Urteil des HessVGH vom 11.09.1992

VGH Kassel: sri lanka, politische verfolgung, amnesty international, staatliche verfolgung, regierung, armee, bundesamt, ausreise, unruhen, vorläufige festnahme

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 UE 1804/86
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
Art 16 Abs 2 S 2 GG
Leitsatz
Auch für die Frage, ob ein objektiver Nachfluchttatbestand wegen einer
regional begrenzten Verfolgungssituation anzunehmen ist, ist in erster Linie
auf die Verhältnisse am Heimatort des Asylbewerbers abzustellen und der Rückweg
dorthin und gegebenenfalls eine inländische Fluchtalternative in die Prüfung
einzubeziehen (Fortführung der Rechtsprechung des Hess. VGH in seinen
Urteilen vom 22. März 1991 - 10 UE 2044/86 - und vom 16. Juli 1992
- 10 UE 1508/86 - gegen OVG NW, Urteil vom 8. Juli 1992 - 21 A 914/91. A).
Tatbestand
Der klagende Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten wendet sich gegen die
Anerkennung des beigeladenen srilankischen Staatsangehörigen als
Asylberechtigten durch das beklagte Bundesamt für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge.
Der am 10. März 1959 in Kankesanthurai (Halbinsel Jaffna) geborene Beigeladene
ist srilankischer Staatsangehöriger tamilischer Volkszugehörigkeit. Er verließ nach
seinen Angaben bei der Einreise in das Bundesgebiet sein Heimatland am 13.
Dezember 1983 auf dem Luftweg und reiste über Madras, Bombay, Frag,
Amsterdam, Prag (nochmals) und Berlin am 20. Dezember 1983 in das damalige
Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein, wo er um seine Anerkennung als
Asylberechtigter nachsuchte. Zur Begründung legte er ein im wesentlichen in
Tamil verfaßtes handschriftliches Schreiben vor. Darin gab er nach sinngemäßer
Übersetzung an: Er sei von den letzten Unruhen betroffen gewesen und trabe sich
retten können. Er könne in Sri Lanka nicht mehr leben. Die Einzelheiten werde er
bei seiner Anhörung darlegen.
Bei seiner Anhörung durch das beklagte Bundesamt am 12. März 1984 erklärte
der, Beigeladene im wesentlichen: In seinem Heimatort I. bei Jaffna, wo seine
Eltern noch lebten, sei sein Vater Landarbeiter. gewesen, habe sich aber zur Ruhe
gesetzt. Er lebe von der Unterstützung seiner Kinder. Er, der Beigeladene, sei der
älteste von drei Brüdern. Sein älterer Bruder arbeite in einer Zementfabrik. Der
zweite Bruder sei Schüler. Seine beiden Schwestern seien daheim verheiratet. Er
habe etwa im Jahr 1976 seine mittlere Reife erworben. Danach habe er ca. ein Jahr
lang zu Hause ohne Arbeit gelebt und habe sich zu Beginn des Jahres 1977 nach
Gintota bei Galle im Süden Sri Lankas begeben. Dort habe der Ehemann einer
Schwester als Verkäufer in einem Geschäft gearbeitet, das einem Muslim gehört
habe. Er habe sich bei seiner Schwester. ohne Arbeit aufgehalten, lediglich um die
singhalesische Sprache durch den Umgang mit den Menschen zu lernen. Er sei
dort für etwa sechs Monate bis zum Ausbruch der Unruhen im Jahr 1977
geblieben. Aufgrund der Unruhen seien er und die Familie seiner Schwester zu
einem Moslem geflüchtet und nach zwei Tagen in ein Flüchtlingslager nach Galle
gekommen. Nach einer Woche seien er, die Familie seiner Schwester und die
übrigen Flüchtlinge per Bahn und unter Polizeischutz nach Jaffna gebracht worden.
Sein Schwager sei, nachdem sich die Situation beruhigt gehabt habe, wieder
zurückgegangen, sei aber nach den Unruhen im Juli des Jahres 1983 endgültig
zurückgegangen, sei aber nach den Unruhen im Juli des Jahres 1983 endgültig
nach Jaffna zurückgekehrt. Er selbst habe nach der Rückkehr nach Jaffna einen
kleinen Straßenhandel mit Gemüse und Reis begonnen, den er bis Ende des Jahres
1978 betrieben habe. Danach habe er in Colombo in einem Sari-Geschäft, das
einem Tamilen gehört habe, eine Stelle als Verkäufer gefunden und sei schließlich
der Stellvertreter des Geschäftsführers gewesen. In dem Geschäft seien
insgesamt vier Personen beschäftigt worden. Bereits im Jahr 1982 sei das
Geschäft von singhalesischen Zivilpersonen überfallen worden. Sie hätten Prügel
bekommen und sein Chef sei mit dem Messer gestochen worden. Das Geschäft
sei aber weiter geöffnet geblieben. Am 25. Juli 1983 habe er sich im Geschäft mit
dem übrigen Personal aufgehalten, als sie dort die Unruhen bemerkt hätten. Sie
hätten das Geschäft geschlossen und sich in das obere Stockwerk begeben, wo
die Mitarbeiter und auch der Chef gewohnt hätten. Als bewaffneter Mob auf
Lastwagen angekommen sei und sich der Schrei erhoben hätte, daß alle Tamilen
umgebracht würden, sei er durch die Hintertür geflüchtet und habe sich im
Gebüsch verborgen. Auch die übrigen Mitarbeiter im Geschäft seien geflohen und
hätten sich an verschiedenen Stellen versteckt. Er habe von seinem Versteck aus
sehen können, wie das Geschäft geplündert und niedergebrannt worden sei. Am
Abend sei er zu einem ihm bekannten, in der Nachbarschaft wohnenden
Singhalesen gegangen, bei dem er zwei Tage geblieben sei. Da die Gegend
unsicher gewesen sei, habe ihn der Singhalese zu Bekannten gebracht, die in einer
ruhigeren Gegend gelebt hätten und bei denen er noch drei Tage geblieben sei.
Diese Gastgeber hätten ihn dann in den Schutz eines Polizeireviers bringen wollen.
Dort aber sei er beschuldigt worden, dem Tiger-Movement anzugehören. Er
verdanke es der Fürsprache der Singhalesen, daß er ungeschoren geblieben sei.
Man habe ihn in ein Flüchtlingslager gebracht, von wo er unter Polizeischutz per
Bahn nach Jaffna habe fahren können. Er habe sich dort in sein Elternhaus
begeben. Während der Zeit, als er in Colombo gearbeitet habe, habe er Mopeds
besorgt, die er nach Jaffna geschickt und durch einen Freund habe verkaufen
lassen. Der Geschäftsführer, der auf anderem Wege aus Colombo nach Jaffna
geflohen wäre, habe ihn in Jaffna getroffen. Der Geschäftsführer sei von der Polizei
in Colombo verständigt worden, daß Waren gerettet und sichergestellt worden
seien. Er möge nach Colombo kommen. Der Geschäftsführer habe das getan und
habe dort bei der Polizei erfahren, daß der Eigentümer des Ladens, ein Moslem,
der Polizei erzählt habe, er, der Beigeladene, hätte Mopeds an die Tiger-Bewegung
geliefert. Der Geschäftsführer habe ihn bei der Rückkehr nach Jaffna hiervon
unterrichtet und er, der Beigeladene, habe Angst bekommen. Obwohl bisher nach
ihm im Elternhaus nicht gesucht worden sei, habe er befürchten müssen, daß
nach ihm nun gesucht würde. Denn alle jugendlichen Tamilen seien von der Armee
und der Polizei verdächtigt und behelligt worden. Einige habe man eingesperrt und
erschossen. Um dieser Gefahr zu entrinnen und sein Leben zu retten, habe er sich
zur Flucht nach Deutschland entschlossen. Vorsorglich habe er sich schon am 27.
Oktober 1981 einen Reisepass besorgt gehabt. Sein Reisegeld habe aus dem
Verkauf seines Motorrads und aus von einem Freund geliehenen Geld bestanden.
Dieser Freund sei ein Juwelier gewesen und habe für ihn alle erforderlichen
Besorgungen gemacht. Seine Sachen und das Geld habe er einem Singhalesen
gegeben, der ihn nach Colombo begleitet habe. Allein auf sich gestellt habe er
befürchtet, kontrolliert zu werden, dann hätte man alles beschlagnahmt oder
zerrissen. Am 12. Dezember 1983 seien sie in Colombo angekommen und er sei
am gleichen Tage nach Madras und weiter nach Bombay geflogen. Am Flughafen
habe man ihn beim Abflug eine Stunde lang kontrolliert und nachgesehen, ob
seine Papiere im Ordnung gewesen seien. Dann habe er passieren können. Sein
Flugschein sei nach Amsterdam ausgestellt gewesen, von wo er nach Deutschland
habe gehen wollen. Sein Visum sei jedoch nur in Verbindung mit einer
Rückflugkarte gültig gewesen. Deshalb habe man ihn (von Amsterdam) nach Prag
zurückgeschickt. Von dort aus habe er mit seinem Freund, dem Juwelier,
telefoniert. Dieser habe dann veranlaßt, daß er einen Flugschein nach Ostberlin
bekommen habe. Am 19. Dezember 1983 sei er nach Ostberlin geflogen und von
dort sogleich nach Westberlin gefahren. Dort habe er eine Nacht im Hotel
verbracht und am folgenden Tag die Bekanntschaft eines in Berlin lebenden
Tamilen gemacht, der ihm weitergeholfen habe. Bei diesem habe er den Brief, den
er bei der Kontrolle auf dem Bahnhof in Bebra abgegeben habe, selbst verfaßt,
geschrieben und unterschrieben. Am Abend sei er mit anderen Landsleuten per
Bahn nach Frankfurt gefahren, in Bebra aber aus dem Zug geholt worden. Er habe
dort um Asyl gebeten. Er wolle in Deutschland bleiben, bis er in seiner Heimat in
Frieden leben könne. Er glaube, daß dies nicht einmal möglich sein werde, wenn
ein freier Tamilenstaat bestehe. Denn die Tamilen seien untereinander uneins und
würden sich in einem eigenen Staate bekämpfen. Die Unschuldigen hätten
darunter zu leiden. Wenn er jetzt zurückkehren müßte, fürchte er, wie viele andere
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darunter zu leiden. Wenn er jetzt zurückkehren müßte, fürchte er, wie viele andere
Unschuldige auch, von der Armee festgenommen, verhört, gefoltert und eventuell
umgebracht zu werden, weil gegen die jungen Tamilen streng vorgegangen werde.
Mit Bescheid vom 05. Februar 1985 erkannte das Bundesamt für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge den Beigeladenen als Asylberechtigten an.
Gegen den ihm am 01. April 1985 zugestellten Bescheid der Beklagten hat der
Kläger mit Schreiben vom 19. April 1985, das bei dem Verwaltungsgericht
Wiesbaden am 23. April 1985 eingegangen ist, Klage erhoben. Zur Begründung
hat er nichts vorgetragen.
Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat sich auf entsprechenden Antrag des
Klägers mit Beschluß vom 05. Juli 1985 für örtlich unzuständig erklärt und den
Rechtsstreit an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht Kassel verwiesen.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge
vom 05. Februar 1985 aufzuheben.
Die Beklagte hat sich zur Sache nicht geäußert.
Der Beigeladene hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
In der mündlichen Verhandlung vom 10. Juni 1986 hat das Verwaltungsgericht den
Beigeladenen informatorisch zu seinen Asylgründen gehört. Wegen des
Ergebnisses dieser Anhörung wird auf die Niederschrift vom 10. Juni 1986
verwiesen.
Das Verwaltungsgericht Kassel hat durch Urteil vom 10. Juni 1986 den Bescheid
des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 05. Februar
1985 aufgehoben, das Asylgesuch des Beigeladenen zurückgewiesen und die
Berufung zugelassen. Wegen der Gründe wird auf dieses Urteil Bezug genommen.
Der Beigeladene hat gegen dieses Urteil mit Schriftsatz vom 01. Juli 1986, der am
03. Juli 1986 bei dem Verwaltungsgericht Kassel eingegangen ist, Berufung
eingelegt. Er trägt im wesentlichen vor: Wenn auch das Verwaltungsgericht
zutreffend von einer Bürgerkriegs- oder bürgerkriegsähnlichen Situation in Sri
Lanka ausgehe, so schließe diese Feststellung nicht von vornherein eine
Verfolgung von Tamilen aus politischen Gründen aus. Diese
Verfolgungsmaßnahmen der srilankischen Sicherheitsbehörden gingen nämlich
weit über das hinaus, was noch als Terroristenverfolgung angesehen werden
könne. Die Verfolgungsmaßnahmen der Sicherheitsstreitkräfte stünden nämlich in
aller Regel in keinem zeitlichem Zusammenhang mit Kampfhandlungen der
tamilischen Guerillias, sie erfolgten vielmehr in deutlichem zeitlichen Abstand.
Deshalb könne nicht erwartet werden, daß zum Zeitpunkt der Terrormaßnahmen
der Sicherheitsstreitkräfte überhaupt noch Angehörige der Guerilliagruppen
aufgefunden und verhaftet werden könnten. Diese Maßnahmen könnten somit
allein ihren Zweck darin haben, die tamilische Bevölkerung als solche
einzuschüchtern. Sie träfen daher diese Bevölkerung in ihren rassischen
Merkmalen und seien mithin zumindest auch politisch motiviert. Eine politische
Verfolgung finde auch insofern statt, als konkrete Verfolgungsmaßnahmen wegen
vermuteter oder tatsächlicher politischer Überzeugung ergriffen würden. Den
Tamilen werde nämlich ohne Unterschied von den Sicherheitskräften vorgeworfen,
tatsächlich tamilische Untergrundkämpfer zu unterstützen, die ein politisches Ziel
verfolgten, nämlich die Schaffung eines eigenständigen tamilischen Staates. Den
Verfolgungsmaßnahmen hafte daher eine teilweise unterstellte politische Haltung
an. Im übrigen müsse mit einer Wiederholung von Pogromen gegenüber
Angehörigen der tamilischen Bevölkerungsminderheit jederzeit gerechnet werden.
Ferner könne nicht ernsthaft bezweifelt werden, daß tamilische Rückkehrer in
asylrechtlicher Weise selektiert und Verfolgungsmaßnahmen unterworfen würden.
Diese Personen würden allein wegen ihrer Eigenschaft als Tamilen (rassisches
Merkmal) von den Sicherheitsorganen willkürlichen Verhaftungen, Folterungen usw.
unterworfen und müßten konkret um ihr Leben fürchten, zumal keine Möglichkeit
zur Durchführung eines geordneten Gerichtsverfahrens bestehe. Das gelte
insbesondere für die jüngeren männlichen Tamilen im Alter von etwa 12 bis 45
Jahren und solcher Tamilen, die als politisch engagiert bereits in Erscheinung
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Jahren und solcher Tamilen, die als politisch engagiert bereits in Erscheinung
getreten und den Sicherheitskräften bekannt seien. Auf keinen Fall könne aber,
wenn, wie im vorliegenden Verfahren, eine Vorverfolgung gegeben sei, nicht
hinreichend sicher ausgeschlossen werden, daß diese Vorverfolgung in der
Folgezeit wieder aufleben könne. Bereits früher zunehmende
Diskriminierungsmaßnahmen hätten im Juli 1983 eskaliert. Die pogromartigen
Verhältnisse des Jahres 1983 hätten zu einer tamilischen Gegenbewegung mit
Untergrundgruppenbildungen geführt. Eine Eskalation der Übergriffe durch Armee
und Polizei habe sich im Laufe des Jahres 1984 bemerkbar gemacht und seitdem
habe sich die Lage immer weiter zugespitzt. Die Versuche friedlicher Bereinigung -
besonders im Jahre 1986 -, seien von Regierungsseite schließlich mit dem Ziel
gewaltsamer Konfliktlösung aufgegeben worden. Die Menschenrechts- und
Verfolgungssituation habe sich bis jetzt ständig verschlechtert. An der Verfolgung
seien auch paramilitärische Verbände beteiligt. Srilankische Regierungsorgane
übten weiterhin die Kontrolle auch über die nördlichen und östlichen
Tamiliengebiete aus. Es gebe Anzeichen für eine neue Terrorwelle gegenüber den
noch im singhalesischen Siedlungsgebiet lebenden Tamilen. In den letzten
Monaten vor Jahresbeginn 1991 hätten sich Stimmen aus dem Regierungslager
vermehrt für eine militärische Lösung ausgesprochen. Die in der Bundesrepublik
lebenden Tamilen würden streng überwacht und kontrolliert. Rückkehrer aus der
Bundesrepublik Deutschland nach durchgeführtem Asylverfahren seien von
Sicherheitsbehörden regelmäßig festgenommen, gefoltert, des öfteren auch
getötet worden und seien überdies vielfach auch ohne Nachricht über den Verbleib
verschwunden. In rechtlicher Hinsicht ergebe sich aus alledem die Notwendigkeit
der Asylanerkennung. Das Verwaltungsgericht habe sich zu Unrecht auf das Urteil
des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Dezember 1985 gestützt, da in diesem
eigene Tatsachenfeststellungen getroffen worden seien, was im Revisionsverfahren
unzulässig sei. Der Kläger falle mit Rücksicht auf Artikel 1a Genfer
Flüchtlingskonvention und sonstigem Völker- und Völkergewohnheitsrecht sehr
wohl unter den Flüchtlingsbegriff des Artikel 16 Abs. 2 Satz 2 GG, und zwar wegen
Verfolgung aus rassistischen Gründen. Die vorliegende Bürgerkriegssituation
schließe gleichwohl eine Anerkennung des Beigeladenen als politisch Verfolgten
nicht aus, die auch nicht mangels politischer Motivation des Verfolgungsstaates
ausgeschlossen sei. Zum letzteren genüge, daß in einem "Motivationbündel", aus
dem der Staat handele, der Grad der Asylrelevanz bezüglich eines Teilelements
erreicht werde, wie das hier der Fall sei. Im übrigen seien auch Terroristen nicht
schlechthin von einer Anerkennung ausgeschlossen. Eine inländische
Fluchtalternative stehe nicht zur Verfügung, da auch in den singhalesichen
Siedlungsgebieten Übergriffe zu verzeichnen seien, zumal sich im Süden gerade
dortige Tamilen in Heer und Polizei gegen Nordtamilen betätigten. Jedenfalls
bestehe keine hinreichende Sicherheit vor erneuten Verfolgungsmaßnahmen
durch staatliche Organe einschließlich der einverständlich agierenden
Todesschwadronen und durch die singhalesische Bevölkerungsmehrheit. Dies alles
treffe auch die tamilischen Rückkehrer. Seit den drei Beschlüssen des
Bundesverfassungsgerichts vom 10. Juli 1989 könne die einschlägige
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keinen Bestand mehr haben. In
seinem, des Beigeladenen Fall, komme noch hinzu, daß er auch individueller
Verfolgungsgefahr ausgesetzt gewesen sei, weil sein Bruder wegen
seperatistischer Bestrebung verhaftet gewesen sei und ihm selbst dies auch
gedroht habe, was nach der Rechtsprechung des Bayerischen
Verwaltungsgerichtshofs genüge. Seitens der Regierung werde Propaganda
betrieben und unterstützt, die das Lebensrecht der Tamilen in Sri Lanka verneine,
systematisch die Versorgung der tamilischen Bevölkerung in ihren
Siedlungsgebieten im Norden und Osten sabotiert und die
Medikamentenversorgung dort behindert. Die srilankische Luftwaffe greife in
diesen Gebieten "systematisch und regelmäßig" eindeutig als zivil erkennbare
Ziele an. Die Regierung verhindere systematisch die Berichterstattung aus diesen
Regionen. Die Armee begehe nach Luftaufklärung im Hinblick auf Ungefährlichkeit
für sie Massaker an gesamten Dörfern, wie das auch bei der Bekämpfung der JVP
geschehen sei, wobei auch paramilitärische Gruppen eingesetzt würden. In der
letzten Zeit würden nicht nur dort, sondern auch in Colombo screeningactions
gegen etwa 12 bis 45 Jahre alte Tamilen durchgeführt, was auch tamilischen
Rückkehrern in privaten Unterkünften und Tamilen in Flüchtlingslagern drohe,
denen eine ökonomische Existenzgrundlage dort aus systematisch geführtem Haß
nicht zur Verfügung stehe.
Der Beigeladene beantragt,
unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen..
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Der Kläger und die Beklagte haben sich im Berufungsverfahren nicht zur Sache
geäußert und keinen Antrag gestellt.
Der Berichterstatter des erkennenden Senats hat gemäß Beweisbeschluß vom 27.
Dezember 1988 Beweis durch Vernehmung des Beigeladenen als Partei erhoben.
Wegen der Beweisthemen wird auf den Beweisbeschluß, wegen des Ergebnisses
der Beweisaufnahme auf die Niederschrift über den Termin zur Beweisaufnahme
durch den Berichterstatter am 17. Januar 1989 Bezug genommen.
Der Senat hat ferner mit Beschluß vom 04. März 1992 zum Sachvortrag des
Beigeladenen durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des
Gutachters Walter Keller-Kirchhoff und einer amtlichen Auskunft des Auswärtigen
Amtes der Bundesrepublik Deutschland weiteren Beweis erhoben. Wegen der
Beweisthemen wird auf den Beweisbeschluß, wegen des Ergebnisses der
Beweisaufnahme auf das zu den Akten gereichte Gutachten des Herrn Walter
Keller-Kirchhoff vom 23. April 1992 und die zu den Akten eingesandte amtliche
Auskunft des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland vom 20. Mai
1992 Bezug genommen. Der Beigeladene sieht sich durch das Gutachten des
Sachverständigen in allen Punkten bestätigt, erachtet indessen die Auskunft des
Auswärtigen Amtes für teilweise unzutreffend, teilweise verniedlichend und von
Rücksichtnahme auf den srilankischen Staat bestimmt.
Die Beteiligten sind mit Schreiben des Senatsvorsitzenden vom 26. April 1991 und
des Berichterstatters vom 10. Januar sowie 21. August 1992 auf die folgenden
Erkenntnisquellen (SL 1) und den Umstand ihrer voraussichtlichen
Berücksichtigung bei einer Entscheidung über die Berufung hingewiesen worden:
SL 1
Sri Lanka - Tamilen
1. 23.06.1982 Dr. Hofmann an VG Wiesbaden
2. 12.07.1982 Südasien-Institut an VG Wiesbaden
3. 25.10.1982 Auswärtiges Amt an VG Wiesbaden
4. 1983 VG Wiesbaden, Informations- und Dokumentationsstelle für Asyl- u.
Ausländerrecht: Politische Chronologie der Demokratischen Sozialistischen
Republik Sri Lanka, 2. Aufl. 1983, und Sonderband, Jan. - Dez. 1983
5. 23.03.1983 Dr. Hellmann-Rajanayagam an VG Gelsenkirchen
6. 28.11.1983 Auswärtiges Amt an OVG Münster
7. 30.12.1983 Dr. Hellmann-Rajanayagam an Bundesamt
8. Februar 1984 ZDWF-Schriftenreihe Nr. 4: Bericht der Internationalen Juristen-
Kommission Genf, Ethnische Unruhen in Sri Lanka 1981 - 1983
9. 01.06.1984 amnesty-international: "Current Human Rights Concernsand
Evidenceof Extrajudicial Killings bythe Security Forces, July 1983 - April 1984",
External - ASA 37/05/84 -
10. 03.07.1984 Auswärtiges Amt an Bundesamt
11. 29.08.1984 Bundesamt für Polizeiwesen in Bern: Bericht über die Abklärungen
in Sri Lanka vom 11. bis 20. August 1984
12. Februar 1985 Parliamentary Human Rights Group; Sri Lanka - a Nation Dividing
Report of a visit
13. 28.08.1985 Auswärtiges Amt an VG Ansbach
14. 25.09.1985 Dr. Hellmann-Rajanayagam an VG Hannover
15. 01.10.1985 Auswärtiges Amt an Bundesminister der Justiz
16. 03.01.1986 Dr. Hofmann an VG Neustadt
17. 10.01.1986 FAZ: Colombo droht den Tamilen
18. 04.02.1986 The Guardian: Colombo "plansbig offensive"
19. 06.02.1986 Dr. Hofmann an VG Ansbach
20. 03.03.1986 FR: Ohne Nachsicht und mit eiserner Faust
21. 10.03.1986 Dr. Hofmann an die CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus
22. 19.05.1986 The Guardian: Colombo launchesattackagainst Tamils
23. 29.08.1986 Die Zeit: Vertreibung aus dem Paradies
24. 09.12.1986 ZDF-Sende-Manuskript von Alexander Niemetz: "Brudermord im
Paradies": Sendetermin 9.12.1986, 19.30 h
25. 22.12.1986 Auswärtiges Amt an VG Stuttgart
26. 15.03.1987 Auswärtiges Amt: Lagebericht
27. 23.06.1987 Auswärtiges Amt: Lagebericht
28. 25.06.1987 FAZ: Indische Hilfsgüter für Tamilen
29. 26.06.1987 FAZ: Selbstmörderisches in Sri Lanka
29. 26.06.1987 FAZ: Selbstmörderisches in Sri Lanka
30. 21.07.1987 FR: Ski Lankas Präsident bietet Tamilen Autonomie an
31. 03.08.1987 FAZ: Der Führer der tamilischen Rebellen befiehlt Waffenabgabe
32. 04.08.1987 FAZ: Tamilische Rebellen verzögern Waffenübergabe
33. 05.08.1987 FAZ: Ist Sri Lanka nun gerettet ?
34. 06.08.1987 FAZ: Tamilen legen Waffen nieder
35. 13.08.1987 FAZ: Interne Kämpfe der tamilischen Guerilla-Gruppen
36. 14.08.1987 FAZ: Tamilen streiten um Machtpositionen
37. 19.08.1987 FR: Attentat auf Sri Lankas Präsidenten
38. 10.08.1987 FR: Weitere Anschläge angedroht
39. 22.08.1987 Dr. Hofmann an VG Ansbach (Hinweis: mit engl.Text des lankisch-
indischen Abkommens vom 29.07.1987)
40. 30.09.197 FAZ: Übergangsregierung für Tamilen-Gebiet
41. 30.09.1987 FR: Einigung in Sri Lanka
42. 08.10.1987 FAZ: Nach den Morden tamilischer Rebellen fliehen die
Singhalesen aus dem Osten Sri Lankas
43. 09.10.1987 FAZ: Indische Aktionen gegen Rebellen
44. 30.10.197 Südasien Nr. 6-7/87: Text des Friedensvertrags zwischen Rajiv
Gandhi und J. R. Jayawardene
45. 22.07.1988 Auswärtiges Amt an Hess. VGH
46. 09.08.1988 Sachverständige Dr. Hofmann an Hess. VGH
47. 11.08.1988 Sachverständige Dr. Hellmann Rajanayagam an Hess. VGH
48. 14.12.1988 Auswärtiges Amt: Lagebericht sowie Ergänzungsbericht vom 10.
Februar 1989
49. 16.12.1988 FR: In Sri Lanka regiert das Chaos
50. 20.12.1988 FR: Blutiger Wahltag auf Sri Lanka
51. 21.12.1988 FAZ: Premadasa Staatspräsident in Sri Lanka
52. 22.12.1988 FAZ: Ein Präsident aus dem Volke Frau Bandaranaike will das
Wahlergebnis anfechten
53. 10.02.1989 Zeuge Walter Reller vor dem Hess. VGH
54. Nr. 3/89 Zeitschrift "Flüchtlinge", Zurück in Sri Lanka.: Das Leben beginnt von
vorn, Seite 20 bis 31
55. Mai 1989 amnesty international, Sri Lanka Anhaltende
Menschenrechtsverletzungen, Zusammenfassung
56. 19.06.1989 FAZ: Indien und Sri Lanka auf Konfrontationskurs
57. 21.06.1989 FR: Ausnahmerecht auf Sri Lanka
58. Juni 1989 amnesty international, Sri Lanka TortureofReturnedAsylumSeekars
59. 29.06.1989 FR: "Tiger" ziehen die Krallen ein
60. 07.07.1989 FAZ: Ausnahmezustand und Zensur in Sri Lanka
61. 07.07.1989 FR: Sri Lankas Truppen dürfen auf Regierungsgegner schießen
62. 10.07.1989 FAZ: Indiens Fiasko in Sri Lanka
63. 13.07.1989 FR: Sri Lanka sperrt Universitäten
64. 14.07.1989 FAZ: Bekanntester tamilischer Politiker in Sri Lanka ermordet
65. 19.07.1989 FR: Tamilenführer ermordet
66. 21.07.1989 FAZ: In 25 Tagen 542 Morde in Sri Lanka
67. 28.07.1989 FAZ: Ein Handzettel genügt, um den Markt in Colombo zu
schließen
68. 11.08.1989 Auswärtiges Amt: Lagebericht
69. 29.08.1989 FAZ: Streiks, Drohungen, Mordanschläge - Sri Lanka versinkt im
Terror
70. 15.09.1989 Auswärtiges Amt an VG Gelsenkirchen
71. 02.11.1989 Auswärtiges Amt : Lagebericht
72. 06.11.1989 FR: Fahnen der Trauer
73. 14.11.1989 FAZ: Rebellenführer in Sri Lanka getötet
74. 14.11.1989 FR: Gefangenen Rebellenchef getötet
75. 16.11.1989 Auswärtiges Amt an VG Ansbach
76. 15.12.1989 FR: Der Drache ist tot, der Terror geht weiter
77. 15.12.1989 FAZ: Tamilische Rebellen erobern Stellungen im Osten Sri Lankas
78. 13.02.1990 FAZ: Tamilische Guerilleros wollen sich an freien Wahlen beteiligen
79. 16.02.1990 FR: ai prangert Sri Lanka an
80. 19.02.1990 Auswärtiges Amt: Lagebericht
81. 21.02.1990 FR: Kurz gemeldet: Journalist ermordet aufgefunden
82. 26.03.1990 FR: Inder verlassen Sri Lanka
83. 28.03.1990 FR: Bitten die "Tiger" Colombo noch zur Kasse?
84. 02.04.1990 FR: Tamilenführer verließ Urwald
85. 07.04.1990 FR: Opposition ruft zum Kampf
86. 20.04.1990 Auswärtiges Amt an Bundesamt
87. Mai 1990 Walter Keller: Sri Lanka - Informationen für Hilfswerksvertreterinnen
im Asylverfahren
im Asylverfahren
88. 28.05.1990 Auswärtiges Amt: Lagebericht
89. 11.06.1990 FR: Fremd und rechtslos blieben die Teepflücker von Hutton
90. 16.06.1990 FR: Tamilen töteten 23 Polizisten
91. 18.06.1990 FR: Waffenruhe in Sri Lanka
92. 22,.06.1990 FAZ: Die östliche Provinz von Sri Lanka befreit
93. 23.06.1990 FR: Massaker in Sri Lanka
94. 25.06.1990 FR: Fluchtwelle auf Sri Lanka
95. 27.06.1990 FR: Colombo bombardiert Tamilen
96. 27.06.1990 FAZ: Zahlreiche Opfer bei Bombenangriff in Sri Lanka
97. 30.06.1990 FR: Geisterstadt auf Sri Lanka, Halbe Million Flüchtlinge/Anhaltende
Kämpfe im Norden
98. 02.07.1990 FR: Luftwaffe bombardiert Tamilen-Gebiet
99. 04.07.1990 Auswärtiges Amt an VG Düsseldorf (514-516/11040)
100. 04.07.1990 Auswärtiges Amt an VG Düsseldorf (514-516/11096)
101. 04.07.1990 FR: Setzt Sri Lanka Napalm ein?
102. 11.07.1990 FR: Tamilen flüchten mit Booten
103. 13.07.1990 FR: Normal ist wieder der Bürgerkrieg
104. 13.07.1990 FR: Tamilen flüchten nach Indien
105. 13.07.1990 Auswärtiges Amt: Lagebericht
106. 19.07.1990 ai an VG Gelsenkirchen
107. 24.07.1990 FR: Ausgangssperre in Sri Lanka
108. 25.07.1990 FR: Cholera-Bombe auf Jaffna?
109. 06.08.1990 FAZ: Massaker an 140 Muslimen in Sri Lanka
110. 07.08.1990 FR: Weitere Morde auf Sri Lanka
111. 08.08.1990 Auswärtiges Amt an Hess. VGH
112. 09.08.1990 FAZ: Dutzende Tote bei Überfällen in Sri Lanka
113. 13.08.1990 FR: Überfall mit giftigen Messern
114. 14.08.1990 FR: Racheakte nach dem Massaker
115. 15.08.1990 FR: Jetzt gilt die Taktik der verbrannten Erde
116. 16.08.1990 FR: Kirche für Aufteilung Sri Lankas
117. 27.08.1990 Der Spiegel: Keine Gnade
118. 29.08.1990 Auswärtiges Amt: Lagebericht
119. 11.09.1990 FR: Mordeten Soldaten 50 Tamilen?
120. 13.09.1990 FAZ: Mehr als 100 Tote bei Gefechten in Sri Lanka
121. 19.09.1990 amnesty international: Sri Lanka -An Update On Human
RightsConcerns 122. 22.09.1990 FR: Schläge gegen die Zivilbevölkerung
123. 27.09.1990 FR: Sri Lankas Armee räumt Fort
124. Oktober 1990 ai-Info, Walter Keller: Sri Lanka - Im Würgegriff der Gewalt
125. 11.10.1990 FR: Massenflucht der Tamilen
126. 12.10.1990 FR: Flüchtlinge unerwünscht
127. 18.10.1990 FR: Großoffensive im Norden Sri Lankas
128. 26.10.1990 FR: Racheakte zugegeben
129. 02.11.1990 FAZ: Offensive gegen die Tamilenrebellen
130. 06.11.1990 FR: Frauen-Guerilla stürmte Lager
131. 06.11.1990 FAZ: Tamilische Rebellen stürmen Armeelager
132. 06.11.1990 FR: Mindestens 60.000 Menschen in Sri Lanka "verschwunden"
133. 27.11.1990 FR: Blutige Kämpfe auf Sri Lanka
134. 29.11.1990 Auswärtiges Amt an VG Köln
135. 12.12.1990 FR: Nach Blutbad Schuldvorwürfe
136. 13.12.1990 NZZ: Massaker auf Sri Lanka?
137. 14.12.1990 Auswärtiges Amt an VG Ansbach mit Berichtigung vom
27.12.1990
138. 14./21.12.1990 Zeuge Walter Keller vor dem Hess. VGH
139. 19.12.1990 NZZ: Erfolgsmeldungen der Armee Sri Lankas
140. 20.12.1990 NZZ: Erfolgsmeldungen der Truppen Sri Lankas
141. 21.12.1990 NZZ: Erfolgsmeldungen der Regierungstruppen Sri Lankas
142. 24.12.1990 NZZ: Offensive der Truppen Colombos in Sri Lanka
143. 26.12.1990 NZZ: Neue Kämpfe in Sri Lanka
144. 27.12.1990 Auswärtiges Amt an VG Ansbach
145. 30.12.1990 Süddeutsche Zeitung: Colombo lehnt Gespräche mit Tamilen ab
146. 31.12.1990 Süddeutsche Zeitung: Rebellen in Sri Lanka verkünden
Waffenruhe
147. 31.12.1990 FAZ: Sagt endlich, wo unsere Männer sind!
148. Nr. 1/91 Südasien-Zeitschrift des Südasien-Büro, 11. Jahrgang, S. 6 bis 9, E
bis H, Rückseite
149. 02.01.1991 FAZ: Waffenruhe zwischen Regierung und Rebellen auf Sri Lanka
150. 03.01.1991 Süddeutsche Zeitung: Tamilen brechen Waffenruhe
151. 06.01.1991 Süddeutsche Zeitung: Colombos Opposition verweigert sich
24
25
151. 06.01.1991 Süddeutsche Zeitung: Colombos Opposition verweigert sich
152. 10.01.1991 FR: Mehr als 200.000 Tamilen flüchteten
153. 14.01.1991 NZZ: Ende der "Waffenruhe" in Sri Lanka
154. 14.01.1991 DW-Monitor-Dienst: Keine Verlängerung des Waffenstillstandes
durch srilankische Regierung
155. 16.01.1991 DW-Monitor-Dienst: LTTE für Verhandlungen ohne
Vorbedingungen in Sri Lanka
156. 16.01.1991 Auswärtiges Amt: Lagebericht
157. 19.01.1991 The Economist: Anotherround
158. 24.01.1991 The Guardian: Villagers killed in attack 'by Tamil Tigers'
159. 25.01.1991 Walter Keller-Kirchhoff am VG Ansbach mit Chronologie der
wichtigsten Ereignisse in Sri Lanka für die Zeit zwischen Juli 1990 und Januar 1991
160. 26.01.1991 The Guardian: Tamils droptruceasairforcestrikes
161. 31.01.1991 The Guardian: Indiaurges Tamil deal in Sri Lanka
162. 04.02.1991 FR: Sri Lanka: Keine Zukunft für den Inselstaat?
163. 08.02.1991 FAZ: Zivilisten sollen Tamilen Region in Sri Lanka räumen
164. 08.02.1991 Süddeutsche Zeitung: Norden Sri Lankas soll geräumt werden
165. 09.02.1991 The Guardian: Sri Lanka campaignerssay 40,000 haue
'disappeared'
166. 13.02.1991 FR: Neue Offensive gegen tamilische Rebellen
167. 15.02.1991 Walter Keller an VG Gelsenkirchen
168. 19.02.1991 The Guardian: Tiger ambushleaves 45 Sri Lankantroopsdead
169. 03.03.1991 HNA: Bombe ferngezündet: 29 Tote auf Sri Lanka
170. 23.06.1991 Dr. Frank Wingler: Abschiebehindernisse, Sri Lanka
171. 25.06.1991 amnesty international, die Menschenrechtssituation in Sri Lanka
172. Juli 1991 Dr. Tessa Hofmann: Gutachten zur Situation der Tamilen in Sri
Lanka; Gesellschaft für bedrohte Völker, Göttingen
173. 30.08.1991 Auswärtiges Amt an Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
174. 07.09.1991 Walter Keller-Kirchhoff: Gutachten zu den
Verwaltungsstreitsachen A 16 S 846/89 u.a. VGH Baden-Württemberg
175. 10.09.1991 Walter Keller-Kirchhoff: Gutachten zur Verwaltungsstreitsache AN
12 K 89.33313 VG Ansbach
176. 11.09.1991 amnesty international: Bericht Sri Lanka - The North East Human
rightsviolations in a contextofarmedconflict
177. 17.09.1991 Walter Keller-Kirchhoff: Gutachten zur Verwaltungsstreitsache 4 K
10923/88 VG Gelsenkirchen
178. 20.10.1991 Dr. Tessa Hofmann: Stellungnahme an VG Gelsenkirchen 7 K
10276/88
179. 05.11.1991 Walter Keller-Kirchhoff: Gutachten zur Verwaltungsstreitsache 7 K
10276/88 VG Gelsenkirchen
180. 06.11.1991 Auswärtiges Amt an VG Gelsenkirchen 4 K 10923/88
181. 15.11.1991 Auswärtiges Amt: Lagebericht Sri Lanka (Stand: 15.10.1991)
182. 02.12 1991 Der Spiegel: Erpreßtes Geld für Terror
183. 13.12.1991 amnesty international an VG Gelsenkirchen 4 K 10923/88
184. 17.12.1991 amnesty international an VG Gelsenkirchen 7 K 10276/88
185. 22.01.1992 Auswärtiges Amt an VG Gelsenkirchen 7 K 10276/88
186. 27.01.1992 Auswärtiges Amt an VG Ansbach AN 13 K 9041200; 90 33039, 90
33221
187. 30.01.1992 Auswärtiges Amt an Hess. VGH 10 UE 2271/91
188. 31.01.1992 UNHCR, betr. De-facto-Flüchtlinge aus Sri Lanka
l89. 23.04.1992 Walter Keller-Kirchhoff: Gutachten zur Verwaltungsstreitsache 10
UE 1804/86 Hess. VGH
190. 24.04.1992 amnesty international an VG Ansbach AN 13 K 90 41200 u.a. ASA
37/435/91.166
191. 20.05.1992 Auswärtiges Amt an Hess. VGH 10 UR 1804/86
192. 23.06.1992 Auswärtiges Amt: Lagebericht Sri Lanka (Stand: 10.06.1992)
193. 25.06.1992 Walter Keller, Kurzgutachten zur Lage in Sri Lanka
Dem Gericht liegen außer den vorgenannten Unterlagen die den Beigeladenen
betreffenden Akten des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer
Flüchtlinge vor, die - wie die vorbezeichneten Unterlagen - zum Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gemacht worden sind. Zur weiteren Darstellung des
Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Behördenakten sowie der
Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Beigeladenen ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht
hat den Anerkennungsbescheid des Bundesamtes für die Anerkennung
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hat den Anerkennungsbescheid des Bundesamtes für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge vom 05. Februar 1985 zu Recht aufgehoben. Der
Beigeladene hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter oder auf
Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes vom 9.
Juli 1990 (BGBl. I S. 1354) - AuslG -.
Der Beigeladene ist nicht als Asylberechtigter anzuerkennen, weil er nicht wegen
politischer Verfolgung aus seinem Herkunftsland ausreisen mußte und ein
asylrechtlich beachtlicher Nachfluchttatbestand nicht gegeben ist.
Asylrecht im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG genießt ein Ausländer, der -
abgesehen von einem beachtlichen Nachfluchttatbestand - vor politischer
Verfolgung aus seinem Heimatland fliehen mußte, es sei denn, er kann in seinem
eigenen Staat wieder Schutz finden. Politische Verfolgung liegt vor, wenn dem
Einzelnen durch den Staat oder durch Maßnahmen Dritter, die dem Staat
zuzurechnen sind, in Anknüpfung an seine Rasse, Religion, Nationalität,
Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, politische Überzeugung oder
vergleichbare persönliche Eigenschaften oder Verhaltensweisen gezielt
Rechtsverletzungen zugefügt werden, die nach ihrer Intensität und Schwere die
Menschenwürde verletzen, ihn aus der übergreifenden Friedensordnung der
staatlichen Einheit ausgrenzen und in eine ausweglose Lage bringen (vgl. BVerfG,
Beschluß vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502, 1000, 961/86 - BVerfGE 80, S. 315 <334 f
und 344 ff.>). Da das Asylgrundrecht auf dem Zufluchtgedanken beruht und
deshalb grundsätzlich den Kausalzusammenhang Verfolgung - Flucht - Asyl
voraussetzt und nach dem normativen Leitbild dieses Grundrechts typischerweise
(nur) für solche Ausländer gilt, die aufgrund politischer Verfolgung gezwungen sind,
ihr Heimatland zu verlassen und im Ausland Schutz und Zuflucht zu suchen und
deswegen in die Bundesrepublik Deutschland kommen, gelten für die
Anerkennung eines Asylbewerbers unterschiedliche Maßstäbe je nach dem, ob er
seinen Heimatstaat vorverfolgt verlassen hat oder ob er unverfolgt in die
Bundesrepublik Deutschland gekommen ist (vgl. BVerfGE 80, S. 315 <344>). Ist
der Asylsuchende aus Furcht vor eingetretener oder unmittelbar drohender
politischer Verfolgung ausgereist und war ihm auch ein Ausweichen innerhalb
seines Heimatlandes wegen Fehlens einer inländischen Fluchtalternative nicht
zumutbar, so ist er als Asylberechtigter anzuerkennen, wenn die
fluchtbegründenden Umstände einschließlich des Nichtbestehens einer
inländischen Fluchtalternative im Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung ohne
wesentliche Änderung fortbestehen oder wenn sie zwar entfallen sind, der
Asylsuchende aber vor erneuter Verfolgung nicht hinreichend sicher sein kann. Hat
der Asylsuchende seinen Heimatstaat jedoch unverfolgt verlassen, ist er
(ausnahmsweise) nur dann asylberechtigt, wenn ihm aufgrund beachtlicher
Nachfluchttatbestände politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit
droht (BVerfGE 80 S. 315 <344 ff.>; BVerwG, Urteil vom 15. Mai 1990 - 9 C 17.89 -
BVerwGE 85 S. 139 <140 f>). Dabei darf nicht übersehen werden, daß das
Asylrecht im Sinne des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG nicht die einzige Rechtsgrundlage
für einen Aufenthalt von Ausländern im Bundesgebiet oder jedenfalls für ihren
Schutz vor Abschiebung darstellt und daß diese anderen gesetzlichen, teilweise
auch völkerrechtlich begründeten Rechtsbindungen auch in allen Fällen von
Nachfluchttatbeständen zu beachten sind, die der Asylrelevanz ermangeln (vgl.
BVerfG, Beschluß vom 26. November 1986 - 2 BvR 1058/85 - BVerfGE 74, S. 51
<66 f.>), und daß Flüchtlingen, die durch Bürgerkriege oder schwere innere
Unruhen zur Flucht veranlaßt worden sind (sog. de-facto-Flüchtlinge), aus
humanitären Gründen der Aufenthalt gestattet wird, auch wenn die
Voraussetzungen für eine Anerkennung als politisch verfolgter Flüchtling nicht
gegeben sind (vgl. BVerfGE 80, S. 315 <346>).
Der Asylbewerber ist aufgrund seiner Mitwirkungspflicht gehalten, die in seine
eigene Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse,
so zu schildern, daß sie geeignet sind, den Asylanspruch lückenlos zu tragen (vgl.
BVerwG, Urteil vom 23. November 1982 - 9 C 74.81 - EZAR 630 Nr. 1; Urteil vom
22. März 1983 - 9 C 68.81 - Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 44; Urteil vom 8. Mai
1984 - 9 C 181.83 - EZAR 630 Nr. 13). Anders als bei der Schilderung der
persönlichen Erlebnisse genügt es bei der Darstellung der allgemeinen Umstände
im Herkunftsland, daß die vorgetragenen Tatsachen die nicht entfernt liegende
Möglichkeit politischer Verfolgung ergeben (BVerwG, Urteil vom 23. November
1982, a.a.O.).
Den daran zu messenden Angaben des Beigeladenen läßt sich nicht entnehmen,
daß er asylrelevante Verfolgungsmaßnahmen bereits erlitten hätte oder solche
30
daß er asylrelevante Verfolgungsmaßnahmen bereits erlitten hätte oder solche
ihm in eigener Person gedroht hätten.
Das ergibt sich schon daraus, daß sein Vorbringen widersprüchlich, teilweise
steigernd und deshalb nicht glaubhaft ist. So hat er bei seiner Vernehmung durch
das Bundesamt am 12. März 1984 zu den ihn betreffenden Geschehnissen
anläßlich der Unruhen im Sommer 1983 u. a. erklärt: Seine Gastgeber hätten ihn
dann in den Schutz eines Polizeireviers bringen wollen. Dort aber sei er beschuldigt
worden, dem Tiger-Movement anzugehören, er verdanke es der Fürsprache der
Singhalesen, daß er ungeschoren geblieben sei und man habe ihn in ein
Flüchtlingslager gebracht. Demgegenüber hat er hierzu bei seiner Anhörung durch
das Verwaltungsgericht Kassel am 10. Juni 1986 ausgesagt: Der Bekannte seines
ihm Zuflucht gewährenden Lehrers habe ihn dann zur Polizei gebracht, weil dieser
der Ansicht gewesen sei, daß er, der Beigeladene, dort besser geschützt sei als
bei ihm zu Hause. Dort sei er geschlagen und nach Verbindungen zu
terroristischen Bewegungen gefragt worden. Der Mann, der ihn dort hingebracht
habe, habe daraufhin interveniert und seine Freilassung bewirkt, vermutlich durch
Bestechung, und ihn in ein Flüchtlingslager gebracht. Den vorgenannten
Sachverhalt hat er bei seiner Vernehmung durch den Berichterstatter des Senats
am 17. Januar 1989 nochmals verändert dargestellt: Nach etwa sechstägigem
Aufenthalt bei einer ihm bekannten singhalesischen Familie hätten ihn junge
Leute, die von dem Singhalesen beauftragt gewesen seien, mit dem Motorrad in
ein Fluchtlager in Colombo gebracht. Das Flüchtlingslager habe sich in einer Schule
befunden. Diese Angabe hat er wiederum geändert und ausgesagt., die jungen
Leuten hätten ihn zunächst zu einer Polizeistation gefahren. Zu diesem Zeitpunkt
seien Tamilen auch noch in Polizeistationen von Polizisten getötet worden. Man
habe ihm gesagt, daß seine singhalesischen Bekannten die Polizisten mit Geld
bestochen hätten. Deshalb sei ihm nichts geschehen. Er sei dann von der Polizei
und den Bekannten in das bereits erwähnte Flüchtlingslager in Colombo gebracht
worden. Auf Vorhalt hat er diese Widersprüche nicht klären können, insbesondere
hinsichtlich der Schläge auf der Polizeistation ist der Beigeladene dabei geblieben,
er sei auf der Polizeistation geschlagen worden, wie er das auch vor dem
Verwaltungsgericht gesagt habe. Das habe er bei seiner heutigen Vernehmung
zunächst nicht wiederholt, weil er durch eine Zwischenfrage davon abgekommen
sei. Ob er im Jahr 1984 dasselbe erklärt habe, wisse er nicht mehr. Der
Beigeladene übersieht dabei, daß er bei seiner Vernehmung durch das Bundesamt
("ungeschoren") und durch den Berichterstatter am 17. Januar 1989 ausdrücklich
ausgesagt hat, ihm sei bei den Polizisten nichts geschehen. Darüber hinaus
ergeben sich aber noch weitere Widersprüche in seinem Vortrag. Er hat dem
Bundesamt hinsichtlich der Geschehnisse am 25. Juli 1983 erklärt, er habe sich im
Gebüsch verborgen und von dort aus sehen können, wie das Geschäft geplündert
und dann niedergebrannt worden sei. Vor dem Verwaltungsgericht hat er indes
angegeben, er habe sich im Hof hinter einer Moschee versteckt, ohne zu sagen,
ob und was er von dort aus gesehen hat. Bei seiner Vernehmung durch den
derzeitigen Berichterstatter hat er jedoch ausgesagt, er sei durch die Hintertür
weggerannt bis in den Wald. Etwa zwei Kilometer von dem Geschäft entfernt habe
sich Buschland befunden. Dort habe er sich versteckt. Er habe später erfahren,
daß das Geschäft geplündert und angesteckt worden sei. Auf entsprechenden
Vorhalt hat er dazu erklärt: Das Gebüsch bzw. das Buschland habe sich hinter der
Moschee befunden. Dort habe er sich versteckt. Er habe von seinem Versteck aus
nur Rauch und Flammen gesehen. Er habe von dort aus nicht erkennen können,
daß auch geplündert worden sei. Wenn davon in dem Vernehmungsprotokoll 1984
die Rede sei, so handele es sich insofern um ein Mißverständnis. Es könne sein,
daß er von Niederbrennen und Plünderung geredet habe. Mit eigenen Augen habe
er von einer Plünderung nichts gesehen. Selbst diese Einlassung des Beigeladenen
überzeugt nicht restlos. Ihm wurde in Anwesenheit eines Dolmetschers vor dem
Bundesamt am 12. März 1984 laut Vermerk nochmals die Niederschrift seiner
Aussagen vorgelesen, er ist dabei ausdrücklich auf die Möglichkeit von
Berichtigungen und Ergänzungen hingewiesen worden, ohne sie wahrzunehmen.
Die verschiedenartigen Schilderungen stehen ohne plausible Erklärung des
Beigeladenen in unlösbarem Widerspruch. Dies läßt nur den Schluß zu, daß er die
Geschehnisse während der Unruhen im Juli 1983 jedenfalls nicht so erlebt hat, wie
er sie geschildert hat. Das gilt auch entsprechend für seine allenfalls asylrelevante,
weil den Kausalzusammenhang zwischen Verfolgung - Flucht - Asyl wahrende
Angabe, er sei geflohen, weil er in Verdacht geraten sei, an die LTTE Mopeds bzw.
Motorräder geliefert zu haben, weil der Beigeladene auch hierzu widersprüchliche
Aussagen gemacht hat. So hat er bei seiner Anhörung durch das
Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang angegeben, sein damaliger Chef
habe vom Vermieter des Ladens erfahren, daß der Laden nicht an ihn
31
32
33
habe vom Vermieter des Ladens erfahren, daß der Laden nicht an ihn
zurückgegeben werden sollte, weil alle dort tätig Gewesenen die Tigerbewegung
unterstützt hätten, weshalb die Beschäftigten nunmehr gesucht würden.
Demgegenüber hat er hierzu bei seiner Vernehmung durch das Bundesamt
ausgesagt, er, der Beigeladene, habe von dem Geschäftsführer gehört, dieser
habe bei der Polizei erfahren, daß der Eigentümer des Ladens, ein Moslem, der
Polizei erzählt habe, er, der Beigeladene, habe Mopeds an die Tigerbewegung
geliefert. In demselben Sinne will der Beigeladene von diesem Verdacht nur auf
seine Person bezogen durch den Geschäftsführer erfahren haben. Das Gericht
kann wegen der nach alledem fehlenden Glaubhaftigkeit der Aussagen des
Beigeladenen zu seinem individuellen Schicksal nicht feststellen, daß er bereits bei
seiner Ausreise asylrelevante Verfolgungsmaßnahmen erlitten hätte oder daß ihm
solche in eigener Person unmittelbar gedroht hätten. Selbst wenn der Beigeladene
aber tatsächlich wegen Lieferung von Zweirädern an die LTTE gesucht worden sein
sollte, stellt dies mangels weiterer Erkenntnisse nur einen Ermittlungsversuch mit
nicht asylrelevanten Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung dar.
Der Beigeladene mußte sein Heimatland auch nicht aus begründeter Furcht vor
einer ihm als Angehörigen der tamilischen Volksgruppe unmittelbar drohenden
Verfolgung verlassen.
Das Grundrecht des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG ist zwar ein Individualgrundrecht. Die
Gefahr eigener politischer Verfolgung eines Asylbewerbers kann sich jedoch auch
aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen ergeben, wenn diese Dritten wegen
eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn
er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit
vergleichbaren Lage befindet. Sieht der Verfolger von individuellen Momenten und
besonderen Anlässen gänzlich ab, weil seine Verfolgung der durch das
asylerhebliche Merkmal gekennzeichneten Gruppe als solcher und damit
grundsätzlich allen Gruppenmitgliedern gilt, so kann eine solche
Gruppengerichtetheit der Verfolgung dazu führen, daß jedes Mitglied der Gruppe
im Verfolgerstaat eigener Verfolgung jederzeit gewärtig sein muß. Die
unmittelbare Betroffenheit des Einzelnen durch gerade auf ihn zielende
Verfolgungsmaßnahmen sowie die Gruppengerichtetheit der Verfolgung stellen nur
Eckpunkte eines durch fließende Übergänge gekennzeichneten Erscheinungsbildes
der politischen Verfolgung dar. Daher ist die gegenwärtige Gefahr politischer
Verfolgung für einen Gruppenangehörigen aus dem Schicksal anderer
Gruppenmitglieder möglicherweise auch schon dann herzuleiten, wenn diese
Referenzfälle es etwa mangels ausreichender Verfolgungsdichte noch nicht
rechtfertigen, vom Typus einer gruppengerichteten Verfolgung auszugehen. Dabei
ist von Belang, ob vergleichbares Verfolgungsgeschehen sich in der Vergangenheit
schon häufiger ereignet hat, ob die Gruppenangehörigen als Minderheit in einem
Klima allgemeiner moralischer, religiöser oder gesellschaftlicher Verachtung leben
müssen, das Verfolgungshandlungen wenn nicht gar in den Augen der Verfolger
rechtfertigt, so doch tatsächlich begünstigt, und ob sie ganz allgemein
Unterdrückungen und Nachstellungen ausgesetzt sind, mögen diese als solche
auch noch nicht von einer Schwere sein, die die Annahme politischer Verfolgung
begründet (vgl. BVerfG, Beschluß vom 23. Januar 1991 - 2 BvR 902.85, 515.89,
1887,89 - InfAuslR 1991 S. 200 <206 f.>). Diese gewichtigen Indizien für eine
gegenwärtige Gefahr politischer Verfolgung können in einem Asylbewerber
begründete Verfolgungsfurcht entstehen lassen, so daß es ihm nicht zuzumuten
ist, in seinem Heimatstaat zu bleiben oder dorthin zurückzukehren. Es hängt von
den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder
statistischen Betrachtung, wann eine Verfolgungsfurcht als begründet und
asylrechtlich beachtlich anzusehen ist. Die für eine Verfolgung sprechenden
Umstände müssen jedoch nach ihrer Intensität und Häufigkeit von einem solchen
Gewicht sein, daß sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Asylbewerber die
begründete Furcht ableiten läßt, selbst ein Opfer solcher Verfolgungsmaßnahmen
zu werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Juli 1991 - 9 C 165.90 - DVBl. 1991, S. 1089
<1092 f.>).
Wie bei der Individualverfolgung ist auch bei der gruppengerichteten
Kollektivverfolgung zwischen unmittelbarer und nur mittelbarer staatlicher
Verfolgung zu unterscheiden. Verfolgungsmaßnahmen privater Dritter sind nur
dann asylrelevant, wenn sie dem Staat zuzurechnen sind, weil er zur
Schutzgewährung entweder nicht bereit ist oder sich nicht in der Lage sieht, die
ihm an sich verfügbaren Mittel im konkreten Fall gegenüber
Verfolgungsmaßnahmen bestimmter Dritter einzusetzen, wobei dem Staat zum
einen eine gewisse Zeitspanne zuzubilligen ist, um Übergriffen Dritter begegnen
34
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einen eine gewisse Zeitspanne zuzubilligen ist, um Übergriffen Dritter begegnen
zu können, weil Gegenmaßnahmen - besonders bei spontanen und schweren
Ausschreitungen - nur mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung zur Wirkung
gelangen können und die Effektivität staatlichen Schutzes mit steigendem
Ausmaß der Übergriffe nicht zu-, sondern abnimmt, und wobei zum anderen nicht
ein lückenloser Schutz verlangt werden kann. Wenn die Schutzgewährung die
Kräfte eines Staates übersteigt, endet seine asylrechtliche Verantwortlichkeit; Art.
16 Abs. 2 Satz 2 GG gewährt Schutz vor einem bestimmt gearteten Einsatz
verfolgender Staatsgewalt, nicht aber vor den Folgen anarchischer Zustände oder
der Auflösung der Staatsgewalt (vgl. BVerfGE 80, S. 315 <336>; BVerwG, Urteil.
vom 3. Dezember 1985 - 9 C 33.85 u.a. - InfAuslR 1986, S. 85 <87>).
Dementsprechend fehlt es auch dann an der Möglichkeit asylerheblicher
politischer Verfolgung, wenn und solange der Staat bei einem offenen Bürgerkrieg
im umkämpften Gebiet seine effektive Gebietsgewalt im Sinne wirksamer
hoheitlicher Überlegenheit verloren hat und faktisch nurmehr die Rolle einer
militärisch kämpfenden Bürgerkriegspartei einnimmt, als übergreifende effektive
Ordnungsmacht aber nicht mehr besteht, oder bei einem Guerilla-Bürgerkrieg die
staatliche Gebietsgewalt nachhaltig und nicht nur vorübergehend infrage gestellt
und die staatliche Friedensordnung damit prinzipiell aufgehoben ist. In einer
derartigen Lage erscheint die Bekämpfung des Bürgerkriegsgegners durch
staatliche Kräfte im allgemeinen nicht als politische Verfolgung. Anderes gilt freilich
dann, wenn die staatlichen Kräfte den Kampf in einer Weise führen, die auf die
physische Vernichtung von auf der Gegenseite stehenden oder ihr zugerechneten
und nach asylerheblichen Merkmalen bestimmten Personen gerichtet ist, obwohl
diese keinen Widerstand mehr leisten wollen oder können oder an dem
militärischen Geschehen nicht oder nicht mehr beteiligt sind, vollends, wenn die
Handlungen der staatlichen Kräfte in die gezielte physische Vernichtung oder
Zerstörung der ethnischen, kulturellen oder religiösen Identität des gesamten
aufständischen Bevölkerungsteils umschlagen (vgl. BVerfGE 80, S. 315 <340 f>).
Für die Frage der asylrelevanten Vorverfolgung eines Asylbewerbers ist räumlich
zudem in erster Linie auf die Verhältnisse an dem Ort bzw. in der Region seines
Heimatlandes abzustellen, wo er vor seiner Ausreise seinen Lebensmittelpunkt
hatte. Wie oben bereits ausgeführt, setzt das Asylgrundrecht nach der
verbindlichen neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und
entgegen der früheren Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich
den kausalen Zusammenhang zwischen Verfolgung und Flucht voraus und ist nach
seinem Ansatz darauf gerichtet, dem vor politischer Verfolgung Flüchtenden
Zuflucht und Schutz zu gewähren (vgl. BVerfGE 74, S. 51 <64> m.w.N. auch zur
damaligen Rechtsprechung des BVerwG). Maßgebend ist also zunächst, ob eine
Flucht durch politische Verfolgung oder aber durch andere, nicht asylerhebliche
Umstände, wie etwa Naturkatastrophen, Hungersnöte, anarchische Zustände,
Bürgerkrieg oder Krieg ausgelöst worden ist. Ausgelöst wird eine Flucht aber an
ihrem Ausgangspunkt, also am Ort des letzten Lebensmittelpunktes. Wenn dort
eine politische Verfolgung des Asylbewerbers stattgefunden bzw. unmittelbar
gedroht hat und deshalb für seine Flucht ursächlich war, bleibt - abgesehen von
nachträglichen Veränderungen - für seine Asylanerkennung (nur) noch zu prüfen,
ob er dadurch über seine Heimatregion hinaus auch zum Verlassen seines
gesamten Heimatlandes gezwungen war, weil ihm eine zumutbare inländische
Fluchtalternative nicht zur Verfügung stand; wobei für die Frage der Zumutbarkeit
wiederum die Verhältnisse an seinem Heimatort maßgebend sind, da nur solche
existenziellen Gefährdungen die Zumutbarkeit einer inländischen Fluchtalternative
ausschließen, die so am Herkunftsort nicht bestünden (vgl. BVerfGE 80, S. 315
<344>). Wenn der Asylbewerber dagegen an seinem Heimatort politische
Verfolgung weder erlitten noch ihm eine solche dort gedroht hat und seine
Ausreise deshalb aus anderen Gründen erfolgt ist, ist sein Asylbegehren -
abgesehen von beachtlichen Nachfluchttatbeständen - grundsätzlich abzulehnen,
ohne daß es der Prüfung bedürfte, ob ihm in anderen Gebieten seines
Heimatlandes politische Verfolgung gedroht hätte.
Abgesehen davon, daß der Beigeladene nicht substantiiert, sondern allenfalls
andeutungsweise, und zwar durch seinen Prozeßbevollmächtigten in der
Berufungsinstanz vorgetragen hat, wegen einer Verfolgung der Gruppe der jungen
Tamilen sein Heimatland verlassen zu haben, eine Kausalität insoweit also recht
fraglich ist, hat weder in den Nordprovinzen noch in den übrigen Gebieten Sri
Lankas eine asylrelevante staatliche Verfolgung der Volksgruppe der Tamilen
stattgefunden, die den Beigeladenen zur Ausreise im Dezember 1983 gezwungen
haben könnte.
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Die überwiegend hinduistischen Tamilen Sri Lankas, deren Vorfahren etwa zu zwei
Dritteln vor mehr als tausend Jahren aus Südindien eingewandert und im Norden
und Osten der Insel ansässig geworden (sog. Ceylon-Tamilen) und etwa zu einem
Drittel von der britischen Kolonialverwaltung im letzten Jahrhundert ebenfalls aus
Südindien als Plantagenarbeiter angeworben und im zentralen Hochland
angesiedelt worden waren (sog. Indien-Tamilen), stellten 1990 von den etwa 17
Mio. Einwohnern Sri Lankas etwa 2,6 Mio. Einwohner, während die Mehrheit der
Bevölkerung von den 1990 etwa 11 Mio. meist buddhistischen Singhalesen gestellt
wird (vgl. Walter Keller, Sri Lanka, Informationen für Hilfswerksvertreterinnen im
Asylverfahren, Stand: Mai 1990, Dokument Nr. 87).
Lange vor der Ausreise des 1959 geborenen Beigeladenen war es bereits zu
pogromartigen Auseinandersetzungen zwischen diesen Bevölkerungsgruppen
gekommen. Als Reaktion auf die im Juli 1956 erfolgte Einführung von Singhalesisch
statt des Englischen als einzige Staats- und Unterrichtssprache war es 1958 zu
sich ausweitenden Tamilen-Demonstrationen und im Gegenzug zu den ersten
Pogromen von singhalesischem Mob an Tamilen gekommen, die im Mai 1958 nach
Ausrufung des Notstandes durch die Regierung mit Hilfe der Armee beendet
worden waren; im Juli 1958 wurde Tamil gesetzlich als gleichrangige
Unterrichtssprache und Behördensprache in den Nord- und Ostprovinzen
anerkannt (vgl. dazu und zum folgenden insbes. VG Wiesbaden, Informations- und
Dokumentationsstelle für Asyl- und Ausländerrecht: Politische Chronologie der
Demokratischen Sozialistischen Republik Sri Lanka, 2. Aufl. 1983, und Sonderband,
Jan.-Dez. 1983, Dokument Nr. 4). Nach den Parlamentswahlen im Juli 1977, in
denen die 1976 gebildete und für die Einrichtung eines souveränen Tamilenstaates
"Eelam" eintretende TULF (Tamil United Liberation Front) in den Nord- und
Ostprovinzen fast 70 % der Stimmen erhalten hatte, war es von Jaffna ausgehend
im September 1977 auf der ganzen Insel wiederum zu Rassenunruhen mit
Pogromen gegen Tamilen gekommen, die von der durch die Wahlen an die Macht
gekommenen Regierung der liberal-konservativen UNP (United National Party)
unter Ministerpräsident Jayewardene mit einem Ausgehverbot und dem Einsatz
der Polizei bekämpft worden waren und zur Flucht von etwa 40.000 Tamilen in die
Großstädte der Nordprovinz oder in Flüchtlingslager der Armee geführt hatten.
Nachdem im Zusammenhang mit dem aufkommenden Terrorismus radikaler und
militanter Tamilenorganisationen wie der LTTE (Liberation Tigers of Tamil Eelam),
die das Ziel eines souveränen Tamilenstaates gewaltsam zu erreichen suchen, am
19./20. Juli 1979 das Anti-Terrorismus-Gesetz (PreventionofTerrorismAct -PTA -)
erlassen worden war, kam es zunächst im Jahre 1981 und dann im Zuge
wachsender Spannungen im Juli/August 1983, also etwa vier bis fünf Monate vor
der Ausreise des Beigeladenen, erneut zu pogromartigen Übergriffen der
singhalesischen Bevölkerungsmehrheit gegen die tamilische Minderheit (vgl. dazu
insbes.: Dr. Hellmann-Rajanayagam an Bundesamt vom 30. Dez. 1983, Dokument
Nr. 7; Bericht der Internationalen Juristen-Kommission Genf vom Febr. 198,
Dokument Nr. 8). Den Anfang dieser seit Erlangung der Unabhängigkeit Sri Lankas
im Jahre 1948 wohl schwersten ethnischen Auseinandersetzungen bildeten seit
April 1983 ständig auftretende blutige Unruhen in der schließlich unter die
Verwaltung der Marine gestellten Stadt Trincomalee, bei denen vor allem
singhalesische Banden Tamilen angriffen. Die am 1. Juli 1983 in Jaffna erfolgte
Verhaftung zweier tamilischer Politiker, die wegen der Ereignisse in Trincomalee
zum Proteststreik aufgerufen und die Entsendung einer UN-Friedenstruppe
verlangt hatten, führte in den folgenden Tagen zu mehreren bewaffneten
Racheaktionen militanter Tamilen im Jaffna-Distrikt. Am 15. Juli 1983 wurde bei
einem bewaffneten Zusammenstoß zwischen tamilischen Seperatisten und einem
Suchtrupp der Armee neben anderen Tamilen der Führer des militärischen Flügels
der "Tiger", Anton, getötet. Am 23. Juli 1983 wurden bei Thinnavely in der Provinz
Jaffna 13 Soldaten Opfer eines Überfalls tamilischer Extremisten der LTTE. Dieses
Vorkommnis löste dann seinerseits ein vom 24. Juli bis zum 2. August 1983
dauerndes Pogrom gegen die tamilische Minderheit aus. Ausgangspunkt dieser
Massaker war die am nächsten Tag erfolgte Beisetzung der getöteten Soldaten in
Colombo, wo größere Banden von Singhalesen planmäßig Tamilen und tamilisches
Eigentum angriffen, innerhalb der ersten 24 Stunden bereits mehr als 100
Menschen töteten und Hunderte von Häusern und Geschäften niederbrannten.
Am 25. Juli 1983 griffen die Ausschreitungen auf weitere Städte des Landes über.
In Trincomalee zogen 130 marodierenden Marinesoldaten durch die Stadt,
demolierten 175 Häuser und Geschäfte, töteten einen Menschen und verletzten
weitere zehn, bis sie in ihren Kasernen unter Arrest gestellt werden konnten.
Insgesamt wurden an diesem Tage in den Nordprovinzen 20 unbewaffnete
tamilische Zivilisten von Soldaten erschossen. Im Welikada-Gefängnis in Colombo
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tamilische Zivilisten von Soldaten erschossen. Im Welikada-Gefängnis in Colombo
wurden 35 von insgesamt 73 wegen terroristischer Handlungen verurteilten oder
angeklagten Tamilen von singhalesischen Mithäftlingen ermordet. Zwei Tage
später wurden in demselben Gefängnis nochmals 18 Tamilen umgebracht. Ihren
Höhepunkt erreichtem die pogromartigen Ausschreitungen gegen Tamilen am 29.
Juli 1983, als allein in Colombo 15 Tamilen von singhalesischem Mob erschlagen,
15 Plünderer von Sicherheitskräften erschossen und mehrere Hundert verhaftet
wurden. Nach im Februar 1984 veröffentlichten amtlichen Zahlen fielen den
pogromartigen Ausschreitungen insgesamt 471 Menschen zum Opfer; im Zuge
der Auseinandersetzungen sei es zu rund 8000 Brandstiftungen und fast 4000
Plünderungen gekommen. 79.000 obdachlos gewordene Tamilen seien in 18
Notaufnahmelagern bei Colombo untergebracht worden, mehrere tausend andere
seien aus südlichen Landesteilen in den Jaffna-Distrikt verschickt worden. In der
Zeit von Juli bis November 1983 sollen 24.000 Tamilen aus Sri Lanka nach Indien
geflohen sein. TULF-Generalsekretär Amirthalingam bezifferte demgegenüber in
einer am 14. September 1983 veröffentlichten Stellungnahme die Zahl der
getöteten Tamilen auf 2.000, die Zahl der Obdachlosen auf 155.000 und die
Summe der zerstörten Häuser auf 10.000.
Die gegen die Tamilen gerichteten Gewalttaten der singhalesischen
Bevölkerungsmehrheit sind, abgesehen davon, daß sie ihren Schwerpunkt im
Südwesten der Insel und im zentralen Bergland, nicht aber in der Heimatregion
des Beigeladenen hatten (vgl. Auswärtiges Amt vom 3. Juli 1984, Dokument vom
Nr. 10, S. 2), dem srilankischen Staat nicht als eigene politische Verfolgung
zuzurechnen, weil er sich nach den oben angeführten Maßstäben noch hinreichend
schutzbereit gezeigt und die Unruhen im wesentlichen bis zum 2. August 1983
eingedämmt hat. So wurde der seit dem 18. Mai 1983 aufgrund gewalttätiger
Aktionen anläßlich einer an diesem Tage stattfindenden Parlamentsnach- und
Kommunalwahl landesweit verhängte Ausnahmezustand bereits am 18. Juli 1983
verlängert und am 25. Juli 1983 eine Ausgangssperre über Colombo und den
Jaffna-Distrikt verhängt, die am nächsten Tag auf das ganze Land ausgedehnt
wurde, sowie der dann erfolgte Einsatz von Polizei und Armee gegen Unruhestifter,
Plünderer etc. angekündigt. Nachdem schon am 13. Juni 1983 zwei
Notstandsverordnungen ergangen waren, mit denen sämtliche Prozessionen
verboten und für Waffen- und Sprengstoffbesitz Freiheitsstrafen nicht unter 10
Jahren angedroht worden waren, verbot die Regierung am 30. Juli 1983 drei als
verantwortlich bezeichnete, marxistisch orientierte Parteien, gegen deren führende
Funktionäre Haftbefehle ausgestellt wurden, und schloß die Regierung die
Redaktion von vier Zeitungen. Nach dem Abflauen der Unruhen beschloß das
Parlament am 5. August 1983 die 6. Verfassungsänderung, die jede Form von
Seperatismus und seine Propagierung unter Strafe stellte, verkündete die
Regierung am 6. August 1983 die Todesstrafe für illegalen Waffen- und
Sprengstoffbesitz und wurden am 3. September 1983 neue
Notstandsbestimmungen in Kraft gesetzt, die die Todes- bzw. lebenslange
Freiheitsstrafe für Brandstiftung, Plünderung und einige andere Delikte, darunter
auch Hervorrufen von Unzufriedenheit, Verbreitung von Gerüchten und falschen
Erklärungen sowie Verteilung von Flugblättern vorsahen. Hinzu kommt, daß die
Regierung und caritative Organisationen umgehend in der näheren Umgebung
Colombos und auch in anderen Landesteilen Notunterkünfte für die obdachlos
gewordenen Tamilen einrichteten und diese teilweise auch auf die Halbinsel Jaffna
verschifften, wo sie weitgehend blieben.
Die in der Heimatregion des Beigeladenen im Norden Sri Lankas im Zuge der
Unruhen Ende Juli/Anfang August 1983 erfolgten und bereits oben geschilderten
Ausschreitungen von Armeeangehörigen und die im Laufe des folgenden Monate
bis zur Ausreise des Beigeladenen am 13. Dezember 1983 insbesondere im Jaffna-
Distrikt im Rahmen der Terrorismusbekämpfung begangenen Übergriffe der
Sicherheitskräfte gegenüber der zumeist tamilischen Zivilbevölkerung stellen auch
keine asylrelevante unmittelbare staatliche Verfolgung der tamilischen
Volksgruppe als solcher dar, die eine begründete und asylrechtlich beachtliche
Verfolgungsfurcht des Beigeladenen hätte rechtfertigen können.
Hinsichtlich der beschriebenen pogromartigen Ausschreitungen im Juli 1983 wie
auch hinsichtlich ähnlicher Exzesse im Jahre 1984 ist trotz der Täterschaft
staatlicher Sicherheitskräfte schon fraglich, ob darin überhaupt eine unmittelbare
staatliche Verfolgung gesehen werden kann, weil eine solche die Durchsetzung
eigener staatlicher Ziele voraussetzt (vgl. BVerwGE 85,5. 139 <143>); oder ob
insoweit nicht vielmehr eine Drittverfolgung durch einzelne Angehörige der
überwiegend singhalesischen Sicherheitskräfte anzunehmen ist, die dem
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überwiegend singhalesischen Sicherheitskräfte anzunehmen ist, die dem
srilankischen Staat - ebenso wie die Übergriffe von Angehörigen der
singhalesischen Bevölkerung - deshalb nicht zuzurechnen ist, weil er sich auch
insoweit grundsätzlich schutzbereit gezeigt hat, z.B. durch alsbaldige Arrestierung
und teilweise Entlassung der am 25. Juli 1983 in Trincomalee marodierenden
Matrosen, durch Einleitung eines Kriegsgerichtsverfahrens gegen die
Armeeangehörigen, die in Jaffna als Vergeltung für den Terroranschlag vom 23. Juli
1983 51 Zivilpersonen umgebracht hatten (vgl. Auswärtiges Amt vom 3. Juli 1984,
a.a.O.), und durch wiederholte Versuche zur Disziplinierung der
schlechtausgebildeten Sicherheitskräfte.
Jedenfalls aber waren die Ausschreitungen der staatlichen Kräfte im Juli 1983 wie
auch zahlreiche Vergeltungsaktionen im Jahre 1984 in der Regel jeweils Reaktionen
auf in erster Linie gegen staatliche Sicherheitskräfte gerichtete Anschläge und
Angriffe der aus dem Schutz der Bevölkerung heraus operierenden tamilischen
"Befreiungsbewegung". Diese Maßnahmen waren somit anlaßbezogen und
grundsätzlich durch eine von den Betroffenen ausgehende reale oder
vermeintliche Gefahr motiviert und stellten deshalb keine von einem besonderen
Anlaß völlig losgelöste, überwiegend oder ausschließlich an die tamilische
Volkszugehörigkeit anknüpfende kollektive und flächendeckende
Gruppenverfolgung aller Tamilen in den Nordprovinzen dar, die für jedes Mitglied
dieser Gruppe eine jederzeitige unmittelbar drohende eigene Verfolgung hätte
begründen können. Derartige Aktionen der Streitkräfte waren oft von hilfloser Wut
und wahllosen Zerstörungen geprägt, so daß z.B. von der Vernichtung des
örtlichen Basars in Mannar nach einem Sprengstoffanschlag auf einen
Militärlastkraftwagen im August 1984 hauptsächlich Moslems und nicht Tamilen
betroffen waren (vgl. Bundesamt für Polizeiwesen in Bern vom 29. Aug. 1984,
Dokument Nr. 11, S. 17 f.).
Soweit dagegen zur Terrorismusbekämpfung gezielt Razzien durchgeführt und
junge männliche Tamilen etwa im Alter zwischen 16 und 35 Jahren festgenommen
und in Armeelagern verhört wurden, handelte es sich um staatliche
Verfolgungsmaßnahmen, die aber angesichts des Umstandes, daß sich die
tamilischen "Befreiungsbewegungen" in erster Linie aus diesem Bevölkerungskreis
rekrutierten, grundsätzlich als asylirrelevante Maßnahmen zur Abwehr des
Terrorismus angesehen werden können, soweit sie nicht wegen einer
ungewöhnlichen Härte und Intensität oder wegen der Inanspruchnahme erkennbar
Unbeteiligter diesen Rahmen überschritten. Zwar sollen die verhafteten Männer
innerhalb von 48 Stunden entlassen worden sein, wenn eine erste Befragung durch
Spezialisten des militärischen Nachrichtendienstes offensichtlich keinen Verdacht
begründet hatte, und die Übrigen entlassen worden sein, wenn die dezentralen
weiteren Abklärungen durch den zivilen nationalen Sicherheitsdienst CID im Raum
Colombo keine Verdachtsgründe ergeben hatten (vgl. Bundesamt für Polizeiwesen
in Bern vom 29. Aug. 1984, a.a.O., S. 15 f.); andererseits fürchteten jüngere
Tamilen, bei den häufigen Razzien und Verhaftungsaktionen Opfer von Willkür und
Brutalität der Sicherheitskräfte zu werden (Auswärtiges Amt vom 3. Juli 1984,
a.a.O., S. 6), und sollen die Verhaftungen willkürlich erfolgt und auch Minderjährige
und Frauen betroffen worden sein, die Haftdauer oft bei einigen Monaten gelegen
haben und vielfach über die Anwendung von Folter geklagt worden sein (vgl. Dr.
Hofmann vom 3. Jan. 1986, Dokument Nr. 16, S. 2). Danach kann davon
ausgegangen werden, daß es 1983/84 in den Nordprovinzen zwar keine
flächendeckende staatliche kollektive Verfolgung aller Tamilen, und zwar auch
nicht der jüngeren Männer, wohl aber einzelne, dem Staat zurechenbare und
asylerheblich gezielt gegen Tamilen gerichtete Übergriffe staatlicher
Sicherheitskräfte gegeben hat.
Diese Referenzfälle staatlicher Verfolgung waren aber nicht geeignet, bei dem
Beigeladenen eine hinreichend begründete Verfolgungsfurcht hervorzurufen, wie
sich zum einen schon in der nur andeutungsweisen Erwähnung dieser Fälle erst
gegen Ende des Verfahrens durch seinen Bevollmächtigten zeigt, und weil sich
zum anderen ein derartiges Verfolgungsgeschehen im Zusammenhang mit einer
"Terrorismusbekämpfung" in der Vergangenheit bis dahin noch nicht häufig
ereignet hatte, die fraglichen Massenrazzien ohnehin erst im August 1984, also
nach der Ausreise des Beigeladenen einsetzten (vgl. Dr. Hofmann vom 3. Jan.
1986, a.a.O., S. 2) und der srilankische Staat insbesondere seit dem im Juli 1977
erfolgten Amtsantritt der UNP-Regierung Jayewardene, der drei tamilische Minister
angehörten; auf einen Ausgleich und eine friedliche Lösung des Tamilenproblems
bedacht war und das allgemeine politische Klima deshalb derartige
Verfolgungshandlungen weder rechtfertigte noch begünstigte (so auch VGH
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Verfolgungshandlungen weder rechtfertigte noch begünstigte (so auch VGH
Bad.Württ., Urteil vom 29. November 1991 - A 16 S 1731/89 -, S. 13 f. des
Urteilsabdrucks). Die den Zugang der Tamilen zu den Universitäten
einschränkende "Standardisierungs"-Verordnung von 1971 wurde von der 1977 an
die Macht gekommenen UNP-Regierung aufgehoben. Mit der am 7. September
1978 in Kraft getretenen 3. Verfassung, die die Insel Ceylon in "Demokratische
Sozialistische Republik Sri Lanka" umbenannte, wurde neben Singhalesisch auch
Tamil als Nationalsprache anerkannt. Nach den Unruhen im Jahre 1981 wurde im
November 1981 eine Kommission unter Leitung des Staatspräsidenten
Jayewardene berufen, der neben 15 Ministern auch 5 Vertreter der TULF
angehörten und die im Laufe des Jahres 1982 eine Reihe von Vorschlägen zur
Lösung der Konflikte zwischen den Bevölkerungsgruppen erarbeitete (vgl.
Auswärtiges Amt vom 25. Okt. 1982, Dokument Nr. 3); weiterhin wurden 1982
staatliche Entschädigungsleistungen an tamilische Opfer der Ausschreitungen von
Mai/Juni 1981 geleistet; am 5. Juni 1984 wurde die im Zuge dieser Unruhen im
August 1981 von singhalesichen Polizisten in Brand gesetzte tamilische
Nationalbibliothek in Jaffna unter Teilnahme des TULF-Generalsekretärs
Amirthalingam als Ehrengast feierlich wiedereröffnet, für deren Wiederaufbau der
Staatspräsident Jayewardene aus eigenen Mitteln 1 Mio. Rupien bereitgestellt und
zu weiteren Spenden aufgerufen hatte. Ebenso wurde im Laufe des Jahres 1984
die überwiegende Mehrheit der durch die Ausschreitungen im Juli/August 1983
geschädigten tamilischen Geschäftsleute durch Auszahlung erheblicher
Versicherungssummen und durch Beihilfen und Darlehen von der durch
Notstandsgesetz vom 7. August 1983 eingerichteten staatlichen
Wiederaufbaubehörde REPIA zur Wiedereröffnung ihrer Betriebe ermutigt (vgl.
Auswärtiges Amt vom 3. Juli 1984, a.a.O., S. 4; Bundesamt für Polizeiwesen in Bern
vom 29. Aug. 1984, a.a.O., S. 10). Im Frühjahr 1984 gab der im März 1984
ernannte Minister für nationale Sicherheit Athulathmudali öffentliche Garantien für
die Sicherheit der auch in den singhalesischen Mehrheitsgebieten lebenden
Tamilen ab und verbürgte sich mehrfach dafür, daß es nicht zu einer Wiederholung
der antitamilischen Ausschreitungen des Juli 1983 kommen werde; dieser hat sich
weiterhin um die Wiederherstellung von Disziplin und Moral bei Polizei und
Streitkräften sowie durch wiederholte Besuche in Jaffna, Trincomalee, Batticaloa
und Gespräche mit dortigen Tamilenrepräsentanten darum bemüht, das auf Angst
und Mißtrauen gegründete Konfliktpotential abzubauen, und umfassende
Untersuchungen von im August 1984 erfolgten Ausschreitungen von
Sicherheitskräften angeordnet; auf seine Initiative hin wurde eine - u.a. von
amnesty international kritisierte - Notstandsregelung vom 3. Juni 1983 wieder
aufgehoben, nach der die Sicherheitskräfte unter bestimmten Umständen bei
Todesfällen vor Bestattung der Leichen keine post-mortem-Untersuchungen mehr
herbeizuführen brauchten (vgl. Auswärtiges Amt vom 3. Juli 1984 a.a.O.;
Bundesamt für Polizeiwesen in Bern vom 29. Aug. 198.4 a.a.O.). Seit dem 10.
Januar 1984 tagte unter Beteiligung der TULF und der 1944 gegründeten TC (All
Ceylon Tamil Congress) eine von Staatspräsident Jayewardene einberufene und
geleitete Allparteien-Versöhnungskonferenz, zu der Ende 1983 auch die TULF
eingeladen worden war, obwohl sie im Oktober 1983 aufgrund der gegen den
Seperatismus gerichteten 6. Verfassungsänderung vom 5. August 1983 ihre
Parlamentssitze verloren hatte; im Dezember 1983 waren die deshalb
erforderlichen Nachwahlen auf unbestimmte Zeit verschoben worden.
Ein Wegfall der für die Möglichkeit politischer Verfolgung grundsätzlich
erforderlichen effektiven staatlichen Gebietsgewalt im Sinne wirksamer hoheitlicher
Überlegenheit kann in den hier fraglichen Nordprovinzen Sri Lankas bis zur
Ausreise des Beigeladenen aus einem Heimatland am 13. Dezember 1983 nicht
festgestellt werden und nach dem oben Ausgeführten ist dort eine asylrelevante
staatliche Verfolgung der gesamten Gruppe der (jungen) Tamilen oder einzelner
Gruppenangehöriger unter solchen Umständen, die den Beigeladenen wegen
begründeter Verfolgungsfurcht in eine auswegslose Lage versetzt und deshalb zur
Ausreise gezwungen haben könnte, nach Überzeugung des Senats nicht
anzunehmen.
Das Asylbegehren des danach unverfolgt ausgereisten und deshalb nach dem
normativen Leitbild des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG grundsätzlich und typischerweise
nicht asylberechtigten Beigeladenen könnte mithin allenfalls dann Erfolg haben,
wenn in seinem Fall ein asylrechtlich beachtlicher Nachfluchttatbestand gegeben
wäre. Das würde voraussetzen, daß dem Beigeladenen aufgrund von Umständen,
die nach seiner Ausreise aus seinem Heimatland eingetreten sind, für den Fall
seiner Rückkehr dort gegenwärtig und in absehbarer Zukunft politische Verfolgung
mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen würde und daß der dann gegebene
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mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen würde und daß der dann gegebene
Nachfluchttatbestand asylrechtlich beachtlich wäre. Diese Voraussetzung ist
erfüllt, wenn er entweder durch Vorgänge oder Ereignisse im Heimatland des
Beigeladenen unabhängig von seiner Person und ohne sein eigenes (neues) Zutun
ausgelöst worden ist (objektiver Nachfluchttatbestand) oder aber zwar von ihm
aus eigenem Willensentschluß hervorgerufen worden ist (sogenannter
selbstgeschaffener subjektiver Nachfluchttatbestand), er dabei aber nicht ohne
zwingende Notwendigkeit im Sinne der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts vom 26. November 1986 (BVerfGE 74, 51 )
gehandelt hat.
Ein Nachfluchttatbestand liegt hier aber schon deshalb nicht vor, weil dem
Beigeladenen keine politische Verfolgung droht. Dabei ist ebenso wie für die Frage
der Vorverfolgung auch für die Frage einer nachträglich entstandenen.
Verfolgungssituation zunächst auf die Verhältnisse an dem Ort bzw. in der Region
seines Heimatlandes abzustellen, wo der Asylbewerber vor seiner Ausreise seinen
Lebensmittelpunkt hatte bzw. ohne zwischenzeitliche Ausreise hätte, weil es für ihn
naheliegt, sich erneut dort niederzulassen (vgl. Hess. VGH, Urteil vom 22. März
1991 - 10 UE 2044/86 -, S. 65 des Urteilsabdrucks).
Der Senat teilt die demgegenüber vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-
Westfalen (OVG NW) mit Urteil vom 8. Juli 1992 - 21 A 364/91.A - vertretene
Auffassung nicht:, das Bestehen eines objektiven Nachfluchttatbestandes wegen
der beachtlichen Wahrscheinlichkeit einer nicht landesweiten, sondern nur
regionalen Verfolgungssituation sei nach den Ausführungen des
Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 80, 315 (343 ff.) nicht davon abhängig, daß
die betroffene Region die Heimatregion des Asylbewerbers sei, für den sich im
Ausland aufhaltenden Asylbewerber sei vielmehr der gesamte Staat zu betrachten
und wegen dessen Verfolgereigenschaft in einzelnen Landesteilen sei für die
anderen Landesteile auf das - erhöhte - Erfordernis der hinreichenden Sicherheit
abzuheben. Dieser Ansicht folgt der Senat aus folgenden Gründen nicht:
Wie oben bereits ausgeführt, setzt das Asylgrundrecht des Artikel 16 Abs. 2 Satz 2
GG nach der verbindlichen Auslegung des Bundesverfassungsgerichts von seinem
Tatbestand her grundsätzlich den kausalen Zusammenhang zwischen Verfolgung
und Flucht voraus, so daß eine Erstreckung auf Nachfluchttatbestände nur insoweit
(also ausnahmsweise) in Frage kommt, als sie vom Sinn und Zweck der
Asylverbürgung gefordert ist (vgl. BVerfGE 74, S. 51 <64 f.>); eine einengende
Anwendung, wie sie das Bundesverfassungsgericht bei sogenannten subjektiven
Nachfluchttatbeständen in der eben zitierten Entscheidung auch vorgenommen
hat, entspricht deshalb - entgegen der Ansicht des OVG NW - durchaus der
verfassungsgerichtlichen Auslegung. Da objektive Nachfluchttatbestände nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - wie oben ebenfalls bereits
dargestellt - zudem dadurch gekennzeichnet sind, daß einem aus anderen
Gründen aus seinem Heimatland ausgereisten Asylbewerber nunmehr dort ohne
sein (neues) Zutun aufgrund nachträglich veränderter Umstände politische
Verfolgung droht (vgl. BVerfGE 74, S. 51 <64 f.>), liegt es in der Konsequenz der
Auslegung des Bundesverfassungsgerichts, die Verfolgungsbetroffenheit im Sinne
eines objektiven Nachfluchttatbestandes, also die Frage, ob ein bisher unverfolgter
Asylbewerber im Falle seiner Rückkehr "die bislang nicht gegebene Flucht
nachholen" (vgl. BVerfG 75, S. 51 <65>) müßte, nach den gleichen Kriterien wie
die Frage der Vorverfolgung, also ebenfalls von der Heimatregion des
Asylbewerbers ausgehend zu prüfen, weil dann der vom Bundesverfassungsgericht
nach dem normativen Leitbild des Artikel 16 Abs. 2. Satz 2 GG geforderte
Kausalzusammenhang zwischen Verfolgung und Flucht auch auf
Nachfluchttatbestände angewendet wird und ein solcher nicht ohne nachträgliche
Veränderung der Verhältnisse bejaht werden kann. Dem entspricht es, daß das
Bundesverfassungsgericht in der vom OVG NW in Bezug genommenen
Entscheidung vom 10. Juli 1989 (BVerfGE 80, S. 315) für die Frage der
Zumutbarkeit einer inländischen Fluchtalternative auch bei der Prüfung von
Nachfluchttatbeständen uneingeschränkt auf die für die Prüfung der Vorverfolgung
aufgestellten Grundsätze verweist (vgl. S. 345 f. unter 6 b)) und damit auch im
Zusammenhang mit Nachfluchttatbeständen die Verhältnisse am Herkunftsort
des Asylbewerbers für maßgeblich erklärt, weil andere einer asylerheblichen
Rechtsgutbeeinträchtigung gleichkommenden Nachteile eine inländische
Fluchtalternative danach nur dann unzumutbar machen, "sofern diese existentielle
Gefährdung am Herkunftsort so nicht bestünde" (vgl. S. 344 unter 5 c)).
Demgegenüber führt die Auffassung des OVG NW dazu, daß die Frage der
Vorverfolgung und die des Vorliegens eines Nachfluchttatbestandes bei einer nur
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Vorverfolgung und die des Vorliegens eines Nachfluchttatbestandes bei einer nur
regionalen Verfolgungssituation nach unterschiedlichen Kriterien geprüft wird und
ein objektiver Nachfluchttatbestand ohne nachträgliche Veränderung der
politischen Verhältnisse im Heimatland eines Asylbewerbers allein aufgrund der
durch seine Ausreise veränderten Sichtweise angenommen werden kann. Ein
Ausländer, der sein Heimatland z. B. wegen allgemeiner Unruhen oder
kriegerischer Auseinandersetzungen in seiner Heimatregion, also aus asylfremden
Gründen verläßt, flieht nicht vor politischer Verfolgung und ist deshalb nicht
asylberechtigt, auch wenn in irgendeinem anderen Gebiet seines Heimatlandes
mit ihm durch gruppenspezifische Merkmale verbundene Landsleute politisch
verfolgt werden und nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen ist, daß sich
diese Verfolgung auch auf seine Heimatregion ausweiten könnte. Denn dann kann
noch nicht von einer ihm dort unmittelbar drohenden politischen Verfolgung
gesprochen werden, die ihn in eine ausweglose Lage gebracht und zur Flucht
gezwungen hat; allein der Umstand seiner zwischenzeitlich erfolgten Ausreise kann
eine Umkehrung dieser asylrechtlichen Bewertung derselben Verfolgungssituation
nicht rechtfertigen, wie dies nach der Auffassung des OVG NW der Fall wäre.
Es erscheint jedenfalls auch nicht gerechtfertigt, daß das OVG NW den
herabgestuften Prognosemaßstab der "hinreichenden Sicherheit vor (erneuter)
politischer Verfolgung" einem Asylbewerber zubilligt, der in seiner Person eine
politische Verfolgung bisher weder erlitten hat, noch im Fall seiner Rückkehr mit
beachtlicher Wahrscheinlichkeit erleiden wird, weil es keinerlei Anhaltspunkte dafür
gibt, daß er sich in diejenige Region seines Heimatlandes begeben wird, in der die
regional begrenzte politische Verfolgung stattfindet, wenn diese Region nicht
zugleich seine Heimatregion ist. Wenn das Bundesverfassungsgericht in seiner in
bezug genommenen Entscheidung vom 10. Juli 1989 ausführt, daß der Asylantrag
eines unverfolgt ausgereisten Asylsuchenden nur Erfolg haben kann, wenn "ihm"
aufgrund von beachtlichen Nachfluchttatbeständen gegebenenfalls auch nur in
einem Teil seines Heimatstaates politische Verfolgung droht, kommt darin
hinreichend zum Ausdruck, daß es nicht ausreicht, wenn diese Verfolgung solche
Landsleute trifft, die mit ihm durch gruppenspezifische Merkmale verbunden sind.
Erforderlich ist danach vielmehr, daß diese Verfolgung ihm konkret in seiner
Person drohen muß. Wenn die politische Verfolgung regional begrenzt ist, muß
deshalb eine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, daß sich der konkrete
Asylbewerber im Falle seiner Rückkehr in der fraglichen Region aufhalten und
deshalb mit der politischen Verfolgung konfrontiert werden wird; erst wenn dies zu
bejahen ist, wird die Frage einer inländischen Fluchtalternative relevant. Für diese
Betrachtungsweise spricht schließlich auch, daß eine Verfolgungsgefahr wegen
sogenannter Gruppenverfolgung nur dann zu bejahen ist, wenn der Asylbewerber
mit den verfolgten Gruppenmitgliedern nicht nur ein asylerhebliches Merkmal teilt,
sondern sich mit ihnen auch in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit
vergleichbaren Lage befindet. Das setzt bei einer nur regionalen
Verfolgungssituation aber voraus, daß er zu der betroffenen Region einen solchen
Bezug hat, daß er sich wahrscheinlich dorthin begeben wird.
Aus diesen Gründen hält der Senat an seiner Ansicht fest, daß auch für die Frage
eines objektiven Nachfluchttatbestandes in erster Linie auf die Heimatregion des
Asylbewerbers abzustellen ist; der unterschiedlichen Situation im Verhältnis zur
Frage der Vorverfolgung trägt er insoweit Rechnung, als ergänzend der Rückweg
dorthin in die Betrachtung einzubeziehen ist (so schon Hess. VGH, Urteil vom 16.
Juli 1992 - 10 UE 1508/86 -).
Dem Beigeladenen droht im Falle der Rückkehr in seine Heimatregion aus
individuellen Gründen keine politische Verfolgung. Der Beigeladene hat in dem
Zusammenhang zwar geltend gemacht, sein Bruder sei 1986 bei der Rückkehr von
der Arbeit durch Armeeangehörige erschossen worden. Er selbst befürchte im
Falle der Rückkehr in die Heimatregion etwas Ähnliches. Der Antragsteller hat
jedoch noch nicht einmal darlegen können, ob er wisse, daß sein Bruder mit der
Freiheitsbewegung zusammengearbeitet habe und ob er deshalb von der Armee
getötet worden sei. Auch die bei der Vernehmung durch den Berichterstatter des
Senats vorgelegten beiden Schriftstücke besagen nichts über die Umstände und
Hintergründe der Tötung des Bruders des Beigeladenen. Deshalb kann noch nicht
einmal darauf geschlossen werden, ob die Tötung des Bruders des Beigeladenen
politische Verfolgung dargestellt hat, geschweige denn, weshalb dem
Beigeladenen selbst im Falle der Rückkehr eine entsprechende Behandlung drohen
und insbesondere, ob diese eine politische Verfolgung darstellen würde.
Dem Beigeladenen droht in seiner Heimatregion (Jaffna-Distrikt) aber auch keine
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Dem Beigeladenen droht in seiner Heimatregion (Jaffna-Distrikt) aber auch keine
politische Verfolgung wegen seiner tamilischen Volkszugehörigkeit oder wegen
seiner Zugehörigkeit zur Gruppe der jungen Tamilen. Dem srilankischen Staat fehlt
nämlich dort aufgrund des infolge des Bürgerkrieges mit der LTTE jedenfalls nach
der Ausreise des Beigeladenen eingetretenen Verlustes der effektiven
Gebietsgewalt grundsätzlich die Möglichkeit politischer Verfolgung. Das ergibt sich
aus folgendem:
Nachdem es in der Nordprovinz Ende 1984/Anfang 1985 offensichtlich zu schweren
Auseinandersetzungen zwischen militanten Tamilen und Regierungstruppen
gekommen und ein indischer Vermittlungsversuch Mitte 1985 gescheitert war,
verstärkte die Regierung Sri Lankas Ende 1985/Anfang 1986 ihre militärischen
Anstrengungen zur Wiedererlangung der nach amtlicher Lesart ein Jahr zuvor an
tamilische Guerillas verlorengegangenen Kontrolle über den Distrikt Jaffna (The
Guardian vom 19. Mai 1986, Dokument Nr. 22), was in einem Fiasko endete und
dazu führte, daß die LTTE hier nunmehr fast uneingeschränkt herrschte, die Armee
sich auf wenige Stützpunkte zurückzog und Gerichte, Zivilverwaltung und Schulen
nicht mehr existierten (Keller, Informationen vom Mai 1990, Dokument Nr. 87, S.
50; Die Zeit vom 29. August 1986, Dokument Nr. 23). Anfang 1987 versuchte die
Armee, auch in Jaffna wieder militärische Aktionen durchzuführen, während dort die
LTTE bereits begonnen hatte, neben ihren paramilitärischen Einrichtungen eine
eigene Zivilverwaltung aufzubauen. Aufgrund eines zwischen der indischen und der
srilankischen Regierung am 29. Juli 1987 abgeschlossenen Vertrages marschierten
im Sommer 1987 indische Truppen in Sri Lanka ein, die im weiteren Verlauf im
Norden die effektive Gebietsgewalt übernahmen und vergeblich eine Befriedung zu
erreichen suchten (vgl. Hess. VGH, Urteil vom 24. Februar 1989 - 10 UE 2013/85 -
m.w.N.). Nach dem Ende 1989 begonnenen und am 24. März 1990
abgeschlossenen Abzug der indischen Truppen rückte die LTTE in das entstandene
Machtvakuum nach und übte die Herrschaft, soweit sie diese dort nicht schon
vorher hatte, sowohl im größten Teil der Jaffna-Halbinsel als auch in weiten
Gebieten im Norden und Osten der Insel aus (vgl. Auswärtiges Amt vom 28. Mai
1990, Dokument Nr. 88, S. 2). Ab Mai 1989 kam es zu Verhandlungen zwischen
der srilankischen Regierung und der LTTE sowie zu einem unbefristeten
Waffenstillstand, der nach einem Überfall der LTTE auf mehrere Polizeistationen
und der Ermordung von 23 singhalesischen Polizeibeamten (vgl. FR vom 16. Juni
1990, Dokument Nr. 90) im Juni 1990 in eine Offensive der Separatisten und einen
noch heftiger geführten bewaffneten Kampf zwischen der srilankischen Armee und
der LTTE im Norden und Osten der Insel mündete. In dessen Verlauf gelang es der
Armee, die Belagerung der Festung in Jaffna im September 1990 zu durchbrechen
(vgl. FAZ vom 13. September 1990, Dokument Nr. 120), mehrere erfolgreiche
militärische Gegenschläge. auf der Jaffna-Halbinsel und im Osten zu führen und
Anfang August 1991 ihre Stellung am sogenannten Elephant-Paß, einer
Landverbindung zwischen der Jaffna-Halbinsel und dem südlichen Festland, zu
behaupten. Dennoch übt die LTTE nach wie vor die effektive Gebietsgewalt im
Norden in den Distrikten Jaffna, Mullaitivu und in Teilen der Distrikte Vavuniya (bis
Omantai) sowie Mannas mit Ausnahme der Insel Mannas und der dem Norden
vorgelagerten westlichen Inseln und der Stützpunkte der Regierungstruppen aus
(Auswärtiges Amt vom 23. Juni 1992, Dokument Nr. 192; Keller-Kirchhoff vom 7.
September 1991, Dokument Nr. 174, S. 10 ff., 3, 7, 24).
Die der Rückeroberung des Jaffna-Distrikts dienende militärische Bekämpfung des
Bürgerkriegsgegners LTTE durch staatliche Kräfte stellt deshalb keine politische
Verfolgung dar, selbst wenn und soweit sie völkerrechtswidrig sein und
insbesondere der Genfer Rot-Kreuz-Konvention von 1949 und den
Zusatzprotokollen von 1977 widersprechen sollte (vgl. BVerfGE 80 S. 315 <340
f.>). Die gelegentlich militärischer Aktionen im Bürgerkrieg von Soldaten oder
Sicherheitskräften des srilankischen Staates begangenen Exzesse gegenüber der
Zivilbevölkerung sind daher - so leidvoll sie auch für die Betroffenen sind -
grundsätzlich asylrechtlich unbeachtlich.
Etwas anderes würde lediglich dann gelten, wenn der srilankische Staat den Kampf
in einer Weise führen würde, die auf die physische Vernichtung von auf der
Gegenseite stehenden oder ihr zugerechneten tamilischen Personen gerichtet ist,
obwohl diese keinen Widerstand mehr leisten wollen oder können oder an dem
militärischen Geschehen nicht oder nicht mehr beteiligt sind, vollends wenn die
Handlungen der staatlichen Kräfte in die gezielte physische Vernichtung oder
Zerstörung der ethnischen, kulturellen oder religiösen Identität des gesamten
tamilischen Bevölkerungsteils umschlagen würden (vgl. BVerfGE 80 S. 315
<340>). Das ist in dem hier fraglichen Bereich des Jaffna-Distrikts jedoch nicht der
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<340>). Das ist in dem hier fraglichen Bereich des Jaffna-Distrikts jedoch nicht der
Fall.
Zwar hat die srilankische Luftwaffe seit dem erneuten Ausbruch der
Kampfhandlungen im Juni 1990 zunächst insbesondere gegen die Belagerung des
Forts von Jaffna durch die LTTE ständig fortgesetzte Bombenangriffe auf
angebliche tamilische Stellungen im Norden, vor allem in Jaffna, aber auch in
umliegenden Dörfern, geführt, denen zahlreiche Personen zum Opfer fielen; die
Regierung ließ in diesem Zusammenhang allerdings verlauten, die Bewohner um
die Festung in Jaffna seien gewarnt worden (vgl. FR und FAZ vom 27. Juni 1990,
Dokumente Nr. 95 und 96; Auswärtiges Amt vom 8. August 1990, Dokument Nr.
111). Zu vielen Opfern insbesondere unter der Zivilbevölkerung kann es auch
durch den Einsatz von niedrig fliegenden Kampfhubschraubern über besiedeltem
Gebiet, durch Einsatz von Granaten und durch wahllose Flächen- und
Dauerbombardements auch nachts, die aber zumindest im November 1990 in
ihrer Ziellosigkeit eingestellt waren (vgl. Keller vom 14. Dezember 1.990,
Dokument Nr. 138; Auswärtiges Amt vom 29. August und 29. November 1990,
Dokumente Nr. 118 und 134). Nachdem die Regierungsarmee die Belagerung der
Festung in Jaffna im September 1990 durchbrochen hatte, kam es bei den
nachfolgenden Kämpfen im Stadtgebiet zu einer weiteren Zunahme der seit Juni
1990 schon beträchtlichen Verluste unter der Zivilbevölkerung (vgl. FAZ vom 13.
September 1990, a.a.O.; FR vom 22. September 1990, Dokument Nr. 122). Mitte
Oktober 1990 setzte die verstärkte srilankische Armee ihre Großoffensive im
Norden gegen die LTTE fort (vgl. FR vom 18. Oktober 1990, Dokument Nr. 127),
wobei zu Beginn des Jahres 1991 Verhandlungen über einen Waffenstillstand
scheiterten und bei schweren Luftangriffen auf von der LTTE kontrolliertes Gebiet -
die Jaffna-Halbinsel und der Kilinochchi-Distrikt wurden am schlimmsten betroffen -
viele Gebäude zerstört und unabhängigen Berichten zufolge wieder viele
Zivilpersonen ums Leben gekommen sein sollen (vgl. The Guardian vom 24. und
26. Januar 1991, Dokumente Nr. 158 und 160; ai vom 13. Dezember 1991,
Dokument Nr. 183). Darüber, ob es auch bis in jüngste Zeit noch zu derartigen,
seit Juni 1990 immer wieder unregelmäßig stattfindenden Angriffen der Luftwaffe
kommt, die nach Angaben der Regierung Stellungen der LTTE gelten sollen, aber
immer wieder zivile Ziele treffen, gehen die Angaben tendenziell auseinander; so
soll die Stadt Jaffna Ende Oktober 1991 einem schweren Bombardement
ausgesetzt gewesen sein (vgl. ai vom 13. Dezember 1991, a.a.O.) und soll es auch
Anfang 1992 nach wie vor zu solchen Angriffen gekommen sein, wie etwa im
Februar 1992 auf der Jaffna-Halbinsel zu einem Hubschrauberangriff auf ein in der
Vergangenheit als LTTE-Stützpunkt genutztes Haus, dem drei Personen auf dem
benachbarten Fischmarkt durch herumfliegende Granatteile zum Opfer gefallen
sein sollen (vgl. Keller-Kirchhoff vom 23. April 1992, Dokument Nr. 188), am
18.05.1992 sollen in einem Tempel im Bezirk Mullaitivu 23 Menschen durch
Granaten, die aus einem nahegelegenen Militärcamp abgefeuert wurden, getötet
und 30 verletzt worden sein, die Regierung habe eine Untersuchung angekündigt
(vgl. Auswärtiges Amt vom 23. Juni 1992, a.a.O., S. 2); andererseits sollen
derartige Zwischenfälle und Bombardierungen von Siedlungen außerhalb von
Kampfgebieten in letzter Zeit vor Anfang November 1991 (vgl. Auswärtiges Amt
vom 6. November 1991, Dokument Nr. 180) bzw. Luftangriffe auf zivile Ziele in
letzter Zeit vor Mai 1992 (vgl. Auswärtiges Amt vom 20. Mai 1992, Dokument Nr.
190) nicht mehr bekanntgeworden sein. Neben derartigen Angriffen der Luftwaffe
wurde auch von sonstigen Übergriffen der im Norden kämpfenden Streitkräfte in
Form von Plünderungen, Brandschatzungen, Vergewaltigungen, Folterverhören,
Tötungen etc. auf die Zivilbevölkerung berichtet (vgl. Auswärtiges Amt vom 8.
August 1990, a.a.O.; vom 6. November 1991, a.a.O.; vom 22. Januar 1992,
Dokument Nr. 185).
Nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnissen kann dennoch nicht davon
ausgegangen werden, daß die Maßnahmen des srilankischen Staates im Rahmen
des im Norden der Insel geführten Bürgerkrieges - unabhängig von den damit
letztlich verfolgten staatlichen Zielen und den ihnen zugrundeliegenden Motiven -
nach ihrem inhaltlichen Charakter und ihrer erkennbaren Gerichtetheit
grundsätzlich kein typisch militärisches Gepräge mehr aufwiesen, sondern im
Sinne von BVerfGE 80, S. 315 (340) unter Anknüpfung an die tamilische
Volkszugehörigkeit der zivilen Opfer auf die physische Vernichtung einzelner
Gruppenangehöriger oder gar des gesamten tamilischen Bevölkerungsteils oder
auf die Zerstörung seiner ethnischen, kulturellen oder religiösen Identität gerichtet
wären. Dagegen spricht schon, daß keinerlei Anhaltspunkte für genozidartige
Maßnahmen gegen die im Süden und Südwesten des Landes lebenden Tamilen
vorliegen (vgl. Keller vom 14. Dezember 1990, a.a.O., S 4), daß auch aus dem
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vorliegen (vgl. Keller vom 14. Dezember 1990, a.a.O., S 4), daß auch aus dem
Norden geflüchtete Tamilen in staatlichen Flüchtlingslagern im Norden und Süden
der Insel versorgt werden (vgl. Auswärtiges Amt vom 15. Nov. 1991, Dokument Nr.
181), daß die Regierung die Evakuierung des umkämpften Jaffna-Distrikts erwogen
(vgl. Keller, a.a.O.; ai-Info vom Oktober 1990, Dokument Nr. 124; Auswärtiges Amt
vom 29. November 1990, Dokument Nr. 134), die Bevölkerung zum Verlassen
dieses Gebiets aufgefordert (vgl. FAZ vom 8. Februar 1991, Dokument Nr. 163),
die Zivilbevölkerung teilweise mit Flugblättern vor bevorstehenden
Bombardierungen gewarnt (vgl. ai vom 11. September 1991, Dokument Nr. 176,
S. 20), und aufgefordert hat, die Umgebung von Armee-Camps zu räumen und zu
meiden (vgl. Auswärtiges Amt vom 8. und 29. August 1990, Dokumente Nr. 111
und 118), weiterhin wiederholt erklärt hat, die militärischen Aktionen richteten sich
nicht gegen die Tamilen, die als Staatsbürger und Brüder zu behandeln seien,
sondern allein gegen die separatistische und terroristische LTTE (vgl. Auswärtiges
Amt vom 20. Mai 1992, a.a.O.), und der Luftwaffe wie allen Angelhörigen der
Streitkräfte grundsätzlich den strikten Befehl erteilt hat, die Zivilbevölkerung
soweit wie möglich zu schonen (vgl. Auswärtiges Amt vom 29. August 1990,
a.a.O.). Schließlich hat die Regierung nach dem Ergebnis der gemäß
Beweisbeschluß vom 04. März 1992 durchgeführten Beweisaufnahme die
Versorgung der Zivilbevölkerung mit Lebensmitteln in den nördlichen
Kampfgebieten nicht nur nicht systematisch behindert, sondern bezüglich der von
ihr nicht kontrollierten Gebiete, insbesondere der Jaffna-Halbinsel, sogar auf eigene
Kosten gesichert und lediglich die Belieferung von Gütern verhindert, die sie für die
LTTE für militärisch verwertbar hält (vgl. Keller-Kirchhoff vom 23. April 1992,
Dokument Nr. 189, und vom 25. Juni 1992, Dokument Nr. 193; Auswärtiges Amt
vom 20. Mai 1992, a.a.O., und vom 23. Juni 1992). Wenn sich auch unter den
militärisch verwertbaren Gütern Medikamente befinden, so kann doch keine Rede
davon sein, die srilankische Regierung verhindere systematisch eine ausreichende
medizinische Versorgung der tamilischen Bevölkerung, wie der Beigeladene
behauptet hat. So hat das Auswärtige Amt hierzu in seiner Auskunft vom 20. Mai
1992 (Dokument Nr. 191, S. 2) mitgeteilt, zwar seien auf der Jaffna-Halbinsel
Medikamente, insbesondere schmerzstillende Mittel knapp, es gebe jedoch keine
systematische Verhinderung von Medikamentenlieferungen in die tamilischen
Siedlungsgebiete, wenn auch diese Lieferungen strikt kontrolliert würden. Nach
Keller-Kirchhoff (Gutachten vom 23. April 1992, Dokument Nr. 189, zu 1c)) dürfen
derzeit Medikamente nur von caritativen Hilfsorganisationen u. ä. in die
tamilischen Siedlungsgebiete gebracht werden. Die Regierung wolle sicherstellen,
daß die Medikamente nur die (wenigen) funktionsfähigen Krankenhäuser im
Norden und Osten erreichten und nicht in die Hände der LTTE fielen.
Besonderes Gewicht kommt bei der Beurteilung der erkennbaren Gerichtetheit der
in allererster Linie militärischen Maßnahmen der staatlichen Kräfte dem Umstand
zu, daß sie in der Regel im Verlauf oder nach Kampfhandlungen in deren
Einzugsbereich erfolgten bzw. erfolgen und deshalb auch trotz völkerrechtswidriger
Exzesse typisch militärisches Gepräge aufweisen und erkennbar nicht durch die
tamilische Volkszugehörigkeit tatsächlich getroffener Opfer veranlaßt sind. So
wurden bzw. werden von der Luftwaffe meistens vermutete LTTE-Ziele mit dem
bewußt in Kauf genommenen Risiko angegriffen, unbeteiligte Zivilisten zu treffen,
was zum Teil auch mit der von der LTTE nach wie vor verfolgten Taktik
zusammenhängt, Zivilisten als "human shields" zu benutzen und aus der
Bevölkerung heraus zu operieren (vgl. Auswärtiges Amt vom 6. November 1991,
a.a.O.; vom 30. Aug. 1991, Dokument Nr. 172 ) . Hinzu kommt die
Zielungenauigkeit bei Nachbarschaft von zivilen Bereichen und militärischen
Objekten und Bewegungen (Auswärtiges Amt vom 20. Mai 1992, a.a.O.). Der oben
geschilderte Hubschrauberangriff vom Februar 1992 kann deshalb als
exemplarisch für diese Situation bezeichnet werden (so Keller-Kirchhoff vom 23.
April 1992, a.a.O.), die zu Frustrationen bei den Streitkräften (vgl. Keller-Kirchhoff
vom 23. April 1992, a.a.O.) und zu einer im Verhältnis zu anderen Kriegen wohl
unverhältnismäßig hohen Zahl ziviler Opfer führt. Das aber macht die staatlichen
Bürgerkriegshandlungen nicht zu Maßnahmen politischer Verfolgung.
Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht für die zum Jahresende
1984 auf der Jaffna-Halbinsel entstandene vergleichbare Bürgerkriegssituation die
- allerdings von einem anderen rechtlichen Ansatz her getroffene - Annahme des
Bundesverwaltungsgerichts im Ergebnis nicht beanstandet, die Maßnahmen der
srilankischen Sicherheitskräfte stellten - auch wo sie möglicherweise
völkerrechtswidrig seien - keine politische Verfolgung dar (vgl. BVerfGE 80 S. 315
<349 f.>; BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1985 - 9 C 33/85 - InfAuslR 1986 S. 85
ff..; dazu OVG Koblenz, a.a.O., S. 22 und 24).
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Soweit in Einzelfällen Exzesstaten staatlicher Kräfte mangels eines Bezuges zu
Kampfhandlungen oder Terroraktionen der LTTE ihrem objektiven Erscheinungsbild
nach unter Anknüpfung an die tamilische Volkszugehörigkeit ihrer Opfer
vornehmlich auf deren physische Vernichtung gerichtet waren und deshalb nicht
mehr als Bürgerkriegshandlungen, sondern als rassische politische Verfolgung
anzusehen sind, vermögen derartige Referenzfälle eine gegenwärtige Gefahr einer
entsprechenden politischen Verfolgung des Beigeladenen nicht mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit zu begründen, weil sie - wie sich schon aus dem bisher
Ausgeführten ergibt - Einzelfälle darstellen und nicht durch ein entsprechendes
Klima begünstigt werden. So hat die Regierung vorgekommene Exzesstaten
offiziell eingeräumt (Auswärtiges Amt vom 8. August 1990, a.a.O.; FR vom 6.
November 1990, Dokument Nr. 130), eine unabhängige Human Rights Task Force,
die Zugang zu allen Inhaftierten hat, eine Präsidialkommission zur Untersuchung
der Verschwindensfälle seit Januar 1991 (vgl. Auswärtiges Amt vom 23. Juni 1992,
a.a.O.) sowie eine Untersuchungskommission zu dem im Juni 1991 im Batticaloa-
Distrikt - nach Tötung von zwei Soldaten durch eine Landminenexplosion -
stattgefundenen Kokkadicholai-Massaker eingesetzt, fünf Soldaten inhaftiert und
eine finanzielle Entschädigung der Opfer angekündigt; es wird seitens der
Regierung und der singhalesischen Mehrheit derzeit (anders als 1983) auch kein
Haß gegen die Tamilen geschürt; die von der Regierung kontrollierten Medien
halten sich diesbezüglich seit einiger Zeit sehr zurück (vgl. Keller-Kirchhoff vom 23.
April und 25. Juni 1992, a.a.O.; Auswärtiges Amt vom 20. Mai 1992 a.a.O.). Deshalb
kann keine Rede davon sein, daß, wie der Beigeladene behauptet in offiziellen
Publikationen der Regierung bis hin zu Schulbüchern propagiert werde, die Tamilen
hätten kein Recht in Sri Lanka zu leben.
Eine drohende politische Verfolgung des Beigeladenen wäre daher, sofern nicht
doch noch die staatlichen Bürgerkriegsmaßnahmen zukünftig in asylrelevante
Verfolgungsmaßnahmen im Rahmen des Bürgerkrieges umschlagen, wofür schon
wegen der beträchtlichen Dauer der obwaltenden Verhältnisse keine überwiegende
Wahrscheinlichkeit besteht, erst dann wieder denkbar, wenn der Staat seine
effektive Gebietsgewalt im Jaffna-Distrikt zurückerobern würde. Auch dieses ist
jedoch nicht überwiegend wahrscheinlich. Wie dargestellt, dauert der Kampf gegen
die LTTE bereits Jahre, obwohl die Regierung schon mehrfach in der Vergangenheit
ein baldiges und schnelles Ende der militärischen Auseinandersetzungen
angekündigt und Großoffensiven geführt hat. Seit 1986 wurde ständig der
Militärhaushalt angehoben, eine kontinuierliche personelle Aufstockung der Armee
und sonstiger Sicherheitskräfte betrieben und deren Ausrüstung verbessert, ohne
daß dies letztlich zu einer entscheidenden Schwächung der LTTE geführt hätte.
Ebensowenig sind deutliche Auswirkungen des schärferen Vorgehens der indischen
Behörden im Bundesstaat Tamil Nadu gegen die LTTE auf deren Kampfesstärke
erkennbar (vgl. The Economist vom 19. Januar 1991, Dokument Nr. 157).
Schließlich hat der letzte Aufruf der Regierung an die tamilische Bevölkerung im
Norden des Landes, sich aus dem Kampfgebiet zurückzuziehen, ebenso wie
ähnliche Aufrufe in der Vergangenheit offenbar keinerlei Wirkungen gehabt. Auch
aus diesem Grunde ist eine "militärische Lösung" in absehbarer Zeit
unwahrscheinlich, zumal der srilankische Staat bei einer Vorgehensweise, die jede
Rücksichtnahme auf die tamilische Zivilbevölkerung ausschließen würde, mit
einem abermaligen Eingreifen Indiens rechnen müßte (vgl. dazu The Guardian vom
31. Januar 1992, Dokument Nr. 161).
Der Beigeladene kann sich im Falle der Rückkehr in seine weitgehend von der LTTE
beherrschte Heimatregion auch nicht auf eine ihm drohende politische Verfolgung
durch die LTTE berufen. Zwar ist bekannt, daß die LTTE auch mit Gewalt gegen
Tamilen vorgeht, die mit ihrer Politik nicht einverstanden sind oder einer der mit ihr
konkurrierenden tamilischen Gruppen angehören (vgl. ai vom 24. April 1992,
Dokument Nr. 189). Der Beigeladene bietet jedoch insofern keinerlei
Angriffspunkte für die LTTE. Er hat nichts dafür dargetan, daß er sich vor seiner
Ausreise oder danach im Exil in irgendeiner Weise politisch betätigt hat. Soweit ihm
des weiteren in dem nördlichen Bürgerkriegsgebiet im Herrschaftsbereich der LTTE
eine Zwangsrekrutierung droht (vgl. ai vom 24. April 1992, a.a.O.), kann darin
keine politische Verfolgung gesehen werden. Abgesehen von der Frage, ob die
LTTE in diesen Gebieten überhaupt die für eine politische Verfolgung erforderliche
effektive Gebietsgewalt im Sinne hoheitlicher Überlegenheit, also die Rolle einer
übergreifenden effektiven Ordnungsmacht ausübt oder ob sie nicht lediglich auch
nur in der Rolle einer kämpfenden Bürgerkriegspartei ist, stellt die - auch
zwangsweise - Rekrutierung von Angehörigen der eigenen Volksgruppe in einer
Kriegssituation nicht eine an asylerhebliche Merkmale anknüpfende Zufügung
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Kriegssituation nicht eine an asylerhebliche Merkmale anknüpfende Zufügung
gezielter Rechtsverletzungen, sondern eine in der Staaten- und
Völkergemeinschaft allgemein geübte und gebilligte typisch militärische (Bürger-)
Kriegshandlung und somit keine politische Verfolgung dar.
Dein Beigeladenen droht auch keine politische Verfolgung auf dem Rückweg in
seine Heimatregion.
Eine solche könnte zwar schon mit der Erwägung verneint werden, daß er über den
Süden Indiens per Schiff in seine Heimatregion im Norden Sri Lankas zurückkehren
könnte und daß die ihm dabei drohenden Gefahren nicht aus einer politischen
Verfolgung, sondern aus der Bürgerkriegssituation resultieren würden und daß
diese deshalb - wie oben ausgeführt - grundsätzlich nicht asylerheblich sind.
Da die Gewährung von Asyl aber insbesondere vor einer zwangsweisen
Rückführung in das Heimatland schützen soll und srilankische Staatsangehörige
aus der Bundesrepublik Deutschland über den Flughafen Colombo abgeschoben
werden, ist darauf abzustellen, ob ihm dort und und auf seinem weiteren Weg in
seine Heimatregion Gefahren drohen, die nicht aus staatlichen Bürgerkriegs- oder
Terrorismusbekämpfungsmaßnahmen, sondern aus Maßnahmen politischer
Verfolgung herrühren. Das ist nach dem derzeitigen Erkenntnisstand des Senats
aber nicht der Fall.
Zwar ist davon auszugehen, daß im Süden und Westen Sri Lankas nicht ansässige,
also auch aus dem Ausland nach erfolgloser Asylbeantragung zurückkehrende und
aus dem Norden und Osten stammende Tamilen insbesondere in der Altersgruppe
von ca. 11 bis 36 Jahren, zu der auch der Beigeladene noch gehört, damit rechnen
müssen, am Flughafen und im Großraum Colombo in Fahndungsmaßnahmen der
srilankischen Sicherheitskräfte nach LTTE-Aktivisten oder -Unterstützern
einbezogen und bei Routinekontrollen oder Razzien festgenommen,
erkennungsdienstlich behandelt, verhört und möglicherweise mißhandelt zu
werden, weil die Regierung befürchtet, daß Rückkehrer aus dem westlichen
Ausland dort mit der gut organisierten Exilorganisation der LTTE Kontakt gehabt
oder zusammengearbeitet haben (vgl. ai vom 17. Dezember 1991, Dokument Nr.
184, S. 3) und zur Auffüllung der durch die verlustreichen Kämpfe dezimierten
LTTE-Verbände zurückbeordert worden seien (Auswärtiges Amt vom 30. August
1991, Dokument Nr. 173; Keller-Kirchhoff vom 7. September 1991, Dokument Nr.
174, S. 27) und daß zum anderen mit dem Flüchtlingsstrom aus den
Kampfgebieten im Norden und Osten LTTE-Kämpfer nach Colombo eingeschleust
werden (vgl. Auswärtiges Amt vom 15. November 1991, a.a.O.).
Angesichts der der LTTE zugeschriebenen Bombenanschläge auf den
stellvertretenden Verteidigungsminister R. Wijeratne am 2. März 1991 und auf das
Gebäude der obersten Heeresführung in Colombo am 21. Juni 1991 und
angesichts dessen, daß die LTTE ihre Kämpfer aus der Gruppe der jungen Tamilen
im Alter zwischen ca. 11 und 36 Jahren rekrutiert und im Ausland über straff
organisierte Exilgruppen verfügt (vgl. Der Spiegel vom 2. Dezember 1991,
Dokument Nr. 182), stellen sich diese Fahndungsmaßnahmen ihrem objektiven
Erscheinungsbild nach aber als anlaßbezogene Maßnahmen der
Terrorismusbekämpfung bzw. der "vorverlagerten, vorbeugenden" Bekämpfung
des Bürgerkriegsgegners dar (so auch Auswärtiges Amt vom 23. Juni 1992, a.a.O.)
und damit nicht als lediglich an das asylerhebliche Merkmal der tamilischen
Volkszugehörigkeit anknüpfende Maßnahmen politischer Verfolgung, auch wenn
häufig die zu einer Festnahme führenden (zusätzlichen) Indizien mehr oder
weniger vage und zum Teil willkürlich sind (vgl. Auswärtiges Amt vom 15.
November 1991 a.a.O.). Bei der Bewertung dieser Maßnahmen ist nämlich zu
berücksichtigen, daß sich der srilankische Staat im Norden und Osten der Insel in
einem lang andauernden, heftig geführten und auch durch Terroranschläge auf
andere Gebiete der Insel getragenen Bürgerkrieg befindet. Seine
Fahndungsmaßnahmen können deshalb in vom Bürgerkrieg nicht unmittelbar,
wohl aber mittelbar betroffenen Gebieten nicht mit denselben Maßstäben
gemessen werden wie in "Friedenszeiten" (vgl. BVerwG, InfAuslR 1991 S. 145
<147>), da auch ein in verschiedenen Landesteilen in unterschiedlichen Rollen
auftretender "mehrgesichtiger" Staat immer ein und derselbe Staat ist (vgl.
BVerfGE 80 S. 315 <342 f.>).
Die fraglichen Fahndungsmaßnahmen stellen sich auch nicht als Aktionen eines
bloßen Gegenterrors dar und weisen grundsätzlich keine bei der sonstigen
Verbrechensbekämpfung unübliche besondere Intensität und Härte auf, denn
Verbrechensbekämpfung unübliche besondere Intensität und Härte auf, denn
selbst Mißhandlungen sind bei der Verbrechensaufklärung in Sri Lanka
landesüblich (vgl. Auswärtiges Amt vom 20. Mai und 23. Juni 1992, a.a.O.). Es kann
zudem davon ausgegangen werden, daß die meisten der Verhafteten nach einem
Verhör und nach kurzer Zeit wieder freigelassen werden und daß grundsätzlich nur
bei zusätzlichen Verdachtsmomenten das Risiko von Mißhandlungen und der
Anordnung einer nach den Notstandsgesetzen unbeschränkt möglichen
Untersuchungshaft besteht (vgl. Keller-Kirchhoff vom 23. April und 25. Juni 1992,
a.a.O.; Auswärtiges Amt vorn 20. Mai 1992 und 23. Juni, a.a.O.); nach einer Mitte
April 1992 in Colombo und Umgebung durchgeführten Großrazzia sollen allerdings
Verhaftete mit Hauptwohnsitz in Jaffna und Batticaloa in Untersuchungshaft
genommen worden sein (vgl. Keller-Kirchhoff vom 23. April 1992, a.a.O.). Es ist
aber keine solche Zahl von Referenzfällen bekannt geworden, in denen bei
derartigen Fahndungsmaßnahmen willkürlich allein in Anknüpfung an das Alter und
die tamilische Volkszugehörigkeit der Verhafteten übermäßig lange
Freiheitsentziehungen, ungewöhnlich schwere Mißhandlungen oder gar Tötungen
erfolgt sind, daß der Beigeladene im Falle seiner Rückkehr mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit ebenfalls mit einer derartigen politischen Verfolgung rechnen
müßte, zumal von Regierungsseite und seitens der singhalesischen Mehrheit
derzeit kein Haß gegen die Tamilen geschürt wird (vgl. Keller-Kirchhoff vom 23.
April 1992, a.a.O.; Auswärtiges Amt vom 20. Mai 1992, a.a.O.). Die bisherigen
Erkenntnisse sprechen vielmehr gegen eine solche Verfolgungsgefahr. Die nach
den Bombenanschlägen vom März und Juni 1991 zunächst besonders intensiv
durchgeführten Razzien sollen sich zwar immer noch fortsetzen (vgl. ai vom 24.
April 1992, a.a.O., Keller-Kirchhoff vom 23. April 1992, a.a.O.), die
Fahndungsintensität nach LTTE-Verdächtigen im Raum Colombo soll im Dezember
1991 aber zurückgegangen sein, insbesondere sollen Razzien, wie sie vor allem
nach dem Bombenattentat in Colombo am 21. Juni 1991 und während der Zeit
eines erhöhten Flüchtlingszustroms aus dem Norden und Osten im Zeitraum von
August bis Oktober 1991 stattfanden, nicht mehr durchgeführt werden; es werde
derzeit nur noch in Einzelfällen von Verhaftungen mit Inhaftierungen berichtet
(Auswärtiges Amt vom 22. Januar 1992, a.a.O.). Aktionen, in denen jüngere
Tamilen im Zuge von sogenannten screeningactions willkürlich festgenommen,
gefoltert und oft getötet werden bzw. verschwinden, wie dies häufig im Osten
vorkommen soll, haben sich in letzter Zeit im Raum Colombo nicht in
vergleichbarem Ausmaß ereignet (vgl. Keller-Kirchhoff vom 23. April 1992, a.a.O.;
die von Asylbewerbern teilweise aufgestellte Behauptung, in Colombo seien im
Zuge von Fahndungsaktionen in den Monaten November und Dezember 1991
mehrere hundert Tamilen getötet worden, ist dementsprechend unzutreffend (vgl.
Auswärtiges Amt vom 20. Mai 1992, a.a.O. und Keller-Kirchhoff vom 23. April 1992,
a.a.O.). Zudem lagen nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 15.
November 1991 (Stand: 15. Oktober 1991) auch den Vertretungen der Staaten,
aus denen tamilische Volkszugehörige nach Sri Lanka im Berichtszeitraum
abgeschoben wurden oder zurückgekehrt sind, keine Erkenntnisse über deren
Verhaftung und/oder Mißhandlung vor und war auch nach der Auskunft vom 22.
Januar 1992 kein Fall bekannt, in dem einer der zu 99 % nur besuchsweise aus
Europa nach Sri Lanka zurückgekehrten Tamilen über die häufige vorläufige
Festnahme zum Verhör mit anschließender Freilassung hinaus inhaftiert worden
wäre; dem UNHCR und der Botschaft sei in Sri Lanka auch kein Fall bekannt, in
dem einer der ca. 200 freiwilligen srilankischen (tamilischen) Rückkehrer aus
Deutschland (im Rahmen des REAG-Programms '91, das allerdings wegen
Wiederauflebens des Bürgerkrieges Mitte des Jahres 1990 vorzeitig eingestellt
wurde ) inhaftiert oder
gefoltert worden wäre, und schließlich ist auch nach den jüngsten Auskünften des
Auswärtigen Amtes vom 20. Mai 1992 und 23. Juni 1992 nichts über Maßnahmen
speziell gegen heimkehrende Tamilen bekanntgeworden; vielmehr gebe es sogar
eine Reihe anerkannter Asylanten, die sich zu Urlauben in Colombo aufhielten oder
aufgehalten hätten, ohne in Schwierigkeiten zu geraten (vgl. AA Lagebericht vom
23. Juni 1992). Wenn demgegenüber in einem Bericht des UNHCR vom 31. Januar
1992 (a.a.O.) von einem "signifikant" erhöhten Risiko einer gesonderten
Behandlung für (tamilische) Rückkehrer die Rede ist, aus deren Paß sich eine
Asylantragstellung in der Bundesrepublik Deutschland ergibt, so ist damit nicht
gesagt, daß diese "gesonderte Behandlung" über die oben erwähnte -
asylirrelevante - häufig vorläufige Festnahme zum Verhör mit anschließender
Freilassung hinausginge. Der Senat erachtet es im übrigen - wie auch in diesem
Zusammenhang geschehen - als durchaus sachgerecht, die Auskünfte des
Auswärtigen Amtes zur Lagebeurteilung heranzuziehen. Der Kritik des
Beigeladenen an den Verlautbarungen dieses Ministeriums kann der Senat nicht
folgen, da in vielen Einzelheiten gerade zwischen ihnen und den Äußerungen des
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folgen, da in vielen Einzelheiten gerade zwischen ihnen und den Äußerungen des
Gutachters Walter Keller - jedenfalls soweit es um Sachinformationen und nicht
dem Gericht vorbehaltene rechtliche Wertungen geht - Übereinstimmung und
gegenseitige stimmige Ergänzungen der Lagedarstellung feststellbar sind.
Auch soweit der Beigeladene auf seinem Weg von Colombo in den Jaffna-Distrikt
damit rechnen muß, an den sieben Kontrollstellen durch staatliche
Sicherheitskräfte festgenommen, verhört und möglicherweise mißhandelt zu
werden (vgl. Keller-Kirchhoff vom 10. September 1991, Dokument Nr. 175, S. 15),
gelten für die grundsätzliche Charakterisierung dieser Maßnahmen als
Terrorismusbekämpfung bzw. als (vorbeugende) Bürgerkriegshandlungen und
nicht als politische Verfolgung die voraufgegangenen Erwägungen; ebenso ist die
Gefahr zu bewerten, in bewaffnete Auseinandersetzungen zu geraten oder Opfer
von Übergriffen der Armee oder LTTE zu werden (vgl. ai vom 24. April 1992,
a.a.O.), und die obigen Ausführungen zur Verfolgungssituation im Jaffna-Distrikt).
Ob eine Rückkehr des Beigeladenen in seine nördliche Heimatregion derzeit
allenfalls ein "hypothetisches Gedankenspiel" darstellt, weil die einzige
Straßenverbindung über den Elephant-Paß durch das Militär abgeschnitten ist (so
VGH Bad.-Württ., Urteil vom 21. Februar 1992, a.a.O. S. 23 unter Bezug auf
Auswärtiges Amt vom 30. August 1991, Dokument Nr. 173, S. 6 und vom 31. Juli
1991), erscheint schon deshalb sehr fraglich, weil trotz der Absperrung des
Nordens durch die Regierungstruppen ein Verkehr von Zivilisten (Tamilen) möglich
ist (vgl. Auswärtiges Amt vom 23. Juni 1992, a.a.O.) und viele Menschen im Norden
die beschwerliche und gefährliche Reise nach Colombo antreten müssen, also
auch können, um sich das dorthin von ihren Verwandten, die sich als Asylbewerber
im westlichen Ausland aufhalten, überwiesene Geld von einer Bank abzuholen (vgl.
Keller-Kirchhoff vom 23. April und 25. Juni 1992, a.a.O.); diese Frage ist hier aber
jedenfalls nicht entscheidungserheblich, weil es sich bei der Sperrung des
Landweges zur Jaffna-Halbinsel ebenfalls um eine Maßnahme im Rahmen des
Bürgerkriegs und nicht um eine Maßnahme politischer Verfolgung handeln würde,
die allein Regelungsgegenstand des Asylgrundrechts wäre.
Dem nach alledem nicht asylberechtigten Beigeladenen steht ferner kein
Abschiebungsschutz gemäß § 51 Abs. 1 AuslG zu.
Auch in solchen Asylverfahren, in denen - wie vorliegend - vor der am 1. Januar
1991 in Kraft getretenen Erweiterung des Asylverfahrensgegenstandes durch § 7
Abs. 1 Satz 1 AsylVfG i.d.F. vom 9. April 1991 (BGBl. I S. 869) über den Asylantrag
vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge entschieden
worden und das Verfahren auch aufgrund einer Beanstandungsklage des
Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten noch gerichtsanhängig gewesen ist,
ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat aus
prozeßökonomischen Erwägungen und wegen der vom Gesetzgeber bezweckten
Konzentration und Beschleunigung der Asylverfahren nunmehr folgt, die
gerichtliche Prüfung von Amts wegen auf die Frage zu erstrecken, ob die
Voraussetzungen des Abschiebungsverbots gemäß § 51 Abs. 1 AuslG in der
Person des Asylbewerbers vorliegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Februar 1992 - 9
C 59.91 - und Beschluß vom 19. März 1992 - 9 B 235.91 -).
Diese Frage ist hier jedoch zu verneinen. Die Voraussetzungen des
Abschiebungsverbots gemäß § 51 Abs. 1 AuslG sind mit denen der
Asylanerkennung deckungsgleich, soweit es die Verfolgungshandlung und deren
politischen Charakter betrifft und weitgehend auch hinsichtlich der geschützten
Rechtsgüter; der für eine Asylanerkennung darüber hinaus - wie oben bereits
ausgeführt - verlangte Kausalzusammenhang zwischen Verfolgung und Flucht ist
für die Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG jedoch nicht
erforderlich, so daß diese (auch) dann erfolgen kann, wenn dem Asylbewerber bei
seiner Rückkehr bzw. Abschiebung in sein Heimatland etwa wegen eines
asylrechtlich unbeachtlichen subjektiven Nachfluchttatbestandes politische
Verfolgung droht.
Da dem Beigeladenen für den Fall seiner Rückkehr aber - wie oben dargelegt -
keine Gefahren drohen, die als politische Verfolgung zu charakterisieren sind, sind
die Voraussetzungen des nur solche Gefahren betreffenden
Abschiebungsverbotes des § 51 Abs. 1 AuslG hier nicht erfüllt.
Nach alledem war die Berufung des Beigeladenen mit der Kostenfolge des § 154
Abs. 2 und 3 VwGO zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung
beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht vorliegen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.