Urteil des HessVGH vom 30.05.1989

VGH Kassel: wohnung, unbestimmte dauer, unterbringung, haus, heim, ortszuschlag, hessen, eltern, geburt, zusammenleben

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
1. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 UE 3965/87
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 40 Abs 2 Nr 4 BBesG
(Ortszuschlag Stufe 2 nach § 40 Abs 2 Nr 4 BBesG für den
Vater eines nichtehelichen Kindes)
Gründe
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im übrigen zulässige
Berufung ist nicht begründet.
Die Klage ist zulässig. Dies gilt auch, soweit der Kläger den erhöhten Ortszuschlag
für den Monat März 1984 begehrt. Zwar hat er diesen Anspruch auch noch mit
seiner Klage vom 31.3.1986 beim Verwaltungsgericht Frankfurt a.M. in dem
Verfahren III/3 E 832/86 gerichtlich geltend gemacht. Die Rechtshängigkeit dieser
Klage steht jedoch der Zulässigkeit der Geltendmachung des Teilanspruches für
den Monat März 1984 hier nicht entgegen, denn die vorliegende Klage ist die
ältere. Der Kläger hat seinen Anspruch auf Zahlung des erhöhten Ortszuschlags
für den Monat März 1984 auch bereits vor der Erhebung der Klage gestellt und vor
der erstinstanzlichen gerichtlichen Entscheidung das Widerspruchsverfahren (§ 126
BRRG i.V.m. §§ 68 ff. VwGO) durchgeführt. Allerdings beschränkte er seinen
Widerspruch vom 27.3.1984 gegen den ablehnenden Bescheid des Beklagten vom
19.3.1984 auf die Zeit vom 1.11.1983 bis zum 29.2.1984. Der Kläger hat jedoch
unter dem 28.3.1984 einen (neuen) Antrag auf Zahlung des erhöhten
Ortszuschlags für die Zeit ab 1.3.1984 gestellt und gegen den diesen Antrag
ablehnenden Bescheid der Zentralen Besoldungsstelle Hessen vom 21.5.1984 mit
Schreiben vom 31.5.1984 Widerspruch eingelegt, der mit Widerspruchsbescheid
vom 10.3.1986 zurückgewiesen wurde.
Die Klage ist nicht begründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch
nicht zu. Er hat ... S. H in der Zeit ab ihrer Geburt vom 15.11.1983 bis zum
31.3.1984 weder auf Dauer in seine Wohnung aufgenommen noch sie auf seine
Kosten anderweitig untergebracht.
In die Wohnung "aufgenommen" im Sinne des § 40 Abs. 2 Nr. 4 BBesG ist eine
andere Person, wenn die Wohnung auch für sie als Unterkunft und Heim zum
Mittelpunkt der Lebensführung wird und es hierdurch zur Bildung einer häuslichen
Gemeinschaft mit dem Aufnehmenden kommt. Dabei darf die Bildung der
häuslichen Gemeinschaft nicht zeitlich befristet sein, sondern muß in der Absicht
erfolgen, das Zusammenleben auf unbestimmte Dauer fortzusetzen (BBesG VwV
40.2.6; Clemens/Millack/Engelking/Lantermann/Henkel, BBesG, Kommentar,
Stand: November 1988, § 40 Anm. 6; Schwegmann/Summer, BBesG, Kommentar,
Stand: April 1988, § 40 RdNr. 8 b; Knüppel, ZBR 1981, 308). Auch wenn sich das
Kind S. H nach dem Vorbringen des Klägers regelmäßig zusammen mit seiner
Mutter in den beiden Räumen des Klägers in dem Haus seiner Eltern in N aufhielt,
so wurden diese beiden Räume doch nicht als Unterkunft und Heim zum
Mittelpunkt der Lebensführung des Kindes. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob
die Räume tatsächlich so ausgestattet waren, daß sie dem Kläger, Frau ... H und
dem gemeinsamen Kind S. ... zum Wohnen genügten. Zum Mittelpunkt der
Lebensführung des Kindes wurden die dem Kläger als Wohnung dienenden beiden
Räume bereits deshalb nicht, weil es sich dort nur tagsüber aufhielt und nicht auch
übernachtete. Eine Wohnung, in der sich ein Kind nur tagsüber und nicht auch zur
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übernachtete. Eine Wohnung, in der sich ein Kind nur tagsüber und nicht auch zur
Nachtzeit aufhält, wird ihm nicht zum Heim und damit auch nicht zum Mittelpunkt
seiner Lebensführung. Denn unerläßlicher Teil des Lebens eines Kindes ist der
nächtliche Schlaf, so daß es nur dort, wo es regelmäßig nachts schläft, sein Heim
und damit den Mittelpunkt seiner Lebensführung haben kann. Daß sich ein
Säugling und Kleinkind aus beruflichen und persönlichen Gründen seiner Eltern
bzw. seines sorgeberechtigten Elternteils tagsüber regelmäßig in einer anderen
Wohnung aufhält und dort auch schläft, macht diese Wohnung grundsätzlich nicht
zum Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen.
Auch der Umstand, daß sich die Tochter S nach dem Vortrag des Klägers an den
Wochenenden in seinem Haus in D aufhielt, führte nicht dazu, daß er sein Kind auf
Dauer in seine Wohnung im Sinne des § 40 Abs. 2 Nr. 4 BBesG aufgenommen
hatte. Nach seinen eigenen Angaben im Antragsschreiben vom 5.12.1983 sollte
das Haus in D erst nach dem Abschluß umfangreicher baulicher
Renovierungsarbeiten "gemeinsamer Familienwohnsitz" werden. Der gemeinsame
Aufenthalt an den Wochenenden in dem Haus in D diente allein der Durchführung
der Renovierungsarbeiten. Hierdurch wurde weder der Mittelpunkt der
Lebensführung des Klägers noch von Frau ... H oder ihrem gemeinsamen Kind
nach D verlagert. Diese Aufenthalte bereiteten lediglich die geplante Bildung eines
gemeinsamen Familienwohnsitzes vor.
Dafür, daß der Kläger in der Zeit vom 15.11.1983 bis zum 31.3.1984 seine Tochter
S nicht in seine Wohnung aufgenommen hat, spricht auch, daß er zunächst
behauptete, das Kind bei seiner Mutter "untergebracht" zu haben. Er selbst ging
also davon aus, daß S ... nicht bei ihm, sondern bei ihrer Mutter untergebracht
war, d.h. bei ihr den Mittelpunkt ihrer Lebensführung hatte. Frau ... H wohnte aber
nach ihrer Erklärung vom 12.2.1984 seinerzeit nicht bei dem Kläger, sondern in ...
C, F.- Straße .... Allerdings hat sie am 28.3.1984 ihren Hauptwohnsitz und
denjenigen ihrer Tochter S ... von ... C nach N verlegt und ihre bisherige Wohnung
sowie die bisherige Wohnung ihres Kindes in C, F.- Straße ..., in einen
Nebenwohnsitz umgewandelt. Da die behördliche Ummeldung jedoch nicht mit
einer Änderung der Lebensverhältnisse, insbesondere nicht mit einem Umzug
einherging, sondern alles beim Alten blieb, führte sie weder zu einem Wechsel des
Wohnsitzes im Sinne des § 7 BGB noch dazu, daß das Kind S ... nunmehr als in die
Wohnung des Klägers aufgenommen im Sinne des § 40 Abs. 2 Nr. 4 BBesG galt.
Der Kläger hat seine Tochter S ... in der Zeit vom 15.11.1983 bis zum 31.3.1984
auch nicht auf seine Kosten anderweitig untergebracht (§ 40 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2
BBesG). Die Vorschrift setzt voraus, daß sich das Kind ohne die Trennung in
häuslicher Gemeinschaft mit dem Anspruchsberechtigten befände. Sie ist deshalb
nur anwendbar, wenn sich das Kind vor der anderweitigen Unterbringung in einer
Wohngemeinschaft mit dem Beamten befand und dieser das Sorgerecht hat. Von
der Voraussetzung, daß sich das Kind in einer häuslichen Gemeinschaft mit dem
ortszuschlagsberechtigten Elternteil vor der anderweitigen Unterbringung
befunden haben muß, kann allerdings dann abgesehen werden, wenn z.B. wegen
einer Behinderung des Kindes von Geburt an oder aus einem ähnlichen Grund, die
Unterbringung außerhalb der eigenen Wohnung des Beamten geboten war.
Keinesfalls ist ein Kind aber dann anderweitig untergebracht, wenn es dort lebt, wo
es ohnehin zu Hause ist (Schwegmann/Summer, a.a.O., RdNr. 10 a unter Hinweis
auf BBesG VwV 40.2.13). So war es hier. Das Kind S ... lebte bei seiner Mutter ... H
in ... C, F.- Straße .... Dort war es zu Hause. Der Kläger konnte es, abgesehen
hiervon, auch deshalb nicht "anderweitig" untergebracht haben, weil er nicht
sorgeberechtigt war und deshalb keine rechtliche Möglichkeit hatte, auf das Wie
und Wo der Unterbringung des Kindes Einfluß zu nehmen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.