die Vorschrift des § 49 trat jedoch gemäß
Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zum weiteren Ausbau der Gesamthochschule Kassel
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Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zum weiteren Ausbau der Gesamthochschule Kassel
vom 13. Juli 1971 (GVBl. I S. 190) wieder außer Kraft, soweit es sich auf die in die
Gesamthochschule Kassel eingegliederte Fachhochschule Kassel bezog. Das
Hessische Hochschulgesetz vom 12. Mai 1970 (GVBl. I S. 315), das Gesetz über
die Errichtung der Gesamthochschule in Kassel vom 24. Juni 1970 (GVBl. I S. 378)
und das Gesetz vom 13. Juli 1971 enthielten keine Bestimmungen über die
vorläufige Weitergeltung der für Prüfungen an den früheren Ingenieurschulen
erlassenen Vorschriften. § 5 Abs. 1 der vom Hessischen Kultusminister erlassenen
Verordnung zur Ausführung des Gesetzes über die Errichtung der
Gesamthochschule in Kassel vom 28. April 1972 bestimmte zwar, daß
Studiengänge, für die die Zugangsvoraussetzungen für ein Studium an einer
Fachhochschule gelten, mit Prüfungen und Graduierungen nach Maßgabe der für
Fachhochschulen anzuwendenden Vorschriften abschließen. Diese Vorschrift steht
jedoch mit höherrangigem Recht nicht in Einklang. Zum einen war der Minister
gemäß § 2 Abs. 4 und § 3 Satz 2 des Gesetzes über die Errichtung der
Gesamthochschule in Kassel vom 24. Juni 1970 in der Fassung des
Änderungsgesetzes vom 13. Juli 1971 nur ermächtigt, vorläufige Regelungen über
die Bereiche und Einrichtungen der Gesamthochschule und ihre Gliederung und
die Anwendung der für Mitglieder und Angehörige der anderen Hochschulen
geltenden Vorschriften auf Mitglieder und Angehörige der Gesamthochschule zu
treffen sowie dem Gründungsbeirat Aufgaben eines zentralen Organs der
Gesamthochschule zu übertragen; zur Regelung des Prüfungswesens war er
dagegen nicht befugt. Zum anderen verstößt die in § 5 Abs. 1 der Verordnung
getroffene Regelung gegen § 1 Abs. 5 Satz 1 des Gesetzes zum weiteren Ausbau
der Gesamthochschule Kassel in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 13. Juli
1971, wonach die Bestimmungen des Fachhochschulgesetzes auf die an der
Gesamthochschule fortgeführten Fachhochschulstudiengänge der ehemaligen
Fachhochschule Kassel keine Anwendung finden.
Letztlich kann jedoch die Frage, ob es sich bei der vom Hessischen Kultusminister
erlassenen Prüfungsordnung für Prüfungen an Ingenieurschulen um eine auf
Prüfungen bei der Beklagten anwendbare Prüfungsordnung im Sinne des § 82 Satz
1 1. Halbsatz HHG gehandelt hat, dahingestellt bleiben. Jedenfalls hätte die
Prüfungsordnung gemäß § 82 Satz 2 HHG bis zum Beginn des Wintersemesters
1982/83 den geltenden gesetzlichen Bestimmungen angepaßt werden müssen,
soweit sie mit diesen nicht in Einklang stand. Beispielsweise wäre es im Hinblick auf
§ 57 Abs. 1 Nr. 6, 10 und 11 HHG erforderlich gewesen, die Prüfungsordnung um
Regelungen über die Dauer der mündlichen Prüfung, die Gewichtung der einzelnen
Prüfungsfächer und die Grundsätze für die Bewertung der einzelnen
Prüfungsleistungen und -vorleistungen zu ergänzen. Eine solche Ergänzung hat
nicht stattgefunden. Welche Rechtsfolge eintritt, wenn die erforderliche Anpassung
einer Prüfungsordnung unterbleibt, ist zwar im Gesetz nicht geregelt. Daraus kann
jedoch nicht entgegen der Auffassung der Beklagten geschlossen werden, daß die
Prüfungsordnung gültig bleibt und lediglich ihre Anpassung an die geltenden
gesetzlichen Bestimmungen nach § 19 Abs. 3 HHG erzwungen werden kann.
Vielmehr folgt bereits aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen, daß eine inhaltlich mit
höherrangigem Recht nicht in Einklang stehende Vorschrift nach Ablauf der für
eine Anpassung vorgeschriebenen Frist unwirksam wird. Diese Rechtsfolge ergreift
wegen der Schwere der aufgezeigten Mängel die gesamte von der Beklagten
angewandte Prüfungsordnung.
Die jedenfalls seit Beginn des Wintersemesters 1982/83 nicht mehr wirksame
Prüfungsordnung durfte der im Frühjahr 1984 stattfindenden Prüfung des Klägers
auch nicht deshalb zugrundegelegt werden, weil der Kläger einen Anspruch darauf
hat, daß die zu Beginn seiner Ausbildung herrschenden Prüfungsbedingungen im
Verlaufe seines Studiums nicht oder jedenfalls nicht in unzumutbarer Weise zu
seinem Nachteil geändert werden (vgl. dazu Niehues, a.a.O., Anm. 360). Diesem
Grundsatz ist zwar bei der inhaltlichen Ausgestaltung einer Prüfungsordnung
Rechnung zu tragen; er rechtfertigt es jedoch nicht, eine nicht mehr gültige
Prüfungsordnung weiter anzuwenden. Auch das in Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes
verankerte Gleichbehandlungsgebot bietet dafür keine Grundlage. Die in der
Anwendung der Prüfungsordnung für Prüfungen an Ingenieurschulen bestehende
Prüfungspraxis der Beklagten war jedenfalls seit dem Wintersemester 1982/83
rechtswidrig. Nach der Rechtsprechung des Senats (Beschluß vom 7. April 1982 -
VI TG 189/82 -) kann zwar aus Gründen des Vertrauensschutzes die Beibehaltung
einer rechtswidrigen Prüfungspraxis verlangt werden, wenn die Abkehr von der
bisherigen Verwaltungsübung nicht dazu geeignet ist, rechtmäßige Zustände
herbeizuführen. Im Hinblick auf die in § 82 Satz 2 HHG getroffene Regelung
erscheint es jedoch zweifelhaft, ob der Kläger noch nach Ablauf des
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erscheint es jedoch zweifelhaft, ob der Kläger noch nach Ablauf des
Sommersemesters 1982 auf die Beibehaltung einer mit dem geltenden Recht
nicht mehr in Einklang stehenden Prüfungspraxis vertrauen durfte. An der
Rechtswidrigkeit der Vorgehensweise der Beklagten ändert sich dadurch jedenfalls
nichts.
Der objektiv rechtswidrige Prüfungsbescheid der Beklagten verletzt den Kläger als
belastender Verwaltungsakt zumindest in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 des
Grundgesetzes und ist deshalb gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben. Die
Prüfung vom Frühjahr 1984 gilt damit als nicht unternommen und muß auf Antrag
des Klägers wiederholt werden. Daß er jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt einen
Prüfungsanspruch hatte, dürfte zwischen den Parteien unstreitig sein. Dieser
Anspruch ist durch das zwischenzeitlich erfolgte Auslaufen des
Fachhochschulstudiengangs Elektrotechnik nicht erloschen, denn für die
Wiederholung der Prüfung kommt es auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt
des ungültigen Prüfungsversuchs an. Der Prüfungsanspruch ist auch trotz der
langen Studiendauer des Klägers nicht verwirkt, denn er hat der Beklagten keinen
Anlaß zu der Annahme gegeben, er werde seine Prüfung innerhalb der normalen
Studienzeit ablegen. Der Kläger hat allerdings nur Anspruch darauf, daß eine
erneute Prüfung auf Fachhochschulniveau durchgeführt wird, denn er war - wie
bereits an anderer Stelle ausgeführt - immer nur im Fachhochschulstudiengang
Elektrotechnik immatrikuliert.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der
Kosten beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen
nicht vor.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.