Urteil des HessVGH vom 23.11.1992

VGH Kassel: juristische person, butter, rücknahme, rückforderung, wechsel, weiterverkauf, merkblatt, beihilfe, verbrauch, geschäftsführung

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
8. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 UE 1433/89
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 48 Abs 2 VwVfG, § 8
MilchFettVerbrV 1984
(Rücknahme eines Subventionsbescheids wegen
Mißachtung der EG-Kennzeichnungspflicht für verbilligte
Butterlieferungen)
Tatbestand
Die Klägerin lieferte im Zeitraum von Januar bis November 1985 begünstigte
Butter an verschiedene Standortverwaltungen der Bundeswehr. Aufgrund einer
Vollmacht der Klägerin beantragten die belieferten Standortverwaltungen im
Namen der Klägerin Beihilfen für insgesamt 51.613 kg Butter gemäß VO (EWG) Nr.
2192/81 (ABl. EG Nr. L 213 vom 01.08.1989). Mit 11 Bescheiden gewährte die
Beklagte Beihilfen in Höhe von insgesamt 190.955,80 DM, die unmittelbar an die
Standortverwaltungen ausgezahlt wurden. Aufgrund einer Betriebsprüfung bei der
Klägerin im März 1986 stellte die Beklagte fest, daß eine Teilmenge von 11.426 kg
verbilligter Butter in Kleinpackungen nicht mit dem Aufdruck "Weiterverkauf
verboten" gekennzeichnet worden war. Deswegen hob die Beklagte mit
Rückforderungsbescheid Nr. 701147 vom 01. 07. 1986 die 11
Bewilligungsbescheide insoweit auf, als mit ihnen mehr als 40.187 kg Butter durch
Beihilfen begünstigt worden war. Die Beihilfe für die nicht gekennzeichnete Butter
in Höhe von 42.990,39 DM wurde zugleich zurückgefordert. Den dagegen
gerichteten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid
vom 06. 08. 1986 zurück. Hinsichtlich eines Teilbetrages von 922,54 DM hat die
Beklagte den Rückforderungsbescheid aufgehoben; insoweit haben die Beteiligten
den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.
Am 03. 09. 1986 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie hält es für ausreichend, daß
sie die Umkartons der Kleinportionspackungen mit dem Aufdruck "Weiterverkauf
verboten" versehen hatte. Daß die Kleinportionen nicht genauso gekennzeichnet
worden seien, habe auf einem Versehen der Geschäftsleitung beruht. Der
Rückforderungsbescheid sei ermessensfehlerhaft, da das öffentliche Interesse
keine Rücknahme der begünstigenden Bescheide gebiete, und die Klägerin
Vertrauensschutz genieße. Die Antragsformulare und die Bewilligungsbescheide
enthielten keine Hinweise auf die Kennzeichnungspflicht der
Kleinportionspackungen.
Die Klägerin hat beantragt,
den Rückforderungsbescheid der Beklagten vom 01. 07. 1986 in der Fassung
des Widerspruchsbescheides vom 06. 08. 1986 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat darauf verwiesen, daß eine fehlerhafte Ermessensausübung schon deshalb
ausscheide, weil die maßgebenden EWG-Vorschriften eine Pflicht zur
Rückforderung begründeten. Die Klägerin habe die Rechtswidrigkeit der
Bewilligungsbescheide ohne weiteres erkennen müssen, weil ihr die
Kennzeichnungspflicht bekannt gegeben worden sei.
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Das Verwaltungsgericht Frankfurt hat der Klage durch Gerichtsbescheid vom 21.
März 1989 stattgegeben. Nach § 48 Abs. 2 VwVfG sei die Klägerin schutzwürdig, da
sie auf den Bestand der Bewilligungsbescheide habe vertrauen dürfen. Ihr
Vertrauen sei unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme
schutzwürdig. Das Versehen der Geschäftsleitung sei durch einen Personalwechsel
verursacht worden. Die Klägerin sei sich der fehlerhaften Beschriftung nicht bewußt
geworden. Nach § 48 Abs. 2 S. 2 VwVfG sei das Vertrauen schutzwürdig, wenn der
Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition
getroffen habe, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen
rückgängig machen könne. Das sei der Fall, weil die Beihilfe vollständig an die
Streitkräfte weitergeleitet worden sei. Fehlerhafte Angaben habe die Klägerin nicht
gemacht, denn die Antragsformulare sähen keine Angaben über die Verpackung
vor, so daß die Klägerin auch keinen Anlaß gehabt habe, hierzu Angaben zu
machen.
Gegen den am 13. 04. 1989 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am
25. 04. 1989 Berufung eingelegt. Die Rückforderung sei Rechtens, da der Aufdruck
"Weiterverkauf verboten" eine Beihilfevoraussetzung darstelle. Schutzwürdiges
Vertrauen der Klägerin sei nicht gegeben, da ihr bereits am 01. 06. 1982 ein
Merkblatt zugegangen sei, aus dem diese Voraussetzung hervorgehe. Außerdem
habe sie in einer Verpflichtungserklärung vom 08. 12. 1981 die Einhaltung dieser
Beihilfevoraussetzung anerkannt. Sie habe daher die Rechtswidrigkeit der
Beihilfengewährung erkennen müssen. Daß die Anträge im Auftrag der Klägerin
von den Standortverwaltungen gestellt worden seien, lasse die Verpflichtung der
Klägerin zur Einhaltung der Beihilfevoraussetzung unberührt. Da § 8 Abs. 2
Milchfett-Verbrauch-Verbilligungsverordnung eine Rückforderungspflicht begründe,
bestehe für die Beklagte kein Entscheidungsermessen im Sinne von § 48 Abs. 1
VwVfG. Die Klägerin habe im übrigen grob fahrlässig gehandelt.
Die Beklagte beantragt mit der Berufung,
den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 21.
März 1989 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den Rückforderungsbescheid wegen schutzwürdigen Vertrauens für
rechtswidrig. Das erstmals im Berufungsverfahren vorgelegte Merkblatt von 1982
und die Verpflichtungserklärung der Klägerin von 1981 seien bis dahin weder der
Beklagten noch der Klägerin verfügbar gewesen. Dem 1985 verantwortlichen
Geschäftsführer der Klägerin seien das Merkblatt und die Verpflichtungserklärung
nicht bekannt gewesen. Grob fahrlässige Unkenntnis scheide daher aus. Ein
Schaden sei durch das Fehlen des Aufdruckes nicht entstanden, da die
beihilferechtlich begünstigte Butter von der Bundeswehr bestimmungsgemäß
verbraucht worden sei. Den bestimmungsgemäßen Verbrauch habe der Aufdruck
auf den Umverpackungen gesichert. Fehlerhafte Angaben in den Beihilfeanträgen
habe sie -- die Klägerin -- nicht gemacht, da die Formulare keine näheren Angaben
über die gelieferte Butter vorgegeben hätten. Die Rückforderung sei
unverhältnismäßig, da das Fehlen des Aufdrucks den zweckbestimmten Verbrauch
nicht beeinträchtigt habe. Die Anschlußberufung, mit der die Klägerin die
Rückzahlung von 42.990,39 DM nebst 5 v.H. Zinsen seit dem 28.02.1987
beantragt hatte, hat sie vor Eintritt in die mündliche Verhandlung
zurückgenommen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze
verwiesen. Sie und ein Ordner mit den Behördenakten der Beklagten sind zum
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.
Entscheidungsgründe
Die fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und begründet. Die teilweise
Rücknahme der 11 Bewilligungsbescheide der Beklagten und die Rückforderung
eines Teilbetrages von 42.067,85 DM durch Bescheid vom 01. 07. 1986 sind
rechtmäßig verfügt worden. Der angefochtene Gerichtsbescheid des
Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main muß daher aufgehoben und die Klage
entsprechend dem Berufungsantrag der Beklagten abgewiesen werden.
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Der Berufung ist stattzugeben, denn die Beklagte hat die Bewilligungsbescheide zu
Recht teilweise zurückgenommen und die Rückforderung von 42.067,85 DM zu
Recht verfügt. Nach § 8 Abs. 2 der nationalen Verordnung über den Absatz von
Butter und Rahm aus öffentlicher oder privater Lagerhaltung an bestimmte
Verbrauchergruppen oder zum allgemeinen direkten Verbrauch sowie über die
Gewährung von Beihilfen für den Bezug von Butter durch bestimmte
Verbrauchergruppen (Milchfett-Verbrauch-Verbilligungsverordnung) vom 18. 01.
1984 (BGBl. I, S. 99) -- folgend: MVVVO -- muß die Beklagte rechtswidrige
Bewilligungsbescheide zurücknehmen und zu Unrecht empfangene Beihilfen
zurückfordern. § 15 MVVVO enthält selbst keine nähere Regelung zu den
Anforderungen an die Verpackung der an die Streitkräfte zu liefernden Butter,
sondern beschränkt sich auf die Festlegung der Butterqualität(Markenbutter). § 1
MVVVO nimmt jedoch auf die europarechtlichen Vorschriften Bezug, die im
Rahmen der gemeinsamen Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse vom
Rat oder der Kommission der Europäischen Gemeinschaften erlassen worden sind.
Damit sind die Rücknahme- und Rückforderungspflichten der Beklagten zugleich
an die besonderen Vorschriften gebunden, die sich aus der 5.
Verordnungserwägung sowie aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 4 Abs. 2 der VO (EWG)
Nr. 2192/81 der Kommission vom 31. 07. 1981 (ABl. L 213/24 vom 01. 08. 1981)
ergeben. Danach kann eine Beihilfe für Butter nur "unter den in dieser Verordnung
vorgesehenen Voraussetzungen ... gewährt" werden. Zu diesen Voraussetzungen
gehört die Kennzeichnungspflicht auf den Verpackungen und auf den
Portionsverpackungen für Butter. Art. 4 Abs. 2 der VO (EWG) Nr. 2192/81 legt
insofern für Kleinpackungen und Portionspackungen fest, daß diese die Aufschrift
tragen müssen: "Weiterverkauf verboten". Obwohl bei den in § 1 Abs. 2 VO (EWG)
Nr. 2192/81 aufgeführten Bewilligungsvoraussetzungen die Kennzeichnungspflicht
nicht erwähnt wird -- die Kennzeichnungspflicht nach Art. 1 Abs. 2 lit. b betrifft die
Qualitätsbezeichnung "Markenbutter", nicht den Aufdruck des
Weiterverkaufsverbotes --, gehört diese zu den Bewilligungsvoraussetzungen. Das
ergibt sich zum einen aus der 5. Begründungserwägung zur Verordnung und zum
andern aus dem Eingangsteil des Art. 1 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 2192/81. Beide
Rechtsquellen gehen davon aus, daß zur Erleichterung der Kontrolle des
bestimmungsgemäßen Verbrauchs der verbilligten Buttermengen eine
Kennzeichnung der Verpackungen erforderlich ist. Art. 4 VO (EWG) Nr. 2192/81
sieht nicht nur einen Aufdruck auf der äußeren Umverpackung der verbilligten
Butterlieferungen vor (dazu Art. 4 Abs. 1), sondern fordert zugleich, daß die
Portionspackungen mit dem zusätzlichen Aufdruck "Weiterverkauf verboten"
versehen werden. Gegen diese eindeutigen Vorgaben des Art. 4 Abs. II VO (EWG)
Nr. 2192/81 hat die Klägerin in der Zeit von Januar bis November 1985 nach den
unstreitigen Feststellungen des Betriebsprüfungsberichts verstoßen. Sie hat damit
die Voraussetzungen für die Gewährung der Beihilfe nicht erfüllt, so daß die
Beklagte die teilweise Rücknahme ihrer Bewilligungsbescheide und die
Rückforderung zu Recht verfügt hat. Die Klägerin genießt keinen Vertrauensschutz
im Sinne des § 48 Abs. 2 S. 1 VwVfG.
Die in diesem Zusammenhang gegen die Rücknahme und die Rückforderung
vorgebrachten Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch. Soweit die Klägerin
eine fehlerhafte Ermessensausübung durch die Beklagte rügt, verkennt sie die
Tragweite des § 8 Abs. 2 MVVVO. Nach dieser Vorschrift ist die Beklagte zur
Rücknahme und Rückforderung verpflichtet. Sie hat eine gebundene Entscheidung
ohne Ermessen i.S.v. § 48 Abs. 1 VwVfG zu treffen, soweit es zur Durchführung der
gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften notwendig ist. Da das europäische Recht
wegen der gleichmäßigen Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen
eine Ermessensausübung nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs ausschließt (EuGH, Rechtssache 265.78 -- Urteil vom 12. 06. 1980 --
EuGHE 1980, S. 617, vgl. auch BVerwG 3 C 9.85 -- Urteil vom 14. 08. 1986 --
BVerwGE 74, S. 357/360 m.w.N. aus der Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs), stellt die in § 8 Abs. 2 MVVVO vorgesehene gebundene
Entscheidung eine zutreffende Wiedergabe der gemeinschaftsrechtlichen Pflichten
der Bundesrepublik Deutschland dar.
Auch der weitere Einwand der Klägerin, der fehlende Aufdruck beruhe auf einem
nicht vorwerfbaren Versehen ihres Geschäftsführers, führt zu keiner gegenteiligen
Entscheidung. Abgesehen davon, daß ein Wechsel in der "Geschäftsführung" des
Molkereibetriebes nicht mit einem Wechsel des vertretungsberechtigten Vorstands
der Klägerin gleichgesetzt werden kann, greift der Einwand "versehentlichen"
Fehlverhaltens nicht durch. Die Klägerin hat ausweislich eines von ihrem
Bevollmächtigten unterschriebenen Merkblattes der Beklagten spätestens am 01.
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Bevollmächtigten unterschriebenen Merkblattes der Beklagten spätestens am 01.
06. 1982 Kenntnis von den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen an die
Butterverpackungen erlangt. Daß die Beklagte dieses von der Klägerin
unterzeichnete Merkblatt erst im Berufungsverfahren vorgelegt hat, ist für die
Berücksichtigung dieses Vorbringens im Berufungsverfahren unschädlich, da ein
Ausschluß neuen Vorbringens gem. § 87 a Abs. 3 VwGO nicht eingetreten war.
Auch die von der Klägerin am 08. 12. 1981 unterzeichnete Verpflichtungserklärung
im Rahmen ihrer Zulassung als Lieferbetrieb nach der VO (EWG) Nr. 2192/81
enthält in Ziffer 1. 4. das Anerkenntnis der Klägerin, begünstigte Portionsbutter nur
mit der Aufschrift "Weiterverkauf verboten" zu liefern. Diese Verpflichtung trifft die
Klägerin als juristische Person. Die Annahme der Klägerin, nach einem Wechsel
leitenden Personals müsse auf dessen persönliche Kenntnis abgestellt werden,
verkennt die Rechtsstellung von juristischer Person und Organ.
Zurechnungssubjekt für Rechte und Pflichten ist die juristische Person als solche.
Daß nach einem Wechsel der Geschäftsführung eine hinreichende Information
über die für die juristische Person begründeten Rechte und Pflichten stattfindet, ist
eine innerorganisatorische Obliegenheit. Wird ein neu berufener Geschäftsführer
vom Vorstand der juristischen Person nicht hinreichend über die bestehenden
Rechte und Pflichten informiert, oder informiert er sich nicht selbst aus eigener
Initiative hinreichend, so sind die damit zusammenhängenden Verantwortungs-
und Haftungsprobleme auf die Binnenbeziehung von juristischer Person und
Organwalter bezogen. Die Rechte und Pflichten der juristischen Person gegenüber
außenstehenden Dritten, hier der Beklagten, bleiben dadurch unberührt. Soweit
die Klägerin ein Versehen ihres unzureichend informierten neuen Geschäftsführers
einwendet, kann dieser Sachvortrag daher für das Außenverhältnis der Klägerin zur
Beklagten nicht tragfähig werden. Die Rechte und Pflichten der Klägerin gegenüber
der Beklagten ergeben sich primär aus den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften
der VO (EWG) Nr. 2192/81, deren Kenntnis bei Inanspruchnahme von
marktorganisationsrechtlichen Beihilfen vorausgesetzt werden muß, sowie aus der
zusätzlich von ihr unterzeichneten Verpflichtungserklärung vom 08. 12. 1981 und
aus dem von ihr am 01. 06. 1982 durch Unterschrift anerkannten Merkblatt der
Beklagten. Hinsichtlich der Kenntnis oder grobfahrlässigen Unkenntnis i.S.v. § 48
Abs. 2 VwVfG kann daher nicht auf die Kenntnis einzelner Personen der
Geschäftsleitung abgestellt werden. Maßgebend ist vielmehr die Kenntnis des
Vorstands der juristischen Person als solcher. Da sie das Zurechnungssubjekt für
Rechte und Pflichten ist, kommt es nicht auf die Kenntnis oder grobfahrlässige
Unkenntnis eines Geschäftsführers, sondern auf die Kenntnis oder grobfahrlässige
Unkenntnis des Vertretungsorgans als solchen an. Die Vorschrift des § 166 Abs. 1
BGB ist auf rechtsgeschäftliche Willenserklärungen bezogen. Eine analoge
Anwendung im öffentlichen Recht und auf die Vertretbarkeit der Nichterfüllung von
bestehenden Pflichten kann daher nicht in Betracht gezogen werden. Der von der
Klägerin erhobene Einwand versehentlichen Handelns eines neuen
Geschäftsführers greift daher nicht durch. Ein gesteigertes Schutzbedürfnis der
Klägerin i.S.v. § 48 Abs. 2 S. 2 VwVfG kann aus dem Wechsel in der
Geschäftsführung nicht hergeleitet werden. Sie muß durch innerorganisatorische
Vorkehrungen dafür Sorge tragen, daß Pflichten, die von früheren Organwaltern für
die juristische Person begründet worden sind, auch nach einem Wechsel in der
Geschäftsführung erfüllt werden.
Da der Klägerin sonach bekannt geworden war, daß Butter ohne besonderen
Aufdruck auf Portionspackungen nicht beihilfefähig gewesen ist, muß trotz der
geltend gemachten Unkenntnis des gegenwärtigen Geschäftsführers davon
ausgegangen werden, daß sie als juristische Person die Rechtswidrigkeit der
Beihilfebewilligung kannte. Sie ist daher nicht schutzwürdig i.S.v. § 48 Abs. 2 S. 1
VwVfG.
Aus den gleichen Gründen versagt der von der Klägerin erhobene Einwand der
Unverhältnismäßigkeit. Die gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen an die
äußere Gestalt der Verpackung mögen auf den ersten Blick unwesentlich und
daher bei der Entscheidung über die Rückforderung vernachlässigenswert
erscheinen. Eine solche Sicht verkennt jedoch, daß die gemeinschaftsrechtlichen
Vorschriften den subventionierten Warenverkehr gegen mißbräuchliche
Weiterveräußerungen oder andere Zweckentfremdungen schützen sollen.
Außerdem sollen sie eine jederzeitige Kontrolle durch die Überwachungsbeamten
der Beklagten ermöglichen. Wegen dieser subventionssichernden Zielsetzungen
kann die Mißachtung der gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen nicht als
unerhebliches Fehlverhalten und die Sanktionierung des Fehlverhaltens durch
Rücknahme der Bewilligungsbescheide nicht als unverhältnismäßiger Eingriff
qualifiziert werden.
22 Aus denselben Gründen scheitert der Einwand der Klägerin, die an die Bundeswehr
gelieferte Butter sei trotz fehlenden Aufdrucks bestimmungsgemäß verbraucht
worden, so daß den Intentionen der VO (EWG) Nr. 2192/81 genügt sei. Dieser
Einwand ist von der Klägerin mit der Erwägung verbunden worden, die
Rückforderung der Beihilfe führe zu einer ungewollten Subvention der Bundeswehr
durch die Klägerin. Damit beruft sich die Klägerin auf eine Entreicherung i.S.v. § 48
Abs. 2 S. 6 VwVfG. Dieser Einwand steht ihr im Grundsatz offen, denn die
Standortverwaltungen der Bundeswehr haben die der Klägerin gewährten Beihilfen
für deren Rechnung unmittelbar vereinnahmt. Die Klägerin hat daher die ihr
gewährten Beihilfen in vollem Umfang weitergeleitet und ist insofern entreichert
i.S.v. § 818 Abs. 3 BGB. Nach § 48 Abs. 2 S. 7 VwVfG ist jedoch die Berufung auf
den Wegfall der Bereicherung ausgeschlossen, da die Klägerin die Umstände
kannte, die die Rechtswidrigkeit der Beihilfebescheide der Beklagten begründeten.
Auch insofern kommt es nicht auf die Kenntnis des jeweils zuständigen
Geschäftsführers, sondern auf die Kenntnis der Klägerin als juristische Person als
solche und damit ihres Vorstandes an.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.