Urteil des HessVGH vom 27.06.1996

VGH Kassel: ausgleichsabgabe, auflage, bedingung, wohnhaus, anfechtbarkeit, landschaft, gemeinde, bebauungsplan, vorverfahren, beratung

1
2
3
4
Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
4. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 UE 1183/95
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 8a Abs 2 BNatSchG, § 8b
BNatSchG, § 8c Nr 2
BNatSchG, § 6 Abs 3 S 1
NatSchG HE vom
19.09.1980, § 6b Abs 3
NatSchG HE vom
19.12.1994
(Isolierte Anfechtung einer naturschutzrechtlichen
Ausgleichsabgabe; zum Biotopwertverfahren)
Tatbestand
Die Kläger sind Eigentümer des in der Gemarkung N. gelegenen, 751 qm großen
Grundstücks In den S. 6 (Flur 5, Flurstück 149/45) im Geltungsbereich des
Bebauungsplans Nr. 11 N der Gemeinde N. "Auf dem Z." vom 12.02.1981.
Der Beklagte erteilte den Klägern unter dem 26.03.1993 die Baugenehmigung (Bl.
163 der Behördenakte - BA -) für ein inzwischen errichtetes Zweifamilien-
Wohnhaus nebst Doppelgarage. Der dem Bauantrag beigefügte Eingriffs- und
Ausgleichsplan enthielt unter Beachtung des sogenannten Biotopwertverfahrens
nach den "Richtlinien zur Bemessung der Abgabe bei Eingriffen in Natur und
Landschaft (§ 6 Abs. 3 HENatG)" des Hessischen Ministeriums für
Landesentwicklung, Wohnen, Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz (HMLWLFN)
vom 17.05.1992 (StAnz. 1992, S. 1437) eine von den Klägern und ihrem
Architekten unterschriebene Flächenbilanz mit der Berechnung einer
naturschutzrechtlichen Ausgleichsabgabe in Höhe von 3.282,61 DM (Bl. 154 BA).
Eine von den Klägern und ihrem Architekten später korrigierte Flächenbilanz, die
eine Biotopwertzunahme und damit keine Zahlungspflicht für eine
Ausgleichsabgabe auswies, änderte die untere Naturschutzbehörde des Beklagten
ab und errechnete eine von den Klägern zu zahlende Ausgleichsabgabe in Höhe
von 2.049,51 DM, die hier im Streit steht.
Im Bauschein vom 26.03.1993 heißt es unter Nr. 13 und 14 der Rubrik "Auflagen -
Bedingungen - Hinweise", dass die Ausgleichsabgabe unter Anrechnung des
geplanten bzw. geforderten Ausgleichs auf 2.049,51 DM festgesetzt und die
Baugenehmigung unter der Bedingung erteilt werde, dass die nach § 6 Abs. 3 Satz
1 HENatG festgesetzte Ausgleichsabgabe vor Baubeginn auf einem den Klägern
genannten Konto eingehe, d. h., die Ausnutzung der Genehmigung von der
vorherigen Zahlung der Ausgleichsabgabe abhängig sei.
Den klägerischen Widerspruch gegen die Heranziehung zur Zahlung der von ihnen
inzwischen entrichteten Ausgleichsabgabe wies das Regierungspräsidium Kassel
mit Widerspruchsbescheid vom 10.06.1994 (Bl. 203 BA) zurück. Zur Begründung
ist ausgeführt, der Beklagte habe rechtsfehlerfrei von der ihm nach § 6 Abs. 4 Satz
1 HENatG 1981 eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Ausnutzbarkeit
der Baugenehmigung in Form einer Bedingung von der vorherigen Zahlung der
Ausgleichsabgabe abhängig zu machen. Für den nicht ausgleichbaren Teil des
Eingriffs sei auch unter Geltung des § 8 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG eine
Ausgleichsabgabe zu fordern, zumal § 6 Abs. 3 HENatG 1981 eine fortgeltende
Länderabweichungsbestimmung im Sinne des § 8 b Abs. 2 Satz 1 BNatSchG
darstelle. Die Festsetzung der Abgabe mitsamt ihrer Berechnungsgrundlage sei
nicht zu beanstanden. Der klägerische Hinweis, dass benachbarte Anwohner bei
früheren Bauvorhaben keine Ausgleichsabgabe zu leisten gehabt hätten, könne
nicht weiterhelfen, da bei hinreichendem Naturausgleich auf einem Grundstück
keine Ausgleichsabgabe erhoben werde und, falls in der Nachbarschaft zu Unrecht
5
6
7
8
9
10
11
12
13
keine Ausgleichsabgabe erhoben werde und, falls in der Nachbarschaft zu Unrecht
keine Abgabe erhoben worden sein sollte, auf die Fortsetzung einer fehlerhaften
Verwaltungspraxis kein Anspruch bestehe.
Das Verwaltungsgericht Kassel hat der am 05.07.1994 erhobenen
Verpflichtungsklage, die unter Aufhebung der Baugenehmigung vom 26.03.1993
auf die Erteilung einer bezüglich der naturschutzrechtlichen Ausgleichsabgabe
bedingungsfreien Baugenehmigung für das Wohnhaus gerichtet worden war, mit
Urteil vom 06.03.1995 stattgegeben. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht
ausgeführt, der für die rechtliche Bewertung des Verpflichtungsbegehrens
maßgebliche Zeitpunkt sei der der gerichtlichen Entscheidung. Für die begehrte
Erteilung einer Baugenehmigung greife mithin § 70 Abs. 1 HBO 1993 ein. Nach §
84 Abs. 1 Satz 1 HBO 1993 komme es dabei auf früheres Verfahrensrecht nach
der HBO 1990 an. Dabei sei von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen
von der grundsätzlichen Bedingungsfeindlichkeit der Baugenehmigung unabhängig
vom Inhalt der Bedingung auszugehen. Bei alledem habe die HBO 1990 eine
abschließende Regelung über bedingte Baugenehmigungen treffen wollen, so dass
wegen der in Abs. 1 HVwVfG geregelten Nachrangigkeit andere Vorschriften des
Verwaltungsverfahrensgesetzes wie § 36 Abs. 1 HVwVfG als Rechtsgrundlage für
eine Bedingung nicht zum Zuge kämen. Nach Inkrafttreten der §§ 8 a - c
BNatSchG am 01.05.1993 gelte, wie hier, im Gebiet eines Bebauungsplans die
naturschutzrechtliche Eingriffsregelung nicht mehr, so dass auch 9 6 Abs. 3 Satz 1
HENatG 1994 keine Ermächtigung mehr für Nebenbestimmungen zur
Baugenehmigung einschließlich einer Bedingung sei. Allerdings, so führt das
Verwaltungsgericht abschließend aus, sei der Beklagte nicht gehindert, die neu zu
erteilende Baugenehmigung mit einer in formeller Hinsicht auf § 70 Abs. 3 Satz 1
HBO 1993 gestützten Auflage zur Zahlung einer naturschutzrechtlichen
Ausgleichsabgabe zu versehen. Ob diese noch auf Grund des § 6 Abs. 3 HENatG a.
F. über den 01.05.1993 hinaus verlangt werden konnte, hat das
Verwaltungsgericht offen gelassen; es hat jedenfalls in § 6 c Abs. 1 Satz 2 Nr. 2
des 1994 novellierten Hessischen Naturschutzgesetzes eine Grundlage gesehen.
Mit Schreiben vom 02.02.1995 (Bl. 54 der Gerichtsakte - GA -) hatten die Kläger
vorsorglich "Widerspruch" dagegen eingelegt, dass das Verfahren nach den
Vorschriften des neuen HENatG abgehandelt werde.
Der Beklagte hat gegen das ihm am 30.03.1995 zugestellte
verwaltungsgerichtliche Urteil am 12.04.1995 Berufung eingelegt. Zusammen mit
dem Erlaß des HMLWLFN zur Umsetzung des Investitionserleichterungs- und
Wohnbaulandgesetzes vom 19.08.1993 (StAnz. 1993, 2389) und einer
Stellungnahme desselben Ministeriums vom 02.02.1994 an den Hessischen
Landkreistag geht der Beklagte davon aus, dass § 6 Abs. 3 HENatG 1981 bis zum
Inkrafttreten des HENatG 1994 fortgalt. Gehe man mit dem Verwaltungsgericht
davon aus, dass die maßgebliche Sach- und Rechtslage hinsichtlich der
Begründetheit der Verpflichtungsklage der Zeitpunkt der gerichtlichen
Entscheidung sei, sei auch unter Beachtung des HENatG 1994 eine Bedingung
zulässig. Dies ergebe sich daraus, dass in den Fällen des § 8 b Abs. 2 BNatSchG
nach § 6 b Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 6 c HENatG 1994 gefordert werden könne, dass
eine Baumaßnahme erst dann begonnen werden dürfe, wenn die
Ausgleichsabgabe geleistet sei. Dabei stehe es dem zuständigen Kreisausschuss
frei, einen bauordnungsrechtlichen Genehmigungsbescheid mit dem
naturschutzrechtlichen Leistungsbescheid zusammenzufassen. Insoweit bestehe
keine Pflicht, aber ein Recht zur Konzentration innerhalb eines einheitlichen
Verwaltungsakts.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 6. März 1995 - 2 E 3099/94 (3) -
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Kassel vom 6. März
1995 - 2 E 3099/94 (3) - die Nebenbestimmung Nr. 13 zur Baugenehmigung vom
26. März 1993 aufzuheben.
14
15
16
17
18
19
20
21
Der Beklagte beantragt,
die Klage auch mit dem Hilfsantrag abzuweisen.
Die Kläger halten die Erhebung einer naturschutzrechtlichen Ausgleichsabgabe
nach wie vor nicht für gerechtfertigt.
Dem Senat liegt die einschlägige Bauakte des Beklagten vor (Nr. A/1804/92/0100),
ebenso der Bebauungsplan Nr. 11 N der Gemeinde N. "Auf dem Z." vom
12.02.1981 mit einem Ordner Aufstellungsunterlagen. Diese Beiakten sind
Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen. Auf ihren Inhalt
wird ebenso wie auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten ergänzend
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte
der Verpflichtungsklage auf Erteilung einer bedingungsfreien Baugenehmigung für
das klägerische Bauvorhaben nicht stattgeben dürfen.
Das auf Anraten des Verwaltungsgerichts im ersten Rechtszug entsprechend
gestellte Verpflichtungsbegehren auf Erteilung einer bedingungsfreien
Baugenehmigung, das den jetzigen Hauptantrag der Kläger darstellt, ist
unzulässig, da die Kläger die Baugenehmigung vom 26.03.1993 in ihrem
begünstigenden baurechtlichen Teil nicht angegriffen haben und durch ihn auch
nicht beschwert sind. So haben die Kläger in ihrem am 16.04.1993 eingegangenen
Widerspruch (Bl. 172 BA) ausdrücklich erklärt, sie legten nur gegen die
Ausgleichsabgabe als einen Teilbereich der Baugenehmigung Widerspruch ein.
Daran orientierte sich folgerichtig auch das sich anschließende Vorverfahren mit
dem Widerspruchsbescheid vom 10.06.1994, der zutreffend nur die
Nebenbestimmung Nr. 13 zur Baugenehmigung als Zahlungsverpflichtung im
Streit stehend und als Auflage angesehen hat.
Genauso wenig wie die mangels Widerspruch bestandskräftig gewordene
Baugenehmigung im eigentlichen Sinne angefochten worden ist, ist die nach der
Zahlungsauflage Nr. 13 als Nebenbestimmung mit der Baugenehmigung
verknüpfte Bedingung unter Nr. 14, wonach die Zahlung der Ausgleichsabgabe vor
Ausnutzung der Baugenehmigung zu erfolgen habe, Gegenstand des Vor- und des
Klageverfahrens geworden. Die selbständig neben die Zahlungsauflage getretene
Bedingung der Zahlung vor Baubeginn geht inzwischen ins Leere und belastet die
Kläger nicht mehr, nachdem das Bauvorhaben errichtet und die Abgabe gezahlt
worden ist. Die den Zeitpunkt der Leistung regelnde Bedingung stellt lediglich eine
nicht Streitgegenstand gewordene Zahlungsmodalität dar, die selbständig neben
der als Auflage festgesetzten Zahlungspflicht steht.
Bei alledem geht der Senat von der getrennten Anfechtbarkeit der Auflage aus,
wenn bei Aufhebung der Auflage kein irreparabel rechtswidriger Torso des
Verwaltungsakts im Übrigen verbleibt, was bei einer mit einer Baugenehmigung
verbundenen naturschutzrechtlichen Ausgleichsabgabe nicht der Fall ist. In diesem
Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß der Senat in seinem Urteil vom
12.02.1993 - 4 UE 2744/90 - auf Seite 22 des Umdrucks, insoweit nicht abgedruckt
in NuR 1993, 338, dargelegt hatte, nach Aufhebung einer als Auflage
festgesetzten rechtswidrigen naturschutzrechtlichen Ausgleichsabgabe stehe es
der Behörde frei, eine neue Bewertung und Berechnung anzustellen und dem
Kläger gegebenenfalls erneut eine Abgabe aufzuerlegen. Insoweit folgt der 4.
Senat der früheren Rechtsprechung des 3. Senats des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofs in dessen Urteil vom 29.04.1994 - 3 UE 188/93 - NuR
1994, 451 = UPR 1994, 314, das die isolierte Anfechtung der mit einer
Baugenehmigung verknüpften naturschutzrechtlichen Ausgleichsabgabe generell
als unzulässig angesehen hat, nicht (vgl. auch die Kritik von Störmer NWVBl. 1996,
169; zur Rechtslage nach § 6 b Abs. 3 HENatG 1994 verneint auch Franz, HENatG,
Komm., 2. Aufl. 1996, Erl. zu § 6 Abs. 3, Stichwort: Nebenbestimmungen, einen
untrennbaren Zusammenhang zwischen Eingriffsgenehmigung und
Ausgleichsabgabe; zur isolierten Anfechtbarkeit der mit einer Rodungs- und
Umwandlungsgenehmigung verbundenen Anordnung zur Ersatzaufforstung vgl.
Hess. VGH, Urteil vom 01.09.1994 - 3 UE 154/90 - ESVGH 45, 55 = NuR 1995,
292). Da der 4. Senat mittlerweile für die Materie wieder allein zuständig ist, bedarf
es nicht des für den Fall der Abweichung von der Rechtsprechung eines anderen
Senats auf dem Gebiet des Landesrechts vorgesehenen Verfahrens nach §§ 12,
22
23
24
25
26
Senats auf dem Gebiet des Landesrechts vorgesehenen Verfahrens nach §§ 12,
11 VwGO.
Mit dem ursprünglich gestellten und jetzt mit dem Hilfsantrag weiterverfolgten
Anfechtungsbegehren auf Aufhebung der Auflage Nr. 13 ist die Klage zulässig,
aber nicht begründet.
Das für die Erhebung der naturschutzrechtlichen Ausgleichsabgabe anzuwendende
einschlägige Recht war und ist hier § 6 Abs. 3 Satz 1 HENatG 1981, da die den
Natureingriff im beplanten Gebiet zulassende Baugenehmigung vom 26.03.1993
vor Inkrafttreten des Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetzes (IWG)
mit den §§ 8 a bis c BNatSchG vom 22.04.1993 am 01.05.1993 (BGBl. I S. 466)
sowie des neuen Hessischen Naturschutzgesetzes in der Fassung vom 19.12.1994
(GVBl. I S. 775) am 28.12.1994 (Bekanntmachung der Neufassung des HENatG
vom 16.04.1996 - GVB1. I S. 145) erteilt worden ist.
Die Überleitungsvorschrift des § 8 c Nr. 2 BNatSchG, wonach bei vor dem
01.05.1993 noch nicht unanfechtbar beschiedenen Vorhaben im Geltungsbereich
eines Bebauungsplanes gemäß § 8 a Abs. 2 BNatSchG nur der im Plan
vorgesehene Naturausgleich und keine Abgabe mehr gefordert werden kann, ist
hier nicht anzuwenden. Dies beruht darauf, dass die Entscheidung über das
eigentliche Bauvorhaben der Kläger hier vor dem genannten Stichtag nicht
angefochten und damit bestandskräftig, d. h. unanfechtbar geworden ist (vgl.
Hess. VGH, U. v. 25.07.1996 - 6 UE 1734/95 n.rkr.). Dies entspricht dem wirklichen
Willen der Kläger, die mit ihrem Widerspruch und der ursprünglich erhobenen
Anfechtungsklage lediglich die Zahlungsauflage Nr. 13 und nicht das gesamte
Bauvorhaben im Übrigen angefochten haben. Es ist zwar, weil das
Verwaltungsgericht Baugenehmigung und Auflage nicht für trennbar und isoliert
anfechtbar hielt, die Baugenehmigung auf Anraten des Gerichts in den späteren
Verpflichtungsantrag einbezogen worden, dies ist jedoch nur aus
rechtstechnischen Gründen im Hinblick auf die vom Senat in diesem Punkt nicht
geteilte Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts erfolgt. In der Sache ist die
Baugenehmigung im engeren Sinne nicht angefochten worden, und zwischen den
Beteiligten ist von Anfang an unstreitig, dass das Wohnbauvorhaben im Übrigen
nicht Gegenstand des Rechtsstreits ist. Die Einbeziehung der Baugenehmigung in
vollem Umfang in den erstinstanzlichen Rechtsstreit ist lediglich eine
rechtstechnische Folgerung der Auffassung und des Anratens des
Verwaltungsgerichts, die bei angemessener Auslegung des tatsächlichen
Klagebegehrens sachlich nicht zur Anwendbarkeit des § 8 c Nr. 2 BNatSchG auf
den vorliegenden Fall führt. Es bleibt damit bei der Überprüfung der Auflage nach
dem zur Zeit der Erteilung der Baugenehmigung geltenden Recht.
Dass die Eingriffsregelung nach den §§ 5, 6 HENatG 1981 i.V.m. § 8 BNatSchG
auch auf Bauvorhaben im beplanten Bereich Anwendung findet und damit, wie
hier, in Fällen eines fehlenden Ausgleichs gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 HENatG 1981
grundsätzlich auch eine naturschutzrechtliche Ausgleichsabgabe zu erheben ist,
hat der Senat in seinen Urteilen vom 12.02.1993 - 4 UE 3399/90 - NuR 1993, 394
und - 4 UE 2744/90 - NuR 1993, 338 bereits entschieden.
Die hier vorgenommene Berechnung der Höhe der ersparten
Rekultivierungskosten nach dem als Richtlinien zur Bemessung der Abgabe bei
Eingriffen in Natur und Landschaft (S 6 Abs. 3 HENatG) eingeführten sogenannten
Biotopwertverfahren vom 04.05.1992 (StAnz. 1992, S. 1437), das in der Sache
auch der jetzt geltenden, hier aber noch nicht anwendbaren
Ausgleichsabgabenverordnung (AAV) vom 09.02.1995 (GVBl. I S. 120)
zugrundeliegt, ist hinreichend geeignet, zu einer rechtlich einwandfreien
Bemessung der Ausgleichsabgabe zu gelangen. Bei diesem formalisierten
Berechnungsverfahren (vgl. zum Folgenden Marticke NuR 1996, 387, 395) wird
zunächst die Eingriffsfläche in einer Grundbewertung anhand einer Liste von etwa
150 Biotoptypen eingestuft, für die ein Punktwert zwischen 3 und 80 vorgesehen
ist. Davon wird der Punktwert abgezogen, den eine Bewertung des Zustands der
Eingriffsfläche nach Durchführung des Eingriffs und eventueller
Ausgleichsmaßnahmen ergibt. Beim Vorliegen besonderer Umstände erfolgt eine
Zusatzbewertung, die zu Auf- oder Abschlägen bis zu 10 Punkten führen kann. Ist
der Flächenzustand nach Eingriff und (Teil-) Ausgleich gegenüber dem
Voreingriffszustand mit einer geringeren Punktzahl zu bewerten, d. h., verbleibt
eine Biotopwertdifferenz, wird jeder Wertpunkt mit einem Betrag von 0,62 DM in
Ansatz gebracht, woraus sich die Höhe der Ausgleichsabgabe berechnet. Der
Geldbetrag je Wertpunkt basiert dabei auf realen Kosten anderweitig
27
28
29
30
31
Geldbetrag je Wertpunkt basiert dabei auf realen Kosten anderweitig
durchgeführter Kompensationsmaßnahmen.
Wie Marticke (a.a.O.) ausführt, stellt das hessische Biotopwertverfahren eine
naturschutzfachlich fundierte, in sich schlüssige Bewertungsmethode zur
Verfügung, die weitgehend aus rechtlichen Wertungen abgeleitet und zudem
vergleichsweise einfach zu handhaben ist, außerdem eine Anpassung an die
Kostenentwicklung ermöglicht. Diese Einschätzung wird vom Senat geteilt; sie ist
von den Beteiligten nicht in Frage gestellt worden.
In der Sache hat der Beklagte hier nach einer internen Überprüfung zuletzt eine
nachvollziehbare und in sich stimmige Berechnung der Ausgleichsabgabe nach
dem Biotopwertverfahren durchgeführt und der Baugenehmigung als Begründung
beigefügt. Bei einer Biotopwertdifferenz von 3.305,66 Punkten ergibt sich bei 0,62
DM pro Wertpunkt die Höhe der Abgabe mit 2.049,51 DM. Gegen die zuletzt
erfolgte konkrete Berechnung der Abgabe sind die Kläger im Einzelnen nicht mehr
vorgegangen.
Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Für ein willkürliches
Handeln des Beklagten zu Lasten der Kläger ist nichts substantiiert vorgetragen
worden oder sonst ersichtlich. Soweit in anderen Fällen nach den Angaben der
Kläger eine Ausgleichsabgabe nicht gefordert worden sein soll, was mangels
konkreter Angaben nicht zu überprüfen war, ist schon fraglich, ob in diesen Fällen
nicht etwa Ausgleichsmaßnahmen durchgeführt worden sind, die die Erhebung
einer naturschutzrechtlichen Abgabe ausschließen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO
entsprechend.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO
liegen nicht vor.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.