Urteil des HessVGH vom 29.11.1996

VGH Kassel: kinderbetreuung, unselbständige erwerbstätigkeit, arbeitserlaubnis, aufenthaltsbewilligung, aufschiebende wirkung, aufenthaltserlaubnis, rechtsschutz, mitgliedschaft, einreise, stadt

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
12. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 TG 4274/96
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 6 EWGAssRBes 1/80,
Art 7 EWGAssRBes 1/80
(Supranationales Aufenthaltsrecht nach EWGAssRBes 1/80
Art 6: Erwerbstätigkeit - Kinderbetreuung durch ein
Großelternteil)
Tatbestand
I.
Die am 1. April 1938 geborene Antragstellerin ist türkische Staatsangehörige. Sie
kam erstmals im August 1968 nach Deutschland zu ihrem damals schon hier
lebenden Ehemann; im September 1984 kehrte sie unter Inanspruchnahme von
Rückkehrhilfe in die Türkei zurück. Aus der Ehe sind sechs zwischen 1960 und 1976
geborene Kinder hervorgegangen. Der Ehemann der Antragstellerin ist
zwischenzeitlich verstorben.
Nachdem ein im November 1987 gestellter Visumsantrag der Antragstellerin zum
Zwecke der Kinderbetreuung bei ihrer Tochter abgelehnt worden war, beantragte
sie am 13. Dezember 1989 einen Sichtvermerk für die Einreise zur
Kinderbetreuung in der Familie ihrer Tochter, wobei die Kinderbetreuung als
unselbständige Erwerbstätigkeit bezeichnet wurde. Hierauf erklärte die
Ausländerbehörde der Stadt ihre Zustimmung für eine sechsmonatige
Aufenthaltserlaubnis zur Kinderbetreuung in der Familie mit der Auflage
"Erwerbstätigkeit nicht gestattet". Daraufhin erteilte ihr die Botschaft der
Bundesrepublik Deutschland in Ankara am 23. Mai 1990 ein bis zum 9. September
1990 gültiges Visum, mit dem die Antragstellerin am 7. Juni 1990 ins Bundesgebiet
einreiste. Bei der Einreise erhielt sie einen bis zum 9. Juni 1990 gültigen
Ausnahmesichtvermerk. Sowohl in der Aufenthaltsanzeige vom 10. August 1990
als auch in dem Verlängerungsantrag vom 5. September 1990 gab sie als Zweck
des weiteren Aufenthalts "Kinderbetreuung" an. Darauf erhielt sie am 19.
November 1990 eine bis 9. September 1991 befristete Aufenthaltserlaubnis zur
Kinderbetreuung bei der Familie mit dem Vermerk "Erwerbstätigkeit nicht
gestattet".
Am 19. November 1990 meldete sich die Antragstellerin nach ab und gab dabei
an, nicht erwerbstätig zu sein. Auf ihren Antrag vom 13. Februar 1991 erhielt sie
sodann eine für den Zeitraum vom 6. Juli 1991 bis 5. Juli 1994 gültige
Arbeitserlaubnis zur Kinderbetreuung bei der Familie; beantragt war die
Arbeitserlaubnis für die Zeit ab 1. Februar 1991. Einer nicht datierten und nicht
unterzeichneten Arbeitsbescheinigung zufolge bezog sie im April 1990 einen
Bruttolohn von 600 DM für 19 Arbeitstage. Auf ihren Antrag vom 27. September
1991 hin wurde der Antragstellerin eine Aufenthaltsbewilligung mit der Auflage "Die
Arbeitsaufnahme ist nur mit gültiger Arbeitserlaubnis gestattet..." bis zum 3.
Dezember 1992 erteilt; in dem Antrag war als Zweck des Aufenthalts
"Kinderbetreuung" bei genannt. In dem weiteren Verlängerungsantrag vom 16.
September 1992 ist als Zweck des Aufenthalts "Arbeiten" und als Arbeitgeber
angegeben. Auf eine Anfrage der Ausländerbehörde teilte die dann anwaltlich
vertretene Antragstellerin unter dem 24. November 1992 mit, sie betreue das Kind
der Eheleute und werde von diesen unterhalten. Auf weitere Anfragen legte sie
eine selbstschuldnerische Bürgschafts- und Verpflichtungserklärung von, eine
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eine selbstschuldnerische Bürgschafts- und Verpflichtungserklärung von, eine
Bescheinigung der AOK Frankfurt am Main über die Mitgliedschaft vom 1. Februar
1991 an und eine Vermieterbescheinigung vor und gab an, sie betreue inzwischen
ihre Enkelkinder die Kinder von. Daraufhin erteilte ihr der Landrat des Kreises eine
bis 3. Dezember 1994 gültige Aufenthaltsbewilligung mit den Zusätzen "die
Arbeitsaufnahme ist nur mit gültiger Arbeitserlaubnis gestattet..." und "die
Aufenthaltsgenehmigung erlischt mit Beendigung der Beschäftigung als
Kinderbetreuerin bei der Familie. Für die Zeit vom 23. Dezember 1993 bis 22.
Dezember 1994 und vom 31. Januar bis 3. März 1995 erhielt die Antragstellerin
Arbeitserlaubnisse zur Kinderbetreuung bei der Familie. Seit Januar oder Juli 1994
leben die Eheleute getrennt.
Einer Meldebescheinigung der Stadt vom 15. Dezember 1994 zufolge ist die
Antragstellerin am 1. Juli 1993 nach zugezogen und wohnte seit 1. Juli 1994 in der
Wohnung. Zu ihrem Verlängerungsantrag vom 22. Dezember 1994 gab sie auf
Anfrage an, ihre Tochter arbeite von 7.00 bis 12.00 Uhr als Raumpflegerin an
verschiedenen Arbeitsstellen und könne sich im Hinblick auf den Stundenplan ihrer
beiden Kinder vormittags nicht um diese kümmern. Am 1. Februar 1995 meldete
sich die Antragstellerin um und gab in ihrer Aufenthaltsanzeige vom 15. Februar
1995 an, sie sei bei der Familie beschäftigt.
Nachdem das Regierungspräsidium die Ausländerbehörde gebeten hatte, den
Verlängerungsantrag bereits deshalb abzulehnen, weil in der Situation der Familie
eine außergewöhnliche Härte nicht gesehen werden könne, und Frau bei einer
Vorsprache am 15. September 1995 erklärt hatte, die Antragstellerin betreue
aufgrund familiärer Probleme derzeit ihre Kinder nicht, lehnte die
Ausländerbehörde den Verlängerungsantrag nach Anhörung der Antragstellerin
mit Bescheid vom 30. Oktober 1995 ab, setzte eine Ausreisefrist von drei Monaten
und drohte die Abschiebung in die Türkei an. Zur Begründung ist ausgeführt, eine
Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung scheide aus, da die Antragstellerin die
beiden Enkelkinder nicht mehr betreue. Selbst wenn dies noch der Fall wäre, liege
keine außergewöhnliche Härte im Sinne von § 22 AuslG vor, weil das Enkelkind
bereits 15 Jahre alt sei und sicherlich nicht mehr der ständigen Betreuung durch
die Großmutter bedürfe und weil die Betreuung der siebenjährigen in
erforderlichem Umfang von der Mutter wahrgenommen werden könne.
Die Antragstellerin hat gegen den ihr am 6. November 1995 zugestellten Bescheid
am 30. November 1995 Widerspruch eingelegt und am 6. Mai 1996 um vorläufigen
Rechtsschutz mit dem Antrag nachgesucht, die aufschiebende Wirkung des
Widerspruchs anzuordnen, hilfsweise, das Regierungspräsidium zur Bescheidung
des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung des Bescheids zu verpflichten und
dem Antragsgegner aufzugeben, bis zu dieser Entscheidung keine
aufenthaltsbeendenden Maßnahmen durchzuführen. Dazu ist ausgeführt, die
Betreuung des jüngeren Kindes sei weiterhin erforderlich, weil die Mutter häufig
Überstunden leisten müsse und unregelmäßige Arbeitszeiten vorlägen. Im übrigen
sei die Tochter der Antragstellerin, die zusammen mit ihr nach Deutschland
eingereist sei und inzwischen über eine Aufenthaltserlaubnis verfüge, dringend
pflegebedürftig, da sie an einer Sichelzellenanämie mit Hüftkopfnekrose leide.
Darüber hinaus spreche für den weiteren Verbleib der Antragstellerin, dass sie
nunmehr 57 Jahre alt sei, in der Türkei über kein eigenes Einkommen und über
keine Rentenansprüche verfüge und hier von ihrem Sohn lebe und bei der
Krankenkasse Halle krankenversichert sei. In der Türkei verfüge sie über keine
weiteren Verwandten und könnte nicht auf die Unterstützung ihrer Familie hoffen,
wenn sie im späteren Alter pflegebedürftig würde. Darüber hinaus betreue sie eine
Nachbarin, die 68 Jahre alt und nach einem Autounfall gehbehindert sei. Schließlich
habe sie nunmehr fünf Jahre ununterbrochen die Tätigkeit der Kinderbetreuung für
ihre Tochter erbracht und damit einen Anspruch auf Verlängerung ihrer
Aufenthaltsgenehmigung nach dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats
EWG/Türkei erworben. Sie habe im Jahre 1991 11 Pflichtbeiträge bei der
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte eingezahlt, im Jahre 1992 12
Pflichtbeiträge, im Jahre 1993 10 Pflichtbeiträge, im Jahre 1994 12 Pflichtbeiträge
und im Jahre 1995 acht Pflichtbeiträge.
Der Antragsgegner hat unter Bezugnahme auf die Begründung seines
Ablehnungsbescheids die Zurückweisung des Antrags auf vorläufigen
Rechtsschutz beantragt.
Das Verwaltungsgericht hat den beantragten vorläufigen Rechtsschutz mit
Beschluss vom 6. September 1996 versagt und dazu ausgeführt, der Antrag auf
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Beschluss vom 6. September 1996 versagt und dazu ausgeführt, der Antrag auf
Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs sei unbegründet, weil
der Widerspruch sich als offensichtlich aussichtslos erweise. Die Antragstellerin
könne aus Art. 6 Abs. 1 ARB keine Rechte herleiten, da ein Anspruch nach dem 2.
und 3. Spiegelstrich daran scheitere, dass sie weder drei noch vier Jahre lang
ordnungsgemäß im Bundesgebiet beschäftigt gewesen sei, und sie auch nicht die
Arbeitnehmerfreizügigkeit nach dem 1. Spiegelstrich genießen, da sie nicht ein
Jahr lang bei ihrem letzten Arbeitgeber, der Familie, ordnungsgemäß beschäftigt
gewesen sei. Ein möglicher Anspruch aus Art. 7 ARB scheitere daran, dass sie
keine Familienangehörige im Sinne dieser Vorschrift sei. Die Antragstellerin könne
auch keine Aufenthaltserlaubnis zur Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft
mit ihren in Deutschland lebenden Kindern und Enkeln nach § 22 AuslG erhalten,
da sie bisher eine Aufenthaltsbewilligung besessen habe (§ 28 Abs. 3 Satz 2
AuslG) und ein Ausnahmefall nicht vorliege, da sie weder einen gesetzlichen
Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis besitze noch die Erteilung der
Aufenthaltserlaubnis im öffentlichen Interesse liege. Die Aufenthaltsbewilligung
könne nicht verlängert werden, weil der bisherige Aufenthaltszweck, die Betreuung
der Enkelkinder, entfallen sei (§ 28 Abs. 2 Satz 2 AuslG). Der Hilfsantrag auf
Verpflichtung des Regierungspräsidiums zur Entscheidung über den Antrag auf
Aussetzung der Vollziehung sei unzulässig, und deshalb sei auch der weitere
Antrag, dem Antragsgegner aufzugeben, bis zu einer Entscheidung des
Regierungspräsidiums über diesen Antrag keine aufenthaltsbeendenden
Maßnahmen durchzuführen, nicht statthaft.
Die Antragstellerin hat gegen diesen ihr am 11. September 1996 zugestellten
Beschluss am 18. September 1996 Beschwerde eingelegt und macht dazu im
Wesentlichen geltend, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei für
den Anspruch aus Art. 6 Abs. 1 3. Spiegelstrich ARB eine ununterbrochene
ordnungsgemäße Beschäftigung von vier Jahren nicht vorausgesetzt, es genüge
vielmehr der Nachweis einer insgesamt mindestens vierjährigen Beschäftigung.
Der Antragsgegner hat sich zu der Beschwerde nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt
der Gerichtsakten und der beigezogenen Behördenakten der Ausländerbehörde
(zwei Hefter) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden
Wirkung des Widerspruchs gegen den ausländerbehördlichen Bescheid vom 30.
Oktober 1995 zu Recht abgelehnt. Die Versagung der Aufenthaltserlaubnis und die
Abschiebungsandrohung sind nämlich offensichtlich rechtmäßig, und im Hinblick
darauf rechtfertigen es öffentliche Belange unter Berücksichtigung der hier
gegebenen persönlichen Verhältnisse, welche die persönlichen Interessen der
Antragstellerin überwiegen und über das den angegriffenen Verwaltungsakt selbst
rechtfertigende Interesse hinausgehen, den Rechtsschutzanspruch der
Antragstellerin einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im
Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten (BVerfG,
21.03.1985 - 2 BvR 1642/83 -, BVerfGE 69, 220 = EZAR 622 Nr. 1; BVerfG -
Kammer -, 12.09.1995 - 2 BvR 1179/95 -; Hess. VGH, 22.09.1988 - 12 TH 836/88 -,
EZAR 622 Nr. 6 = InfAuslR 1989, 14). Ebenso zutreffend hat das
Verwaltungsgericht die Hilfsanträge der Antragstellerin als unzulässig abgelehnt.
Zur Begründung wird insgesamt auf die zutreffenden Ausführungen in dem
angegriffenen Beschluss Bezug genommen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
Soweit das Verwaltungsgericht angenommen hat, der Begriff des
Familienangehörigen im Sinne von Art. 7 Satz 1 ARB sei ebenso auszulegen wie
nach Art. 10 VO/EWG 1612/68 (ebenso Heldmann in
Barwig/Brinkmann/Huber/Lörcher/Schumacher, Vom Ausländer zum Bürger, 1994,
S. 503; Huber, Handbuch des Ausländer- und Asylrechts, B 402 Art. 7 Rdnr. 3 bis
5; Hess. VGH, 29.03.1995 - 12 TG 3249/94 -, NVwZ-RR 1995, 472 = InfAuslR 1995,
279; a. A.: Gutmann, Die Assoziationsfreizügigkeit türkischer Staatsangehöriger,
1996, S. 113; Renner, Einreise und Aufenthalt von Ausländern nach dem in
Deutschland geltenden Recht, Diss. Regensburg 1996, S. 82 f.) kann offenbleiben,
ob dieser Ansicht zu folgen ist. Zumindest für das vorliegende Eilverfahren kann
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ob dieser Ansicht zu folgen ist. Zumindest für das vorliegende Eilverfahren kann
zudem davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin im Sinne von Art. 7
Satz 1 ARB die Genehmigung erhalten hat, zu einem dem regulären Arbeitsmarkt
als Arbeitnehmer angehörenden Familienangehörigen zuzuziehen (vgl. dazu
Gutmann, a.a.O. S. 114; Renner, a.a.O. S. 83 f.). Darüber hinaus kann zugunsten
der Antragstellerin unterstellt werden, dass eine der beiden Töchter als
Arbeitnehmerin dem regulären Arbeitsmarkt angehört. Im Ergebnis hat das
Verwaltungsgericht jedoch zutreffend eine Berechtigung der Antragstellerin aus
Art. 7 Satz 1 ARB verneint, weil diese im Zeitpunkt ihres Verlängerungsantrags am
22. Dezember 1994 nicht seit mindestens drei Jahren ihren ordnungsgemäßen
Wohnsitz hatte; denn der Aufenthalt der Antragstellerin war nach Ablauf der ihr
zuletzt bis zum 3. Dezember 1994 erteilten Aufenthaltsbewilligung in diesem
Zeitpunkt rechtswidrig.
Die allein auf Art. 6 ARB gestützte Beschwerdebegründung rechtfertigt keine
andere Entscheidung. Die Antragstellerin besitzt keinen Anspruch auf
Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis nach Art. 6 Abs. 1 2. oder 3. Spiegelstrich
ARB, weil sie die Voraussetzungen einer mindestens vier oder drei Jahre
dauernden ordnungsgemäßen Beschäftigung nicht erfüllt.
Der Anspruch der Antragstellerin scheitert zunächst daran, dass nicht geklärt ist,
ob es sich bei der von ihr übernommenen Betreuung ihrer Enkelkinder jeweils um
eine Erwerbstätigkeit gehandelt hat, die Voraussetzung für eine Beschäftigung als
Arbeitnehmer im Sinne von Art. 6 ARB ist. Die Betreuung von Kindern durch
Verwandte kann entweder aufgrund familiärer Verpflichtungen, aufgrund
Gefälligkeit oder im Rahmen einer Erwerbstätigkeit erfolgen (dazu BVerwG,
24.01.1995 - 1 C 2.94 -, BVerwGE 97, 301 = EZAR 025 Nr. 12; BVerwG, 24.10.1984
- 1 B 9.84 -, EZAR 101 Nr. 3 = NJW 1985, 1301; Hess. VGH, 02.06.1992 - 13 TH
2127/91 -; OVG Schleswig-Holstein, 09.03.1993 - 4 L 175/92 -, EZAR 025 Nr. 6 =
InfAuslR 1993, 164; OVG Nordrhein- Westfalen, 15.03.1991 - 18 B 3239/90 -,
InfAuslR 1991, 232; vgl. dazu Renner, a.a.O., S. 159). Ob Kinderbetreuung
erwerbsmäßig ausgeübt wird, hängt vor allem vom Inhalt der zugrundeliegenden
Vereinbarung, vom Willen zur Bindung an eine vertragliche Arbeitsverpflichtung
sowie von Art und Höhe der Gegenleistung ab. Anzeichen für eine Erwerbstätigkeit
können darin gesehen werden, dass die Beteiligten für die Gegenleistung Steuern
und Versicherungsbeiträge abführen sowie eine Arbeitserlaubnis einholen, wobei
zu beachten ist, dass der ausländische Arbeitnehmer keiner Arbeitserlaubnis
bedarf, wenn er zum Haushalt des Arbeitgebers gehört (§ 9 Nr. 1 AEVO i.V.m. § 5
Abs. 2 BetrVG).
Die Tätigkeit der Antragstellerin in den Familien ihrer Töchter ist weder von den
Angehörigen der Familie selbst noch von den beteiligten Behörden eindeutig und
widerspruchsfrei als Erwerbstätigkeit behandelt worden. Ein schriftlicher
Arbeitsvertrag mit den Familien liegt nicht vor, und es fehlt auch an anderen
Nachweisen darüber, dass die Antragstellerin mit ihren Töchtern vereinbart hat,
die Enkelkinder gewerbsmäßig und nicht nur im Rahmen einer
verwandtschaftlichen Obliegenheit oder Gefälligkeit zu betreuen. In ihren Anträgen
auf Aufenthaltsgenehmigung und Arbeitserlaubnis hat die Antragstellerin zwar
meist Begriffe benutzt, die für eine unselbständige Erwerbstätigkeit als
Kinderbetreuerin sprechen können. Sowohl der anfängliche Sichtvermerk als auch
die späteren Aufenthaltserlaubnisse und -bewilligungen enthalten aber
demgegenüber jeweils den Vermerk, dass eine Erwerbstätigkeit nicht gestattet sei.
Da gleichzeitig als Aufenthaltszweck "Kinderbetreuung" angegeben ist, kann zwar
die jeweilige Genehmigungserteilung dahin verstanden werden, dass die
erwerbsmäßige Kinderbetreuung, nicht aber eine darüber hinausgehende
Erwerbstätigkeit gestattet werden sollte. Dagegen kann aber sprechen, dass die
Ausländerbehörden teilweise Nachweise über die Unterhaltssicherung und eine
ausreichende Wohnung der Antragstellerin verlangt haben und sodann eine
selbstschuldnerische Bürgschafts- und Verpflichtungserklärung nach § 84 AuslG
verlangt und vorgelegt worden ist. Dementsprechend ist teilweise angegeben, der
Unterhalt werde aus Unterhaltszahlungen bestritten, also nicht aus eigenem
Erwerbseinkommen. Von einer nicht datierten und nicht unterzeichneten
Bescheinigung über einen Monatslohn abgesehen fehlt es auch an Nachweisen
darüber, dass der Antragstellerin tatsächlich Lohn gezahlt worden ist. Belege über
die Krankenversicherung liegen nur in Form einer Bescheinigung der AOK Frankfurt
am Main für die Mitgliedschaft ab 1. Februar 1991 vor; es ist aber nicht sicher,
dass diese Mitgliedschaft fortbestanden hat, obwohl die Antragstellerin später
nicht mehr in Frankfurt, sondern in Usingen tätig gewesen ist. Für das vorliegende
Eilverfahren kann deshalb insgesamt eine Erwerbstätigkeit nicht als hinreichend
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Eilverfahren kann deshalb insgesamt eine Erwerbstätigkeit nicht als hinreichend
glaubhaft gemacht angesehen werden, obwohl im Laufe des gerichtlichen
Verfahrens nachgewiesen worden ist, dass für die Antragstellerin in den Jahren
1991 bis 1995 Pflichtbeiträge für die gesetzliche Rentenversicherung bei der
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte gezahlt worden sind.
Wird unterstellt, dass die Antragstellerin über vier Jahr als Arbeitnehmerin tätig
war, so fehlt es am Nachweis darüber, dass sie jeweils eine gültige Arbeitserlaubnis
besessen hat. Für den Zeitraum vom 6. Juli 1991 bis 5. Juli 1994 liegt zwar eine
Arbeitserlaubnis zur Kinderbetreuung bei der Familie vor. Aufgrund der eigenen
Angaben der Antragstellerin steht aber fest, dass sie bereits im Jahre 1992 nicht
mehr ihre Enkelkinder bei der Familie, sondern ihre Enkelkinder in der Familie
betreut hat. Hierfür hat sie aber lediglich Arbeitserlaubnisse für die Zeit vom 23.
Dezember 1993 bis 22. Dezember 1994 und vom 31. Januar bis 3. März 1995
vorgelegt.
Ferner fehlt es am lückenlosen Nachweis gültiger Aufenthaltsgenehmigungen für
den jeweiligen Aufenthaltszweck. Denn die bis 3. Dezember 1994 gültige
Aufenthaltsbewilligung bezog sich ebenso wie der Verlängerungsantrag vom 16.
September 1992 auf die Kinderbetreuung in der Familie, die Antragstellerin hat
aber wohl schon zuvor die Familie gewechselt und war sodann für die Familie tätig.
Außerdem besaß die Antragstellerin in der Zeit vom 4. bis 21. Dezember 1994
keine Aufenthaltsbewilligung, weil der Verlängerungsantrag vom 22. Dezember
1994 verspätet gestellt wurde.
Nach alledem war die Antragstellerin, wie das Verwaltungsgericht zutreffend
entschieden und näher begründet hat, weder drei noch vier Jahre ordnungsgemäß
beschäftigt im Sinne von Art. 6 Abs. 1 ARB. Ein Erreichen der zweiten
Verfestigungsstufe nach Art. 6 Abs. 1 2. Spiegelstrich ARB scheidet nämlich
bereits deshalb aus, weil die Antragstellerin innerhalb der ersten drei Jahre
ordnungsgemäßer Beschäftigung den Arbeitgeber gewechselt hat, indem sie zu
einem nicht näher feststehenden Zeitpunkt im Jahre 1992 aus der Familie ihrer
Tochter in die Familie ihrer Tochter gewechselt ist. Ein derartiger
Arbeitgeberwechsel ist indes erst nach Ablauf von drei Jahren ordnungsgemäßer
Beschäftigung erlaubt (dazu näher Hess. VGH, 08.07.1996 - 12 TG 3011/95 -;
Hess. VGH, 27.11.1996 - 12 TG 4150/96 -). An den gleichen Arbeitgeber ist ein
Arbeitnehmer im Sinne des Art. 6 ARB erst dann nicht mehr gebunden, wenn er
die zweite Verfestigungsstufe erreicht hat (Gutmann, a.a.O., S. 98; Renner, a.a.O.,
S. 75). Schließlich hat die Antragstellerin, wie das Verwaltungsgericht ebenfalls zu
Recht erkannt hat, auch nicht die Rechtsstellung aus Art. 6 Abs. 1 1. Spiegelstrich
ARB erreicht, da sie ihren Angaben zufolge zwar länger als ein Jahr als
Kinderbetreuerin bei der Familie beschäftigt war, als sie am 22. Dezember 1994
die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung beantragte, wegen der Verspätung
dieses Antrags aber in der Zeit vom 4. bis 14. Dezember 1994 schon nicht mehr
über das für eine ordnungsgemäße Beschäftigung notwendige Aufenthaltsrecht
verfügte.
Die Entscheidung über die Kosten und den Streitwert des Beschwerdeverfahrens
ergeben sich aus § 154 Abs. 2 VwGO und §§ 13 Abs. 1, 20 Abs. 3 GKG.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.