Urteil des HessVGH vom 18.12.1985

VGH Kassel: vorzeitige besitzeinweisung, aufschiebende wirkung, wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, vollziehung, beiladung, hessen, neubau, enteignung, behörde, landwirtschaft

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
2. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 TH 1842/85
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 18 FStrG, § 65 VwGO, §
80 VwGO
Leitsatz
1. Zur Auslegung eines Beiladungsbeschlusses, in dem das Hessische Landesamt für
Straßenbau "als Antragstellerin das Besitzeinweisungsverfahren" beigeladen worden ist.
2. Ein für sofort vollziehbar erklärter fernstraßenrechtlicher Planfeststellungsbeschluß ist
im vorzeitigen Besitzeinweisungsverfahren für die Enteignungsbehörde bindend. Der
Enteignungsbehörde ist es in diesem Verfahren verwehrt, eine
Rechtmäßigkeitsüberprüfung des Planfeststellungsbeschlusses vorzunehmen.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die von
dem Antragsgegner mit Sofortvollzug angeordnete vorzeitige Besitzeinweisung
der Bundesrepublik Deutschland in verschiedene, teils in seinem Eigentum
stehende, teils von ihm gepachtete Grundstücksflächen zur Durchführung eines
Straßenbauvorhabens (Neubau der Ortsumgehung Eltville am Rhein/Walluf -
"Große Nordumgehung" -). Die Grundstücke werden für den Neubau der
Ortsumgehung benötigt, für die der Hessische Minister für Wirtschaft und Technik
am 20. September 1982 den Planfeststellungsbeschluß erlassen und mit Beschluß
vom 3. Februar 1983, berichtigt am 14. Februar 1983, die sofortige Vollziehung
angeordnet hat. Die Rechtmäßigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs hat der
Senat hinsichtlich des Antragstellers mit Beschluß vom 19. April 1984 - 2 TH
102/83 - bestätigt.
Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat mit Urteil vom 23. Mai 1985 im
Hauptsacheverfahren den Planfeststellungsbeschluß vom 30. September 1982
aufgehoben. Gegen dieses Urteil haben, mehrere Betroffene Berufung eingelegt,
über die von dem Senat bisher noch nicht entschieden worden ist.
Mit bei dem Antragsgegner in der Zeit zwischen dem 7. Februar und 5. März 1985
eingegangenen sechs Anträgen begehrte die Beigeladene die vorzeitige
Besitzeinweisung in verschiedene Grundstücke, deren Eigentümer oder Pächter
der Antragsteller ist. Zur Begründung machte sie im wesentlichen geltend, daß die
Besitzeinweisung aus bautechnischen Gründen für die Errichtung des
Brückenbauwerks Nr. 5 notwendig sei, da Brückenbauwerke Vorlauf vor den
eigentlichen Streckenarbeiten hätten. Zur Gewährleistung eines reibungslosen
Baufortschritts sei die Einhaltung der im Bauzeitenplan angegebenen Termine
erforderlich.
Am 14. Mai 1985 verhandelte der Antragsgegner mit den Beteiligten über die
Anträge der Beigeladenen auf vorzeitige Besitzeinweisung und beauftragte sodann
das Amt für Landwirtschaft und Landentwicklung in Wiesbaden mit der Erstattung
eines Gutachtens zu der Frage, ob durch die vorzeitige Besitzeinweisung die
Existenz des Betriebes des Antragstellers gefährdet sei. In seinem Gutachten vom
13. Juni 1985 errechnete das Amt für Landwirtschaft und Landentwicklung
Wiesbaden für den Antragsteller einen Unternehmensgewinn von 36.000,-- DM und
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Wiesbaden für den Antragsteller einen Unternehmensgewinn von 36.000,-- DM und
stellte einen Verlust an Eigentums- und langfristig gepachteten Flächen von 62 %
fest. Es kam zu dem Ergebnis, daß eine Halbierung des Unternehmensgewinns
einer akuten Existenzgefährdung gleichkomme.
Mit Besitzeinweisungsbeschluß vom 12. Juli 1985 wies der Antragsgegner die
Beigeladene mit Wirkung vom 1. August 1985 in folgende Grundstücksteilflächen
ein:
1. Gemarkung Martinsthal, Flur 2, Flurstück 13/1 ca. 892 qm (Gesamtfläche
=1.935 qm), Flurstück 354/15 ca. 855 qm (Gesamtfläche = 933 qm), Flurstück
353/14 ca. 439 qm (Gesamtfläche = 602 qm),
2. Gemarkung Oberwalluf, Flur 1, Flurstück 66 ca. 248 qm (Gesamtfläche = 731
qm),
3. Gemarkung Martinsthal, Flur 2, Flurstück 95 ca. 4.124 qm (Gesamtfläche =
9.040 qm),
4. Gemarkung Oberwalluf, Flur 1, Flurstück 67 (Gesamtfläche = 854 qm) ca. 571
qm endgültig und ca. 122 qm vorübergehend, Flurstück 70 (Gesamtfläche = 733
qm) ca. 4 qm vorübergehend, Flurstück 81 (Gesamtfläche = 1.797 qm) ca. 843
qm endgültig und ca. 320 qm vorübergehend, Flurstück 69 (Gesamtfläche = 367
qm) ca. 20 qm endgültig,
5. Gemarkung Oberwalluf, Flur 1, Flurstück 71 ca. 192 qm vorübergehend
(Gesamtfläche = 817 qm).
Mit Besitzeinweisungsbeschluß vom 17. Juli 1985 wies der Antragsgegner die
Beigeladene weiterhin mit Wirkung vom 5. August 1985 in den Besitz einer
insgesamt 117 qm großen Teilfläche der Grundstücke Gemarkung Martinsthal, Flur
2, Flur89 (ca. 58 qm bei einer Gesamtfläche von 1.254 qm) und Flurstück 91/1 (ca.
49 qm bei einer Gesamtfläche von 185 qm) ein.
Gleichzeitig ordnete der Antragsgegner die sofortige Vollziehung der
Besitzeinweisungsbeschlüsse an. Zur Begründung führte er aus, die
Voraussetzungen einer vorzeitigen Besitzeinweisung nach § 18 f FStrG seien
erfüllt. Danach genüge es, wenn ein vollziehbarer Planfeststellungsbeschluß
vorliege. Dies treffe auf den Planfeststellungsbeschluß vom 20. September 1982
zu, dessen sofortige Vollziehung durch Beschluß des Hessischen Ministers für
Wirtschaft und Technik vom 3. Februar 1983 angeordnet worden sei. Die Grundlage
der sofortigen Vollziehung sei auch nicht durch die Hauptsacheentscheidung des
Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 23. Mai 1985, mit der der
Planfeststellungsbeschluß aufgehoben worden sei, entfallen, da dieses Urteil noch
nicht rechtskräftig sei und der angeordnete Sofortvollzug weiterhin Bestand habe.
Darüber hinaus sei der Planfeststellungsbeschluß auch unter Berücksichtigung des
Urteils des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 23. Mai 1985 rechtmäßig. Der
sofortige Beginn der beabsichtigten Baumaßnahme sei geboten. Nur durch den
unverzüglichen Neubau der Ortsumgehung könnten die unzulängliche
Leistungsfähigkeit und mangelnde Verkehrssicherheit der als Ortsdurchfahrt
vorhandenen Bundesstraße beseitigt werden. Allein der sofortige Beginn der
Bauarbeiten gewährleiste, daß die mit der geplanten Ortsumgehung beabsichtigte
entlastende Wirkung dieser Straße so schnell wie möglich im Interesse der
Sicherheit und Leistungsfähigkeit des Verkehrs für alle Verkehrsteilnehmer
festgestellt werden könne. Das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen
Vollziehung des Besitzeinweisungsbeschlusses ergebe sich aus den Gründen zur
Dringlichkeit des Neubaus der Ortsumgehung.
Mit Schriftsätzen vom 16. und 23. Juli 1985 hat der Antragsteller gegen die
Besitzeinweisungsbeschlüsse Widerspruch erhoben, über den der Antragsgegner
bisher noch nicht entschieden hat. Gleichzeitig hat er mit einem am 24. Juli 1985
bei dem Verwaltungsgericht Wiesbaden eingegangenen Antrag die
Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Widersprüche begehrt.
Der Antragsteller hat beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Widersprüche gegen die vorzeitige
Besitzeinweisung des Regierungspräsidenten in Darmstadt vom 12. und 17. Juli
1985 wiederherzustellen.
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
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Das Verwaltungsgericht hat durch Beschluß vom 9. August 1985 das Hessische
Landesamt für Straßenbau "als Antragstellerin des Besitzeinweisungsverfahrens"
gemäß § 65 Abs. 2 VwGO zum Verfahren beigeladen.
Die Beigeladene hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Das Verwaltungsgericht hat durch Beschluß vom 30. August 1985 dem Antrag
stattgegeben und die aufschiebende Wirkung der Widersprüche gegen die
vorzeitigen Besitzeinweisungen des Antragsgegners vom 12. und 17. Juli 1985
wiederhergestellt. Es hat ausgeführt, die Besitzeinweisungsbeschlüsse seien von
der Rechtsgrundlage des § 18 f Abs. 1 FStrG nicht gedeckt. Zwar sei es für die
Anordnung einer vorzeitigen Besitzeinweisung grundsätzlich ausreichend, wenn ein
sofort vollziehbarer Planfeststellungsbeschluß vorliege, dies gelte jedoch nicht für
Fälle der vorliegenden Art. Der im Vollstreckungsrecht anerkannte Grundsatz, daß
ein Zwangsmittel dann nicht mehr festgesetzt oder angewendet werden dürfe,
wenn die noch nicht unanfechtbare Grundverfügung rechtswidrig sei, finde auch im
Besitzeinweisungsverfahren Anwendung, so daß die Rechtmäßigkeit des zugrunde
liegenden Planfeststellungsbeschlusses in die Prüfung der Rechtmäßigkeit der
vorläufigen Besitzeinweisung einbezogen werden müsse. Die von dem
Antragsgegner vorgenommene Rechtmäßigkeitsprüfung sei unzureichend, denn
der Planfeststellungsbeschluß vom 20. September 1982 sei rechtswidrig. Dies
habe die Kammer in ihrem im Hauptsacheverfahren erlassenen Urteil vom 23. Mai
1985 ausgeführt.
Gegen den ihr am 9. September 1985 zugestellten Beschluß hat die Beigeladene
am 13. September 1985 Beschwerde eingelegt. Sie ist der Auffassung, daß für die
vom Verwaltungsgericht vorgenommene Rechtmäßigkeitsprüfung im Verfahren
nach § 18 f Abs. 1 FStrG kein Raum sei. Entgegen der Auffassung des
Verwaltungsgerichts lasse sich eine derartige Überprüfungspflicht der
Enteignungsbehörde auch nicht damit begründen, daß es sich bei der vorzeitigen
Besitzeinweisung um ein Institut handele, das dem Zwangsmittel im
Verwaltungsvollstreckungsrecht vergleichbar sei. Die vorzeitige Besitzeinweisung
sei Teil der Enteignung, während die Planfeststellung keine Änderung der privaten
Rechtsverhältnisse bewirke.
Die Beigeladene beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses den Antrag des
Antragstellers abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, die Beschwerde sei unzulässig, weil das Verwaltungsgericht
das Hessische Landesamt für Straßenbau beigeladen habe und diese Behörde
wegen mangelnder Beteiligtenfähigkeit nicht beiladungsfähig sei. Eine Umdeutung
der Beiladung des Hessischen Landesamtes für Straßenbau in eine Beiladung der
Bundesrepublik Deutschland scheitere bereits am Wortlaut des Beschlusses.
Darüber hinaus sei im vorliegenden Verfahren auch für eine Beiladung der
Bundesrepublik Deutschland kein Raum, weil die Länder innerhalb der
Auftragsverwaltung nicht nur im Bereich der Hoheitsverwaltung, sondern auch im
Bereich der Vermögensverwaltung für den Bund tätig seien. Dies gelte nicht nur
für die Planfeststellung, sondern auch für das Besitzeinweisungsverfahren. Auch
diese Aufgaben würden allein von dem Land wahrgenommen.
Der Antragsgegner verteidigt die angefochtenen Besitzeinweisungsbeschlüsse und
trägt weiter vor, aus der Formulierung des Beiladungsbeschlusses, wonach die
Antragstellerin des Besitzeinweisungsverfahrens beigeladen worden sei, ergebe
sich, daß das Hessische Landesamt für Straßenbau als Vertreterin der
Bundesrepublik Deutschland beigeladen worden sei. Dies stehe im Einklang mit §
18 f Abs. 1 FStrG, wonach der Träger der Straßenbaulast, dies sei für
Bundessstraßen der Bund, in den Besitz einzuweisen sei.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten sowie der Behördenakten (1 Ordner, 6 Hefter) Bezug genommen.
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II.
Die Beschwerde ist zulässig. Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluß vom 9.
August 1985 die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Hessische
Landesamt für Straßenbau in Wiesbaden, wirksam zum Verfahren beigeladen und
die Beigeladene hat gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts vom 30. August
1985 form- und fristgerecht (§§ 146, 147 VwGO) Beschwerde eingelegt. Zwar heißt
es in dem Beiladungsbeschluß, daß das Hessische Landesamt für Straßenbau
beigeladen wird, so daß der Wortlaut der Entscheidung zunächst dafür spricht, daß
damit diese Behörde beigeladen worden ist. Dieser, auch von dem Antragsteller
vertretenen Auslegung des Beiladungsbeschlusses, vermag der Senat jedoch
nicht zu folgen. Im vorliegenden Fall ergibt eine Auslegung des
Beiladungsbeschlusses unter Heranziehung seines sonstigen Inhalts, daß die
Bundesrepublik. Deutschland zum Verfahren beigeladen worden ist. Dies folgt
daraus, daß das Hessische Landesamt für Straßenbau, worauf der Antragsgegner
zutreffend hingewiesen hat, "als Antragstellerin des Besitzeinweisungsverfahrens"
beigeladen worden ist. Antragstellerin des Besitzeinweisungsverfahrens ist jedoch
die Bundesrepublik Deutschland als Trägerin der Straßenbaulast für
Bundesstraßen, zu deren Gunsten das Hessische Landesamt für Straßenbau die
Besitzeinweisung begehrt hat. Damit kommt nach Auffassung des Senats
hinreichend deutlich zum Ausdruck, daß der vom Verwaltungsgericht gemäß § 65
Abs. 2 VwGO beigeladene Dritte, die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch
das Hessische Landesamt für Straßenbau, und nicht das Hessische Landesamt für
Straßenbau als in Hessen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht
beteiligtenfähige Behörde, sein soll.
Die Beiladung der Bundesrepublik Deutschland zum vorliegenden Verfahren ist
rechtlich nicht zu beanstanden. Die von dem Antragsteller hiergegen erhobenen
Einwendungen greifen nicht durch. Die Stellung des Bundes als Träger der
Straßenbaulast für Bundesstraßen im Besitzeinweisungsverfahren ist mit seiner
Stellung im Planfeststellungsverfahren nicht vergleichbar. Der Senat hat in seinem
Beschluß vom 16. März 1984 - 2 TH 91/83 -, NVwZ 1984, 451, auf den der
Antragsteller seine Auffassung stützt, ausgeführt, daß eine Beiladung der
Bundesrepublik Deutschland in einem fernstraßenrechtlichen
Planfeststellungsverfahren nicht in Betracht komme, weil ihre Prozeßbeteiligung
durch die Prozeßbeteiligung des Landes Hessen, das im Rahmen der
Auftragsverwaltung des Art. 90 Abs. 2 GG allein Träger von Rechten und Pflichten
sei, sichergestellt sei. Diese Ausführungen sind jedoch auf das
Besitzeinweisungsverfahren nicht übertragbar. Zwar vertritt das Land Hessen auch
in diesem Verfahren den Bund als Träger der Straßenbaulast bei der
Antragstellung, allerdings erfolgt hier die formelle Besitzübertragung auf den Bund.
Während in einem bundesfernstraßenrechtlichen Planfeststellungsbeschluß die
Feststellung getroffen wird, daß die Ausführung des in dem Plan dargestellten
Vorhabens in öffentlich-rechtlicher Hinsicht zugelassen wird und hierbei das Land
den Bund als Straßenbaulastträger aus eigener selbständiger
Verwaltungskompetenz vertritt, wird der Bund im vorzeitigen
Besitzeinweisungsverfahren nach § 18 f FStrG durch die formelle
Besitzübertragung in seinen Rechten betroffen. Das Verwaltungsgericht hat daher
die Bundesrepublik Deutschland zu Recht zum Verfahren beigeladen.
Der von dem Antragsgegner angeordnete Sofortvollzug der
Besitzeinweisungsbeschlüsse ist nicht zu beanstanden, denn die vorzeitige
Besitzeinweisung ist offensichtlich rechtmäßig und liegt im besonderen öffentlichen
Interesse (§ 80 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 VwGO). Der Antragsgegner hat unter
Einhaltung der Ladungsfrist von drei Wochen (§ 18 f Abs. 2 Satz 4 FStrG) mit den
Beteiligten über den Besitzeinweisungsantrag verhandelt. Anhaltspunkte für
formell-rechtliche Mängel sind weder vorgetragen worden noch ersichtlich.
Der Besitzeinweisungsbeschluß ist auch materiell-rechtlich offensichtlich
rechtmäßig. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, daß die
vorzeitige Besitzeinweisung einen in seiner Vollziehbarkeit nicht gehemmten
Planfeststellungsbeschluß erfordert. Das bedeutet, daß der
Planfeststellungsbeschluß entweder unanfechtbar geworden oder mit der
Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO versehen
worden sein muß (vgl. BVerwG, DÖV 1973, 785; 786; Kodal-Krämer, Straßenrecht,
4. Aufl. S. 1126; Fickert, Planfeststellung für den Straßenbau, 38, 2 ; S. 566;
Marschall-Schroeter-Kastner, Bundesfernstraßengesetz, 4. Aufl. § 18 f Rdnr. 2.11;
ständige Rechtsprechung des Senats seit Beschluß vom 11. Juni 1959 - B II 38/59 -
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ständige Rechtsprechung des Senats seit Beschluß vom 11. Juni 1959 - B II 38/59 -
VkBl. 1959, 331; 332). Diese Voraussetzung liegt hier vor, denn der Hessische
Minister für Wirtschaft und Technik hat mit Beschluß vom 3. Februar 1983 die
sofortige Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses vom 20. September 1982
angeordnet, die durch Beschluß des Senats vom 19. April 1984 - 2 TH 102/83 -
zum Nachteil des Antragstellers bestätigt worden ist. Entgegen der Auffassung
des Verwaltungsgerichts ist die Enteignungsbehörde in einem
Besitzeinweisungsverfahren an den mit Sofortvollzug versehenen
Planfeststellungsbeschluß gebunden. Die Bindungswirkung hat für die
Enteignungsbehörde zur Folge, daß sie den Planfeststellungsbeschluß im
Besitzeinweisungsverfahren zugrunde legen muß und insoweit keine
Rechtmäßigkeitsüberprüfung vornehmen darf. Dies ergibt sich für das
Enteignungsverfahren unmittelbar aus § 19 Abs. 2 FStrG, wonach der nach § 18 a
Abs. 1 festgestellte Plan dem Enteignungsverfahren zugrunde zu legen und für die
Enteignungsbehörde bindend ist. Dabei ist allgemein anerkannt, daß die
Enteignung zulässig ist, wenn ein vollziehbarer Planfeststellungsbeschluß vorliegt
(vgl. Marschall-Schroeter-Kastner, a.a.O. S. 1119). Für die vorzeitige
Besitzeinweisung gilt nichts anderes und zwar unabhängig davon, ob man sie ihrer
Funktion und ihrem Wesen nach als Teil der Enteignung (so Kodal, a.a.O. S. 1124)
oder als Rechtsinstitut besonderer Art zur Durchsetzung des festgestellten Plans
(so Fickert, a.a.O. 38.1) ansieht. Es liegt auf der Hand, daß der
Enteignungsbehörde im vorzeitigen Besitzeinweisungsverfahren keine Befugnis
zustehen kann, die sie in dem die Rechtsstellung eines Betroffenen
einschneidenderen Enteignungsverfahren nicht hat. Die bindende Wirkung für die
Enteignungsbehörde im Besitzeinweisungsverfahren erstreckt sich auf den
Umfang des festgestellten Plans und hat zur Folge, daß es der
Enteignungsbehörde verwehrt ist, die Feststellungen der Planfeststellungsbehörde
durch andere eigene Feststellungen oder durch die Aufnahme von
Nebenbestimmungen, insbesondere von Auflagen, zu ändern oder zu ergänzen.
Betroffene Grundstückseigentümer haben daher ihre Einwendungen betreffend die
unmittelbare Inanspruchnahme ihres Grundstücks bereits im
Planfeststellungsverfahren vorzubringen.
Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Antragsgegner habe als
Enteignungsbehörde ebenso wie die Vollstreckungsbehörde im
Vollstreckungsverfahren eine Rechtmäßigkeitskontrolle hinsichtlich der
Grundverfügung durchzuführen, wenn sich die Grundverfügung als rechtswidrig
erweise, ist unzutreffend. Das Vollstreckungsverfahren ist ein selbständiges
Verwaltungsverfahren, das mit dem zu vollstreckenden Verwaltungsakt nur
insoweit im Zusammenhang steht, als es seiner zwangsweisen Durchsetzung
dient. Mit den gegen die Vollstreckungsmaßnahme zulässigen Rechtsbehelfen
können keine Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Verwaltungsakt;
erhoben werden. Sie müssen mit den hierfür zugelassenen Rechtsbehelfen
außerhalb des Vollstreckungsverfahrens verfolgt werden (vgl. § 256 AO).
Es besteht auch unter Berücksichtigung des durch Art. 19 Abs. 4 GG
gewährleisteten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz kein Bedürfnis, von der
Enteignungsbehörde die materiell-rechtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit des
Sofortvollzugs eines Planfeststellungsbeschlusses zu fordern, weil es den
Betroffenen unbenommen bleibt, nach § 80 Abs. 6 VwGO die Aufhebung des den
Sofortvollzug bestätigenden Beschlusses zu beantragen und damit einer
vorzeitigen Besitzeinweisung die Grundlage zu entziehen, wenn veränderte
Umstände eingetreten sind.
Der sofortige Beginn der Bauarbeiten der Ortsumgehung Eltville am Rhein/Walluf
("Große Nordumgehung") ist im Sinne des § 18 Abs. 1 FStrG geboten. Was der
Besitzeinweisungsbeschluß hierzu im einzelnen ausgeführt hat, ist rechtlich nicht
zu beanstanden. Diese Ausführungen stehen im Einklang mit dem Beschluß des
Senats vom 19. April 1984 - 2 TH 102/83 - und sind gleichzeitig geeignet, die
Anordnung der sofortigen Vollziehung zu begründen.
Der Rechtmäßigkeit der Besitzeinweisungsbeschlüsse steht auch nicht entgegen,
daß der Betrieb des Antragstellers durch die vorzeitige Besitzeinweisung
möglicherweise in seiner Existenz gefährdet wird, denn für die durch die vorzeitige
Besitzeinweisung entstehenden Vermögensnachteile hat der Träger der
Straßenbaulast nach § 18 f Abs. 5 Satz 1 FStrG Entschädigung zu leisten. Dies ist
hier durch den Teilbeschluß des Antragsgegners vom 30. Juli 1985 erfolgt, wonach
die Beigeladene dem Antragsteller ab dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der
vorzeitigen Besitzeinweisung in dessen Eigentums- und Pachtflächen eine
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vorzeitigen Besitzeinweisung in dessen Eigentums- und Pachtflächen eine
vorläufige Besitzeinweisungsentschädigung von monatlich 1.500,-- DM zu zahlen
hat. Soweit sich der Antragsteller hiergegen unter Hinweis auf § 45
HessEnteignungsG wendet und geltend macht, aufgrund der durch die
Besitzeinweisung für ihn drohenden Existenzvernichtung sei eine Entschädigung in
Land erforderlich, ist für eine Klärung dieser Frage im vorliegenden Verfahren kein
Raum. Darauf ist der Antragsteller bereits in der Rechtsbehelfsbelehrung des von
dem Antragsgegner erlassenen Teilbeschlusses vom 30. Juli 1985 hingewiesen
worden.
Der Beschwerde ist daher unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses mit
der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1 und 162 Abs. 3 VwGO stattzugeben.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 und 14
Abs. 1 (analog) GKG.
Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 25 Abs. 2 Satz 2 GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.