Urteil des HessVGH vom 30.11.1992

VGH Kassel: verfolgung aus politischen gründen, politische verfolgung, anerkennung, wahrscheinlichkeit, asylbewerber, bestrafung, verfolgter, gefährdung, verfügung, organisation

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
13. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
13 TE 1610/92
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 13 Abs 1 S 2 GKG, § 51
Abs 1 AuslG 1990, § 32 Abs
2 AsylVfG vom 09.04.1991
(Streitwert einer Asylverpflichtungsklage: Feststellung der
Voraussetzungen des AuslG 1990 § 51 Abs 1)
Gründe
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil
des Verwaltungsgerichtes vom 25. Februar 1992 ist (weiterhin) statthaft und auch
im übrigen zulässig. Zwar sieht die am 1. Juli 1992 in Kraft getretene Neufassung
des Asylverfahrensgesetzes (vgl. Bekanntmachung vom 9. Oktober 1992, BGBl. I
S. 1733) eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes über die Zulassung der
Berufung in Asylstreitigkeiten und eine hiergegen gerichtete Beschwerde der
Beteiligten auf Zulassung der Berufung nicht mehr vor; von diesen ist vielmehr
jetzt die Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht zu beantragen
(§ 78 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG n.F.). Da jedoch vorliegend das angefochtene Urteil
der Vorinstanz noch vor dem Inkrafttreten der Neufassung des
Asylverfahrensgesetzes verkündet wurde, ist für die Zulässigkeit des von dem
Beschwerdeführer eingelegten Rechtsmittels noch das alte Recht maßgebend (§
87 Abs. 2 Nr. 3 AsylVfG n.F.).
Hinsichtlich des Umfanges der vorliegenden Beschwerde geht der Senat davon
aus, daß der Beschwerdeführer - entgegen dem umfassend formulierten Antrag -
die Berufung gegen die Abweisung seiner Asylklage durch das Verwaltungsgericht
nur insoweit erstrebt, als es den im erstinstanzlichen Verfahren neben dem
Asylanerkennungsanspruch zugleich geltend gemachten Anspruch auf
Feststellung der gesetzlichen Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG betrifft. Der
Beschwerdeführer hat sich nämlich in der Beschwerdeschrift an keiner Stelle mit
den Ausführungen des Verwaltungsgerichtes zur Frage seiner Anerkennung als
politisch Verfolgter im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG auseinandergesetzt,
sondern lediglich die aus seiner Sicht fehlerhafte Entscheidung der Vorinstanz zum
ausländerrechtlichen Abschiebungsschutz gemäß § 51 Abs. 1 AuslG gerügt. Der
Beschwerdeführer hat sich insoweit auch lediglich auf das Vorliegen von
Nachfluchtgründen berufen, mit denen sich das Verwaltungsgericht in den
Entscheidungsgründen des Urteils vom 25. Februar 1992 inhaltlich nur im Rahmen
seiner Erörterungen über das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des §
51 Abs. 1 AuslG befaßt hat.
Die auf den vorgenannten Streitgegenstand beschränkte Beschwerde ist
unbegründet. Ohne Erfolg beruft sich der Beschwerdeführer darauf, daß die
erstinstanzliche Entscheidung im Sinne von § 32 Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG a.F. von dem
Urteil des Senates vom 2. Oktober 1989 - 13 UE 3090/86 - abweiche. Eine solche
zur Berufung führende Divergenz von dem genannten obergerichtlichen Urteil liegt
nicht vor. Insoweit machte die Beschwerde geltend, das Verwaltungsgericht habe
die Grundsätze mißachtet, die der Senat in der zitierten Entscheidung hinsichtlich
der Gefährdung zurückkehrender iranischer Staatsangehöriger vor politischer
Verfolgung im Falle ihrer Rückkehr in das Heimatland aufgestellt habe. Aus dem
Urteil vom 2. Oktober 1989 lasse sich herleiten, daß ein iranischer Asylbewerber,
der sich in seinem Heimatland dem Wehrdienst entzogen und zudem eine
regimefeindliche Organisation unterstützt habe, mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung zu befürchten habe. Demgegenüber habe
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Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung zu befürchten habe. Demgegenüber habe
das Verwaltungsgericht im Falle des Beschwerdeführers, bei dem sämtliche
vorgenannten Verfolgungsgründe vorlägen, ein zur Zuerkennung des
ausländerrechtlichen Abschiebungsschutzes führendes beachtliches Risiko einer
politischen Verfolgung bei Rückkehr in den Iran nicht erkennen können.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers hat der Senat in dem genannten
Urteil aber gerade nicht rechtsgrundsätzlich festgestellt, daß jeder Iraner, der sich
auf die eben genannten Verfolgungsgründe berufen kann, mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit von staatlicher Verfolgung aus politischen Gründen bei
Rückkehr in sein Heimatland bedroht sei. Der Senat hat vielmehr nur zu den
einzelnen, im damaligen wie auch im vorliegenden Falle bedeutsamen
Verfolgungsaspekten grundsätzlich Stellung genommen und dabei zum einen
festgestellt, daß eine Bestrafung, die einem iranischen Staatsangehörigen im Falle
der Rückkehr in sein Heimatland deshalb droht, weil er sich der Ableistung des
Wehrdienstes entzogen und/oder das Land auf illegalem Wege verlassen hat, für
sich alleine keine politische Verfolgung darstelle. Darüber hinaus ist er aufgrund
der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisse zu diesem Problemkreis zum
Ergebnis gelangt, daß die Stellung eines Asylantrages durch einen iranischen
Staatsangehörigen in der Bundesrepublik Deutschland als solche nicht zu einer
asylrechtlich bedeutsamen Verfolgungssituation führe, daß aber der betreffende
Asylbewerber aufgrund der Stellung des Asylantrages in seiner Heimat amtliche
Nachforschungen nach den Gründen des Asylantrages zu erwarten habe, die zu
staatlichen Repressionen führen könnten, wenn sich hierdurch begründete
Anhaltspunkte dafür ergeben, daß es sich bei ihm um einen aktiven Regimegegner
handelt. Der Senat ist sodann entsprechend den höchstrichterlichen
Anforderungen an die im Asylverfahren anzustellende Verfolgungsprognose in eine
Gesamtbetrachtung aller möglicherweise zur Verfolgung führenden Umstände
eingetreten (vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 27. Juni 1989 - BVerwG 9 C 1.89 -,
BVerwGE 82, 171 ff.; Beschluß vom 12. Juli 1983 - BVerwG 9 B 10542.83 -,
Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 10) und hat als Ergebnis dieser Gesamtschau
festgestellt, daß der Kläger des damaligen Verfahrens vor allem wegen seiner
intensiven politischen Betätigung vor und nach der Einreise bei gleichzeitiger
unerlaubter Entziehung vom Wehrdienst, dem illegalen Verlassen des
Heimatlandes und der Asylbeantragung in der Bundesrepublik Deutschland einer
erheblichen Gefahr staatlicher Verfolgung aus politischen Gründen bei Rückkehr in
den Iran ausgesetzt wäre. Diese auf den konkreten Einzelfall bezogenen und nicht
über das zu entscheidende Verfahren hinausreichenden Feststellungen des
Senates sind einer rechtsgrundsätzlichen Verallgemeinerung nicht zugänglich.
Soweit das Verwaltungsgericht somit nach der auch von ihm angestellten
Gesamtbetrachtung der im vorliegenden Falle maßgeblichen
Verfolgungsgesichtspunkte zu einem von dem Urteil des Senates vom 2. Oktober
1989 abweichenden Ergebnis gelangt ist, vermag dies eine Divergenz im Sinne
von § 32 Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG a.F. nicht zu begründen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beschwerdeführer zu tragen, weil
sein Rechtsmittel erfolglos bleibt (§ 154 Abs. 2 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 14 Abs. 1 - analog -, 13 Abs. 1 GKG.
Der Senat hat dabei ungeachtet der Tatsache, daß der Beschwerdeführer das
Urteil erster Instanz nur hinsichtlich des ihm versagten ausländerrechtlichen
Abschiebungsschutzes gemäß § 51 Abs. 1 AuslG angefochten hat, einen Streitwert
in Höhe von 6.000,-- DM angesetzt, der dem sogenannten Auffangstreitwert
gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG entspricht. Allerdings hat der Senat bereits
wiederholt entschieden, daß sich das Begehren des Asylklägers, neben der
Asylanerkennung gemäß Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG im Verwaltungsstreitverfahren
auch die Verpflichtung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer
Flüchtlinge zur Feststellung der gesetzlichen Voraussetzungen des § 51 Abs. 1
AuslG zu erlangen, gegenüber dem hauptsächlich verfolgten
Anerkennungsanspruch nicht streitwerterhöhend auswirke, so daß für die - beide
Komponenten enthaltende - Asylverpflichtungsklage (nur) ein Streitwert in Höhe
des Auffangstreitwertes von 6.000,--DM zugrundezulegen ist (vgl. z.B. Beschlüsse
des Senats vom 17. September 1991 - 13 TE 1710/91 -, Beschluß vom 25.
Oktober 1991 - 13 UE 1791/85 - und vom 15. Mai 1992 - 13 TE 893/92 -; vgl. auch
Hess. VGH, Beschluß vom 13. Januar 1992 - 12 UE 161/87 -). Die der
vorgenannten Rechtsprechung zugrundeliegende Erwägung, daß das Interesse des
Asylklägers, in seinem Falle die gesetzlichen Voraussetzungen des § 51 Abs. 1
AuslG feststellen zu lassen, wertmäßig deshalb kein eigenständiges Gewicht
gegenüber der hauptsächlich verfolgten Asylanerkennung beizumessen sei, weil
gegenüber der hauptsächlich verfolgten Asylanerkennung beizumessen sei, weil
die Rechtsstellung des Asylberechtigten diejenige eines Ausländers, für den das
Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge die Voraussetzungen
des § 51 Abs. 1 AuslG festgestellt hat, mit umschließe, kann indessen nur dann
Geltung beanspruchen, wenn mit der Asylklage beide Ansprüche (noch)
zusammen verfolgt werden. Entschließt sich der Asylkläger dagegen aufgrund
einer Gesamtentscheidung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer
Flüchtlinge gemäß § 12 Abs. 6 AsylVfG a.F. bzw. § 31 Abs. 2 AsylVfG n.F. oder - wie
im vorliegenden Fall - aufgrund einer entsprechenden Entscheidung des
Verwaltungsgerichtes dazu, im Rechtsmittelverfahren nur noch seinen Anspruch
auf Feststellung der gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 51 Abs. 1 AuslG
weiterzuverfolgen, gewinnt dieser Antrag nunmehr selbständige Bedeutung und ist
dementsprechend mit einem Streitgegenstandswert zu bemessen, der mangels
anderweitiger Anhaltspunkte für eine Bemessung dieses Wertes wiederum in Höhe
des Auffangstreitwertes in Höhe von 6.000,-- DM anzusetzen ist.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.