Urteil des HessVGH vom 23.11.1987

VGH Kassel: altersgrenze, bekanntmachung, zahl, universität, studienordnung, staatsexamen, behandlung, spezialisierung, erstausbildung, hochschulstudium

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
9. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 TG 2662/86
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 7 Abs 2 Ziff 1 BAföG, § 10
Abs 3 S 2 Ziff 2 BAföG
1983
(Ausbildungsförderung für eine weitere Ausbildung -
Motologie als Aufbaustudium zum Sportstudium)
Gründe
I.
Die im Jahre 1955 geborene Antragstellerin nahm im Wintersemester 1976 ein
Studium für das Lehramt in der Primarstufe mit den Fächern Mathematik und
Sport auf. Im Juli 1981 bestand sie die erste Staatsprüfung und im Januar 1984 das
zweite Staatsexamen. Anschließend war sie 1 Jahr lang arbeitslos, absolvierte
danach einen Übungsleiterlehrgang bei dem Behindertensportverband in
Nordrhein-Westfalen und betreute nach dessen Beendigung Sportgruppen für
behinderte Kinder.
Im Sommersemester 1986 nahm die Antragstellerin an der Philipps Universität in
Marburg/Fachbereich Erziehungswissenschaften ein Studium der Motologie auf.
Nach der vom Hessischen Kultusminister durch Erlaß vom 29. Januar 1982
genehmigten Studienordnung (Amtsblatt des Hessischen Kultusminister 1982 S.
74 ff.) ist das Studium der Motologie als viersemestriges Aufbaustudium konzipiert
Die Zulassung zu diesem Studium setzt den erfolgreichen Abschluß eines
wissenschaftlichen Hochschulstudiums im Fach Sport, das auch im Rahmen eines
Studiums für ein Lehramt absolviert worden sein kann, oder den Abschluß eines
wissenschaftlichen Hochschulstudiums in einem anderen Fach voraus, wobei
zusätzlich ein ordnungsgemäßes mindestens sechssemestriges Studium des
Faches Sport nachzuweisen ist. Ferner ist für die Zulassung zum Studium der
Motologie der Nachweis besonderer fachlicher Eignung erforderlich. Diese Eignung
ist nachzuweisen durch einschlägige Beschäftigungen in dem
motopädagogischen/mototherapeutischen Bereich.
Der Aufbaustudiengang der Motologie wurde erstmalig zum Sommersemester
1983 an der Universität Marburg eingerichtet.
Am 12. Mai 1986 beantragte die Antragstellerin bei dem Antragsgegner die
Gewährung von Förderungsleistungen nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG).
Der Antragsgegner stellte fest, daß die Antragstellerin die einkommensmäßigen
Voraussetzungen für die Bewilligung von Ausbildungsförderung erfüllt und holte zur
Frage der Förderungsfähigkeit des Aufbaustudiums zwei Stellungnahmen des
Hessischen Ministers für Wissenschaft und Kunst ein. Dieser vertrat die
Auffassung, Förderungsleistungen könnten im Fall der Antragstellerin nicht
gewährt werden, weil sie die in § 10 Abs. 3 BAföG geregelte Altersgrenze beim
Beginn ihres Aufbaustudiums überschritten gehabt habe. Die Tatsache, daß
Aufbau- und Ergänzungsstudiengänge üblicherweise erst ab dem 25. Lebensjahr
aufgenommen würden, reiche nicht aus, von der in § 10 Abs. 3 BAföG geregelten
Altersgrenze abzusehen.
Eine Entscheidung des Antragsgegners über den Förderungsantrag der
Antragstellerin ist bisher nicht ergangen.
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Am 26. Juni 1986 hat die Antragstellerin bei dem Verwaltungsgericht Kassel den
Erlaß einer einstweiligen Anordnung beantragt, durch die dem Antragsgegner
aufgegeben werden sollte, ihr für ihr Studium der Motologie in der Zeit vom 26.
Juni 1986 bis zum 30. April 1987 dem Grunde nach Ausbildungsförderung zu
bewilligen.
Sie hat geltend gemacht, das Studium der Motologie führe ihr früheres Studium
für das Lehramt inhaltlich weiter. Die Überschreitung der in § 10 Abs. 3 BAföG
vorgesehenen Altersgrenze sei durch die Art der Ausbildung gerechtfertigt. Diese
setze neben, einem abgeschlossenen wissenschaftlichen Hochschulstudium eine
durch Praxis erworbene fachliche Eignung voraus. Die Zahlen über die
Studienanfänger die beim Beginn des Motologiestudiums bereits 30 Jahre und
älter seien, belegten, daß die "Art der Ausbildung" im Sinne des § 10 Abs. 3 Satz 2
Ziffer 2 BAföG die Überschreitung der in § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG genannten
Altersgrenze rechtfertige. Beim Beginn des Motologiestudiums seien im
Sommersemester 1983 23,1 % der Studienanfänger, im Sommersemester 1984
38,7 % der Studienanfänger, im Sommersemester 1985 26,7 % der
Studienanfänger und im Sommersemester 1986 47,4 % der Studienanfänger 30
Jahre und älter gewesen. Im Durchschnitt hätten 33 % der Studienanfänger in den
Jahren von 1983 bis 1986 bereits das 30. Lebensjahr überschritten gehabt.
Sie - die Antragstellerin - habe überdies das Studium zum frühest möglichen
Zeitpunkt aufgenommen. Vom Leiter des Instituts für Sportwissenschaft und
Motologie an der Philipps Universität in Marburg, Prof. Dr. S., sei am 28. Juni 1986
bestätigt worden, daß sie erst im Jahre 1985 durch die Praxis im Umgang mit
Schülergruppen von Lernbehinderten und Verhaltensauffälligen die für den Beginn
des Studiums der Motologie erforderlichen Erfahrungen gesammelt habe.
Der Antragsgegner ist dem Antrag auf den Erlaß einer einstweiligen Anordnung
entgegengetreten.
Das Verwaltungsgericht hat durch Beschluß vom 5. September 1986 - V/3 G
1196/86 - den Erlaß einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, weil das Studium der
Motologie das frühere Sportstudium der Antragstellerin nicht in derselben Richtung
fachlich weiterführe (§ 7 Abs. 2 Ziffer 1 BAföG). Entsprechend den Zielsetzungen
des Studiengangs, wie sie in der Studienordnung der Universität Marburg zum
Ausdruck kämen, sollten künftige Motologen nicht nur im Schulsport sondern auch
in der Motodiagnostik und Mototherapie, insbesondere in
Behinderteneinrichtungen, Kliniken und Psychiatrien, an Gesundheitsämtern,
ärztlichen Beratungsstellen, Rehabilitationseinrichtungen, in der Erwachsenen- und
Altenpädagogik eingesetzt werden. Auch die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Satz
1 Nr 1 z. Alternative BAföG seien nicht gegeben. Es gebe keinen Beruf für den ein
abgeschlossenes Lehramtsstudium im Fach Sport und ein Studium im Fach
Motologie rechtliche Zugangsvoraussetzungen seien.
Gegen diesen der Antragstellerin am 10. September 1986 zugestellten Beschluß
richtet sich ihre am 22. September 1986 eingegangene Beschwerde, mit der sie
ihr Begehren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes weiterverfolgt und
ergänzend vorträgt, sie habe das Studium der Motologie auch deshalb nicht früher
beginnen können, weil ihr die Existenz dieses Studienganges unbekannt gewesen
sei. Sie habe sich nach dem zweiten Staatsexamen mehrere Male bei dem
zuständigen Arbeitsamt und bei dem Abteilungsleiter des
Fachvermittlungsdienstes in Bielefeld über berufliche Alternativen erkundigt. Über
den Studiengang Motologie sei dort zu jenem Zeitpunkt nichts bekannt gewesen.
Eine objektive und nicht zu behebende Unkenntnis sei ein Hinderungsgrund im
Sinne des § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr 3 BAföG.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die die Antragstellerin
betreffende Förderungsakte des Antragsgegners sowie die gewechselten
Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und auch begründet.
Die Antragstellerin hat einen Sachverhalt glaubhaft gemacht, wonach eine
einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf die
zwischen den Beteiligten streitigen Förderungsansprüche nötig erscheint, um
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zwischen den Beteiligten streitigen Förderungsansprüche nötig erscheint, um
wesentliche Nachteile von ihr abzuwenden (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Auch ist
bei summarischer Prüfung glaubhaft, daß der Antragstellerin der von ihr geltend
gemachte Anspruch auf Förderungsleistungen nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz zusteht.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, daß der Antragstellerin ab Mai 1986
monatlich 728,-- DM und ab Oktober 1986 monatlich 748,-- DM
Ausbildungsförderung zuständen, wenn ihr Studium der Motologie dem Grunde
nach förderungsfähig wäre und wenn die in § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG genannte
Altersgrenze der Gewährung von Förderungsleistungen nicht entgegenstände.
Schon hieraus folgt, daß die Antragstellerin auf Förderungsleistungen angewiesen
ist, wenn sie ihr Studium weiterführen will.
Überdies hat die Antragstellerin aber auch am 25. Juni 1986 an Eides Statt
versichert, daß sie über keinerlei Vermögenswerte verfüge und seit der Aufnahme
ihres Studiums keine eigenen Einkünfte habe. Bislang habe sie ihren Lebensbedarf
durch Ersparnisse und ein einmaliges Darlehen ihrer Mutter in Höhe von 550,-- DM
finanziert. Da ihre Ersparnisse bis auf einen Restbetrag von 194,-- DM
aufgebraucht seien, benötige sie die Förderungsleistungen für die Durchführung
ihres Aufbaustudiums.
Es ist hiernach davon auszugehen, daß die Antragstellerin ohne die Gewährung
vorläufigen Rechtsschutzes ihr Studium nicht zu Ende führen kann.
Bei summarischer Prüfung ist darüberhinaus glaubhaft, daß die Antragstellerin die
Voraussetzungen für einen Anspruch auf Förderungsleistungen nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) für das Aufbaustudium der
Motologie erfüllt.
Nach § 7 Abs. 2 Ziffer 1 BAföG in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Juni
1983 (BGBl. I S. 645) wird Ausbildungsförderung für eine einzige weitere
Ausbildung bis zu deren berufsqualifizierendem Abschluß geleistet, wenn sie - die
weitere Ausbildung - eine Hochschulausbildung in einem längstens 2 Jahre
dauernden Ausbildungsgang in derselben Richtung fachlich, insbesondere
wissenschaftlich vertieft oder weiterführt. Bei dem von der Antragstellerin
betriebenen Aufbaustudium handelt es sich um eine "weitere Ausbildung" im Sinne
des § 7 Abs. 2 BAföG, da die Antragstellerin durch ihr Lehramtsstudium bereits
eine Erstausbildung im Sinne des § 7 Abs. 1 BAföG absolviert hat.
Es ist auch glaubhaft, daß das Aufbaustudium der Motologie das Lehramtsstudium
der Antragstellerin mit dem Fach Sport "in derselben Richtung" fachlich weiterführt
und vertieft.
Der Antragsgegner selbst hat in dem bei dem erkennenden Senat anhängigen
Parallelverfahren 9 TG 2661/86 folgendes vorgetragen:
"Die Lehre von der Motorik als Grundlage der Handlungs- und
Kommunikationsfähigkeit des Menschen, ihrer Störungen und deren Behandlung
(Motologie) kann .. aus einer integrativen Sportwissenschaft nicht herausgelöst
werden. Nahezu alle Elemente der Motologie - wenn auch unter anderer
Begrifflichkeit - sind identisch mit denen anderer Teildisziplinen der
Sportwissenschaft, die sich ebenfalls mit der menschlichen Bewegung
beschäftigen ...Das Studium der Motologie greift ausgewählte Forschungs- und
Lehrgegenstände des Sportlehrerstudiums auf und vertieft diese. Dabei können
während des Studiums durch besondere Gewichtung von Teilaspekten eines
Sportstudiums Schwerpunkte im Hinblick auf die Berufsfelder, die auch außerhalb
von Schulen liegen können, geweckt werden. Das Studium der Motologie baut
demnach fachlich und inhaltlich auf einem wissenschaftlichen Sportstudium auf
und führt zu einer Spezialisierung, soweit es um therapeutische Gesichtspunkte
beim Einsatz des Sports in Behinderteneinrichtungen, Schulen, Heimen, in Jugend-
und Erwachsenenarbeit geht .. ... In beiden Ausbildungen steht die fachliche
Kompetenz und der Einsatz als Sportlehrerin im Vordergrund, aufgrund des
Ergänzungsstudiums jedoch mit der Spezialisierung auf besondere medizinische
und erzieherische Problembereiche. Soweit das Ergänzungsstudium das Ziel hat,
zur Forschung Aus- und Weiterbildung im Hoch- und Fachschulbereich zu
befähigen, wird die wissenschaftliche Vertiefung und fachliche Weiterführung
betont. Diese Beurteilung trifft auch für die Teilnehmer mit einem
Lehramtsabschluß zu, die mit diesem Aufbaustudium für Maßnahmen des
Sonderturnens in besonderem Maße befähigt werden sollen. Das Studium dient
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Sonderturnens in besonderem Maße befähigt werden sollen. Das Studium dient
insoweit nicht der beruflichen Erweiterung im Hinblick auf den für
Lehramtskandidaten problematischen Arbeitsmarkt, sondern das Ziel schulischen
Einsatzes bleibt, sofern es der Antragsteller wünscht, erhalten. Die fachliche
Weiterführung der abgeschlossenen Erstausbildung ist demzufolge für Sportlehrer
und Lehramtsabsolventen mit dem Fach Sport zu bejahen, so daß eine
grundsätzliche Förderungsfähigkeit nach § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BAföG gegeben
sein dürfte."
Der Senat hat - jedenfalls bei summarischer Prüfung - keinen Anlaß, an der
Richtigkeit dieser Einordnung des Studiums der Motologie als inhaltliche
Weiterführung und Vertiefung des Studiums von Lehramtsabsolventen mit dem
Fach Sport zu zweifeln, zumal auch der Direktor des Bundesinstituts für
Sportwissenschaft in einem an Professor Dr. S. gerichteten Schreiben vom 26.
Januar 1984 zum Ausdruck gebracht hat, bei der Motologie handele es sich nicht
um ein eigenständiges Wissenschaftsgebiet sondern um eine Teildisziplin im
Rahmen der Sportwissenschaft, wobei die unter dem Begriff Motologie
zusammengefaßte "Lehre von der Motorik als Grundlage der Handlungs- und
Kommunikationsfähigkeit des Menschen, ihrer Störungen und deren Behandlung"
weitgehend identisch sei mit anderen Disziplinen im Bereich der
Sportwissenschaft, die sich mit der menschlichen Bewegung beschäftigten.
Zudem hat Prof. Dr. S. einem an die Universität Marburg gerichteten Schreiben
vom 3. Juli 1986 daraufhin gewiesen, daß das Studium der Motologie eine
"vertiefende Fortführung der Sportlehrerkompetenz in weitere Bereiche der
Erziehung, der Sondererziehung und Therapie durch Bewegung, Spiel und Sport"
darstelle.
Hiernach erfüllt das Aufbaustudium der Antragstellerin die Voraussetzungen des §
7 Abs. 2 Ziffer 1 1. Alternative BAföG.
Die in § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG vorgesehene Altersgrenze steht der
Förderungsfähigkeit des von der Antragstellerin betriebenen Aufbaustudiums nicht
entgegen. Nach § 10 Abs. 3 Satz 2 Ziffer 2 BAföG kommt es auf die in § 10 Abs. 3
Satz 1 BAföG vorgesehene Altersgrenze beim Beginn des Ausbildungsabschnitts,
für den Ausbildungsförderung begehrt wird, nicht an, wenn "die Art der Ausbildung
die Überschreitung der Altersgrenze rechtfertigt".
Im Fall der Antragstellerin rechtfertigt die Art, der Ausbildung die Überschreitung
der in § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG vorgesehenen Altersgrenze (Vollendung des 30.
Lebensjahres beim Beginn der Ausbildung).
Das Bundesverwaltungsgericht hat im Urteil vom 16. Oktober 1980 - Buchholz,
Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts, 436.36 § 10 BAföG Nr. 2 - ausgeführt, in der
Begründung zu der vom Bundesrat empfohlenen Einfügung der Härteklausel in §
10 Abs. 3 BAföG sei insbesondere auf pädagogische und soziale Berufe
hingewiesen worden. In gleicher Weise müßten andere Ausbildungen bevorrechtigt
sein, für deren Aufnahme vorgeschrieben oder Übung sei, daß der Auszubildende
vorher eine andere Ausbildung abgeschlossen oder eine mehrjährige
Berufstätigkeit ausgeübt haben müsse. Wenn derartige Besonderheiten einer
Ausbildung nicht aus Berufsregelungen oder Ausbildungsvorschriften abgeleitet
werden könnten, so könne sich aus den tatsächlichen Verhältnissen ergeben, daß
gewisse Ausbildungen erst im reiferen Alter begonnen würden. Nach dem
Überschreiten der Altersgrenze sei die Förderung durch die Art der Ausbildung
gerechtfertigt, wenn in dem betreffenden Fach die Zahl der Auszubildenden, die
bei Ausbildungsbeginn die Altersgrenze überschritten hätten, einigermaßen
konstant 10 vom Hundert der Zahl aller Studienanfänger erreiche. Es kann hier
dahinstehen, ob die in dem vorgenannten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
zu § 10 Abs. 3 BAföG in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. April 1976 -
BGBl. I S. 989 - ergangene Rechtsprechung, wonach nach dem Überschreiten der
Altersgrenze die Förderung durch die Art der Ausbildung dann gerechtfertigt sein
soll, wenn in dem betreffenden Fach die Zahl der Auszubildenden, die bei
Ausbildungsbeginn die Altersgrenze überschritten haben, einigermaßen konstant
10 vom Hundert der Zahl aller Studienanfänger erreicht, ohne weiteres
übertragbar ist auf § 10 Abs. 3 Satz 2 Ziffer 2 BAföG in der Fassung der
Bekanntmachung vom 6. Juni 1983 (BGBl. I S. 645). Denn während § 10 Abs. 3
BAföG (Fassung 1976) Ausbildungsförderung im Regelfall nur dann ausschloß,
wenn der Auszubildende bei Beginn des Ausbildungsabschnitts, für den er
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wenn der Auszubildende bei Beginn des Ausbildungsabschnitts, für den er
Ausbildungsförderung begehrte, das 35. Lebensjahr vollendet hatte, sieht § 10
Abs. 3 Satz 1 BAföG in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Juni 1983 die
Gewährung von Ausbildungsförderung grundsätzlich nur dann vor, wenn der
Auszubildende beim Beginn der zu fördernden Ausbildung das 30. Lebensjahr noch
nicht vollendet hatte. Bei einer Altersgrenze von 35 Jahren kommt es seltener vor,
daß Studienanfänger diese Altersgrenze überschritten haben als bei einer
Altersgrenze von 30 Jahren. Überschreiten 10 vom Hundert der Zahl aller
Studienanfänger die maßgebliche Altersgrenze, so läßt dies naturgemäß bei einer
Altersgrenze von 35 Jahren eher Rückschlüsse darauf zu, ob "die Art der
Ausbildung" ein höheres Lebensalter voraussetzt oder zumindest ratsam
erscheinen läßt als bei einer Altersgrenze von nur 30 Jahren.
Unabhängig davon, ob die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu §
10 Abs. 3 BAföG in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. April 1976 auf § 10
Abs. 3 Satz 2 Ziffer 2 BAföG in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Juni 1983
in vollem Umfang übertragbar ist, lassen aber die in der Diplomprüfungsordnung
für das Fach Motologie geregelten Zugangsvoraussetzungen, die ein
wissenschaftliches Hochschulstudium und zusätzliche praktische Erfahrungen vor
der Aufnahme des Aufbaustudiums vorsehen, in Verbindung mit der Tatsache, daß
die Studienanfänger im Fach Motologie im Mittel zu 33 vom Hundert das 30.
Lebensjahr vollendet haben, eine Förderung des Aufbaustudiums der Motologie
durch Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz wegen der Art
der Ausbildung trotz Überschreitung der Altersgrenze gerechtfertigt erscheinen.
Die Zugangsvoraussetzungen für das Studium der Motologie schließen es
normalerweise aus, daß das Aufbaustudium - anders als in vielen anderen
Aufbaustudiengängen - unmittelbar im Anschluß an die erste Hochschulausbildung
aufgenommen wird. Schon dies führt dazu, daß die Studienanfänger im Fach
Motologie von der Vollendung des 30. Lebensjahres nicht weit entfernt sein können
oder dieses Lebensalter sogar überschritten haben. Berücksichtigt man zusätzlich
die Angaben des Prof. Dr. S. über das durchschnittliche Alter der Studienanfänger
im Fach Motologie in den Jahren von 1983 bis 1986, so erscheint das höhere
Lebensalter und die damit verbundene größere Lebenserfahrung als prägendes
Merkmal für die Ausbildung im Fach Motologie, die einen Ausschluß der
Absolventen dieser Ausbildung von Förderungsleistungen nach dem Überschreiten
der maßgeblichen Altersgrenze unbillig erscheinen ließe.
Die Voraussetzungen für einen Anspruch der Antragstellerin auf Förderung ihres
Motologiestudiums sind daher gegeben. Infolge dessen war ihrem Antrag auf
Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes stattzugeben.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.
Dieser Beschluß ist gemäß § 152 Abs. 1 Satz 1 VwGO unanfechtbar.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.