Urteil des HessVGH vom 04.10.1988

VGH Kassel: werkstatt, gleichbehandlung im unrecht, physik, universität, mündliche prüfung, verfügung, prüfungsordnung, abgabe, ausbildung, hochschule

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
9. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 UE 2487/86
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 15 Abs 3 Nr 1 BAföG vom
13.07.1981
(Verlängerung der Förderungshöchstdauer)
Tatbestand
Der im Jahre 1946 geborene Kläger nahm im Oktober 1976 an der Johann
Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main ein Studium der Physik auf, das
er im Juli 1982 mit der Diplomprüfung abschloß. Der Beklagte förderte dieses
Studium durch Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
(BAföG) bis zum 31. März 1982 (11. Studiensemester).
Am 9. Oktober 1981 beantragte der Kläger die Gewährung von
Förderungsleistungen über den 31. März 1982 hinaus, weil sich der Abschluß
seines Studiums bis voraussichtlich Juli 1982 aus Gründen verzögere, die er nicht
zu vertreten habe. Er legte ein Schreiben des Geschäftsführenden Direktors des
Instituts für Kernphysik an der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Prof. Dr. Klaus
Bethge, vom 10. November 1981 vor. Darin heißt es, der Kläger arbeite an einer
Diplomarbeit aus dem Bereich der experimentellen Physik. Die Fertigstellung der
Arbeit erfordere sowohl die Konstruktion als auch die Erprobung verschiedener
Apparate. Infolge einer sehr geringen Kapazität der feinmechanischen Werkstatt
des Instituts und langer Lieferfristen für eine Reihe erforderlicher
Sondermaterialien sei der Fortschritt der Arbeit behindert worden. Er - Prof. Dr.
Bethge - bitte, diese Gründe anzuerkennen und dem Kläger eine weitere
Förderung zu gewähren.
Durch Bescheid vom 16. Dezember 1981 lehnte der Beklagte den Antrag ab: Auch
ohne die nicht zu vertretende Verzögerung hätte der Kläger seine Diplomarbeit
erst im Mai 1982, also nach dem Ablauf der Förderungszeit, abgegeben.
Hiergegen erhob der Kläger am 4. Januar 1982 Widerspruch und machte geltend,
die Fertigstellung der Diplomarbeit verzögere sich ausschließlich deswegen, weil er
ohne die notwendige Apparatur Messungen nicht vornehmen könne, deren
Ergebnisse in der Diplomarbeit ausgewertet werden sollten. Bei der Bewerbung um
die Diplomarbeit im April 1980 sei ihm durch das Institut zugesichert worden, daß
die erforderliche Anlage spätestens im Juli bzw. August 1981 zur Verfügung stehen
werde. Wäre diese Zusage eingehalten worden, hätte er sein Examen noch im
Jahre 1981 beenden können.
Durch Widerspruchsbescheid vom 31. März 1982 wies der Beklagte den
Rechtsbehelf zurück: Der Kläger habe das Thema seiner Diplomarbeit frei gewählt.
Er hätte - um eine Verzögerung seiner Ausbildung zu verhindern - eine
Diplomarbeit wählen können, die er rechtzeitig hätte fertigstellen können.
Am 19. April 1982 hat der Kläger hiergegen Klage zum Verwaltungsgericht
Frankfurt am Main erhoben und im wesentlichen sein früheres Vorbringen
wiederholt. - Seinem Antrag auf den Erlaß einer einstweiligen Anordnung mit dem
Ziel, Ausbildungsförderung bis zum Abschluß seiner Ausbildung (Juli 1987) zu
erhalten, hat der erkennende Senat mit Beschluß vom 24. Juni 1982 (IX TG 62/82)
entsprochen.
Der Kläger hat beantragt,
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den Bescheid des Beklagten vom 16. Dezember 1981 und dessen
Widerspruchsbescheid vom 31. März 1982 aufzuheben und den Beklagten zu
verpflichten, ihm - dem Kläger - über den 1. April 1982 hinaus Leistungen nach
dem Bundesausbildungsförderungsgesetz zu gewähren.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat geltend gemacht, die Überschreitung der im März 1982 abgelaufenen
Förderungshöchstdauer sei nicht erst durch die während der Diplomarbeit
aufgetretenen technischen Schwierigkeiten bei der Universität verursacht worden.
Anlaß für die Verzögerung des Studienabschlusses sei vielmehr gewesen, daß der
Kläger die Diplomarbeit erst am 4. Mai 1981 - zu dem nach der Prüfungsordnung
spätest möglichen Zeitpunkt - bei dem Leiter des Instituts für Kernphysik
angemeldet habe.
Das Verwaltungsgericht hat Auskünfte des Prof. Dr. Bethge darüber eingeholt, ob
es sich bei dem vom Kläger gewählten Thema für die Diplomarbeit
"Ionenimplantation in verschiedene Festkörper" um ein schwieriges Thema
gehandelt habe, wie lange die Erstellung der in den Jahren 1981/82 eingereichten
Diplomarbeiten üblicherweise gedauert habe, wann die Ionenimplantationsanlage
dem Kläger für die Anfertigung seiner Diplomarbeit und die hierfür erforderlichen
Messungen zur Verfügung gestanden habe, seit wann und wie lange die sehr
geringe Kapazität der feinmechanischen Werkstatt des Instituts besteht und ob sie
heute noch besteht, welche Sondermaterialien mit langen Lieferfristen für die
Arbeit des Klägers erforderlich gewesen seien, ob der Kläger bei der Anmeldung
seiner schriftlichen Diplomarbeit im Mai 1981 mit der verspäteten Fertigstellung
der Ionenimplantationsanlage habe rechnen müssen und welche Zeitspanne
üblicherweise zwischen der Abgabe der schriftlichen Diplomarbeit und der
mündlichen Diplomprüfung liege.
Prof. Dr. Bethge hat in Stellungnahmen vom 31. Januar 1984, 25. Juni und 25. Juli
1986 ausgeführt, das Thema der Arbeit des Klägers habe im mittleren
Schwierigkeitsbereich gelegen. Die Diplomarbeiten im Fach Physik dauerten laut
Prüfungsordnung genau ein Jahr. In besonders gelagerten Fällen, in denen
Vorarbeiten erforderlich seien, könne ein bis zu einjähriges Praktikum
vorgeschaltet werden. Die Unterausstattung der feinmechanischen Werkstatt im
Institut für Kernphysik bestehe schon lange und auch gegenwärtig (Juni 1986)
noch. Wann die für die Diplomarbeit des Klägers notwendige
Ionenimplantationsanlage dem Kläger zur Verfügung gestanden habe, wisse er
nicht mehr. Für die Herstellung von Sondermaterialien - unter anderem Metalle
mit extremem Reinheitsgrad - benötigten die Firmen zum Teil lange Zeit. Aus
Wirtschaftlichkeitsgründen werde die Herstellung kleiner Mengen
Sondermaterialien abgelehnt. Nach der Diplomprüfungsordnung im Fachbereich
Physik müsse die Diplomarbeit spätestens vier Wochen im Anschluß an den
Beginn des fünften Semesters nach dem Vordiplom angemeldet sein. Deshalb sei
der Beginn der Arbeit des Klägers auf den 4. Mai 1981 festgelegt worden. Hieraus
resultiere der Abgabetermin für die Arbeit vom 3. Mai 1982. Zwischen der Abgabe
der Diplomarbeit und der mündlichen Prüfung solle in der Regel kein längerer
Zeitraum als zwei Monate liegen. Normen hierfür gebe es allerdings nicht. Nach
Rücksprache mit den Prüfern könnten Diplomprüfungen während des ganzen
Semesters sowie auch einige Wochen vor oder nach der Vorlesungszeit abgelegt
werden.
Durch Gerichtsbescheid vom 13. August 1986 hat das Verwaltungsgericht die
Klage abgewiesen.
In den Gründen seiner Entscheidung hat es ausgeführt, ein schwerwiegender
Grund im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG für die Verlängerung der
Förderungshöchstdauer sei nicht nachgewiesen. Da der Kläger seine Diplomarbeit
erst am 4. Mai 1981 begonnen habe und mit einer Bearbeitungszeit von einem
Jahr habe rechnen müssen, an die sich dann noch die Zeit bis zur mündlichen
Prüfung anschließe, hätte der Kläger auch bei größerer Kapazität der
feinmechanischen Werkstatt des Instituts für Kernphysik seine Diplomprüfung nicht
vor Juli 1982 ablegen können. Die Verlängerung der Ausbildungszeit über die
reguläre Förderungshöchstdauer hinaus sei deshalb nicht auf Gründe
zurückzuführen, die außerhalb des Einflußbereichs des Klägers gelegen hätten.
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Gegen diesen dem Kläger am 20. August 1986 zugestellten Gerichtsbescheid
richtet sich die am 8. September 1986 eingegangene Berufung des Klägers.
Der Kläger macht geltend, als er sich um eine Diplomarbeit bei Prof. Dr. Bethge
beworben habe, sei ihm von diesem in Aussicht gestellt worden, daß die
erforderlichen technischen Anlagen rechtzeitig zur Verfügung ständen und daß
eine Fertigstellung der Diplomarbeit spätestens im Juli/August 1981 möglich sein
werde. Bei seiner Bewerbung um eine Diplomarbeit habe Prof. Dr. Bethge ihn nicht
auf die geringe Kapazität der feinmechanischen Werkstatt aufmerksam gemacht.
Als er darum gebeten habe, die Diplomarbeit beim Prüfungsamt anzumelden, sei
er von einem Mitarbeiter des Prof. Dr. Bethge, Dr. Baumann, der die Diplomarbeit
im Auftrag von Prof. Dr. Bethge betreut habe, hingehalten worden mit dem
Bemerken, die Diplomarbeit solle so spät wie möglich angemeldet werden, damit
genügend zeitliche Reserven bis zum Abgabetermin vorhanden wären. Prof. Dr.
Bethge habe in seinem Schreiben vom 31. Januar 1984 bestätigt, daß er den
Beginn der Arbeit auf den 4. Mai 1981 festgelegt habe. Er - der Kläger - habe
keinen Einfluß auf das Anmeldedatum gehabt. Hätte er seine Diplomarbeit gegen
den Willen des Prof. Dr. Bethge angemeldet, hätte sich dies nachteilig bei der
Beurteilung der Arbeit auswirken können. Die Behauptung des Prof. Dr. Bethge,
daß die Diplomarbeiten ein Jahr dauerten, sei unzutreffend. Nach der
Prüfungsordnung könne die Arbeit jederzeit nach der Anmeldung abgegeben
werden. Ihm - dem Kläger - habe die erforderliche Ionenimplantationsanlage erst
etwa Mitte März 1982 zu Messungen zur Verfügung gestanden, so daß er für die
Durchführung der Messungen und die Anfertigung der Arbeit nur etwa sechs
Wochen Zeit gehabt habe.
Einer seiner Kommilitonen, Wilfried R., sei in der gleichen Situation wie er - der
Kläger - gewesen und habe von dem Beklagten ohne Schwierigkeiten eine
Fortzahlung der Förderungsleistungen über die reguläre Förderungshöchstdauer
hinaus erhalten.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 13.
August 1986 - II/V E 2131/82 - sowie den Bescheid des Beklagten vom 16.
Dezember 1981 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31. März 1982
aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm - dem Kläger - über den 31.
März 1982 hinaus Förderungsleistungen nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und meint, wenn Prof. Dr. Bethge die
Anmeldung der Diplomarbeit auf den nach der Prüfungsordnung spätesten Termin
hinausgeschoben habe, so wäre dem Kläger zuzumuten gewesen, die Arbeit
entweder bei einem anderen Prüfer zu schreiben oder diese gegen den Wunsch
Prof. Dr. Bethge's zur Prüfung anzumelden. Wenn die Anfertigung der Diplomarbeit
durch lange Lieferzeiten von technischen Hilfsmitteln behindert worden sei, hätte
er sich notfalls unter Verzicht auf Förderungsleistungen von der Universität
beurlauben lassen müssen. Es treffe zu, daß der vom Kläger genannte
Kommilitone für acht Monate Förderung über die Förderungshöchstdauer hinaus
erhalten habe. Diese Förderung sei jedoch zu Unrecht erfolgt. Eine
Gleichbehandlung im Unrecht könne der Kläger nicht verlangen.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung über die Berufung ohne mündliche
Verhandlung zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der
Beteiligten wird auf die den Kläger betreffenden Förderungsakten des Beklagten,
die Akten des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main VII/2 G 1018/82 = Hess. VGH
IX TG 62/82, auf die gewechselten Schriftsätze und auf die Stellungnahmen des
Prof. Dr. Bethge vom 31. Januar 1984, 25. Juni und 25. Juli 1986 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung, über die der Senat gemäß §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO ohne
mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist zulässig und begründet. Dabei
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mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist zulässig und begründet. Dabei
geht der Senat davon aus, daß der Kläger mit seiner Klage die Weitergewährung
von Förderungsleistungen vom 1. April bis 31. Juli 1982 - dem Monat seiner
Diplomprüfung - erreichen wollte.
Dem Kläger steht für die Zeit vom 1. April 1982 bis zum 31. Juli 1982
Ausbildungsförderung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG in der hier maßgeblichen
Fassung des 7. Änderungsgesetzes vom 13. Juli 1981 (BGBl I S. 625) zu.
Nach § 15 Abs. 2 und 4 BAföG i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 73 der Verordnung über die
Förderungshöchstdauer für den Besuch von höheren Fachschulen, Akademien und
Hochschulen (Förderungshöchstdauerverordnung) in der Fassung der
Bekanntmachung vom 29. Juni 1981 wird ein Studium der Physik grundsätzlich 11
Semester lang aus Mitteln nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
gefördert. Die reguläre Förderungshöchstdauer endete hiernach für den Kläger am
31. März 1982. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.
Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG wird über die reguläre Förderungshöchstdauer
hinaus für eine angemessene Zeit Ausbildungsförderung geleistet, wenn sie - die
Förderungshöchstdauer - aus schwerwiegenden Gründen überschritten worden ist.
Wie der erkennende Senat bereits in seinem das Eilverfahren des Klägers
betreffenden Beschluß vom 24. Juni 1982 - IX TG 62/82 - ausgeführt hat, können
als schwerwiegende Gründe, die eine Verlängerung der Förderungszeit
rechtfertigen, nur solche Gründe berücksichtigt werden, die der Auszubildende
nicht zu vertreten hat. Überdies ist erforderlich, daß die Verzögerung des
Abschlusses der Ausbildung ausschließlich auf vom Auszubildenden nicht zu
beeinflussenden Umständen beruht, wenn ein Anspruch auf Weiterförderung
bestehen soll (st. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des
erkennenden Senats; vgl. hierzu u.a. Urteil des Hess. VGH vom 26. Januar 1987 - 9
UE 2531/84 -).
Nach der Überzeugung des Senats ist hier davon auszugehen, daß der Kläger die
Förderungshöchstdauer ausschließlich aus schwerwiegenden Gründen im Sinne
von § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG überschritten hat.
Der Kläger hat stets vorgetragen und dies auch durch die Bescheinigung des Prof.
Dr. Bethge vom 10. November 1981 belegt, daß der Fortschritt seiner
Diplomarbeit mit dem Thema Ionenimplantation in verschiedene Festkörper" durch
eine zu geringe Kapazität der feinmechanischen Werkstatt des Instituts für
Kernphysik an der Johann Wolfgang Goethe-Universität und durch lange
Lieferfristen bei der Beschaffung der erforderlichen Sondermaterialien behindert
worden ist. Prof. Dr. Bethge hat seine Erklärung vom 10. November 1981, in der er
die diesbezüglichen Angaben des Klägers bestätigt hat, durch seine späteren
Auskünfte nicht widerrufen, sondern vielmehr auch in den späteren Erklärungen
bestätigt, daß die Kapazität der feinmechanischen Werkstatt des Instituts für
Kernphysik unzureichend sei. Auch hat er in seiner Auskunft vom 25. Juli dargelegt,
daß der Kläger als Sondermaterial ein bestimmtes Isoliermaterial benötigt habe,
das von der Lieferfirma in der gewünschten Größe erst habe gegossen werden
müssen. Der erste Rohling sei in der Werkstatt des Instituts für Kernphysik
beschädigt worden, so daß ein zweiter Rohling habe bestellt werden müssen. Für
die Herstellung derartiger Sondermaterialien benötigten die Firmen teilweise lange
Zeit, weil deren Herstellung in kleinen Mengen unrentabel sei. Nach den
unwidersprochen gebliebenen Angaben des Klägers konnte er erst Mitte März
1982 die notwendigen Messungen an der Ionenimplantationsanlage durchführen,
so daß ihm für die Fertigstellung seiner Diplomarbeit nur 6 Wochen Zeit zur
Verfügung standen.
Es kann dem Kläger bei dieser Sachlage geglaubt werden, daß sich die
Fertigstellung seiner Diplomarbeit und damit die Beendigung seines Studiums bis
Juli 1982 ausschließlich aus Gründen verzögert hat, die außerhalb seines
Einflußbereichs lagen.
Dem steht nicht entgegen, daß Prof. Dr. Bethge im Schreiben vom 25. Juli 1986
mitgeteilt hat, die Jahresfrist für die Abgabe der Diplomarbeit des Klägers habe am
4. Mai 1981 zu laufen begonnen; die Diplomarbeiten in seiner Gruppe dauerten
"stets die gesetzte Jahresfrist".
Die Jahresfrist für die Anfertigung der Diplomarbeit im Fach Physik ist eine durch §
3 Abs. 5 der Ordnung für die Diplomprüfung in Physik der Johann Wolfgang Goethe-
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3 Abs. 5 der Ordnung für die Diplomprüfung in Physik der Johann Wolfgang Goethe-
Universität Frankfurt am Main vom 12. Mai 1976 (StAnz. 1976, S. 1785 ff.)
vorgegebene Höchstfrist. Bei Kandidaten, die diese Frist für die Abgabe der
Diplomarbeit nicht einhalten, gilt die Prüfung als nicht bestanden (§ 20 Abs. 5
Diplomprüfungsordnung). Nach den Angaben des Prof. Dr. Bethge ist die
Unterbesetzung der feinmechanischen Werkstatt des Instituts für Kernphysik ein
"chronischer Zustand seit vielen Jahren". Bei dieser Sachlage ist es nicht
verwunderlich, daß für die Anfertigung der Diplomarbeiten im Fach Physik bei Prof.
Dr. Bethge stets die nach der Prüfungsordnung zulässige Höchstfrist ausgeschöpft
werden muß. Dies bedeutet aber nicht, daß die Kandidaten des Prof. Dr. Bethge
auch ohne die für sie bestehenden technischen Schwierigkeiten für die Anfertigung
der Diplomarbeit jeweils ein Jahr benötigten und sich deshalb auf schwerwiegende
Gründe im Rahmen des § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG nicht berufen könnten. Dagegen,
daß der Kläger auch ohne die Kapazitätsmängel in der feinmechanischen
Werkstatt des Instituts für Kernphysik und ohne die von ihm nicht zu vertretenden
Schwierigkeiten bei der Beschaffung des erforderlichen Isoliermaterials ein volles
Jahr für die Anfertigung seiner Diplomarbeit benötigt hätte, spricht insbesondere
die Tatsache, daß er seine Diplomarbeit nach der Lieferung des notwendigen
Sondermaterials innerhalb von etwa 6 Wochen fertiggestellt hat.
Es kann dem Kläger auch nicht entgegengehalten werden, daß er sich im Hinblick
auf die Unterbesetzung der feinmechanischen Werkstatt des Instituts für
Kernphysik frühzeitiger um eine Diplomarbeit hätte bemühen müssen, so daß ein
Abschluß seines Studiums noch innerhalb der normalen Förderungszeit möglich
gewesen wäre. Der Kläger hat glaubhaft vorgetragen, er habe bei der Bewerbung
um seine Diplomarbeit noch damit gerechnet, innerhalb der
Förderungshöchstdauer sein Studium beenden zu können. Es habe ihn niemand
auf die geringe Kapazität der feinmechanischen Werkstatt aufmerksam gemacht.
Prof Dr. Bethge habe ihm vielmehr in Aussicht gestellt, die erforderlichen
technischen Anlagen würden so rechtzeitig bereitstehen, daß er seine
Diplomarbeit spätestens im Juli/August 1981 beenden könne. Selbst wenn man
davon ausgeht, daß der Kläger ohne die in der Werkstatt des Instituts für
Kernphysik bestehenden Kapazitätsschwierigkeiten und ohne die von Prof. Dr.
Bethge bestätigten Lieferschwierigkeiten für die erforderlichen Sondermaterialien
seine Diplomarbeit erst im Januar 1982 fertiggestellt hätte, hätte er seine
Diplomprüfung noch innerhalb der regulären Förderungshöchstdauer ablegen und
damit sein Studium rechtzeitig beenden können. Prof. Dr. Bethge hat nämlich
bestätigt, daß die mündliche Prüfung regelmäßig innerhalb von zwei Monaten nach
der Abgabe der Diplomarbeit erfolgt.
Dem Beklagten kann auch nicht darin gefolgt werden, daß der Kläger sich
angesichts der bestehenden technischen Schwierigkeiten im Institut für Kernphysik
einem anderen Prüfer hätte zuwenden oder sich um eine Diplomarbeit aus dem
Bereich der theoretischen Physik hätte bemühen müssen. Abgesehen davon, daß
dem Kläger wie er glaubhaft vorgetragen hat, bei der Bewerbung um eine
Diplomarbeit bei Prof. Dr. Bethge die im Institut für Kernphysik bestehenden
technischen Schwierigkeiten unbekannt waren, muß einem Physikstudenten auch
grundsätzlich freigestellt bleiben, eine seinen Neigungen und Fähigkeiten
entsprechende Diplomarbeit zum Abschluß seines Studiums zu wählen. Durch die
in § 3 Abs. 5 und § 20 Abs. 5 der Diplomprüfungsordnung vorgesehene Jahresfrist
ist gewährleistet, daß wegen der Besonderheit des gewählten Themas nicht etwa
eine Studiendauer erforderlich wird, die die in der
Förderungshöchstdauerverordnung vorgesehene Studienzeit erheblich
überschreitet.
Der Senat teilt auch nicht die Auffassung des Beklagten, daß der Kläger sich
angesichts der unzureichenden Ausstattung des Instituts für Kernphysik und der
Schwierigkeiten bei der Beschaffung des erforderlichen Sondermaterials von der
Universität hätte beurlauben lassen müssen, um eine Überschreitung der
normalen Förderungszeit zu vermeiden. Eine Beurlaubung von der Universität
erfolgt üblicherweise nur für volle Semester. Schon mit Rücksicht darauf, daß
ungewiß war, wann das vom Kläger benötigte Sondermaterial zur Verfügung
stehen würde und im Hinblick auf die nach der Prüfungsordnung laufende
Jahresfrist für die Abgabe der Diplomarbeit, konnte dem Kläger nicht zugemutet
werden, sich für ein volles Semester beurlauben zu lassen und in dieser Zeit unter
Verzicht auf Förderungsleistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Nach dem Schreiben des Prof. Dr. Bethge
vom 25. Juli 1986 wurde der erste als Sondermaterial gelieferte Rohling bei der
mechanischen Bearbeitung in der Werkstatt des Instituts für Kernphysik an einer
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mechanischen Bearbeitung in der Werkstatt des Instituts für Kernphysik an einer
wesentlichen Stelle beschädigt, so daß ein zweiter Rohling hergestellt und
gegossen werden mußte. Abgesehen davon, daß für den Kläger schon die
Lieferzeit für den ersten Rohling nicht abzusehen war, brauchte er mit dessen
Beschädigung in der Werkstatt für Kernphysik und der Notwendigkeit, auf einen
zweiten Rohling zu warten, erst recht nicht rechnen. Die Dauer der Verzögerung
bei der Beschaffung des für seine Diplomarbeit notwendigen Sondermaterials war
daher für ihn nicht annähernd bestimmbar. Überdies mußte dem Kläger auch nach
der Anmeldung seiner Diplomarbeit bei dem zuständigen Prüfungsamt zum 4. Mai
1981 daran gelegen sein, alles zu vermeiden, was einer zügigen Fertigstellung der
Prüfungsarbeit entgegenstehen konnte.
War aber die Verlängerung der Studiendauer um vier Monate über die normale
Förderungszeit hinaus für den Kläger nicht vermeidbar, so ist der Beklagte nach §
15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG verpflichtet, dem Kläger über den 31. Mai 1982 hinaus bis
zum Abschluß seiner Diplomprüfung im Juli 1982 (§§ 15a Abs. 3, 51 Abs. 1 BAföG)
Förderungsleistungen weiterzugewähren.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der außergerichtlichen
Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO in
entsprechender Anwendung.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO
sind nicht erfüllt.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g :
Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde innerhalb eines Monats
nach Zustellung dieser Entscheidung angefochten werden. Die Beschwerde ist
durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule
einzulegen. In der Beschwerdeschrift muß die grundsätzliche Bedeutung der
Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts
oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von der
die Entscheidung abweicht, oder ein Verfahrensmangel bezeichnet werden, auf
dem das Urteil beruhen kann (vgl. § 132 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -
und § 18 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der
obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Juni 1968 - BGBl I S. 661).
Die Revision ist auch ohne Zulassung statthaft, wenn einer der in § 133 VwGO
genannten Verfahrensmängel gerügt wird. In diesem Fall ist die Revision innerhalb
eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung durch einen Rechtsanwalt oder
einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule schriftlich einzulegen und
spätestens innerhalb eines weiteren Monats zu begründen. Die Revision muß die
angefochtene Entscheidung bezeichnen. Die Revisionsbegründung oder die
Revision muß einen bestimmten Antrag enthalten, ferner die verletzte Rechtsnorm
und die Tatsachen bezeichnen, die den gerügten Verfahrensmangel ergeben.
Beschwerde und Revision sind einzulegen bei dem
Hessischen Verwaltungsgerichtshof
Brüder-Grimm-Platz 1
3500 Kassel
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.