Urteil des HessVGH vom 14.12.1993

VGH Kassel: erwerbstätigkeit, ermessen, arbeitserlaubnis, quelle, zivilprozessrecht, immaterialgüterrecht, verwaltungsrecht, dokumentation, eltern, auflage

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
9. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 TG 2275/93
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 8 Abs 2 Nr 2 S 3 BAföG
(Ausbildungsförderung für ausländische Auszubildende -
unverschuldete Nichtausübung einer an sich möglichen
Erwerbstätigkeit der Eltern)
Gründe
Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist begründet; denn das
Verwaltungsgericht hat dem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung zu
Unrecht entsprochen.
Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ist der Antrag auf Erlaß einer
einstweiligen Anordnung nicht begründet. Dem Antragsteller steht für den hier
streitigen Zeitraum ab März 1993 keine Ausbildungsförderung nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) zu.
Der geltend gemachte Anspruch ist davon abhängig, daß der Tatbestand des § 8
Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 BAföG erfüllt ist; denn die übrigen in § 8 BAföG genannten
Förderungsvoraussetzungen scheiden von vornherein aus. Insoweit ist den
Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu folgen.
Die Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 BAföG ist im Zusammenhang mit Satz 1
zu sehen. Da es nach Satz 1 auf eine rechtmäßige Erwerbstätigkeit von drei Jahren
ankommt, von der nach Satz 3 teilweise abgesehen werden kann, ist Satz 3 dahin
zu verstehen, daß die Vorschrift nur den Fall erfaßt, daß ein Elternteil an sich hätte
rechtmäßig erwerbstätig sein können, aber diese rechtmäßige Erwerbstätigkeit
aus einem besonderen, von ihm nicht zu vertretenen Grund nicht ausüben kann
(in diesem Sinn bereits Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluß vom 12.
März 1984 - 9 TG 259/84 - S. 7 zu der früheren Fassung des Gesetzes).
Anderenfalls führte die Vorschrift des Satzes 3 zu einer völligen Aufweichung der
Regelung in Satz 1. Eine solche Aufweichung ist aber vom Gesetzgeber nicht
beabsichtigt.
Bei diesem Verständnis ist der Tatbestand des § 8 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 BAföG hier
nicht erfüllt. Denn für die Mutter des Antragstellers war die Möglichkeit einer
rechtmäßigen Erwerbstätigkeit vor der Erwerbstätigkeit ab Juni 1991 gerade nicht
gegeben, weil sie als Asylbewerberin keine Arbeitserlaubnis erhalten hatte. Ein
Ausländer kann aber nur dann rechtmäßig erwerbstätig sein, wenn er über eine
entsprechende Arbeitserlaubnis verfügt (vgl. Rothe/Blanke,
Bundesausbildungsförderungsgesetz, Kommentar, 5. Auflage Stand: 1. Juni 1993,
Rdnr. 51 zu § 8).
Doch auch dann, wenn man die Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 BAföG nicht
in dem dargestellten Sinn einschränkend versteht, ist ein Anspruch auf
Ausbildungsförderung nicht gegeben. Dies folgt daraus, daß die Entscheidung
nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 BAföG in das Ermessen des Amtes für
Ausbildungsförderung gestellt ist. Nur dann, wenn dieses Ermessen rechtmäßig
nur zugunsten des Auszubildenden ausgeübt werden kann, kann ein Anspruch auf
Ausbildungsförderung gegeben sein. Eine solche Reduzierung des Ermessens ist
hier aber nicht eingetreten.
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Das Amt für Ausbildungsförderung gebraucht das ihm eingeräumte Ermessen
nicht fehlerhaft, wenn es bei seiner Entscheidung den Zusammenhang zwischen §
8 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 und Satz 1 beachtet und nur dann von dem Erfordernis der
Erwerbstätigkeit von drei Jahren absieht, wenn ein Elternteil an sich die Möglichkeit
hatte, rechtmäßig erwerbstätig zu sein, aber aus einem besonderen, von ihm nicht
zu vertretenden Grund die Erwerbstätigkeit nicht ausüben konnte. Daß dieser
Tatbestand hier nicht vorliegt, ist bereits dargelegt.
Da danach keine der Förderungsvoraussetzungen nach § 8 BAföG für den
Antragsteller erfüllt ist, scheidet ein Anspruch auf Ausbildungsförderung aus.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.