Urteil des HessVGH vom 26.04.1991

VGH Kassel: getreide, betriebsstätte, halle, handel, grundstück, hessen, behandlung, stadt, form, anlagevermögen

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
14. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
14 UE 1422/88
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 2 Abs 2 S 1 Nr 3 InvZulG
1982
(Investitionszulagebescheinigung: Investitionsplan;
überregionaler Absatz)
Tatbestand
Der Kläger betreibt Handel mit Getreide, Saaten, Futter- und Düngemitteln sowie
Mineralölen. Im Abrechnungs-Zeitraum 1984/85 -- nach Ausgliederung eines
Tankstellenbetriebes -- entfielen von seinem Gesamtumsatz von nahezu 8 Mio.
DM ein knappes Viertel auf den Mineralölhandel, ein weiteres knappes Viertel auf
den sonstigen Handel und mehr als die Hälfte auf die von ihm so genannte
Getreideverarbeitung. Mit letzterer hat es folgende Bewandtnis: Der Kläger
unterhält einen Silo und eine Lagerhalle mit einer Annahme-Leistung von 100 t je
Stunde. Durchlauftrockner, Kühlaggregat und Temperaturmeßgerät der Anlage
sind dem neuesten Stand angepaßt und ermöglichen dem Kläger, die aus der
näheren Umgebung seiner Betriebsstätte eingelagerten Getreidesorten auf
Qualität zu untersuchen, entsprechend zu separieren, nach individuellen
Wünschen der Abnehmer zu mischen und Qualitätsstandards zu garantieren. Das
so behandelte Getreide wird fast ausschließlich an Großabnehmer in Nordrhein-
Westfalen verkauft.
In den Jahren 1984 bis 1986 wollte der Kläger bzw. seine Rechtsvorgängerin die
Betriebsstätte erweitern und zugleich in das Industriegebiet der Stadt H verlegen.
Dabei wollte er 1,4 Mio. DM im abnutzbaren Anlagevermögen investieren und
damit fünf Stahlbeton-Rundsilos mit zusammen 2.000 t Lagerkapazität, einen
Laborbetrieb und eine Halle mit Verwaltungsgebäude errichten. Laborbetrieb sowie
Halle mit Verwaltungsgebäude sind bis zum Jahre 1988 nicht errichtet worden, weil
sich das dafür ursprünglich vorgesehene Grundstück aus
immissionsschutzrechtlichen Gründen als ungeeignet erwies. Für die Errichtung
von fünf Stahlbeton-Rundsilos nebst den dazugehörigen Förderelementen, der
Elektroeinrichtung und der Kühlung sowie für die Anschaffung eines LKW's sind bis
zum Jahre 1988 814.340,-- DM investiert worden.
Den unter dem 18. März 1985 gestellten Antrag auf Erteilung einer
Investitionszulagebescheinigung wies die Beklagte durch Bescheid vom 7. Oktober
1985 zurück mit der Begründung, der Betrieb des Klägers sei dem Handel
zuzurechnen und erbringe keine Leistungen, die ihrer Art nach überwiegend
überregional abgesetzt würden. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte
mit Widerspruchsbescheid vom 25. September 1986 zurück, wobei sie ergänzend
ausführte, die Behandlung des Getreides in der Betriebsstätte des Klägers
verändere den Charakter des Betriebes als Dienstleistungsbetrieb nicht. Die
Dienstleistungen dieses Betriebes würden schon deshalb nicht ihrer Art nach
überwiegend überregional abgesetzt, weil das Getreide aus der Förderregion selbst
bezogen werde und somit lediglich den vorhandenen Bedarf befriedige.
Der Kläger hat am 27. Oktober 1986 Klage erhoben und gemeint, er sei als
Spezialunternehmen der Getreidebranche anzusehen, weil er das Getreide
besonders behandele und dadurch ein für den Verkauf geeignetes Produkt
überhaupt erst herstelle.
Der Kläger hat beantragt,
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den Bescheid der Beklagten vom 7. Oktober 1985 in der Form des
Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 25. September 1986 aufzuheben und
die Beklagte zu verpflichten, die Zulagebescheinigung zu erteilen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen,
und sich auf ihre angegriffenen Bescheide bezogen.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 16. Februar
1988 zurückgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt: Es erscheine
schon sehr zweifelhaft, ob die Leistungen des Betriebes des Klägers, die als
Dienstleistungen anzusehen seien, ihrer Art nach überwiegend überregional
erbracht würden, weil lediglich Naturprodukte aus dem umliegenden ländlichen
Raum aufgenommen und verteilt würden. Das könne aber letztlich offenbleiben,
denn der Anspruch auf Erteilung der begehrten Investitionszulagebescheinigung
scheitere schon daran, daß die vorgesehene Investitionsmaßnahme nicht
innerhalb des 3-Jahreszeitraums durchgeführt worden sei. Mit der
Betriebsverlagerung sei 1984 begonnen worden, sie sei aber bis Anfang 1988 nicht
abgeschlossen gewesen. Technische oder sonstige Gründe außerhalb des
Einflußbereiches des Investors seien hierfür nicht ursächlich gewesen.
Gegen diesen ihm am 23. Februar 1988 zugestellten Gerichtsbescheid hat der
Kläger am 22. März 1988 Berufung eingelegt, die er wie folgt begründet hat: Zu
Unrecht habe das Verwaltungsgericht angenommen, daß die Leistungen des
Klägers nicht überwiegend überregional abgesetzt würden. Die Vermarktung des
Getreides im Einzugsgebiet stelle vielmehr die Ausnahmesituation dar. Raps werde
sogar ausschließlich überregional abgesetzt; Rapsmühlen gebe es nämlich nur im
Rheinischen Becken. Der Kläger habe im übrigen nicht zu vertreten, daß die
Investitionsmaßnahme nicht in einem 3-Jahreszeitraum abgeschlossen worden sei.
Das Vorhaben sei deshalb ins Stocken geraten, weil ein Gutachten des TÜV
Hessen vom 14. Mai 1985 ergeben habe, daß die von einer benachbarten Gießerei
ausgehende ökologische Vorbelastung den Ausbau des Labors und der Lagerhalle
auf dem vorgesehenen Grundstück nicht tunlich erscheinen ließen. Seine weiteren
Aktivitäten erläutert der Kläger im einzelnen.
Er beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 16.
Februar 1988 und die Bescheide der Beklagten vom 7. Oktober 1985 und 25.
September 1986 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm die begehrte
Investitionszulagebescheinigung zu erteilen,
hilfsweise
die Beklagte zu verpflichten, ihm die Zulagebescheinigung insoweit zu erteilen,
als sie sich auf eine Investition in Höhe von 814.340,-- DM für die Errichtung von
fünf Stahlbeton-Rundsilos nebst den dazugehörigen Förderelementen, der
Elektroeinrichtung und der Kühlung sowie für die Anschaffung eines LKW's bezieht,
und in diesem Umfang die angefochtene Entscheidung sowie die Bescheide der
Beklagten aufzuheben.
Die Beklagte verteidigt den Gerichtsbescheid und beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird auf den Inhalt ihrer
Schriftsätze sowie auf den beigezogenen einschlägigen Verwaltungsvorgang der
Beklagten (1 Hefter), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist,
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht
abgewiesen. Die mit dem Hauptantrag begehrte Investitionszulagebescheinigung
kann dem Kläger nicht erteilt werden. Die Investitionsmaßnahme des Klägers ist
nicht volkswirtschaftlich besonders förderungswürdig im Sinne des § 2 Abs. 2 des
Investitionszulagengesetzes in der hier anzuwendenden Fassung der
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Investitionszulagengesetzes in der hier anzuwendenden Fassung der
Bekanntmachung vom 4. Juni 1982 (BGBl. I S. 646), im folgenden: InvZulG 1982.
Eine von einem einheitlichen Investitionsplan getragene Investitionsmaßnahme
liegt nämlich nicht vor.
Nach seinem Antrag vom 18. März 1985 beabsichtigte der Kläger mit dem Bau
von fünf Stahlbeton-Rundsilos, dem Laborbetrieb und der Halle mit
Verwaltungsgebäude die Verlegung der bestehenden und somit die Errichtung
einer neuen Betriebsstätte. Im vorgesehenen Investitionszeitraum 1984 bis 1986
sind lediglich die fünf Rundsilos gebaut worden. Die weiteren Maßnahmen sind ins
Stocken geraten, weil sich das vorgesehene Grundstück als ökologisch vorbelastet
erwiesen hat. Ob, wann und wo die vorgesehenen Maßnahmen überhaupt noch
durchgeführt werden können, hat der Kläger weder in seinem letzten Schriftsatz
vom 25. April 1991 noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat verbindlich
angeben können. Der Kläger führt zur Zeit Sondierungsgespräche mit den
Behörden. Ein den eventuell weiteren Investitionsmaßnahmen zugrundeliegender
einheitlicher Investitionsplan ist somit nicht mehr erkennbar, ganz abgesehen
davon, daß allein der Zeitablauf -- der ursprünglich vorgesehene
Investitionszeitraum liegt fünf Jahre zurück -- der Annahme eines einheitlichen
Investitionsvorhabens entgegensteht.
Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es nicht darauf an, ob die
Investitionen aus technischen oder sonstigen dem Einflußbereich des Investors
entzogenen Gründen nicht durchgeführt worden sind. Denn diese vom
Bundesverwaltungsgericht entwickelten Überlegungen (BVerwG, U. v. 23.07.82 -- 7
C 121.80 -- Buchholz 451.56 Nr. 16) helfen nur dort, wo die Durchführung einzelner
Investitionsmaßnahmen eines einheitlichen Investitionsvorhabens in dem
grundsätzlich dreijährigen Investitionszeitraum aus nicht von dem Investor zu
vertretenden Gründen nicht möglich ist. Vorliegend ist aber das von einem
einheitlichen Investitionsplan umfaßte ursprüngliche Investitionsvorhaben als
Ganzes aufgegeben worden. Ob und unter welchen Umständen ein neues
Vorhaben an dessen Stelle treten wird, ist offen und für diese Entscheidung nicht
von Bedeutung.
Dem Kläger kann auch entsprechend seinem Hilfsantrag nicht eine auf den
Umfang seiner durchgeführten Investitionen beschränkte
Investitionszulagebescheinigung erteilt werden. Denn die in seiner Betriebsstätte
erbrachten Leistungen werden nicht ihrer Art nach regelmäßig überregional
abgesetzt im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InvZulG 1982. Wie der erkennende
Senat bereits in seinem Urteil vom 5. Oktober 1990 -- 14 UE 2671/85 --
festgestellt hat, erfolgen Umschlag, Lagerung, Säuberung, Trocknung,
Konservierung, Bonitierung und Klassifizierung von Getreide typischerweise
regional, indem nämlich auf ein in der Region erzeugtes Produkt reagiert wird.
Dieser regionale Dienstleistungscharakter verändert sich nicht dadurch, daß
Getreide im Einzelfall über weite Entfernungen hin verkauft wird. Denn die
typisierende Betrachtung des "Artkriteriums" in § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InvZulG
1982 schließt einen Nachweis, daß im Einzelfall Getreide in großen Mengen
überregional abgesetzt wird, aus. Darüber hinaus ist hier gegen den Kläger aber
auch schon entscheidend, daß von der Dienstleistung keine Anstoßwirkung für die
Wirtschaft der Förderregion ausgeht. Nach dem letzten Halbsatz der Nr. 3 des § 2
Abs. 2 Satz 1 InvZulG 1982 muß das Investitionsvorhaben aber geeignet sein,
unmittelbar und auf die Dauer das Gesamteinkommen in dem jeweiligen
Wirtschaftsraum nicht unwesentlich zu erhöhen. Daran fehlt es bei dem ähnlich wie
die Produktion von Rohstoffen zu beurteilenden Verkauf von Getreide. Der Kläger
irrt, wenn er meint, dieser Einschätzung mit dem Einwand begegnen zu können,
die von ihm vorgenommene besondere Behandlung des Getreides verleihe seiner
Tätigkeit den Charakter eines produzierenden Gewerbes; mindestens müsse er
einer Spezialbranche des Dienstleistungsgewerbes zugerechnet werden. Auch in
diesem Falle würde es an der auch "Primäreffekt" genannten besonderen
Anstoßwirkung für die wirtschaftliche Entwicklung der Förderregion fehlen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.