Urteil des HessVGH vom 04.11.1991

VGH Kassel: politische verfolgung, ausreise, beschneidung, wahrscheinlichkeit, bevölkerung, religionsunterricht, anerkennung, gefahr, minderheit, existenzminimum

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
12. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 UE 28/86
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 16 Abs 2 S 2 GG, § 1
Abs 1 AsylVfG, § 4 Abs 1
AsylVfG, § 7 Abs 1 S 3
AsylVfG, § 12 Abs 6 S 4
AsylVfG
(Asylklage türkischer Staatsangehöriger syrisch-orthodoxen
Glaubens; politische Verfolgung bei Heranziehung zum
Wehrdienst - Überprüfung der Voraussetzungen des AuslG
§ 51 Abs 1 J: 1990)
Tatbestand
Der 1923 in B /Bezirk M (aramäisch:) geborene Kläger zu 1) ist türkischer
Staatsangehöriger aramäischer Volkszugehörigkeit und syrisch-orthodoxen
Glaubens, ebenso seine 1929 geborene Ehefrau, die Klägerin zu 2), und ihr
gemeinsamer Sohn, der am 1. Juni 1967 geborene Kläger zu 3). Sie reisten
eigenen Angaben zufolge mit einem am 21. August 1980 ausgestellten, bis 20.
August 1982 gültigen Familienpaß am 24. September 1980 gemeinsam aus der
Türkei aus und auf dem Landwege über Bulgarien, Jugoslawien und Österreich am
29. September 1980 in das Bundesgebiet ein.
Am 12. November 1980 beantragten sie die Gewährung von Asyl; zur Begründung
gab der Kläger zu 1) ausweislich der Niederschrift zu einem Asylbegehren vom 22.
Januar 1981 zunächst an, daß sie als Angehörige einer christlichen Minderheit in
der Südosttürkei von der islamischen Bevölkerung verfolgt und vom Staat
hiergegen nicht in Schutz genommen würden. Wegen eines Überfalls habe er sein
Heimatdorf verlassen und in Istanbul eine Gaststätte eröffnen wollen, was ihm
nicht genehmigt worden sei. Die gleichwohl von ihm eröffnete Gaststätte hätten
Polizisten völlig zerstört; gleiches sei seinen Söhnen geschehen. Er sei dann nach
M zurückgekehrt, um sich einen Paß zu besorgen. Eines Abends sei die elfjährige
Tochter seiner Schwester von vier bewaffneten Muslimen aus dem Kreis der
Familie entführt worden; bis heute fehle jede Spur von ihr. Er selbst, seine
Schwester und sein Schwager seien dabei geschlagen und schwer verletzt worden.
Als sich sein Schwager an die Polizei gewandt habe, sei er zwei Tage festgehalten
und mehrmals zusammengeschlagen worden. Auch mit Geld habe er seine
Tochter nicht freibekommen können. Die Klägerin zu 2) schloß sich den Aussagen
ihres Ehemannes an.
Bei der Anhörung im Rahmen der Vorprüfung durch das Bundesamt am 26. Januar
1982 erklärten die Kläger, sie hätten ihren Paß ohne Schwierigkeiten erhalten und
ohne weiteres ausreisen können. Das Geld für die Ausreise hätten ihnen ihre
bereits seit einiger Zeit in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Kinder - zwei
Söhne und zwei Töchter - geliehen. Im Heimatort B seien sie von den Muslimen
immer wieder beschimpft und geschlagen worden; man habe ihnen die
Landwirtschaft zerstört und die Ernteerträge gestohlen. Er, der Kläger zu 1), sei ca.
ein Jahr vor dem Umzug nach Istanbul vorsätzlich des Diebstahls von Ziegen
beschuldigt worden, obwohl er diese gekauft habe, woraufhin ihn die Gendarmen
einen Tag lang festgehalten und verprügelt hätten. Einen Monat später sei er von
12 Muslimen auf dem Feld so stark verprügelt worden, daß er einen Monat
bettlägerig gewesen sei. Sie seien dann nach Istanbul gezogen, wo er nach einiger
Zeit ein Cafe eröffnet habe. Muslime hätten ihm allerdings fast täglich die
Einnahmen aus dem Cafe abgenommen und ihn verprügelt. Er habe sich
deswegen mindestens fünf Mal vergeblich an die Polizei in Istanbul-Beyoglu
gewandt. Während der Zeit, als er in M auf den Paß gewartet habe, sei es - ca.
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gewandt. Während der Zeit, als er in M auf den Paß gewartet habe, sei es - ca.
zwei Monate vor der Ausreise - zu der bereits geschilderten Entführung seiner
Nichte gekommen. Die Muslime hätten ständig Schwierigkeiten gemacht, zum
Beispiel hätten sie das Kreuz auf der Kirche zerstört und die Kirchenwände mit Kot
beschmiert.
Mit Bescheid vom 17. März 1983 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge den Asylantrag der Kläger mit der Begründung ab, daß
nach eingehender Würdigung aller zur Verfügung stehenden Informationen nicht
ersichtlich sei, daß Christen in der Türkei allgemein in asylerheblicher Weise
verfolgt wären und daß darüber hinaus auch im Falle der Kläger für die Ausreise
aus dem Heimatland Verfolgung im Sinne des Artikel 16 Abs. 2 Satz 2 GG
ursächlich gewesen sei; bei einer Rückkehr müsse ebenfalls nicht mit
asylerheblichen Verfolgungsmaßnahmen gerechnet werden. Gerade die am 12.
September 1980 an die Macht gelangte Militärregierung betone immer wieder, daß
sie sich den laizistischen Grundsätzen des Staatsgründers Kemal Atatürk
besonders verpflichtet fühle. Von einer generellen Duldung, Untätigkeit oder gar
Unterstützung des türkischen Staates bei Übergriffen Dritter auf die christlichen
Minderheiten könne nicht gesprochen werden. Die Folgen der allgemein desolaten
innenpolitischen Zustände hätten nicht nur die christlichen Minderheiten, sondern
die türkische Bevölkerung in ihrer Gesamtheit getroffen. Soweit es im Einzelfall zu
Übergriffen gekommen sei, sei nicht hinreichend nachgewiesen, daß die Kläger
sich notfalls auch an übergeordnete Behörden gewandt hätten, um Schutz zu
erlangen. Insgesamt habe sich die Sicherheitssituation der gesamten
Bevölkerung, auch der Christen, erheblich verbessert, was auch für die
strukturschwächeren Gebiete gelte. Jedenfalls biete sich aber Istanbul als
inländische Fluchtalternative an. Für den Kläger zu 3) seien eigene Asylgründe
ohnehin nicht geltend gemacht.
Diesen Bescheid stellte der Landrat des Landkreises den Klägern zusammen mit
an die Kläger zu 1) und 2) gerichteten gleichlautenden Verfügungen vom 30. März
1983 mit Postzustellungsurkunde am 2. April 1983 zu; die Kläger zu 1) und 2)
wurden zur Ausreise innerhalb eines Monats nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des
Bundesamtsbescheids aufgefordert, und ihnen wurde für den Fall der nicht
freiwilligen Ausreise die Abschiebung angedroht.
Gegen beide Bescheide erhoben die Kläger mit am 28. April 1983 eingegangenem
Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten Klage mit der Begründung, sie seien als
aramäische Volkszugehörige syrischorthodoxen Glaubens in der Türkei verfolgt.
Die Kläger beantragten,
die Beklagte zu 1) unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamtes für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 17. März 1983 zu verpflichten, sie als
Asylberechtigte anzuerkennen, und die Bescheide des Landrats des Landkreises
vom 30. März 1983 aufzuheben.
Die Beklagten beantragten,
die Klage abzuweisen.
Sie bezogen sich auf den Inhalt ihrer jeweiligen Bescheide.
Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten beteiligte sich nicht am
Verfahren.
Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom gleichen Tage hob das
Verwaltungsgericht Wiesbaden mit Urteil vom 29. August 1985 den Bescheid des
Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 17. März 1983
und die Bescheide des Landrats des Landkreises Gießen vom 30. März 1983 auf
und verpflichtete das Bundesamt, die Kläger als Asylberechtigte anzuerkennen.
Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, die Kläger gehörten als
syrisch-orthodoxe Christen einer Gruppe an, die in jüngster Vergangenheit in
asylrechtlich erheblicher Weise verfolgt worden sei, wie das
Bundesverwaltungsgericht, der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, der
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg und das OVG Nordrhein-Westfalen
übereinstimmend festgestellt hätten. Nach 1960 sei die syrisch-orthodoxe
Minderheit zunehmend nicht mehr in der Lage, sich gegen die vornehmlich aus
Neid und Feindseligkeit erfolgten Übergriffe türkischer Muslime zu wehren.
Staatliche Hilfe vermöchten die Christen nur in seltenen Fällen zu erlangen. Eine
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Staatliche Hilfe vermöchten die Christen nur in seltenen Fällen zu erlangen. Eine
erst jetzt allgemein zugänglich gewordene Stellungnahme von Monsignore W vom
9. April 1981 treffe, wenn es sich auch um eine vereinfachende Darstellung der
Situation der Christen handele, den Kern der Sache, wie auch die Beklagte zu 1) in
zahlreichen Asylbescheiden die Situation der Christen zutreffend geschildert habe.
Diese stelle sich als eine Verfolgung einer wehrlos gewordenen Minderheit dar,
gegen die staatlicher Schutz nur schwer zu erreichen sei. Auch die Kläger seien
nach ihren glaubhaften Schilderungen in der Türkei mit feindlich gesonnenen
Muslimen in Berührung geraten, so daß nicht davon ausgegangen werden könne,
sie seien von der allgemein stattfindenden Gruppenverfolgung der Christen in der
Türkei ausgenommen gewesen. Im Rückkehrfall müßten sie im gegenwärtigen
Zeitpunkt befürchten, in asylerheblicher Weise verfolgt zu werden. Eine inländische
Fluchtalternative bestehe nicht. Dementsprechend sei auch die Klage der Kläger
zu 1) und 2) gegen die Bescheide des Beklagten zu 2) begründet.
Gegen das ihm am 31. Oktober 1985 zugestellte Urteil hat der Bundesbeauftragte
für Asylangelegenheiten am 30. November 1985 Berufung eingelegt. Zur
Begründung macht er geltend, das angefochtene Urteil weiche von der
Rechtsprechung einer Reihe von Obergerichten ab, wonach eine - unmittelbare
oder mittelbare - Gruppenverfolgung syrisch-orthodoxer Christen in der Türkei
nicht angenommen werden könne. Auch während ihres Wehrdienstes brauchten
syrisch-orthodoxe Christen nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit
Verfolgung zu rechnen. Das individuelle Schicksal der Kläger in vorliegendem
Verfahren weise keine Anhaltspunkte für eine bereits erlittene oder künftig
drohende asylrelevante Verfolgung auf.
Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 29. August 1985 in Bezug auf
die Beklagte zu 1) aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweisen sie auf ihr bisheriges Vorbringen und machen geltend,
daß aus den vom Senat beigezogenen Unterlagen über die Situation der syrisch-
orthodoxen Christen in der Türkei nur der Schluß gezogen werden könne, daß
diese einer Gruppenverfolgung ausgesetzt seien. Die vom Staat geduldeten
Übergriffe Dritter und Drangsalierungen durch staatliche Stellen hätten weiter
zugenommen, wie durch Informationen aus der Türkei aus jüngster Zeit belegt
werde.
Die Beklagte zu 1) hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der
Beteiligten wird auf den Inhalt der Streitakten, den einschlägigen Vorgang des
Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (163-77287-81) und
die die Kläger betreffenden Ausländerakten (fünf geheftete Vorgänge) Bezug
genommen; diese sind ebenso Gegenstand der Verhandlung gewesen wie die von
den Klägern in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen (Bl. 191 ff.)
und die nachfolgend aufgeführten, den Beteiligten mit Verfügung vom 8. April
1991 bekanntgegebenen Dokumente:
1. Dez. 1978 Yonan: "Assyrer heute"
2. 11.04.1979 Auswärtiges Amt an Bay. VGH
3. Mai/Juni
pogrom Nr. 64 (Yonan: "Die Lage der
1979 christlichen Minderheiten in der Türkei"
u.a.)
4. 07.08.1979 Dr. Harb-Anschütz an Bay. VGH
5. 12.11.1979 epd Dokumentation Nr. 49/79:
"Christliche Minderheiten aus der
Türkei"
6. Nov. 1979 Ev. Akademie Bad Boll, Materialdienst
2/80: "Christen aus der Türkei suchen
Asyl"
7. Mai 1980
pogrom Nr. 72/73 (Yonan: "Der unbekannte
Völkermord an den Assyrern 1915 - 1918"
u.a.)
8. 20.05.1980 Patriarch Yakup III und Bischof Cicek
vor dem VG Gelsenkirchen
9. 15.10.1980 Carragher an Bay. VGH
10. 09.04.1981 Msgr. Wilschowitz: "Die Situation der
christlichen Minderheiten in der Türkei"
11. 29.04.1981 Reisebericht einer schwedisch-norwegischen
Reisegruppe
12. 02.05.1981 Dr. Hofmann: "Zur Lage der Armenier in
Istanbul/Konstantinopel"
13. 12.06.1981 Prof. Dr. Kappert vor VG Hamburg
14. 06.07.1981 Staatssekretär von Staden (BT-Drs.
9/650)
15. 20.07.1981 IGFM an VG Wiesbaden
16. 22.07.1981 Vocke an VG Karlsruhe
17. 04.08.1981 Auswärtiges Amt an VG Wiesbaden
18. 24.11.1981 RA Wiskandt an Bundesamt: "Situation der
Christen in der Türkei"
19. 21.01.1982 Schweiz. Ev. Pressedienst Nr. 3
20. 03.02.1982 Auswärtiges Amt an VG Minden
21. 26.03.1982 Auswärtiges Amt an VG Trier
22. 07.04.1982 Pfarrer Diestelmann: "Die Situation der
syrisch-orthodoxen Christen ...."
23. 19.04.1982 Carragher zum Gutachten Wiskandt
24. 28.04.1982 Dr. Hofmann zum Gutachten Wiskandt
25. 06.05.1982 Diakonisches Werk EKD zum Gutachten
Wiskandt
26. 18.05.1982 Ev. Gemeinde dt. Sprache in der Türkei
an EKD
27. 26.07.1982 Sürjanni Kadim an VG Minden
28. 17.08.1982 Dr. Harb-Anschütz an VG Minden
29.
1983 Kraft, in "Christ in der Gegenwart":
"Fremde und Außenseiter"
30. Mai 1983
Ev. Akademie Bad Boll, Protokolldienst
27/83: "Studienfahrt in die Türkei"
31. 25.05.1984 Auswärtiges Amt an VG Karlsruhe
32. 12.06.1984 epd Dokumentation Nr. 26/84: "Die Lage
der christlichen Minderheiten in der
Türkei ...."
33. 26.06.1984 Auswärtiges Amt an Bay. VGH
34. 11.09.1984 Auswärtiges Amt an Hess. VGH
35. 14.09.1984 Dr. Oehring an VG Minden
36. 09.11.1984 Auswärtiges Amt an VGH Baden-Württemberg
37. 03.12.1984 RA Müller, RA Wiskandt, Dr. Oehring und
Erzbischof Cicek als sachverständige
Zeugen vor dem Bay. VGH
38.
1985 Anschütz: "Die syrischen Christen vom
Tur'Abdin"
39. 04.02.1985 Dr. Hofmann an VG Stuttgart
40. 17.03.1985 Prof. Dr. Wießner an VG Stuttgart
41. 07.05.1985 Dr. Binswanger an VGH Baden-Württemberg
42. 30.05.1985 Dr. Oehring an VG Gelsenkirchen
42. 30.05.1985 Dr. Oehring an VG Gelsenkirchen
43. 22.06.1985 RA Müller: "Reisebericht zur Lage der
Christen in der Türkei"
44. 07.10.1985 Auswärtiges Amt an VG Ansbach
45. 01.07.1986 EKD an VG Hamburg
46. 14.10.1986 Prof. Dr. Wießner an VG Hamburg
47. 06.01.1987 Dr. Tasci vor VG Gelsenkirchen
48. 07.04.1987 Yonan: Gutachten
49. 23.04.1987 Yonan an Bundesamt; Stellungnahme
50. 01.06.1987 Auswärtiges Amt an VG Ansbach
51. 30.06.1987 Ev. Gemeinde deutscher Sprache in der
Türkei an VGH Baden-Württemberg
52. 06.07.1987 Auswärtiges Amt an VGH Baden-Württemberg
53. 18.12.1987 Auswärtiges Amt an OVG Bremen
54. 15.01.1988 Dr. Oehring an VGH Baden-Württemberg
55. April 1988 Regine Erichsen: "Die Religionspolitik
im türkischen Erziehungswesen von der
Atatürk-Ära bis heute" in: Zeitschrift
für Kulturaustausch 1988, S. 234 ff.
56. 15.05.1988 Taylan an VG Karlsruhe
57. 25.05.1988 Dr. Oehring an VG Düsseldorf
58. Juli 1988
Auswärtiges Amt - Bericht zur "Lage der
Christen in der Türkei"
59. 11.07.1988 Dr. Oehring an VG Kassel
60. 02.09.1988 Dr. Binswanger an VGH Baden-Württemberg
61. 24.09.1988 Dr. Binswanger an VG Karlsruhe
62. 02.11.1988 Taylan an Hess. VGH
63. Dez. 1988 Gesellschaft für bedrohte Völker
- Gutachten -
64. 09.12.1988 Pfarrer Klautke vor VG Köln
65. 08.01.1989 Wochenzeitschrift "Ikibine Dogru": "Die
geheimen Beschlüsse des islamischen
internationalen Rates sind enthüllt."
66. 12.01.1989 Auswärtiges Amt an VG Ansbach
67. 17.01.1989 Auswärtiges Amt an Hess. VGH
68. 27.01.1989 Dr. Binswanger an Hess. VGH
69. März 1989 Gesellschaft für bedrohte Völker: "Wie
einst die Hugenotten - Glaubensflüchtlinge
heute" in: Vierte Welt Aktuell
Nr. 79
70. 20.03.1989 Dr. Oehring an VG Ansbach
71. 02.04.1989 Dr. Oehring an Hess. VGH
72. 09.06.1989 Auswärtiges Amt an VG Ansbach
73. 01.07.1989 Sternberg-Spohr u.a. in terre des hommes
"Religionsverfolgte aus der Türkei
- politische Verfolgte oder
Scheinasylanten"
74. 04.09.1989 Taylan an OVG Rheinland-Pfalz
75. 18.10.1989 Auswärtiges Amt an OVG
Nordrhein-Westfalen
76. Nov. 1989 Weber/Günter/Reuter: "Zur Lage der
Christen in der Türkei", Bericht einer
ökumenischen Besuchsreise vom 31.08. bis
11.09.1989 unter Leitung von Dr. Oehring
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77. 22.01.1990 Taylan vor Hess. VGH
78. 22.03.1990 6 Zeugen vor Hess. VGH
79. 15.02.1990 Auswärtiges Amt an OVG Rheinland-Pfalz
80. 12.03.1990 Auswärtiges Amt an VG Oldenburg
81. 12.03.1990 Auswärtiges Amt an VG Minden
82. 15.06.1990 Dr. Oehring an OVG Rheinland-Pfalz
83. 02.09.1990 Dr. Wießner an OVG Rheinland-Pfalz
Entscheidungsgründe
Die auf den asylrechtlichen Verfahrensteil beschränkte Berufung des
Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten ist frist- und formgerecht eingelegt
(§§ 124, 125 VwGO) und auch sonst zulässig. Sie ist nämlich vom
Verwaltungsgericht zugelassen worden, und der Bundesbeauftragte für
Asylangelegenheiten war zur Einlegung der Berufung ungeachtet dessen befugt,
daß er sich am erstinstanzlichen Verfahren weder durch einen Antrag noch sonst
beteiligt hat (BVerwG, 11.03.1983 - 9 B 2597.82 -, BVerwGE 67, 64 = NVwZ 1983,
413; Hess. VGH, 11.08.1981 - X OE 649/81 -, ESVGH 31, 268).
Die Berufung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten ist auch
hinsichtlich der Kläger zu 1) und 2) begründet, denn diese können nach der
maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung
weder die Verpflichtung der Beklagten zu 1) zu ihrer Anerkennung als
Asylberechtigte noch zu der Feststellung, daß die Voraussetzungen des § 51 Abs.
1 AuslG vorliegen, beanspruchen, weil sie nicht politisch Verfolgte sind (Art. 16
Abs. 2 Satz 2 GG i.V.m. §§ 1 Abs. 1, 4 Abs. 1 AsylVfG) und der Tatbestand des § 51
Abs. 1 AuslG in ihrer Person auch sonst nicht erfüllt ist. Demgegenüber droht dem
Kläger zu 3) im Falle seiner Rückkehr in die Türkei asylrelevante politische
Verfolgung und liegen in seiner Person die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG
vor, was durch die Neufassung des Tenors der erstinstanzlichen Entscheidung zum
Ausdruck zu bringen ist.
I.
Asylrecht als politisch Verfolgter im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG genießt,
wer bei einer Rückkehr in seine Heimat aus politischen Gründen
Verfolgungsmaßnahmen mit Gefahr für Leib und Leben oder Beeinträchtigungen
seiner persönlichen Freiheit zu erwarten hat (BVerfG, 02.07.1980 - 1 BvR 147/80
u.a. -, BVerfGE 54, 341 = EZAR 200 Nr. 1). Eine Verfolgung ist in Anlehnung an
den Flüchtlingsbegriff des Art. 1 Abschn. A Nr. 2 GK als politisch im Sinne von Art.
16 Abs. 2 Satz 2 GG anzusehen, wenn sie auf die Rasse, Religion, Nationalität,
Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder die politische
Überzeugung des Betroffenen zielt (BVerfG, 01.07.1987 - 2 BvR 478/86 u.a. -,
BVerfGE 76, 143 = EZAR 200 Nr. 20; BVerwG, 17.05.1983 - 9 C 874.82 -, BVerwGE
67, 195 = EZAR 201 Nr. 5, u. 26.06.1984 - 9 C 185.83 -, BVerwGE 69, 320 = EZAR
201 Nr. 8). Diese spezifische Zielrichtung ist anhand des inhaltlichen Charakters
der Verfolgung nach deren erkennbarem Zweck und nicht nach den subjektiven
Motiven des Verfolgenden zu ermitteln (BVerfG, 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -,
BVerfGE 80, 315 = EZAR 201 Nr. 20; zur Motivation vgl. BVerwG, 19.05.1987 - 9 C
184.86 -, BVerwGE 77, 258 = EZAR 200 Nr. 19). Werden nicht Leib, Leben oder
physische Freiheit gefährdet, sondern andere Grundfreiheiten wie etwa die
Religionsausübung oder die berufliche und wirtschaftliche Betätigung, so sind
allerdings nur solche Beeinträchtigungen asylrelevant, die nach Intensität und
Schwere die Menschenwürde verletzen und über das hinausgehen, was die
Bewohner des Heimatstaats aufgrund des dort herrschenden Systems allgemein
hinzunehmen haben (BVerfG, 02.07.1980 - 1 BvR 147/80 u.a. -, a.a.O., u.
01.07.1987 - 2 BvR 478/86 u.a. -, a.a.O.; BVerwG, 18.02.1986 - 9 C 16.85 -,
BVerwGE 74, 31 = EZAR 202 Nr. 7). Die Gefahr einer derartigen Verfolgung ist
gegeben, wenn dem Asylsuchenden bei verständiger Würdigung aller Umstände
seines Falles politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, wobei
die insoweit erforderliche Zukunftsprognose auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der
letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung abgestellt und auf einen absehbaren
Zeitraum ausgerichtet sein muß (BVerwG, 03.12.1985 - 9 C 22.85 -, EZAR 202 Nr.
6 = NVwZ 1986, 760 m.w.N.). Einem Asylbewerber, der bereits einmal politisch
verfolgt war, kann eine Rückkehr in seine Heimat nur zugemutet werden, wenn die
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verfolgt war, kann eine Rückkehr in seine Heimat nur zugemutet werden, wenn die
Wiederholung von Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit
ausgeschlossen ist (BVerfG, 02.07.1980 - 1 BvR 147/80 u.a. -, a.a.O.; BVerwG,
25.09.1984 - 9 C 17.84 -, BVerwGE 70, 169 = EZAR 200 Nr. 12 m.w.N.). Der
Asylbewerber ist aufgrund der ihm obliegenden prozessualen Mitwirkungspflicht
gehalten, umfassend die in seine eigene Sphäre fallenden Ereignisse zu schildern,
die seiner Auffassung zufolge geeignet sind, den Asylanspruch zu tragen (BVerwG,
08.05.1984 - 9 C 141.83 -, EZAR 630 Nr. 13 = NVwZ 1985, 36, 12.11.1985 - 9 C
27.85 -, EZAR 630 Nr. 23 = InfAuslR 1986, 79, u. 23.02.1988 - 9 C 32.87 -, EZAR
630 Nr. 25) und insbesondere auch den politischen Charakter der
Verfolgungsmaßnahmen festzustellen (vgl. BVerwG, 22.03.1983 - 9 C 68.81 -,
Buchholz 402.24 Nr. 44 zu § 28 AuslG, u. 18.10.1983 - 9 C 473.82 -, EZAR 630 Nr.
8 = ZfSH/SGB 1984, 281). Bei der Darstellung der allgemeinen Umstände im
Herkunftsland genügt es dagegen, daß die vorgetragenen Tatsachen die nicht
entfernt liegende Möglichkeit politischer Verfolgung ergeben (BVerwG, 23.11.1982
- 9 C 74.81 -, BVerwGE 66, 237 = EZAR 630 Nr. 1). Die Gefahr einer asylrelevanten
Verfolgung kann schließlich nur festgestellt werden, wenn sich das Gericht in
vollem Umfang die Überzeugung von der Wahrheit des von dem Asylbewerber
behaupteten individuellen Verfolgungsschicksals verschafft, wobei allerdings der
sachtypische Beweisnotstand hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerstaat bei der
Auswahl der Beweismittel und bei der Würdigung des Vortrags und der Beweise
angemessen zu berücksichtigen ist (BVerwG, 12.11.1985, a.a.O.).
Der erkennende Senat ist nach diesen Grundsätzen aufgrund der eigenen
Angaben der Kläger, des Inhalts der beigezogenen Akten und der in das Verfahren
eingeführten Dokumente zu der Überzeugung gelangt, daß die Kläger nicht kraft
innerstaatlich geltender völkerrechtlicher Vereinbarung als Asylberechtigte
anzuerkennen sind (1.) und daß sie auch vor ihrer Ausreise weder als Mitglied der
Gruppe der syrisch-orthodoxen Christen politisch verfolgt (2.) noch von
individuellen Verfolgungsmaßnahmen betroffen waren (3.); ebensowenig haben sie
bei einer Rückkehr in ihre Heimat mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit politisch
motivierten Verfolgungsmaßnahmen in Form der Gruppenverfolgung zu rechnen
(4.). Unter dem Gesichtspunkt asylrelevanter Einzelverfolgung droht jedoch zwar
nicht den Klägern zu 1) und 2) Verfolgung (5.), wohl aber dem Kläger zu 3)
deswegen, weil im Falle der Rückkehr in die Türkei die Heranziehung zum
Wehrdienst ansteht und ihm dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante
politische Verfolgung droht (6.). Dabei handelt es sich um einen objektiven und
damit auf jeden Fall beachtlichen Nachfluchttatbestand (7.).
1.
Die Kläger, an deren syrisch-orthodoxer Glaubenszugehörigkeit angesichts ihrer
Angaben im Asylverfahren und den Eintragungen im Nüfus "Hiristiyan" kein Zweifel
besteht, können ihre Anerkennung nicht aufgrund des Abkommens über die
Ausdehnung gewisser Maßnahmen zugunsten russischer und armenischer
Flüchtlinge auf andere Kategorien von Flüchtlingen vom 30. Juni 1928 (abgedruckt
in: Societe des Nations, Recueil des Traites, Bd. 89 (1929), S. 64) erreichen, da sie
jedenfalls die Türkei erst 1980 verlassen haben und - zumindest die Klägerin zu 2)
und der Kläger zu 3) - nach Abschluß dieses Abkommen geboren sind. Deswegen
kann dieses Abkommen auf sie ohnehin nicht angewandt werden (ständige und
vom Bundesverwaltungsgericht durch Urteil vom 17.05.1985 - 9 C 874.82 -,
BVerwGE 67, 195 = EZAR 201 Nr. 5 bestätigte Rechtsprechung des Hess. VGH,
vgl. z. B. 25.02.1991 - 12 UE 2583/85 -). Der Senat kann deshalb offenlassen, ob
dem durch die genannte Vereinbarung geschützten Personenkreis überhaupt noch
ein Anspruch auf Asylanerkennung oder Asylgewährung in anderer Form zusteht,
nachdem die früher in § 28 AuslG 1965 enthaltene Bezugnahme auf Artikel 1 GK
und die dort in Abschnitt A Nr. 1 enthaltene Verweisung auf die erwähnte
Vereinbarung entfallen sind und bei denjenigen Ausländern, die im Bundesgebiet
die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen, lediglich die
Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 (i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 2) AuslG vorliegen, was
letztlich bedeutet, daß eine Asylanerkennung allein an die Voraussetzungen des
Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG anknüpft (vgl. Koisser/Nicolaus, ZAR 1991, 91, u. Hess.
VGH, 15.03.1991 - 10 UE 1538/86 -).
2.
Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß die Kläger vor ihrer Ausreise
aus der Türkei im Juni 1980 als Angehörige der syrisch-orthodoxen Minderheit einer
unmittelbaren oder mittelbaren Gruppenverfolgung ausgesetzt waren. Der Senat
29
30
31
32
unmittelbaren oder mittelbaren Gruppenverfolgung ausgesetzt waren. Der Senat
hält an seiner anhand der auch in vorliegendem Verfahren beigezogenen
Unterlagen gewonnenen Einschätzung (vgl. Hess. VGH, 15.07.1991 - 12 UE 30/86 -
m.w.N.; ständige Rechtsprechung) fest, daß für den Zeitraum bis zur Ausreise der
Kläger aus der Türkei weder eine unmittelbare noch eine mittelbare
Gruppenverfolgung der syrischorthodoxen Minderheit festzustellen ist.
Asylerhebliche Bedeutung haben nicht nur unmittelbare Verfolgungsmaßnahmen
des Staats; dieser muß sich vielmehr auch Übergriffe nichtstaatlicher Personen
und Gruppen als mittelbare staatliche Verfolgungsmaßnahmen zurechnen lassen,
wenn er sie anregt, unterstützt, billigt oder tatenlos hinnimmt und damit den
Betroffenen den erforderlichen Schutz versagt (BVerfG, 02.07.1980 - 1 BvR 147/80
u.a. -, BVerfGE 54, 341 = EZAR 200 Nr. 1). Eine derartige staatliche
Verantwortlichkeit kommt aber nur in Betracht, wenn der Staat wegen fehlender
Schutzfähigkeit oder -willigkeit zum Schutz gegen Ausschreitungen oder Übergriffe
nicht in der Lage ist, wobei es auf den Einsatz der ihm an sich verfügbaren Mittel
ankommt (BVerfG, 10.07.1989 - BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315 = EZAR 201
Nr. 20) und dem Staat für Schutzmaßnahmen besonders bei spontanen und
schwerwiegenden Ereignissen eine gewisse Zeitspanne zugebilligt werden muß
(BVerwG, 23.02.1988 - 9 C 85.87 -, BVerwGE 79, 79 = EZAR 202 Nr. 13).
Asylrelevante politische Verfolgung - und zwar sowohl unmittelbar staatlicher als
auch mittelbar staatlicher Art - kann sich nicht nur gegen Einzelpersonen, sondern
auch gegen durch gemeinsame Merkmale verbundene Gruppen von Menschen
richten mit der regelmäßigen Folge, daß jedes Gruppenmitglied als von dem
Gruppenschicksal mitbetroffen anzusehen ist (BVerfG, 02.07.1980 - 1 BvR 147/80
u.a. -, BVerfGE 54, 341 = EZAR 200 Nr. 1, u. 01.07.1987 - 2 BvR 478/86 u.a. -,
BVerfGE 76, 143 = EZAR 200 Nr. 20; BVerwG, 02.08.1983 - 9 C 599.81 -, BVerwGE
67, 314 = EZAR 203 Nr. 1, u. 23.02.1988 - 9 C 85.87 -, a.a.O.). Die Annahme einer
Gruppenverfolgung setzt eine Verfolgungsdichte voraus, die in quantitativer
Hinsicht die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen aufweist, daß
ohne weiteres von einer aktuellen Gefahr eigener Betroffenheit jedes
Gruppenmitglieds gesprochen werden kann (BVerwG, 08.02.1989 - 9 C 33.87 -,
EZAR 202 Nr. 15 = NVwZ-RR 1989, 502). Als nicht verfolgt ist nur derjenige
Gruppenangehörige anzusehen, für den die Verfolgungsvermutung widerlegt
werden kann; es kommt nicht darauf an, ob sich die Verfolgungsmaßnahmen
schon in seiner Person verwirklicht haben (BVerwG, 23.02.1988 - 9 C 85.87 -,
a.a.O.). Auch eine frühere Gruppenverfolgung führt für die Betroffenen zur
Anwendung des herabgestuften Prognosemaßstabs hinsichtlich künftiger
Verfolgung (BVerwG, 23.02.1988 - 9 C 85.87 -, a.a.O.).
Ist das beeinträchtigte Schutzgut die religiöse Grundentscheidung, so liegt
politische Verfolgung etwa dann vor, wenn die Maßnahmen darauf gerichtet sind,
die Angehörigen einer religiösen Gruppe ihrer religiösen Identität zu berauben,
indem ihnen eine Verleugnung oder gar Preisgabe tragender Inhalte ihrer
Glaubensüberzeugung zugemutet oder sie daran gehindert werden, ihren eigenen
Glauben, so wie sie ihn verstehen, im privaten Bereich und unter sich zu
bekennen. Die Religionsausübung im häuslich-privaten Bereich, wie etwa der
häusliche Gottesdienst, aber auch die Möglichkeit zum Reden über den eigenen
Glauben und zum religiösen Bekenntnis im nachbarschaftlich-kommunikativen
Bereich, ferner das Gebet und der Gottesdienst abseits der Öffentlichkeit in
persönlicher Gemeinschaft mit anderen Gläubigen dort, wo man sich nach Treu
und Glauben unter sich wissen darf, gehören unter dem Gesichtspunkt der
Menschenwürde wie nach internationalem Standard zu dem elementaren Bereich,
den der Mensch als "religiöses Existenzminimum" zu seinem Leben- und
Bestehenkönnen als sittliche Person benötigt (vgl. BVerfG, 01.07.1987 - 2 BvR
478/86 u.a. -, BVerfGE 76, 143 = EZAR 200 Nr. 20; BVerfG, 10.11.1989 - 2 BvR
403/84 u.a. -, BVerfGE 81, 58 = EZAR 203 Nr. 5 = DVBl. 1980, 201 = InfAuslR
1990, 34).
Unabhängig von Eingriffen in das religiöse Existenzminimum liegt politische
Verfolgung "wegen" Religionszugehörigkeit aber auch bei Maßnahmen vor, die
darauf gerichtet sind, die Angehörigen einer religiösen Gruppe physisch zu
vernichten oder mit vergleichbar schweren Sanktionen wie Austreibung oder
Vorenthaltung elementarer Lebensgrundlagen zu bedrohen (BVerfG, 01.07.1987 -
2 BvR 478/86 u.a. -, a.a.O.).
Wer nicht von landesweiter, sondern von nur regionaler politischer Verfolgung
betroffen ist, ist erst dann politisch Verfolgter im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Satz 2
GG, wenn er dadurch landesweit in eine ausweglose Lage versetzt wird. Das ist der
33
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GG, wenn er dadurch landesweit in eine ausweglose Lage versetzt wird. Das ist der
Fall, wenn er in anderen Teilen seines Heimatstaates eine zumutbare Zuflucht
nicht finden kann. Eine derartige inländische Fluchtalternative besteht, wenn der
Betroffenen in den in Betracht kommenden Gebieten vor politischer Verfolgung
hinreichend sicher ist und ihm jedenfalls dort auch keine anderen Nachteile und
Gefahren drohen, die nach ihrer Intensität und Schwere einer asylerheblichen
Rechtsgutbeeinträchtigung aus politischen Gründen gleichkommen (vgl. BVerfG,
02.07.1980 - 1 BvR 147/80 u.a. -, BVerfGE 54, 341 = EZAR 200 Nr. 1), sofern diese
existenzielle Gefährdung am Herkunftsort so nicht bestünde (BVerfG, 10.07.1989 -
2 BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315 = EZAR 201 Nr. 20).
Ist jemand vor einer regionalen, an seine Religionszugehörigkeit anknüpfenden
politischen Verfolgung geflohen, so ist er am Ort einer in Betracht kommenden
Fluchtalternative dann nicht hinreichend sicher vor politischer Verfolgung, wenn der
Staat ihn durch eigene Maßnahmen daran hindert, das religiöse Existenzminimum
zu wahren. Entsprechendes gilt, wenn die dort ansässige Bevölkerung die Wahrung
des religiösen Existenzminimums durch aktives, mit dem für alle geltenden Recht
unvereinbares Handeln unmöglich macht, ohne daß der Staat die nach seiner
Rechtsordnung hiergegen allgemein in Betracht kommenden Maßnahmen ergreift;
die mit der politischen Verfolgung verbundene Ausgrenzung würde damit
fortdauern. Freilich ist hierbei zu berücksichtigen, daß es keiner staatlichen
Ordnungsmacht möglich ist, einen lückenlosen Schutz vor Unrecht und Gewalt zu
garantieren (vgl. BVerfG, 10.11.1989 - 2 BvR 403/84 u. a. -, a.a.O.). Andere
vergleichbar schwere Nachteile und Gefahren drohen auch dann, wenn sich ein
Asylbewerber ihnen nur durch Aufgabe einer das religiöse Existenzminimum
wahrenden Lebensweise entziehen könnte (vgl. BVerfG, 10.11.1989 - 2 BvR 403/84
u. a. -, a.a.O.; BVerfG, 08.11.1990 - 2 BvR 945/90 -).
Der Senat legt seiner Beurteilung der Lage der Christen in der Türkei im
allgemeinen und der syrisch-orthodoxen Glaubensgemeinschaft im besonderen
sowie des Verhältnisses dieser Christen zu anderen dort lebenden religiösen und
ethnischen Gruppen die nachfolgend anhand der vorliegenden schriftlichen
Unterlagen (im folgenden nur noch mit der entsprechenden Nr. der Liste von S. 8
ff. bezeichnet) auszugsweise dargestellte historische Entwicklung der christlichen
Siedlungsgemeinschaften im Nahen Osten zugrunde.
Die Anhänger der syrischen Kirchen siedelten ursprünglich im mesopotamischen
Raum, und zwar im Bergland des Tur'Abdin mit dem Zentrum Midyat, im weiter
östlich gelegenen Bergland von Bohtan, im alpenähnlichen Hochgebirge Hakkari
und weiter südlich in der Mosul-Ebene sowie in der Urmia-Ebene. Nachdem im 7.
Jahrhundert im Zuge der Arabisierung die Mehrheit dieser Christen zum Islam
übergetreten war und dann mongolische Eindringlinge Ende des 14. Jahrhunderts
die syrischen Kirchen bis auf wenige Überreste vernichtet hatten, erlebten sowohl
die syrisch-orthodoxen als auch die anderen im Osmanischen Reich lebenden
Christen vom Ende des 15. Jahrhunderts an eine vergleichsweise friedliche und
gesicherte Periode (38., S. 18), in der einigen der christlichen Kirchen - allerdings
nicht der syrisch-orthodoxen (3., S. 46) - der Status als "millat" zuerkannt wurde,
so daß sie ihr Personal- und Familienrecht nach eigenem Rechtsstatus regeln
konnten. Während der im 19. Jahrhundert zur Bewahrung des Osmanischen Reichs
eingeleiteten Reformbewegungen kam es sodann etwa nach der Seeschlacht von
Navarino 1827 zu einer Verfolgung der Armenier und 1843 zu einem Massaker der
Kurden unter den nestorianischen Bergstämmen im Hakkari. Die abseits in ihren
Siedlungsräumen in Ostanatolien lebenden syrischen Christen blieben von
derartigen Ereignissen weitgehend verschont. Sie waren ähnlich wie die ebenfalls in
dieser Region siedelnden Kurden stammesmäßig organisiert und erhielten sich
Unabhängigkeit und Schutz durch Selbstverteidigung und durch Tributzahlungen
an den Sultan. Nachdem seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine rege
Missionstätigkeit christlicher Religionsgesellschaften aus Amerika, England und
Frankreich dazu beigetragen hatte, die kulturelle und gesellschaftliche Bedeutung
der Christen im Nahen Osten zu heben und gleichzeitig deren politisches
Bewußtsein zu fördern, reagierte das Osmanische Reich im letzten Viertel des 19.
Jahrhunderts auf Unabhängigkeitsbestrebungen der Christen mit dem Einsatz
kurdischer Söldnertruppen, und dabei kam es dann häufig zu Morden,
Plünderungen und Hungersnöten (1., S. 17 ff.). Schließlich fanden während des
Ersten Weltkriegs unter den Christen zahlreiche Massaker statt, die insgesamt
über drei Millionen Tote gefordert haben sollen (1., S. 28; 5., S. 14; 7.; 24., S. 6;
38., S. 9 u. 18 f.; 48., S. 18); für sie werden zumindest auch die Allianz der Christen
mit England und Rußland und die Kriegserklärung des damaligen syrisch-
orthodoxen Patriarchen Benjamin XXI. an die Türkei im Mai 1915 verantwortlich
36
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orthodoxen Patriarchen Benjamin XXI. an die Türkei im Mai 1915 verantwortlich
gemacht. So wurden etwa bis März 1915 im Urmia- und im Salamas-Gebiet über
70 Dörfer von türkischen Truppen und kurdischen Freiwilligen zerstört und
geplündert und die christliche Bevölkerung massakriert, und im selben Jahr folgten
weitere Massenmorde in der armenischen Stadt Van und im Bohtan-Gebiet (1., S.
29 f.). Bei der Flucht der Bergassyrer nach Salamas und der Urmia-Assyrer nach
Hamadan sollen jeweils mehr als 10.000 Menschen umgekommen sein (1., S. 30
ff.). Schließlich siedelten syrische Christen in den Jahren 1922 und 1924 in zwei
großen Fluchtbewegungen aus der Türkei in das benachbarte Syrien über (1., S.
110), und im Gefolge des Ersten Weltkriegs und des Friedensvertrags von
Lausanne vom 24. Juli 1923 verließen mehr als zwei Millionen Griechen die Türkei
(3., S. 41).
Es mag im einzelnen Streit darüber herrschen, welche Bedeutung das christliche
Bekenntnis der verschiedenen Gruppen der Christen für ihr jeweiliges Schicksal in
der Vergangenheit im einzelnen hatte, welche Rolle politische und militärische
Interessen fremder Großmächte gespielt haben und ob und in welchem Maße sich
etwa bei Armeniern, Griechen oder Assyrern ein eigenes Nationalbewußtsein
entwickeln konnte (vgl. dazu: 1., S. 12 ff.; 5., S. 1 ff.; 18., S. 6 ff.). Die Situation der
Christen in der Türkei ist jedenfalls seit langem geprägt von ihrer bis in die Anfänge
des Christentums zurückreichenden religiösen und kirchlichen Tradition, von den
ethnischen und sprachlichen Besonderheiten der einzelnen Gruppen und von
einem mehr und mehr hoffnungslos erscheinenden Überlebenskampf in einer
mehrheitlich türkischen/muslimischen Umwelt, der angesichts der leidvollen
historischen Erfahrungen als besonders bedrückend empfunden wird. Während die
Christen Ende des 19. Jahrhunderts noch etwa 30 % der Untertanen des
Osmanischen Reichs ausmachten, stellen sie nunmehr in der Türkei mit
schätzungsweise kaum noch 100.000 Menschen nur eine äußerst kleine Minderheit
der Gesamtbevölkerung von 43 Millionen (zu den Zahlenangaben und im übrigen
vgl.: 2.; 5., S. 5; 6., S. 5; 7.; 18., S. 8; 40.). Außer den Armeniern und den Griechen
sind zahlenmäßig vor allem die Assyrer von Bedeutung, denen aber im
Unterschied zu den Armeniern, Griechen und Juden ein Schutz als
nichtmuslimische Minderheit aufgrund des Lausanner Vertrags von 1923 nicht
zugestanden wird (3., S. 46; 5., S. 6; 32., S. 17 u. 40; 41., S. 2 f.; 60.; 63., S. 7;
68.). Die syrischen Christen gehören im wesentlichen vier Kirchen an, nämlich der
alten apostolischen Kirche des Ostens (oder nestorianischen), der syrisch-
orthodoxen (oder jakobitischen), der chaldäischen und der syrisch-katholischen
(1., S. 3; 6., S. 5 f. u. 16 f.; 38., S. 8 f.). Die alte apostolische Kirche, die die
diophysitische Lehre des Nestorius (Christ als Gott und Mensch zugleich sowie
Maria als Gebärerin Christi) vertritt, brach auf dem Konzil von Ephesus im Jahre
431 mit der römischen Kirche (vgl. 1., S. 12, u. 6., S. 15 f.). Das Konzil von
Chalkedon im Jahre 451 führte zur Abspaltung der syrisch-orthodoxen Kirche von
Rom, wobei wiederum eine abweichende - diesmal extrem monophysitische -
Lehrmeinung über die Person Christi ausschlaggebend war (1., S. 12; 6., S. 5 f.);
ihr Patriarch von Antiochia und dem gesamten Osten, Mar Ignatius Yakup III., hat
seinen Sitz seit 1954 in Damaskus (5., S. 21; 8., S. 2; 9., S. 2). Nestorianer und
Syrisch-Orthodoxe bedienen sich bis heute einer altsyrischen Liturgiesprache (1.,
S. 12); die Syrisch-Orthodoxen heben sich außerdem durch verschiedene Dialekte
der neuaramäischen Umgangssprache (im Tur'Abdin: Turoyo) von den
muslimischen Türken und Kurden sowie von den Jeziden ab. Im 16. und 17.
Jahrhundert kamen Teile der nestorianischen Kirche infolge innerer Streitigkeiten
und auf Betreiben von Kapuzinermissionaren unter Beibehaltung ihres Ritus mit
der römischen Kirche zum Ausgleich.
Diese unierte nestorianische Kirche nennt sich chaldäische Kirche; ihr Patriarch
residiert (nach Vereinigung der früheren Patriarchate von Babylon und Mosul)
heute in Bagdad (1., S. 12; 3., S. 46; 5., S. 5; 6., S. 16; 29.; 38., S. 9). Im 18. oder
19. Jahrhundert kam es schließlich auch zu einer Union eines Teils der syrisch-
orthodoxen Kirche mit Rom, wobei gleichfalls der syrische Ritus beibehalten wurde;
hierbei handelt es sich um die sog. syrisch-katholische Kirche (1., S. 3 u. 12; 3., S.
46; 5., S. 5; 6., S. 6 u. 16 f.; 38., S. 9). Während bis zum Beginn des 20.
Jahrhunderts im Gebiet der heutigen Türkei noch etwa eine Million Jakobiten und
Nestorianer gelebt haben sollen und 1927 immerhin noch insgesamt 257.000 (1.,
S. 46 u. 110), beträgt die Zahl der Syrisch-Orthodoxen in der Türkei neueren
Schätzungen zufolge nur noch etwa 45.000 (1., S. 111; 5., S. 20), 35.000 (1., S.
46), 20.000 bis 25.000 bzw. 35.000 (6., S. 17; 58., S. 1), 20.000 (8., S. 2) oder
sogar nur 10.000 bis 15.000 (2.). Im Gebiet des Tur'Abdin (Berg der
Gottesknechte), wo vor etwa 30 Jahren noch 70.000 Syrisch-Orthodoxe lebten,
sollen es 1967/68 noch 20.000 gewesen sein (4., S. 2), 1980 noch ca. 13.000 (70.,
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sollen es 1967/68 noch 20.000 gewesen sein (4., S. 2), 1980 noch ca. 13.000 (70.,
S. 7), 25.000 (5., S. 29) oder auch annähernd 40.000 (32., S. 17), 1987/1988
lediglich noch 5.000 bis 7.000 (48., S. 14; 63., S. 5; 70., S. 4 f., 7 u. 14) oder
12.000 (58., S. 2) und 1989 sogar nur noch ungefähr 4.000 (76., S. 13 u. 16),
während ihre Zahl in Istanbul im selben Zeitraum von einigen Hundert auf 15.000
oder gar auf 17.000 angestiegen sein soll (5., S. 46; 9., S. 7; 21.; 26.; 27.; für die
Zeit nach 1982 vgl. auch 35.; 37., S. 11; 58., S. 2; 63., S. 5; 70., S. 4); derzeit
dürften in Istanbul noch ungefähr 10.000 syrisch-orthodoxe Christen leben (64., S.
3; 66., S. 1). In der Bezirksstadt Midyat sollen im Jahr 1978 von den ursprünglich
3.000 syrischen Familien infolge einer seit 1960 anhaltenden starken Abwanderung
in türkische Großstädte und ins Ausland noch 1.000 Familien gewohnt haben (1.,
S. 117).
Vor dem Hintergrund dieser geschichtlichen Entwicklung kann nicht festgestellt
werden, daß die christliche Bevölkerung in der Türkei und insbesondere im Gebiet
des Tur'Abdin in dem hier maßgeblichen Zeitraum bis zur Ausreise der Kläger im
September 1980 unter einer an die Religion anknüpfenden Gruppenverfolgung zu
leiden hatte; dies gilt sowohl hinsichtlich einer unmittelbaren staatlichen
Verfolgung als auch hinsichtlich einer dem türkischen Staat zurechenbaren
Verfolgung durch andere Bevölkerungsgruppen (ebenso schon der früher für
Asylverfahren allein zuständige 10. Senat des Hess. VGH in st. Rspr., zuletzt
30.05.1985 - 10 OE 35/83 -, und jetzt der 12. Senat, vgl. etwa 22.02.1988 - 12 UE
1071/84 -, NVwZ-RR 1988, 48, und 26.03.1990 - 12 UE 2997/86 - m.w.N., ähnlich
VGH Baden-Württemberg, 25.07.1985 - A 12 S 573/81 -, u. OVG Lüneburg,
25.08.1986 - 11 OVG A 263/85 -; a.A. Bay. VGH, 19.03.1981 - 12.B/5074/79 -,
InfAuslR 1981, 219, VGH Baden-Württemberg, 09.02.1987 - A 13 S 709/86 -, u.
OVG Nordrhein-Westfalen, 23.04.1985 - 18 A 10237/84 -, sowie OVG Rheinland-
Pfalz, 10.12.1986 - 11 A 131/86 -). Für die Frage nach dem Vorliegen einer an die
religiöse Grundentscheidung anknüpfenden Gruppenverfolgung ist allgemein zu
beachten, daß eine aus Gründen der Religion stattfindende Verfolgung nur dann
asylerheblich ist, wenn die Beeinträchtigungen der Freiheit der religiösen
Betätigung nach Intensität und Schwere die Menschenwürde verletzen (BVerfG,
02.07.1980 - 1 BvR 147/80 u.a. -, BVerfGE 54, 341 (357) = EZAR 200 Nr. 1). Es
muß sich um Maßnahmen handeln, die den Gläubigen als religiös geprägte
Persönlichkeit ähnlich schwer treffen wie bei Eingriffen in die körperliche
Unversehrtheit oder die physische Freiheit (BVerwG, 18.02.1986 - 9 C 16.85 -,
BVerwGE 74, 31 = EZAR 202 Nr. 7), indem sie ihn physisch vernichten, mit
vergleichbar schweren Sanktionen bedrohen, seiner religiösen Identität berauben
oder daran hindern, seinen Glauben im privaten Bereich und durch Gebet und
Gottesdienst zu bekennen (BVerfG, 01.07.1987 - BvR 472/86 u.a. -, BVerfGE 76,
143 = EZAR 200 Nr. 20, u. 10.11.1989 - 2 BvR 403/84 u.a. -, EZAR 203 Nr. 5 =
NVwZ 1990, 254; vgl. im übrigen S. 15 f.).
Aus den in das Verfahren eingeführten Gutachten, Auskünften und anderen
Erkenntnisquellen ergeben sich insgesamt keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür,
daß der türkische Staat die syrisch-orthodoxen Christen in diesem Sinne in dem
hier maßgeblichen Zeitraum unmittelbar aus religiösen Gründen verfolgt hat.
Die syrisch-orthodoxen Christen waren - und sind - von Verfassungs wegen ebenso
wie die Angehörigen anderer muslimischer und nichtmuslimischer
Glaubensgemeinschaften gegen Eingriffe in die Religionsfreiheit und gegen
Diskriminierungen aus religiösen Gründen geschützt (Art. 19 d. türk. Verf. v. 1961,
Art. 24 Abs. 1 d. türk. Verf. vom 07.11.1982; 18., S. 23; 41., S. 3; 57., S. 17 f.). Sie
sind in den durch Art. 14 der Verfassung von 1982 gezogenen Grenzen frei,
Gottesdienste, religiöse Zeremonien und Feiern abzuhalten (Art. 24 Abs. 2 dieser
Verfassung). Sie werden jedoch seit jeher anders als die Armenier, Griechen und
Juden in der Staatspraxis nicht zu den nichtmuslimischen Minderheiten gerechnet,
denen aufgrund der Art. 38 ff. des Friedensvertrags von Lausanne vom 24. Juli
1923 besondere Minderheitenrechte gewährleistet sind, so u.a. gemäß Art. 40 das
Recht, auf eigene Kosten jegliche karitative, religiöse und soziale Institutionen,
Schulen und andere Einrichtungen für Lehre und Erziehung mit dem Recht auf
Gebrauch ihrer eigenen Sprache und freie Religionsausübung zu errichten, zu
betreiben und zu kontrollieren (1., S. 112; 3., S. 46; 5., S. 6 u. 57 f.; 8., S. 3 f.; 9., S.
15 f.; 13.; 32., S. 17 u. 40; 41., S. 2 f.; 60.; 68.). Während die in Istanbul lebenden
etwa 80.000 Armenier dazu imstande sind, ungefähr 30 bis 40 Kirchen und einige
Schulen, mindestens ein Krankenhaus und 12 Jugendclubs zu unterhalten (12.;
53.; 76., S. 3), verfügen die etwa 10.000 Syrisch-Orthodoxen in Istanbul lediglich
über ein eigenes Kirchenzentrum und sind in fünf bis sieben weiteren Kirchen zu
Gast (18., S. 49; 26.; 27.; 35., S. 6; 37., S. 3, 8 u. 13; 64., S. 9; 66.; 76., S. 4 f.), sie
41
42
Gast (18., S. 49; 26.; 27.; 35., S. 6; 37., S. 3, 8 u. 13; 64., S. 9; 66.; 76., S. 4 f.), sie
dürfen aber keine Schulen und keine Sozialeinrichtungen betreiben (58., S. 4; 63.,
S. 7). Die syrisch-orthodoxen Christen werden allerdings ebensowenig wie andere
christliche Glaubensgemeinschaften staatlicherseits unmittelbar an der Ausübung
ihrer Religion gehindert. Sie können sowohl im Gebiet des Tur'Abdin als auch in
Istanbul in den ihnen verbliebenen Kirchen Gottesdienst nach ihrer Liturgie feiern
und ihren Glauben praktizieren. Insbesondere haben sie die Möglichkeit zum Gebet
und zum Gottesdienst im häuslich-privaten Bereich und in Gemeinschaft mit
anderen Gemeindemitgliedern.
Obwohl die Religionsausübung nach außen hin - weder in der Vergangenheit noch
jetzt - offen behindert oder gar untersagt (worden) ist, sind dennoch zahlreiche
administrative Schwierigkeiten festzustellen (58., S. 5), die die Syrisch-Orthodoxen
bei der Ausübung ihres Glaubens und der Pflege ihres Brauchtums empfindlich
stören und auf Dauer gesehen das kirchliche und religiöse Leben beeinträchtigen
und schließlich zum Erliegen bringen können. So ist beispielsweise die Ausbildung
der Priester zwar von Staats wegen nicht verboten und auch nicht erkennbar
restriktiv reglementiert. Tatsächlich gibt es aber seit geraumer Zeit in der Türkei
weder einen syrisch-orthodoxen Bischof noch Priesterseminare (8., S. 4; 19., S.
16), und deshalb können neue Priester, die die türkische Staatsangehörigkeit
besitzen müssen, nur im Ausland ausgebildet und geweiht werden (9., S. 5; 12., S.
5; 45., S. 6 f.; 46., S. 6; 48., S. 19; 60., S. 2). Die seelsorgerische Betreuung der
noch in den ehemals syrisch-orthodoxen Siedlungsgebieten verbliebenen
Gläubigen ist auch dadurch erschwert, daß viele Priester ihre Gemeinden gegen
den Willen der Kirchenleitung verlassen haben und im Zuge der Anwerbung von
Arbeitnehmern durch die Bundesrepublik Deutschland und andere westdeutsche
Staaten ins Ausland abgewandert sind (40., S. 3; 46., S. 3). Die ehemals
zahlreichen Klöster im Tur'Abdin sind jetzt nur noch von wenigen Mönchen oder
Nonnen bewohnt und im übrigen verlassen (5., S. 21). Die Klosterschule in Dair
Za'faran wurde zudem mehrmals zumindest zeitweilig geschlossen, weil der
türkische Staat das Schulprogramm mit syrisch-aramäischem Sprachunterricht
und christlichem Religionsunterricht für illegal erachtete (5., S. 28; 6., S. 18; 32., S.
18; 46., S. 5; 76., S. 15). Der Bau und die Errichtung von Kirchen sind, nachdem
das Eigentum an dem Besitz der "frommen Stiftungen" im Jahre 1965 auf den
Staat übertragen worden ist, nur noch mit vorheriger staatlicher Genehmigung
zulässig (9., S. 17). Die Tatsache, daß in den vergangenen Jahren keine neue
syrisch-orthodoxe Kirche gebaut worden ist, während in der ganzen Türkei
zahlreiche neue Moscheen entstanden sind (43., S. 3 f.; 45., S. 3; 46., S. 4), kann
allerdings darauf zurückzuführen sein, daß Geld für einen derartigen Kirchenbau
nicht vorhanden war (28.). Trotz dieser faktischen Behinderungen im
administrativen Bereich läßt sich daraus eine unmittelbare staatliche
Beeinträchtigung der Religionsfreiheit für die Zeit bis zur Ausreise der Kläger aus
der Türkei nicht herleiten.
Ebenso verhält es sich im Ergebnis mit der Gestaltung des Religionsunterrichts an
den staatlichen Schulen (vgl. 55.). Insoweit ist allerdings zu beachten, daß die
Belastung nur eines bestimmten genau abgegrenzten Kreises von
Gruppenangehörigen - hier: der eine Schule besuchenden und in der Regel
minderjährigen Personen - nicht bereits eine Verfolgung der Religionsgruppe
insgesamt darstellt (BVerwG, 24.08.1989 - 9 B 301.89 -, NVwZ 1990, 80 = InfAuslR
1989, 348). Indessen kann eine asylrelevante Belastung der Angehörigen einer
solchen Untergruppe - zumal ihr grundsätzlich jedes Mitglied der Religionsgruppe
im Verlaufe seines Lebens eine Zeitlang angehört - ein gewisses Indiz für eine
Verfolgung aller Gruppenangehörigen sein. Wären nämlich Angehörige weiterer
Untergruppen - etwa der Wehrpflichtigen, der Frauen bestimmten Alters und/oder
der minderjährigen Kinder - ebenfalls asylrechtlich erheblicher Verfolgung
ausgesetzt, so könnte sich eine Verdichtung bis hin zur Annahme einer
Gruppenverfolgung aller Mitglieder der betreffenden Religionsgruppe ergeben.
Soweit das Bundesverwaltungsgericht ausgesprochen hat, die Pflicht zur
Teilnahme am islamischen Religionsunterricht stelle für sich allein keine
asylerhebliche Beeinträchtigung der Religionsausübung dar, da sie nicht
gleichgesetzt werden könne mit der Pflicht, sich zum Islam zu bekennen (BVerwG,
14.05.1987 - 9 B 149.87 -, EZAR 202 Nr. 9 = DVBl. 1987, 1113), neigt der Senat
zu einer grundsätzlich anderen Betrachtungsweise. Denn Religionsunterricht, der
gegen den Willen der Kinder oder der insoweit erziehungsberechtigten Eltern erteilt
wird, kann den Beginn einer Zwangsbekehrung bedeuten, stellt doch die religiöse
Unterweisung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen einen unverzichtbaren -
weil lebenswichtigen - Teil der Religionsfreiheit dar. Ohne die Weitergabe religiösen
Wissens und religiöser Überzeugungen vermag nämlich weder der einzelne
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Wissens und religiöser Überzeugungen vermag nämlich weder der einzelne
Gläubige noch die Glaubensgemeinschaft auf Dauer zu bestehen. Neben der
Verkündigung des Glaubens während des kirchlichen Gottesdienstes spielt hierbei
vor allem der Religionsunterricht für Kinder eine ausschlaggebende Rolle. In
vorliegendem Zusammenhang ist indessen von maßgeblicher Bedeutung, daß zur
Zeit der Ausreise der Kläger im September 1980 noch keine Pflicht zur Teilnahme
am islamischen Religionsunterricht bestanden hat. Zwar war 1950 für die vierte
und fünfte Grundschulklasse, 1956 für die sechste und siebte Klasse der
Mittelschule und 1967/68 auch für die erste und zweite Klasse des Gymnasiums
der Religionsunterricht auf freiwilliger Basis eingeführt und ab 1976 in allen Klassen
der Mittelschule und des Gymnasiums angeboten worden. Auch hatte man
1974/75 in den beiden letztgenannten Schulformen einen sog. Ethik- bzw.
Moralkundeunterricht als Pflichtfach eingeführt (55.; 63., S. 20). Dieser war aber
jedenfalls in den 70er Jahren weitgehend laizistisch und wertneutral; erst später
wurde er in der Praxis zu einem "Neben-Religionsunterricht" (35.) und schließlich
zwischen 1982 und 1985 mit dem Religionsunterricht zusammengelegt (55.). Für
die Zeit vor dem Inkrafttreten der Verfassung von 1982 besteht daher keine
Veranlassung zu der Annahme, der türkische Staat habe durch die Gestaltung des
Religionsunterrichts an staatlichen Schulen unmittelbar in einer Art und Weise in
die Freiheit der religiösen Betätigung der syrischorthodoxen Christen eingegriffen,
die die Menschenwürde und das sog. religiöse Existenzminimum antastete. Auch
wenn man berücksichtigt, daß ein christlicher Religionsunterricht an staatlichen
Schulen nicht angeboten wurde und es im Rahmen des Ethik- bzw.
Moralkundeunterrichts bei der praktischen Handhabung der Unterscheidung
zwischen ethischen und allgemein religiösen Lehrinhalten einerseits und
islamischen Glaubensinhalten andererseits zu Benachteiligungen und
Beeinträchtigungen der Glaubensüberzeugungen christlicher Schüler kommen
konnte, kann darin insgesamt ein asylrelevanter Eingriff nicht gesehen werden.
Denn abgesehen von der regelmäßig fehlenden Intensität mangelte es insoweit
jedenfalls an der asylrechtlichen Zurechenbarkeit, weil Anhaltspunkte dafür, daß
die verantwortlichen Stellen derartiges dienstliches Fehlverhalten von Lehrern
seinerzeit förderten oder zumindest duldeten, aus den dem Senat vorliegenden
Erkenntnisquellen nicht zu entnehmen sind.
Schließlich können Anzeichen für eine gegen Christen gerichtete
Gruppenverfolgung zur Zeit der Ausreise der Kläger im September 1980 auch
nicht aus der Art und Weise entnommen werden, wie christliche Wehrpflichtige
damals in der türkischen Armee behandelt worden sind. Eine Verfolgung der
betreffenden Religionsgruppe insgesamt könnte allein daraus ohnehin nicht
entnommen werden (vgl. BVerwG, 24.08.1989 - 9 B 301.89 -, NVwZ 1990, 80 =
InfAuslR 1989, 348).
Für den Senat steht aufgrund der vorliegenden Erkenntnisquellen und der
Erkenntnisse aus den in letzter Zeit entschiedenen zahlreichen
Berufungsverfahren fest, daß es jedenfalls bis etwa zum Zeitpunkt des
Militärputsches im September 1980 nur in Einzelfällen zu ihrer Intensität nach als
Verfolgung zu qualifizierenden Übergriffen auf christliche Wehrpflichtige gekommen
ist. Bis dahin scheint die Führung der türkischen Streitkräfte, die sich als Hüter
laizistischer Prinzipien verstehen, mit Erfolg darauf geachtet zu haben, daß
religiöse Strömungen dort keinen nachhaltigen Widerhall finden konnten (vgl. 36.).
Demzufolge hatten christliche Wehrpflichtige in aller Regel weder seitens ihrer
Vorgesetzten noch seitens ihrer Kameraden mit schwerwiegenden
Diskriminierungen zu rechnen, wenn auch - nach der Darstellung des Auswärtigen
Amtes - Sticheleien und gelegentliche Übergriffe von Kameraden nicht
auszuschließen waren (33.; 36.) und es - nach den Äußerungen anderer
Sachverständiger - darüber hinaus vielfach zur Betrauung mit besonders
unangenehmen Aufgaben, zu verbalen Beleidigungen, zum Versuch der
Bekehrung zum Islam und zur Androhung der Zwangsbeschneidung sowie in
Einzelfällen auch zu schweren Körperverletzungen gekommen sein mag (39.; 40.;
42.) und christliche Wehrpflichtige mit Abitur meist - anders als Muslime - nicht als
Offiziersanwärter rekrutiert wurden (und werden) (41.). Die zwangsweise
Durchführung von Beschneidungen christlicher Wehrpflichtiger war in der Zeit bis
September 1980 offenbar nur in seltenen Einzelfällen festzustellen (42.). Diese
Einschätzung der damaligen Situation christlicher Wehrpflichtiger wird durch die
von dem erkennenden Senat in zahlreichen Berufungsverfahren gewonnenen
Erkenntnisse über türkische Christen, die vor dem Militärputsch ihren Wehrdienst
abgeschlossen haben, bestätigt. Die vom Senat gehörten Christen haben
entweder selbst in dem Zeitraum zwischen 1953 und 1978 ihren Wehrdienst
abgeleistet oder aber von den Erfahrungen ihrer Brüder oder anderer Verwandter
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abgeleistet oder aber von den Erfahrungen ihrer Brüder oder anderer Verwandter
während deren damaliger Dienstzeit berichtet. Während einige, obgleich sie vom
Alter her Wehrdienst geleistet haben müßten, diesen Punkt in ihren Asylverfahren
überhaupt nicht angesprochen haben, haben sich andere auf die Mitteilung der
Dienstleistung als solcher beschränkt und von irgendwelchen Benachteiligungen
nichts erwähnt (vgl. etwa Hess. VGH, 27.06.1988 - 12 UE 2438/85 - (Abdruck S. 3),
04.07.1988 - 12 UE 25/86 - (Abdruck S. 3), 06.02.1989 - 12 UE 2584/85 - (Abdruck
S. 3), 29.05.1989 - 12 UE 2586/85 - (Abdruck S. 3 u. 40), 26.03.1990 - 12 UE
2997/86 - (Abdruck S. 26)). Die übrigen haben von einer übermäßigen
Heranziehung zum Wachdienst und zu besonders schmutzigen Arbeiten, von
Beschimpfungen ihrer Person und ihrer Religion und von wiederholten Schlägen
berichtet, mit denen regelmäßig das Ziel verfolgt worden sei, sie zum Übertritt
zum Islam und zur Beschneidung zu bewegen; in allen Fällen gelang es den
Betroffenen jedoch, sowohl einer Zwangsbekehrung als auch einer
Zwangsbeschneidung letztlich zu entgehen, wobei es allerdings einmal zu einer
Brandverletzung am Geschlechtsteil kam und ein andermal erst im
Militärkrankenhaus der Arzt dazu bewegt werden konnte, von einer Beschneidung
Abstand zu nehmen (vgl. etwa Hess. VGH, 22.02.1988 - 12 UE 1071/84 - (Abdruck
S. 4 u. 34) u. - 12 UE 2585/85 - (Abdruck S. 4 u. 34 f.), 30.05.1988 - 12 UE 2514/85
- (Abdruck S. 5 u. 35 f.), 17.10.1988 - 12 UE 2601/84 - (Abdruck S. 35) u. - 12 UE
767/85 - (Abdruck S. 37), 18.10.1988 - 12 UE 433/85 - (Abdruck S. 33 f.),
20.03.1989 - 12 UE 1705/85 - (Abdruck S. 5 u. 46 ff.) u. - 12 UE 2192/86 - (Abdruck
S. 44 f.), 04.12.1989 - 12 UE 2652/85 - (Abdruck S. 39) sowie 26.03.1990 - 12 UE
2997/86 - (Abdruck S. 5)). Danach kann schon nicht festgestellt werden, daß
seinerzeit christliche Wehrpflichtige mit Rechtsverletzungen zu rechnen hatten, die
nicht nur als Beeinträchtigungen, sondern auch als sie ihrer Intensität nach aus
der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzende
Verfolgungsmaßnahmen zu qualifizieren sind (vgl. BVerfG, 10.07.1989 - 2 BvR
502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315 = EZAR 201 Nr. 20). Schon deshalb kann daraus
für die Zeit vor dem Militärputsch nicht auf eine Verfolgung des abgegrenzten
Kreises der wehrpflichtigen Gruppenangehörigen und erst recht nicht auf eine
Gruppenverfolgung aller syrisch-orthodoxen Christen geschlossen werden. Darüber
hinaus fehlen für den betreffenden Zeitraum Anhaltspunkte dafür, daß die
militärische Führung Übergriffe, soweit sie vorkamen, geduldet oder gar gefördert
hat (vgl. 33.; 41.); mithin läßt sich für die damalige Zeit die asylrechtliche
Zurechenbarkeit, die auch für Zugriffe innerhalb der Armee erforderlich ist,
ebenfalls nicht annehmen, weil nicht festgestellt werden kann, daß der türkische
Staat seinerzeit an die Religion anknüpfenden Übergriffen auf Wehrpflichtige nicht
entgegengewirkt hätte, indem er beispielsweise präventive Vorkehrungen
unterlassen hätte, um weitere Übergriffe zu verhindern, und, wenn sie gleichwohl
vorgekommen wären, weder den Opfern Schutz gewährt noch gegen pflichtwidrig
Handelnde Sanktionen verhängt hätte (vgl. BVerwG, 22.04.1986 - 9 C 318.85 u.a. -
, BVerwGE 74, 160 = EZAR 202 Nr. 8).
Darüber hinaus waren die Christen in der Türkei, insbesondere in der Südosttürkei,
in dem hier maßgeblichen Zeitraum auch keiner mittelbaren staatlichen
Kollektivverfolgung in der Weise ausgesetzt, daß sie von anderen
Bevölkerungsgruppen ihrer Religion und ihres christlichen Bekenntnisses wegen
verfolgt wurden und hiergegen staatlichen Schutz nicht erhalten konnten.
In diesem Zusammenhang ist es nicht erforderlich, die Ursachen der oben
dargestellten Abwanderungsbewegungen aus den ursprünglich ausschließlich oder
zumindest überwiegend christlichen Dörfern nach Mardin und Midyat und vor allem
nach Istanbul und von dort aus ins Ausland im einzelnen zu ermitteln. Tatsächlich
sind die Christen den Anwerbeaktionen der westeuropäischen Wirtschaft seit
Beginn der 60er Jahre wohl dank ihrer besseren Ausbildung und ihrer größeren
Flexibilität eher gefolgt als die in der Südosttürkei lebenden Kurden und haben
dann nach und nach ihre Familien in die Bundesrepublik Deutschland und in
andere westeuropäische Länder nachgeholt. Eine gewisse Rolle mag anfangs auch
die allgemein in der Türkei zu beobachtende Landflucht gespielt haben, die die
Einwohnerzahl von Istanbul auf jetzt 8 bis 10 Millionen hat anwachsen lassen (1., S.
111; 18., S. 20). Wie bereits oben festgestellt, haben zudem viele Priester im Zuge
der Gastarbeiterwanderung ihre syrisch-orthodoxen Gemeinden im Tur'Abdin
verlassen und sind gegen den Willen der Kirchenleitung nach Europa und nach
Übersee ausgewandert (40., S. 3; 45., S. 3), was zusätzlich zu einer
Destabilisierung der gewachsenen Siedlungsstrukturen der Christen in der
Südosttürkei beigetragen hat. Schließlich haben auch die Ereignisse um Zypern,
im Libanon und im Iran sowie allenthalben feststellbare Islamisierungstendenzen
zu einer Verhärtung des Verhältnisses zwischen Christen und muslimischen
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zu einer Verhärtung des Verhältnisses zwischen Christen und muslimischen
Kurden im Tur'Abdin beigetragen. Ungeachtet der im einzelnen maßgeblichen
Gründe für die Bevölkerungsbewegungen, die durchaus umstritten sein mögen,
wurde aber seit Mitte der 70er Jahre aus dem Gebiet um Midyat über eine
auffällige Zunahme schwerer Übergriffe der muslimischen Mehrheit (meist Kurden)
gegen Christen berichtet, und zwar über Morde, Mordversuche, Entführungen,
Zwangsbeschneidungen, Viehdiebstähle, Landwegnahmen, Sachbeschädigungen
und Plünderungen (vgl. dazu etwa: 1., S. 112 f. u. 115 f.; 3., S. 46 ff.; 5., S. 32 ff. u.
106 ff.; 11., S. 5 ff.; 14.; 16.; 32., S. 17 ff.). Gleichzeitig wurde allgemein
beanstandet, daß staatliche Stellen, wenn sie um Hilfe angegangen wurden,
entweder überhaupt nicht tätig geworden sind oder aber sogar offen zum
Ausdruck gebracht haben, sie lehnten es ab, Christen Schutz zu gewähren (vgl.
etwa: 4., S. 3 u. 5; 5., S. 34; 15.). Außerdem wurde betont, ähnliche Gewalttaten
Syrisch-Orthodoxer seien, wenn sie vereinzelt vorgekommen seien, auch verfolgt
worden (9., S. 21).
Bei der Frage nach den Ursachen für die danach seit Mitte der 70er Jahre vermehrt
feststellbaren Beeinträchtigungen der Christen durch die muslimische Bevölkerung
im Tur'Abdin werden teils die Auswirkungen der Verfolgung weniger schwerwiegend
dargestellt, teils die religionsbezogene Motivation der Verfolger bezweifelt und teils
die Einstellung der staatlichen Stellen zu diesen Maßnahmen der andersgläubigen
Mitbürger nicht so gewertet und eingeschätzt, daß den Christen der erforderliche
staatliche Schutz gegen private Übergriffe ihrer Religion wegen verwehrt wurde. So
bestätigen etwa auch andere als die bereits erwähnten Quellen gewalttätige
Auseinandersetzungen und existenzbedrohende Übergriffe im Südosten der Türkei
(2., S. 2; 17.) und die Gefahr administrativer Schikanen sowie die Schutzlosigkeit
gegenüber gesetzlosen Zuständen vor der Machtübernahme durch das Militär im
September 1980 (15.). Andererseits wird aber darauf hingewiesen, daß unter
schwierigen Lebensverhältnissen und der gesetzlosen Lage vor September 1980
auch die übrige Bevölkerung zu leiden gehabt habe, die Abwanderung aus dem
Tur'Abdin vorwiegend wirtschaftliche und soziale Gründe habe und die
Wanderungsbewegung bei den Christen nicht stärker sei als bei der übrigen
Bevölkerung (vgl. vor allem 18., S. 23 ff. u. 31 ff.). Während das Auswärtige Amt als
Ursachen für die Abwanderung neben religiösen Spannungen sowohl
wirtschaftliche Schwierigkeiten als auch die in Gewalttätigkeiten ausufernden
Streitigkeiten aus sprachlichen, sozialen und ethnischen Motiven nennt, räumt es
doch gleichzeitig ein, Christen hätten teilweise existenzbedrohende
Benachteiligungen erlitten und seien gewalttätigen Übergriffen ausgesetzt
gewesen, gegen die ausreichender staatlicher Schutz besonders in schwer
zugänglichen ländlichen Gebieten häufig nicht habe gewährt werden können, so
daß praktisch die christliche Minderheit oftmals gewalttätigen Übergriffen schutzlos
preisgegeben gewesen sei (2., S. 2). Wenn Wiskandt bezweifelt, daß Christen aus
dem Tur'Abdin in wesentlich größerem Ausmaß als Kurden abgewandert sind (18.,
S. 23 ff., besonders S. 28), so fällt auf, daß er die Anzahl der in der Provinz Mardin
lebenden Syrisch-Orthodoxen aus einer offiziellen Einwohnerstatistik und eigenen
Berechnungen ableitet, während die oben erwähnten Zahlenangaben anderer
Autoren zwar vorwiegend auf Schätzungen beruhen, aber insgesamt zutreffender
erscheinen, weil dort der Bevölkerungsrückgang bei den Christen zum größten Teil
durch die Nennung von Ortsnamen und exakten Einwohnerzahlen belegt ist. Es
mag zutreffen, daß die historischen Fakten in den epd-Dokumentationen (5. u.
32.) nicht immer neutral dargestellt sind und die religiösen Bezüge dort ebenso
einseitig in den Vordergrund gestellt werden wie von Yonan (1.) der Prozeß der
Entwicklung einer assyrischen Nation. Abgesehen aber davon, daß Wiskandt seine
Befragungen offenbar ohne die in solchen Situationen wichtige Vertrauensbasis zu
den befragten Personen ohne Bekanntgabe seines Auftrags durchgeführt hat, ist
in seinem Gutachten an zahlreichen Stellen nachzuweisen, daß seine
Ausführungen nicht völlig frei sind von Vorverständnissen und festliegenden
persönlichen Positionen, die die Beantwortung der ihm gestellten Fragen teilweise
beeinflußt haben könnten (vgl. dazu im einzelnen 23., 24., 25.). So wirft er der
ersten epd-Dokumentation offen bewußte Zahlenmanipulation vor (S. 27, 29),
polemisiert gegen die "hiesige Lobby der Sürjannis" (S. 65) und beschreibt die
"Erfolge" der Militärregierung ohne jede Einschränkung (S. 20 ff.), obwohl
Vorbehalte gegen die Politik der Militärregierung angesichts zahlreicher Proteste
gegen Menschenrechtsverletzungen in der Türkei zumindest erwähnenswert
gewesen wären.
Nach alledem vermag der Senat nicht festzustellen, daß die Christen in der Türkei
- und zwar auch im Tur'Abdin - in ihrer Gesamtheit in der Zeit bis zur
Machtübernahme der Militärs im September 1980 in der Weise mittelbar aus
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Machtübernahme der Militärs im September 1980 in der Weise mittelbar aus
religiösen Gründen verfolgt worden sind, daß sie als Angehörige der christlichen
Minderheit gewalttätigen Übergriffen mit Gefahren für Leib und Leben und die
persönliche Freiheit durch die muslimische Bevölkerung ausgesetzt waren und der
türkische Staat diese Verfolgungsmaßnahmen entweder gebilligt oder zumindest
tatenlos hingenommen und damit den Christen den erforderlichen staatlichen
Schutz versagt hat. Die dargelegten Verhältnisse stellen sich allerdings so dar,
daß in zahlreichen Einzelfällen tatsächlich syrisch-orthodoxe Bewohner des
Tur'Abdin von muslimischen Mitbürgern umgebracht, verletzt, entführt oder
beraubt worden sind, ohne daß die zuständigen staatlichen Behörden hiergegen
eingeschritten sind, obwohl ihnen dies möglich gewesen wäre.
3.
Ebensowenig hat der Senat festzustellen vermocht, daß die Kläger bereits vor ihrer
Ausreise aus der Türkei politische (Einzel-) Verfolgung erlitten haben oder daß
ihnen - was eingetretener Verfolgung gleichstünde (BVerfG, 23.01.1991 - 2 BvR
902/85 u. a. -, EZAR 202 Nr. 20 = DVBl. 1991, 531) - eine derartige Verfolgung
damals unmittelbar drohte.
Unter Zugrundelegung der Angaben der Kläger zu ihren Lebensumständen und
Erfahrungen in der Türkei, an denen zu zweifeln der Senat keinen Anlaß sieht, gibt
es keine genügenden Anhaltspunkte, die die Annahme rechtfertigen würden, die
Kläger seien bereits vor ihrer Ausreise von individueller, auf ihre Person bezogener
asylrelevanter Verfolgung betroffen gewesen.
Danach ist im wesentlichen von folgendem auszugehen: Die Familie lebte
zunächst in B /Bezirk M wo auch der Kläger zu 3) geboren ist. In diesem Ort lebten
seinerzeit etwa 200 Familien, von denen 20 bis 25 christliche Familien waren;
heute leben dort höchstens noch zwei unvollständige christliche Familien. Die
Familie besaß dort Haus, Land und Vieh, wovon sie zunächst ihren Unterhalt gut
bestreiten konnte.
Im Heimatort kam es des öfteren zu Auseinandersetzungen mit Muslimen; einmal
wurde der Kläger zu 1) zu Unrecht des Diebstahls von zwei Ziegen beschuldigt, die
er tatsächlich gekauft hatte. Die Kläger sahen sich zudem - insbesondere auch
beim Kirchenbesuch - den Beschimpfungen von Muslimen ausgesetzt und wurden
bisweilen auch geschlagen. 1978 ging die Familie nach Istanbul, wohin zuvor schon
zwei ältere Söhne gezogen waren, die dort arbeiteten. Von deren Verdienst
zusammen mit den Erlösen aus einem zunächst betriebenen Cafe konnte die
Familie leben. Die Einnahmen aus dem Cafe allerdings wurden den Klägern des
öfteren von Muslimen, bisweilen auch von der Polizei abgenommen. Daraufhin
versuchten die Kläger, in Mardin einen Paß zu erlangen; während der Wartezeit
hierauf kam es im Haus der Schwester des Klägers zu 1) zu einem Überfall durch
Muslime, bei dem eine Nichte der Kläger entführt und die Schwester so schwer
verletzt wurde, daß sie sieben Monate später an den Folgen dieser Verletzungen
starb. Die Kläger nahmen dann die nächste Ausreisemöglichkeit wahr, nachdem
sie noch Teile des Hausrats verkauft hatten. Während der Kläger zu 1) ein wenig
lesen und schreiben kann, ist die Klägerin zu 2) Analphabetin. Der Kläger zu 1) hat
seinen Wehrdienst von 1943 bis 1947 abgeleistet; seinen Angaben zufolge wurde
er damals sehr oft geschlagen und mußte - wie alle Christen - hart arbeiten. An
Waffen seien sie ausdrücklich deswegen nicht ausgebildet worden, weil sie Christen
gewesen seien; auch habe man sie in einer eigenen Unterkunft untergebracht.
Von der Verwandtschaft der Kläger lebt niemand mehr in der Türkei; die übrigen
Kinder der Kläger waren bereits früher ausgereist und sind in der Bundesrepublik
Deutschland als Asylberechtigte anerkannt.
Die von den Klägern geschilderten Gründe, warum die Familie schließlich die
Heimat verlassen hat, erscheinen zwar nachvollziehbar, rechtfertigen aber nicht
die Annahme, daß sie selbst seinerzeit bereits Opfer gegen sie zielgerichteter
asylrelevanter Verfolgung gewesen waren. Eine unmittelbar von staatlichen Stellen
ausgehende, auf ihn selbst bezogene politische Verfolgung hat der Kläger zu 1)
nicht behauptet. Was das Einschreiten der Polizei im Zusammenhang mit dem in
Istanbul betriebenen Cafe angeht, hat der Kläger zu 1) selbst erklärt, daß man
dieses Cafe ohne die erforderliche Genehmigung eröffnet habe; von daher wäre
ein Einschreiten staatlicher Stellen nicht von vornherein unzulässig und ist
insbesondere nicht nachgewiesen, daß ein solches Einschreiten gerade in der
Religionszugehörigkeit der Kläger seine Ursache finden sollte.
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Auch für die Annahme einer mittelbaren staatlichen Verfolgung dergestalt, daß
staatliche Stellen asylrelevante Übergriffe Dritter gefördert oder zumindest ohne
Einschreiten geduldet hätten, reicht das Vorbringen nicht aus. Soweit sich die
Kläger allgemein auf Beschimpfungen und Drangsalierungen durch Muslime wegen
ihrer Religionszugehörigkeit beziehen, ist darauf zu verweisen, daß damit noch
nicht das sogenannte religiöse Existenzminimum angegriffen ist, vor dessen
Beeinträchtigung Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG allein schützt. Wie die Kläger selbst
angegeben haben, war ihr Lebensunterhalt zunächst in B und dann in I trotz
verschiedentlicher Diebstähle gesichert. Was diese Diebstähle angeht, sind die
subjektiven Vermutungen der Kläger, diesen würden religiöse Motive
zugrundeliegen, schon nicht durch objektive Anhaltspunkte belegt; für die Täter
dürften vielmehr hauptsächlich wirtschaftliche Beweggründe ausschlaggebend
gewesen sein. Jedenfalls aber war dadurch in der Zeit vor der Ausreise die
wirtschaftliche Existenz der gesamten Familie offenbar nicht ernstlich in Frage
gestellt.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Angaben des Klägers zu 1) über
seine Erfahrungen bei Ableistung des Wehrdienstes von 1943 bis 1947; wenn er
auch damals sehr oft geschlagen wurde und - wie alle Christen der Einheit - hart
arbeiten mußte, ist zum einen nicht ersichtlich, daß diese Erfahrungen noch für die
über 20 Jahre später erfolgte Ausreise ursächlich gewesen sein sollten; zum
andern fehlt es auch insoweit an der erforderlichen Intensität eines Eingriffs in das
religiöse Existenzminimum, vor dessen Beeinträchtigung Art. 16 Absatz 2 Satz 2
GG allein schützt.
Auch hinsichtlich des bei der Ausreise 13 Jahre alten Klägers zu 3) ist eine
Vorverfolgung nicht anzunehmen; bezogen auf seine Person ist hierfür nichts
vorgetragen. Soweit die Kläger einzelne Vorfälle geschildert haben, die sich gegen
Familienangehörige richteten, kann hieraus auf eine gegen sie selbst gerichtete
asylrelevante individuelle Verfolgung nicht geschlossen werden.
4.
Sind demnach die Kläger unverfolgt ausgereist und legt man demzufolge den
"normalen" Wahrscheinlichkeitsmaßstab an (vgl. BVerwG, 31.03.1981 - 9 C 286.80
-, EZAR 200 Nr. 3 = DVBl. 1981, 1096, 25.09.1984 - 9 C 17.84 -, BVerwGE 70, 169
= EZAR 200 Nr. 12, 03.12.1985 - 9 C 22.85 -, EZAR 202 Nr. 6 = NVwZ 1986, 760,
27.06.1989 - 9 C 1.89 -, BVerwGE 82, 171 = EZAR 200 Nr. 25), kann nach
Überzeugung des Senats nicht festgestellt werden, daß den Klägern bei einer
Rückkehr in die Türkei im jetzigen Zeitpunkt allein wegen ihrer Zugehörigkeit zur
Gruppe der syrisch-orthodoxen Christen politische Verfolgungsmaßnahmen
drohen.
Auf eine gegenwärtige Gruppenverfolgung der syrisch-orthodoxen Christen kann
weiterhin nicht geschlossen werden, auch wenn sich die Rechts- und
Tatsachenlage seit der Ausreise der Kläger verändert hat.
Was die Gestaltung des Religionsunterrichts an staatlichen Schulen angeht, so
sehen die Vorschriften des Art. 24 der 1982 in Kraft getretenen neuen türkischen
Verfassung vor, daß niemand gezwungen werden darf, an Gottesdiensten,
religiösen Zeremonien und Feiern teilzunehmen oder seine religiöse Anschauung
und seine religiösen Überzeugungen zu offenbaren (Abs. 3), und daß die Religions-
und Sittenerziehung und -lehre unter der Aufsicht und Kontrolle des Staates
durchgeführt werden und religiöse Kultur und Sittenlehre in den Grund- und
Mittelschulen zu den Pflichtfächern gehören (Abs. 4). Auf der Grundlage der
letztgenannten Verfassungsbestimmung ist in den Jahren 1982 bis 1985 der
bisherige Moralkundeunterricht mit dem Religionsunterricht zusammengelegt und
als Pflichtfach eingeführt worden (46., S. 5; 55.; 57., S. 9 ff.; 58., S. 5; 63., S. 20;
64, S. 5; 69.). Mit Beschluß vom 3. Oktober 1986, Nr. 28, des Erziehungs- und
Ausbildungsausschusses, der im Mitteilungsblatt des Ministeriums für nationale
Erziehung, Jugend und Sport vom 20. Oktober 1986, Nr. 2219, veröffentlich wurde
(Anlage zu 50.; 57., S. 21 ff.), wurden "allgemeine Prinzipien der Religionslehre und
des Ethikunterrichts" festgelegt und ein Ausbildungsprogramm für diese Fächer
verabschiedet. Danach ist der Grundsatz des Laizismus immer zu beachten und
zu schützen und darf niemand zu religiösen Handlungen gezwungen werden;
außerdem ist bestimmt, daß, wenn den Kindern die "nationale Moral gelehrt wird",
unter den Religionen nicht unterschieden wird, um den Kindern später die
Anpassung an die Gesellschaft zu erleichtern. Insgesamt kommt in dem
61
Anpassung an die Gesellschaft zu erleichtern. Insgesamt kommt in dem
Ausbildungsprogramm zwar deutlich zum Ausdruck, daß der Islam die Religion der
Türkei und Mohammed ein Vorbild für die Türken sein soll (57., S. 28 ff.). Die nach
dem Verfassungsgrundsatz des Laizismus gebotene Distanz des türkischen
Staats gegenüber der islamischen Religion äußert sich aber darin, daß türkische
Schüler christlichen Glaubens das islamische Glaubensbekenntnis, die islamische
Einleitungsformel, die Glaubensformel Amentü, die Koranverse und das islamische
Ritualgebet Namaz nicht zu lernen und keine Kenntnisse über Namaz, Ramadan,
die Regeln über die islamischen Jahresspenden und das Pilgern nach Mekka zu
erwerben brauchen (vgl. Nr. 4 der Anlage zu 50. u. Nr. 4 in 57., S. 23). Durch
ergänzenden Beschluß vom 29. Januar 1987, Nr. 23, veröffentlicht im
Mitteilungsblatt vom 9. Februar 1987, Nr. 2227, wurde zudem klargestellt, daß
christliche Schüler während der Behandlung der betreffenden Lehrinhalte nicht in
der Klasse anwesend sein müssen (57., S. 31 ff.). Nach alledem bieten die
gesetzlichen und die verwaltungsinternen Vorschriften, die auch Gegenstand eines
beim Höchsten Gerichtshof anhängigen Prozesses sind (63., S. 24 ff.), keine
Veranlassung für die Annahme, der türkische Staat greife zum jetzigen Zeitpunkt
unmittelbar in die Freiheit der religiösen Betätigung der Syrisch- Orthodoxen in
einer Weise ein, die die Menschenwürde oder das religiöse Existenzminimum
antastet. Davon abgesehen verfolgte die Einführung des staatlichen
Pflichtunterrichts in Ethik und Religion das Ziel einer Eindämmung der privaten
Koranschulen (20.; 57., S. 1) und läßt deshalb für sich keinen Rückschluß auf eine
damals und noch jetzt vorhandene Neigung staatlicher Stellen zur gezielten
Beeinträchtigung nichtmuslimischer Religionen zu. Auch eine mittelbare staatliche
Gruppenverfolgung läßt sich im Zusammenhang mit dem Religionsunterricht nicht
feststellen. Zwar mag in einigen Fällen von den Lehrkräften gegen die oben
behandelten Vorschriften verstoßen werden und es zu Diskriminierungen von
christlichen Schülern kommen mit der Folge, daß diese lieber an den islamischen
Gebeten teilnehmen (vgl. 34.; 45., S. 3; 50.; 57., S. 26 ff., 35 ff. u. 47 ff; 58., S. 5;
63. S. 20 f.; 64., S. 5 ff.; 69.; 75.; 76., S. 5). Abgesehen von der insoweit meist
fehlenden Intensität der einzelnen Maßnahmen sind die gelegentlichen Übergriffe
von Lehrkräften dem türkischen Staat asylrechtlich nicht zuzurechnen, weil auch
gegenwärtig Anhaltspunkte dafür, daß die Verantwortlichen an höherer Stelle
derartige dienstliche Verfehlungen fördern oder zumindest dulden, nicht
festgestellt werden können (vgl. 58., S. 5).
Die Behandlung christlicher Wehrpflichtiger in der türkischen Armee hat sich nach
den Erkenntnissen des Senats seit der Machtübernahme durch das Militär im
September 1980 merklich verschlimmert. Die vorliegenden Auskünfte und
Stellungnahmen gehen nach wie vor überwiegend dahin, daß Drangsalierungen
durch Verbalinjurien und Schläge weiterhin vorkämen, daß aber Fälle von
Zwangsbeschneidungen und -bekehrungen nicht oder nur selten bekannt
geworden seien (53.; 56.; 61., S. 6; 63., S. 15; 64., S. 9; 66., S. 2 f.; 74., S. 4 f.; 77.,
S. 4; 82., S. 17 f.). Demgegenüber hat ein Zeuge in einem Verfahren vor dem
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen nähere Angaben über einzelne Fälle von
Zwangsbeschneidungen gemacht (47.). Dieser ist 16 Monate lang bis Juli 1985
Militärarzt in A in der Osttürkei gewesen und hat während seiner Dienstzeit etwa 90
christliche Rekruten kennengelernt. Seinen Angaben zufolge kann er zwar nicht als
Augenzeuge bestätigen, daß jemand beim Militär einer mit körperlicher Gewalt
durchgeführten Zwangsbeschneidung unterzogen worden ist. Er hat allerdings
glaubhaft bezeugt, daß man auf andere Weise Personen dazu gezwungen hat, sich
beschneiden zu lassen. Er selbst habe die Beschneidung einiger Soldaten, die zu
ihm zur Zwangsbeschneidung geschickt worden seien, zwar abgelehnt. Er habe
aber mit eigenen Augen gesehen, daß man im Militärkrankenhaus von A einen
christlichen Soldaten beschnitten habe, der bei einem späteren Gespräch
offenbart habe, daß er nur unter Zwang die Beschneidung habe vornehmen
lassen; der Soldat sei nämlich nach seiner anfänglichen Weigerung "vom
Schreibdienst zum Toilettenplatz degradiert" und dann auch noch wiederholt
geschlagen worden. Der Zeuge gab ferner an, er wisse, daß 30 bis 40 Soldaten der
Beschneidung im Krankenhaus unterzogen worden seien; er habe diese Soldaten
aus den üblichen Generaluntersuchungen, die alle drei Monate stattfänden,
gekannt, und alle hätten ihm unter vier Augen bedeutet, sie seien auf keinen Fall
zur Beschneidung bereit gewesen. Die in dem Berufungsverfahren (12 UE
2997/86) am 22. März 1990 vernommenen sechs Zeugen haben ähnliches
bekundet (78.). Sie haben in dem Zeitraum zwischen Juli 1980 und Dezember
1986 jeweils unabhängig voneinander ihren Militärdienst abgeleistet und sind
allesamt Christen entweder - in einem Fall - armenisch-katholischer oder arabisch-
bzw. rumänisch-orthodoxer Religionszugehörigkeit. Ihre mindestens drei Monate
lange Grundausbildung absolvierten drei von ihnen in S und die übrigen in A, und
62
lange Grundausbildung absolvierten drei von ihnen in S und die übrigen in A, und
ihren anschließenden Dienst versahen sie in S, K, I, V, A und S. Alle sechs Zeugen
haben glaubhaft bekundet, daß sie während ihrer Militärzeit beschnitten worden
sind, und zwar mit einer Ausnahme im Verlaufe der Grundausbildung. Der Zeuge,
der sich der Beschneidung in der Grundausbildung noch entziehen konnte, hat
dies nachvollziehbar auf ein gewisses Wohlwollen seines Vorgesetzten
zurückgeführt, das er durch die Reparatur von dessen Fernsehapparat erlangt
gehabt habe; dieser Zeuge wurde dann an seinem neuen Standort S beschnitten
(78., S. 13). Die Zeugen sind ihren in sich stimmigen und von den übrigen
Verfahrensbeteiligten nicht in Zweifel gezogenen Angaben zufolge jeweils im
örtlichen Militärkrankenhaus beschnitten worden. Einem wurde vorgetäuscht, daß
er lediglich untersucht werde; er wurde sodann in Vollnarkose versetzt und
beschnitten (78., S. 3). Den anderen war klar oder wurde spätestens von den
Militärärzten eröffnet, daß sie beschnitten werden sollten. Hiervon ließen sich die
Ärzte auch nicht abbringen, obwohl drei der Zeugen ihnen gegenüber äußerten,
daß sie eine Beschneidung ablehnten; die Ärzte verwiesen entweder auf einen
ihnen erteilten Befehl oder auf die Regeln des Islam (78., S. 5, 7 u. 9). Einer der
Zeugen gab an, er habe sich angesichts eines vorausgegangenen Befehls des
obersten Vorgesetzten am Standort und anwesender Wachen nicht getraut, dem
Arzt gegenüber eine Beschneidung zu verweigern (78., S. 14). Und nur ein einziger
der sechs Zeugen hat ausgesagt, daß er sich nicht auf Befehl, sondern auf den
Rat des Arztes hin habe beschneiden lassen, weil er keinen anderen Ausweg
gesehen habe, wenn er nicht jeden Tag Prügel habe beziehen wollen (78., S. 11).
Des weiteren haben fünf der Zeugen nicht nur von ihrer eigenen Beschneidung,
sondern darüber hinaus davon berichtet, daß die übrigen ihnen bekannten
christlichen Rekruten, die zum selben Zeitpunkt einberufen worden waren oder in
derselben Einheit Wehrdienst leisteten, nahezu ausnahmslos während der
Grundausbildung gegen ihren Willen beschnitten worden seien; insoweit wurden für
S von einem Zeugen für seine Dienstzeit zehn armenische Christen (78., S. 3) und
von einem anderen für seine Dienstzeit insgesamt ca. 30 Christen (78., S. 9) und
für A von drei Zeugen jeweils für die eigene Dienstzeit ca. 35 bzw. 45 bzw. 30
christliche Rekruten genannt (78., S. 4 f., 8 u. 12 f.). Einer der Zeugen hat ferner
bekundet, daß er sich nicht nur bei seinem Kompaniechef, sondern - zusammen
mit anderen zwangsbeschnittenen Christen - sogar bei dem ranghöchsten Offizier
in S über den Eingriff erfolglos beschwert habe (78., S. 3); ein anderer Zeuge hat
angegeben, daß er sich bei seinem direkten Vorgesetzten ohne Erfolg zum
Zwecke einer Beschwerde bei dem nächsthöheren Vorgesetzten angemeldet habe
(78., S. 5), und ein dritter, daß er wegen Beleidigung seines direkten Vorgesetzten
Disziplinararrest erhalten habe, als er sich über diesen beim nächsthöheren
Vorgesetzten beschwert habe (78., S. 11).
Wenn nach alledem nunmehr davon auszugehen ist, daß es nicht nur in A,
sondern auch in S, A und S zu Zwangsbeschneidungen von christlichen
Wehrpflichtigen gekommen ist, und zwar nicht lediglich von einzelnen Personen,
sondern seit dem Militärputsch offenbar von nahezu allen zu einem bestimmten
Dienstantrittstermin einberufenen Rekruten, so vermag der Senat jedenfalls in
bezug auf diese Standorte und auch für die Zukunft eine beachtliche
Wahrscheinlichkeit dafür nicht (mehr) zu verneinen, daß - soweit eine
Beschneidung nicht sogar ausdrücklich befohlen wird - christliche Wehrpflichtige
von Kameraden und insbesondere auch von Vorgesetzten mindestens derart
unter Druck gesetzt werden, daß sie einer Beschneidung regelmäßig nicht
ausweichen können (Hess.VGH, 26.03.1990 - 12 UE 2702/86, 12 UE 2970/86, 12
UE 2997/86 u. 12 UE 2998/86 -, 23.04.1990 - 12 UE 2579/85, 12 UE 2581/85 u. 12
UE 61/86 - sowie 02.05.1990 - 12 UE 1078/84, 12 UE 1116/84 u. 12 UE 2784/87 -).
Mit physischer oder psychischer Gewalt durchgeführte Beschneidungen liegen als
Eingriffe in die körperliche Integrität, die regelmäßig mit einem stationären
Aufenthalt im Militärkrankenhaus verbunden sind, und als Maßnahmen, die die
Opfer unter Mißachtung ihres religiösen und personalen Selbstbestimmungsrechts
zum bloßen Objekt erniedrigen und deshalb das religiöse Existenzminimum
berühren, über der Schwelle dessen, was - auch mit Blick auf die allgemein rauhen
Umgangsformen innerhalb der türkischen Armee (39., S. 5; 41., S. 5 f.; 77., S. 2 u.
5) - noch als hinnehmbar angesehen werden kann (ebenso OVG Nordrhein-
Westfalen, 15.02.1990 - 14 A 10082/87 -). Derartige Beschneidungen knüpfen
überdies erkennbar an die Religionszugehörigkeit der Betroffenen an. Denn sie
stellen nach ihrem inhaltlichen Charakter objektiv und nicht nur aus der Sicht
derjenigen, die sie anordnen oder veranlassen, und derjenigen, die sie
durchführen, einen ersten und unabänderlichen äußeren Schritt zur zwangsweisen
Bekehrung der Opfer zum Islam dar; den Betroffenen wird damit nämlich die
symbolhafte Aufnahme in die islamische Gemeinschaft aufgenötigt, mag ihre
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symbolhafte Aufnahme in die islamische Gemeinschaft aufgenötigt, mag ihre
innere religiöse Einstellung allein dadurch auch noch unberührt bleiben können
(vgl. 39., S. 5).
Der Senat ist darüber hinaus aufgrund der ihm nunmehr vorliegenden
Erkenntnisse auch zu der Überzeugung gelangt, daß die betreffenden
Verfolgungsmaßnahmen dem türkischen Staat zuzurechnen sind (ebenso OVG
Nordrhein-Westfalen, 15.02.1990 - 14 A 10082/87 -). Eine zurechenbare
Verfolgung liegt nämlich schon dann vor, wenn der Staat in der Armee
auftretenden asylrelevanten Übergriffen auf Wehrpflichtige nicht entgegenwirkt,
indem er beispielsweise präventive Vorkehrungen trifft, um Übergriffe zu
verhindern, und indem er, wenn solche Übergriffe gleichwohl vorkommen, den
Opfern Schutz gewährt und gegen pflichtwidrig Handelnde Sanktionen verhängt
(BVerwG, 22.04.1986 - 9 C 318.85 u.a. -, BVerwGE 74, 160 = EZAR 202 Nr. 8). Die
Vielzahl der jetzt bekannt gewordenen Fälle von Zwangsbeschneidungen
christlicher Wehrpflichtiger während ihres Militärdienstes kann der militärischen
Führung nicht verborgen geblieben sein. Gleichwohl hat sie keinerlei Vorkehrungen
dafür getroffen, daß derartige Übergriffe in Zukunft unterbleiben, sondern sie
bietet hierzu offenbar weiterhin Gelegenheit in mehreren Militärkrankenhäusern, in
denen Beschneidungen ohne weiteres und gegen den Willen der Betroffenen
vorgenommen werden. Ebensowenig kann nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahme vom 22. März 1990 (78.) und den sonst vorliegenden
Erkenntnisquellen noch festgestellt werden, daß den Betroffenen wenigstens im
nachhinein Schutz gewährt wird und daß diejenigen, die Beschneidungen
anordnen, veranlassen oder durchführen, prinzipiell zur Rechenschaft gezogen
werden. Schon bisher ist der Senat davon ausgegangen, daß die Beschwerden von
Soldaten in den unteren Rängen häufig nicht akzeptiert werden und die Folgen
einer Beschwerdeeinlegung für sie eher negativ seien, so daß sie aus Angst oder
wegen des sozialen Drucks in ihrer Einheit in der Praxis von der Beschreitung des
Beschwerdewegs meist absehen (41., S. 6; 56.; 57.; 61.; 77., S. 4). Diese
Einschätzung haben einige der Zeugen bestätigt und dabei insbesondere auch
darauf hingewiesen, daß sie keine Chance für eine erfolgreiche Beschwerde an
höherer Stelle gesehen hätten, weil jeweils der Beschwerdeweg über den direkten
Vorgesetzten einzuhalten sei (78., S. 5 f., 7 u. 10), und daß wegen der Kontrolle
der Post auch die Einschaltung politischer Stellen nicht angezeigt gewesen sei
(78., S. 3). Darüber hinaus hat einer der Zeugen glaubhaft bekundet, daß selbst
der ranghöchste Vorgesetzte am Standort S auf seine Beschwerde hin nicht tätig
geworden sei (78., S. 3); andere haben angegeben, daß ihre Beschneidung nicht
irgendein militärischer Unterführer, sondern der jeweilige Kapitän (Hauptmann)
ihrer Einheit selbst befohlen habe (78., S. 7 u. 13 f.). Wenn schließlich der
ranghöchste Vorgesetzte in S auf eine Beschwerde hin geäußert hat, es sei
beschlossene Sache, in der Türkei einen islamischen Einheitsstaat zu schaffen
(78., S. 3), so bestätigt dies hinreichend deutlich, daß die Militärführung offenbar
dem Laizismus nicht mehr hinreichend Geltung verschafft und vor dem
Hintergrund der in der Türkei spürbaren Rückbesinnung auf islamische Werte
Übergriffe gegenüber christlichen Wehrpflichtigen nicht mehr energisch genug
unterbindet (56.; 61.; 74. S. 4; 77., S. 5). Nimmt man noch hinzu, daß der
Generalstab im Ramadan 1984 kollektiv gefastet hat und daß in letzter Zeit
Offiziere zum gemeinsamen Freitagsgebet aufgefordert haben (77., S. 5), ferner
daß der Staatsminister für das Amt für religiöse Angelegenheiten am 10.
November 1989 geäußert haben soll, es sei jetzt notwendig, die Christen zu
islamisieren (76., S. 18; vgl. dazu auch 61., S. 6), so liegen nunmehr die - vom
Senat bisher vermißten (vgl. zuletzt vor allem Hess. VGH, 27.02.1989 - 12 UE
839/85 -, 20.11.1989 - 12 UE 2336/85 - u. 04.12.1989 - 12 UE 2652/85 u. 12 UE
63/86 -) - verwertbaren Tatsachen vor, die auf eine Förderung oder zumindest
Duldung von Zwangsbeschneidungen gegenüber christlichen Wehrpflichtigen
hindeuten. Denn einmal sind jetzt konkrete Fälle bekannt, in denen Beschwerden
eingereicht und bei höherer Stelle erfolglos geblieben sind, und zum anderen
finden sich Äußerungen verantwortlicher Personen in der Öffentlichkeit oder
gegenüber Betroffenen, die - im Einklang mit entsprechenden Beschlüssen des
"Islamischen Rates" aus dem Jahr 1984 (vgl. 65.) - den generellen Schluß auf eine
staatliche Politik zulassen, die den Umstand mindestens mit Wohlwollen sieht -
wenn nicht sogar gezielt herbeiführt -, daß sich Christen durch Drangsalierungen
auf verschiedensten Ebenen - nicht nur beim Militär - zur Ausreise veranlaßt sehen
(56.; 77., S. 4; vgl. auch 43., S. 7, u. 45, S. 4). Bei alledem bedarf es - zumal keiner
der Beteiligten das vorliegende Tatsachenmaterial angezweifelt oder die Einholung
weiterer Auskünfte oder gutachtlicher Stellungnahmen substantiiert beantragt hat
- derzeit keiner diesbezüglichen weiteren Ermittlungen; denn bereits auf der
Grundlage der dem Senat vorliegenden Erkenntnisquellen steht fest, daß
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65
Grundlage der dem Senat vorliegenden Erkenntnisquellen steht fest, daß
gegenwärtig nicht (mehr) davon die Rede sein kann, daß der türkische Staat im
großen und ganzen erfolgreich das pflichtwidrige Handeln von Militärangehörigen
bekämpft und daß deshalb - trotz Mißlingens einer lückenlosen Verhinderung und
Ahndung aller in seinem Machtbereich auftretenden Vorfälle - seine asylrechtliche
Verantwortlichkeit entfällt (Hess.VGH, 26.03.1990 - 12 UE 2702/86, 12 UE 2970/86,
12 UE 2997/86 u. 12 UE 2998/86 -, 23.04.1990 - 12 UE 2579/85, 12 UE 2581/85 u.
12 UE 61/86 - sowie 02.05.1990 - 12 UE 1078/84, 12 UE 1116/84 u. 12 UE 2784/87
-).
Indessen reichen die vorliegenden Feststellungen nicht für die Annahme aus, daß
christliche Wehrpflichtige allgemein mit einer Zwangsbeschneidung im Militär in
dem Sinne zu rechnen haben, daß daraus auf eine politische Kollektivverfolgung
aller Christen oder zumindest des abgegrenzten Kreises aller wehrpflichtigen
Gruppenangehörigen geschlossen werden könnte. Denn die Annahme einer
Gruppenverfolgung setzt eine Verfolgungsdichte voraus, die in quantitativer
Hinsicht die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen aufweist, daß
dabei nicht mehr nur von - möglicherweise zahlreichen - individuellen Übergriffen
gesprochen werden kann, sondern von einer ohne weiteres bestehenden aktuellen
Gefahr eigener Betroffenheit jedes Gruppenmitglieds (BVerwG, 08.02.1989 - 9 C
33.87 -, EZAR 202 Nr. 15 = NVwZ-RR 1989, 502). Dafür genügen die bisher
lediglich für vier Standorte festgestellten Zwangsbeschneidungen von christlichen
Wehrpflichtigen - für andere Standorte wie Gümüshaciköy und Denizli
beispielsweise konnten in jüngster Zeit entsprechende Feststellungen nicht
getroffen werden (82., S. 18) - für sich allein noch nicht, zumal aus einer
politischen Verfolgung der wehrpflichtigen Gruppenangehörigen nicht ohne
weiteres eine Kollektivverfolgung der Syrisch-Orthodoxen insgesamt entnommen
werden könnte (BVerwG, 24.08.1989 - 9 B 301.89 -, NVwZ 1990, 80 = InfAuslR
1989, 348).
Ebensowenig droht im Rückkehrfall den Klägern allgemein mittelbare staatliche
Gruppenverfolgung im Hinblick auf mögliche Übergriffe muslimischer Eiferer, für
die der türkische Staat Verantwortung zu tragen hätte. Wie bereits ausgeführt,
hatten die syrisch-orthodoxen Christen bis zur Ausreise der Klägerin aus der Türkei
eine derartige politische Verfolgung nicht zu befürchten. Inzwischen hat sich die
Sicherheitslage nach der Machtübernahme durch die Militärs im September 1980
allgemein erheblich verbessert, und dies hat sich nach allgemeiner Einschätzung
auch zugunsten der syrisch-orthodoxen Christen in Istanbul wie in anderen
Landesteilen ausgewirkt (vgl. dazu etwa: 18. S. 34; 21.; 26.; 27.; 28.; 33.; 35.; 37.).
Das Auswärtige Amt hat dazu nach eingehenden Gesprächen mit syrisch-
orthodoxen Geistlichen unter Bezugnahme auf einen deutschsprachigen Bericht in
dem Organ der Erzdiözese der syrisch-orthodoxen Kirche von Antiochien in Europa
vom Dezember 1982/Januar 1983 einen zunehmenden staatlichen Schutz für die
syrisch-orthodoxen Christen nach der Machtübernahme durch die Militärs
festgestellt (33.). Die evangelische Gemeinde deutscher Sprache in der Türkei
berichtet davon, daß von der Geistlichkeit und von einzelnen Gemeindemitgliedern
immer wieder festgestellt werde, daß sich die Verhältnisse nach dem 12.
September 1980 gebessert hätten (26.). Die Sürjanni Kadim berichtet, ihre
Mitglieder befänden sich wie jeder andere türkische Bürger nach dem 12.
September 1980 "in Ruhe und in Sicherheit" (27.). Nach Auskunft der
Sachverständigen Dr. H -A hat sich nach dem 12. September 1980 auch in
Istanbul die Lage der syrisch-orthodoxen Christen wesentlich verbessert (28.). Zu
dem selben Ergebnis gelangten die Teilnehmer einer von der evangelischen
Akademie Bad Boll im Mai 1983 veranstalteten Studienfahrt in die Türkei (30., S. 7
und 18). Soweit eine Verbesserung der Sicherheitslage mit den entsprechenden
Auswirkungen auf die Situation der Syrisch-Orthodoxen in Istanbul bezweifelt wird
(32., S. 17 ff.), fehlt es an konkreten Hinweisen darauf, daß sich tatsächlich
entgegen der allgemeinen Lebenserfahrung die in der Türkei in den letzten Jahren
zu beobachtende Verbesserung der Sicherheitslage nicht auch zugunsten der
christlichen Bevölkerung ausgewirkt haben könnte. Auch bei Berücksichtigung
neuerer Erkenntnisquellen hält der Senat an dieser Einschätzung fest.
Insbesondere läßt die insgesamt vorsichtig gehaltene und nach Straftaten
differenzierende Stellungnahme des Sachverständigen Dr. O an das
Verwaltungsgericht Kassel vom 11. Juli 1988 (59.) nicht die Annahme zu, daß
türkische Staatsbürger christlichen Glaubens generell gegenüber Straftaten
muslimischer Staatsbürger strafrechtlichen Schutz nicht erhielten; entsprechend
ist das Gutachten der Gesellschaft für bedrohte Völker vom Dezember 1988 (63.,
S. 13 ff.) zu würdigen. Denn nach einer aktuellen Auskunft des Auswärtigen Amts
(72.) sind keine Fälle bekannt geworden, in denen christlichen Türken behördlicher
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71
(72.) sind keine Fälle bekannt geworden, in denen christlichen Türken behördlicher
Schutz durch Abweisung ihrer Strafanzeigen versagt worden ist (im Ergebnis
ebenso Bay. VGH, 29.11.1985 - 11 B 85 C 35 -; VGH Baden-Württemberg,
20.06.1985 - A 13 S 221/84 - und 09.02.1987 - A 13 S 709/86 -; OVG Bremen,
14.04.1987 - 2 BA 28/85 und 32/85 -; OVG Hamburg, 10.06.1987 - Bf V 21/86 -;
OVG Nordrhein-Westfalen, 19.02.1987 - 18 A 10315/86 -; ständige Rechtsprechung
des Senats, vgl. etwa 14.05.1990 - 12 UE 62/86 - m.w.N.).
Zu einer Bewertung sieht sich der Senat auch nicht durch die von den Klägern im
Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegten Informationen darüber veranlaßt,
daß es in den letzten Monaten an verschiedenen Orten in der Türkei zu Überfällen
auf syrischorthodoxe Bewohner gekommen ist, die zum Teil mit dem Tod der
Überfallenen endeten. Denn diese Berichte beziehen sich - unabhängig von der
Frage des Verhaltens staatlicher Stellen und der möglicherweise fehlenden
Bereitschaft zur ernsthaften Aufklärungsarbeit - sämtlich nur auf einzelne Orte in
bestimmten Regionen, so daß unter dem Gesichtspunkt der Verfolgungsdichte
(vgl. BVerwG, 08.02.1989 - 9 C 33.87 -, EZAR 202 Nr. 15 = NVwZ-RR 1989, 502)
nicht für das gesamte Land von einer aktuellen Gefahr eigener Betroffenheit eines
jeden syrisch-orthodoxen Christen gesprochen werden kann.
5.
Für die Kläger zu 1) und 2) kann auch nicht festgestellt werden, daß gerade ihnen
bei einer Rückkehr in ihre Heimat im derzeitigen Zeitpunkt politische, nämlich an
ihre Religionszugehörigkeit anknüpfende Einzelverfolgung droht.
Dabei ist für die hinsichtlich des Rückkehrfalles anzustellende Prognose davon
auszugehen, daß Familienmitglieder nach der Lebenserfahrung einander in
Notsituationen nicht mutwillig im Stich lassen und einander nicht einem
unsicheren Schicksal preisgeben, dessen erkennbar bedrohliche Folgen sie ohne
eigene Gefährdung oder übermäßige Anstrengung abwenden können, und deshalb
spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, daß z. B. der Ehemann einer mit ihrem
Asylbegehren erfolglos gebliebenen Frau, diese heimbegleitet, wenn sie ohne ihn
einer Existenzgefährdung ausgesetzt wäre (BVerwG, 06.03.1990 - 9 C 14.89, 9 C
15.89 u. 9 C 16.89 -). Die genannte Vermutung gilt freilich nur für das Verhältnis
von Eltern zu ihren noch sorgebedürftigen Kindern und von Eheleuten
untereinander und überdies nur dann, wenn nicht ihr entgegenstehende Tatsachen
festgestellt sind, wie etwa die Anerkennung des Familienvaters als politisch
Verfolgter oder dessen erklärte Absicht, auf keinen Fall in das Herkunftsland
zurückzukehren (BVerwG, a.a.O.). Selbst wenn man vorliegend zugunsten der
Klägerin zu 2) davon ausgehen wollte, daß diese allein in die Türkei zurückkehren
müßte, obwohl ihrem Ehemann, dem Kläger zu 1), ein Asylanspruch nach
Auffassung des Senats nicht zusteht, so daß diesem eine Rückkehr grundsätzlich
zumutbar erschiene, kommt auch eine Asylanerkennung der Klägerin zu 2) nicht in
Betracht. Für den Kläger zu 1) wäre - unterstellt, sie wäre vorhanden - die
Rückkehrbereitschaft der Ehefrau unter dem Gesichtspunkt der möglichen
Schutzgewährung ohnehin von untergeordneter Bedeutung.
Die Verfolgungsprognose ist für das gesamte Territorium des Heimatstaats
anzustellen; eine Beschränkung auf etwa den Geburts- oder den letzten
Herkunftsort ist nicht statthaft. Droht dem Asylsuchenden nämlich politische
Verfolgung nur in einem Teil des Heimatstaats, so kann er auf Gebiete verwiesen
werden, in denen er vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist, es sei denn,
es drohen dort andere Nachteile und Gefahren, die nach ihrer Intensität und
Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung aus politischen Gründen
gleichkommen, sofern diese existentielle Gefährdung am Herkunftsort so nicht
bestünde (BVerfG, 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u. a. -, BVerfGE 80, 315 = EZAR 201
Nr. 20).
Insgesamt bleibt für diese Verfolgungsprognose auch ohne Bedeutung, ob die
Kläger aufenthaltsrechtlich zu einer Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland
und einer Rückkehr gezwungen werden könnten, so daß auch auf sie bezogen
ohne Bedeutung ist, daß sie aufgrund der seit 1985 bestehenden Erlaßlage als
syrisch-orthodoxe Christen unabhängig vom Ausgang ihres Asylverfahrens im
Bundesgebiet bleiben dürften (vgl. jetzt auch Erlasse des Hessischen Ministeriums
des Innern und für Europaangelegenheiten vom 10. und 17. Juni 1991 - II A 5-23 d -
zu § 100 bzw. §§ 32, 45 Abs. 3, 54 AuslG, Erlaß vom 20. September 1991 - II A 51-
23 d -).
Es ist davon auszugehen, daß sich die Kläger zu 1) und 2) derzeit sowohl in B, wo
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Es ist davon auszugehen, daß sich die Kläger zu 1) und 2) derzeit sowohl in B, wo
die Familie zunächst gelebt hatte, als auch in I, wo sie sich vor ihrer Ausreise
aufgehalten hatte, niederlassen könnten, ohne mit unmittelbar drohender
asylrelevanter politischer Verfolgung rechnen zu müssen. Denn die Verbesserung
der Sicherheitslage nach der Machtübernahme durch die Militärs im September
1980 hat sich auch zugunsten der Christen ausgewirkt; hieran hat sich im Ergebnis
bis heute nichts geändert. Offenbar gibt es aus jüngerer Zeit auch keine
Bezugsfälle, in denen Christen und Christinnen im Alter der jetzt an die 70 bzw. an
die 60 Jahre alten Kläger zu 1) und 2) ernsthaft an der Ausübung ihrer Religion
gehindert worden sind. Mithin kann nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit
angenommen werden, daß die Kläger im Rückkehrfalle von an ihre
Religionszugehörigkeit anknüpfenden Übergriffen muslimischer Türken betroffen
und diesen Verfolgungsmaßnahmen schutzlos ausgesetzt wären. Insbesondere
kann hinsichtlich der Klägerin zu 2) angesichts ihres Alters nicht davon
ausgegangen werden, daß ihr - wie dies der Senat in Bezug auf jüngere Frauen
und Frauen mittleren Alters, auch wenn sie verheiratet sind, in ständiger
Rechtsprechung annimmt - im Rückkehrfall Entführung durch muslimische Männer
und damit notwendigerweise der zwangsweise Übertritt zum Islam droht (vgl.
zuletzt Hess. VGH, 25.02.1991 - 12 UE 2583/85 -, 15.07.1991 - 12 UE 30/86 -).
Zudem stellt der Senat bei den Frauen, denen eine derartige Gefahr von ihrem
Alter her grundsätzlich drohen kann, darauf ab, ob die betroffene Frau im
Rückkehrfall über einen funktionierenden sozialen und gesellschaftlichen Rückhalt
verfügen würde, durch den Schutz vor Entführung gewährt wird (vgl. etwa Hess.
VGH, 30.07.1990 - 12 UE 2651/85 -).
Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, daß die Kläger zu 1) und 2) weder in
ihrem früheren Heimatort B noch in I in der Lage sein würden, eine ausreichende
materielle Lebensgrundlage zu erlangen. Schon angesichts ihres Alters ist es
nämlich nicht ersichtlich, wie es ihnen wo auch immer in der Türkei gelingen sollte,
sich eine eigenständige Existenz aufzubauen; dies gilt umso mehr, als sämtliche
Verwandte aus ihrer Familie die Türkei verlassen haben, so daß ihnen jede
Anlaufadresse fehlen würde. Auch können sie nicht damit rechnen, vom türkischen
Staat Hilfe zum Lebensunterhalt zu bekommen. Selbst wenn sie aber über
gewisse finanzielle Mittel verfügen sollten, etwa durch Geldüberweisungen der in
der Bundesrepublik Deutschland lebenden Kinder, ist nicht ohne weiteres
sichergestellt, daß sie auch Obdach und die notwendige Betreuung finden könnten.
Der frühere Besitz der Familie in B dürfte den Muslimen, die ihn sich angeeignet
haben, kaum wieder wegzunehmen sein.
All dies ist jedoch asylrechtlich nicht von Bedeutung, sondern allein unter
ausländerrechtlichen Gesichtspunkten relevant. Der erkennende Senat hatte zwar
zugunsten einer als vorverfolgt anzusehenden mindestens 72jährigen türkischen
Christin zunächst eine im Rückkehrfalle drohende existentielle Notlage als
asylrelevant anerkannt (16.05.1988 - 12 UE 2571/85 -). Dieses Urteil ist jedoch
vom Bundesverwaltungsgericht mit der Begründung aufgehoben worden, daß
mangels derzeitiger Verfolgungsbetroffenheit eine Asylanerkennung selbst dann
nicht in Betracht komme, wenn die durch eine frühere Verfolgungsgefahr
veranlaßte Flucht dadurch nachwirke, daß der Ausländer nunmehr bei einer
Rückkehr in seinen Heimatstaat in eine existenzbedrohende wirtschaftliche
Notlage geraten würde (31.01.1989 - 9 C 43.88 -, EZAR 200 Nr. 24). Im Hinblick
darauf hat der erkennende Senat schon bisher an seiner früheren Auffassung nicht
mehr festgehalten (vgl. 07.05.1990 - 12 UE 615/89 - m.w.N.). Unerheblich ist in
diesem Zusammenhang, daß auf eine sogenannte inländische Fluchtalternative
nur verwiesen werden kann, wenn dem Betroffenen in den in Betracht kommenden
Gebieten auch keine asylunabhängigen Nachteile und Gefahren drohen, die nach
ihrer Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung aus
politischen Gründen gleichkommen, sofern diese existentielle Gefährdung am
Herkunftsort so nicht bestünde. Denn hierauf kommt es im vorliegenden Fall
schon deshalb nicht an, weil gegenwärtig eine politische Verfolgung der Kläger zu
1) und 2) landesweit auszuschließen ist und deshalb - mangels Betroffenheit von
mindestens regionaler politischer Verfolgung - gar kein Raum für die Frage ist,
unter welchen Voraussetzungen eine zumutbare inländische Fluchtalternative
angenommen werden kann (BVerwG, 31.01.1989, a.a.O.; Hess. VGH, 04.12.1989 -
12 UE 63/86 -). Danach kann die die Kläger zu 1) und 2) bei einer Rückkehr in den
Heimatstaat voraussichtlich erwartende existentielle Notlage nicht bei der
Entscheidung über die vorliegende Asylverpflichtungsklage, sondern nur bei der
Frage berücksichtigt werden, ob ihnen ungeachtet der Ablehnung ihres
Asylantrags der weitere Aufenthalt zu gestatten ist.
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6.
Dem Kläger zu 3) droht indessen zur Überzeugung des Senats bei einer Rückkehr
in seine Heimat zum derzeitigen Zeitpunkt mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit
politische, nämlich an seine Religionszugehörigkeit anknüpfende Einzelverfolgung
im Rahmen des für ihn absehbar bevorstehenden Militärdienstes (Hess. VGH,
26.03.1990 - 12 UE 2997/86 -, siehe auch 12.08.1991 - 12 UE 149/86 -, ständige
Rechtsprechung).
Im Hinblick darauf, daß der Kläger zu 3) zwischenzeitlich 24 Jahre alt ist, sich die zu
erwartende politische Verfolgung im Rahmen der Wehrdienstleistung abspielen
wird und hiergegen wirksame Hilfe auch dann nicht zu erlangen wäre, wenn
Verwandte mit dem Kläger zurückkehren oder sich sonst noch in der Türkei
aufhalten würden, braucht hier nicht weiter auf die Frage eingegangen zu werden,
welche Bedeutung einer eventuellen Rückkehrbereitschaft von nahen Verwandten
zukommt (vgl. zur Problematik BVerwG, 06.03.1990 - 9 C 14.89 und 9 C 15.89 -;
Hess. VGH, 26.03.1990 - 12 UE 2702/86 -, - 12 UE 2970/86 - und - 12 UE 2998/86 -
); da außerdem mit der Einberufung zu rechnen ist unabhängig davon, wo der
Kläger seinen Wohnsitz nimmt, ist auch eine sogenannte "inländische
Fluchtalternative" nicht ersichtlich, auf die der Kläger verwiesen werden könnte
(vgl. näher BVerfG, 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315 = EZAR 201
Nr. 20).
Dem Kläger zu 3) droht deshalb mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische
Verfolgung, weil er bei einer Rückkehr in absehbarer Zeit mit seiner Heranziehung
zum türkischen Militärdienst und dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit
seiner zwangsweisen Beschneidung rechnen müßte. Er unterliegt mit seinem Alter
der vom 20. bis zum 46. Lebensjahr bestehenden Wehrpflicht (53.; 63., S. 15). Da
für eine eventuelle Wehrdienstunfähigkeit oder für sonstige Gründe, die seiner
Einberufung entgegenstehen könnten, nichts ersichtlich oder von den Beteiligten
dargetan ist, muß der Kläger zu 3) nach seiner Rückkehr jederzeit mit seiner
Erfassung, Musterung und anschließenden Einberufung rechnen. Insbesondere ist
dafür, daß es dem Kläger zu 3) gelingen könnte, sich vollständig vom Wehrdienst
"freizukaufen", nichts ersichtlich. Abgesehen davon, daß dies für Nicht-
Hochschulabsolventen auf legalem Wege kaum möglich sein dürfte (42.), fehlen
ausreichende Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger zu 3) den dafür gegebenenfalls
erforderlichen hohen Geldbetrag (vgl. 40.; 74.) allein oder mit Hilfe seiner
Verwandten aufbringen könnte. Allenfalls käme gegen Zahlung einer ebenfalls
hohen Geldsumme eine Reduzierung des Militärdienstes auf zwei Monate in
Betracht (74., S. 2), was aber die Gefährdung des Klägers zu 3) nicht maßgeblich
mindern würde, weil die Beschneidungen erfahrungsgemäß in der Zeit während
der Grundausbildung erfolgen. Da die Religionszugehörigkeit - wenn sie nicht
ohnehin schon aus den Personalpapieren ersichtlich ist - zumindest beim
gemeinsamen Duschen jedenfalls dadurch offenbart werden wird (77., S. 3), daß
der Kläger zu 3) nicht beschnitten ist, wird er während der Militärzeit seine
nichtmuslimische Religion mit Sicherheit nicht verbergen können; dies gilt um so
mehr, als nach den Bekundungen von einigen der im Verfahren 12 UE 2997/86
vernommenen Zeugen (78.) davon auszugehen ist, daß die nichtmuslimischen
Wehrpflichtigen gesondert festgestellt zu werden pflegen. Während der Militärzeit
droht christlichen Wehrpflichtigen gegenwärtig mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit
eine Beschneidung gegen ihren Willen. Zwar reichen die dem Senat hierzu bisher
vorliegenden Erkenntnisse, die sich auf vier Standorte beschränken, nicht aus, um
eine zur Annahme einer Gruppenverfolgung führende Verfolgungsdichte
festzustellen (vgl. oben II. 4.), zumal neuere Unterlagen ergeben, daß bei
zielgerichteten Nachfragen für - vereinzelte - Standorte vergleichbare Vorfälle in
jüngster Zeit nicht bekanntgeworden sind (82., S. 17 f.). Dies steht indessen der
Bejahung einer gerade dem Kläger drohenden Einzelverfolgung nicht entgegen.
Bei seiner diesbezüglichen Prognose läßt sich der Senat nicht etwa von rein
quantitativen oder statistischen Erwägungen leiten; die Prognose ist vielmehr das
Ergebnis einer zusammenfassenden Bewertung des relevanten Sachverhalts,
wobei vor allem der Verfolgungsdichte an den vier erkenntnisträchtigen
Standorten, welche auf eine vergleichbare, wenngleich bisher nicht bekannt
gewordene Situation an anderen Standorten hindeutet, der Schwere des
drohenden Eingriffs und den in jüngster Zeit stetig zunehmenden
Islamisierungstendenzen erhebliche Bedeutung zuzumessen ist, so daß im
Ergebnis die für eine Verfolgung sprechenden Umstände größeres Gewicht
besitzen als die dagegen sprechenden (vgl. zum Prognosemaßstab insbesondere
BVerwG, 23.02.1988 - 9 C 32.87 -, EZAR 630 Nr. 25). Nach den bereits oben
77
BVerwG, 23.02.1988 - 9 C 32.87 -, EZAR 630 Nr. 25). Nach den bereits oben
getroffenen Feststellungen kann jedenfalls von nur vereinzelten Übergriffen
fanatischer Muslime oder von einer besonders gelagerten Ausnahmesituation in
einem einzelnen Standort nach Auffassung des Senats nicht (mehr) die Rede sein.
Dem Kläger zu 3), der selbst ausdrücklich auf von anderen Wehrpflichtigen aus
seinem Verwandten- und Bekanntenkreis während ihrer Militärzeit gemachte
negative Erfahrungen verwiesen hat, befürchtet demnach zu Recht für den Fall
einer Einberufung ihn selbst treffende asylrelevante Verfolgung, die sich der
türkische Staat - wie ebenfalls oben im einzelnen dargelegt - zurechnen lassen
müßte, weil nicht mehr davon ausgegangen werden kann, daß er Übergriffe auf
christliche Wehrpflichtige im Militär im großen und ganzen erfolgreich bekämpft (im
Ergebnis a.A. OVG Nordrhein-Westfalen, 19.08.1991 - 14 A 10109/89 -).
7.
Im Hinblick darauf, daß der Kläger zu 3) unverfolgt ausgereist ist und sich die ihm
im Rückkehrfalle drohende Verfolgung mithin als sog. Nachfluchttatbestand
darstellt, weist der erkennende Senat auf folgendes hin: Nach der Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts (26.11.1986 - 2 BvR 1058/85 -, BVerfGE 72, 51 =
EZAR 200 Nr. 18, 17.11.1988 - 2 BvR 442/88 -, InfAuslR 1989, 31, u. 08.03.1989 - 2
BvR 627/87 -, BayVBl. 1989, 561) setzt das Asylgrundrecht des Art. 16 Abs. 2 Satz
2 GG von seinem Tatbestand her grundsätzlich den Zusammenhang zwischen
Verfolgung und Flucht voraus und kann deshalb grundsätzlich nicht auf sog.
subjektive Nachtfluchttatbestände erstreckt werden, die der Asylbewerber risikolos
vom gesicherten Ort aus durch eigenes Tun geschaffen hat; etwas anderes gelte -
als allgemeine Leitlinie - nur dann, wenn die selbstgeschaffenen
Nachfluchttatbestände sich als Ausdruck und Fortführung einer schon während des
Aufenthalts im Heimatstaat vorhandenen und erkennbar betätigten Überzeugung
darstellten. Diese Rechtsprechung ist im Schrifttum zwar vorwiegend auf Kritik
gestoßen (vgl. u.a. Brunn, NVwZ 1987, 301; J. Hofmann, ZAR 1987, 115; J.
Hofmann, DÖV 1987, 491; R. Hofmann, NVwZ 1987, 295; Huber, NVwZ 1987, 391;
Kimminich, JZ 1987, 194; Wolff, InfAuslR 1987, 60; Wollenschläger/Becker, ZAR
1987, 51, 54 f.). Dennoch hat sich das Bundesverwaltungsgericht ihr
zwischenzeitlich unter Hinweis auf die seiner Ansicht nach insoweit bestehende
Bindungswirkung gemäß § 31 BVerfGG angeschlossen und ausgeführt, seine
frühere Rechtsprechung zu den subjektiven Nachfluchttatbeständen sei überholt
und die Vorschrift des § 1a AsylVfG laufe für solche Nachfluchttatbestände leer, die
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schon vom
Anwendungsbereich des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG ausgeschlossen seien, und
regele für die beachtlichen Nachtfluchttatbestände darüber hinaus, daß
bestimmte, ihre Herbeiführung betreffende Umstände bei der Asylentscheidung
außer Betracht zu bleiben hätten (BVerwG, 19.05.1987 - 9 C 184.86 -, BVerwGE
77, 258 = EZAR 200 Nr. 19, 20.10.1987 - 9 C 147.86 -, 20.10.1987 - 9 C 42.87 -,
InfAuslR 1988, 22, 22.06.1988 - 9 B 65.88 -, InfAuslR 1988, 255, 22.06.1988 - 9 B
189.88 -, InfAuslR 1988, 254, u. 06.12.1988 - 9 C 91.87 -, InfAuslR 1989, 135).
Außerdem hat das Bundesverwaltungsgericht die vom Bundesverfassungsgericht
aufgestellten Grundsätze im Hinblick auf weitere Fallgruppen selbstgeschaffener
Nachfluchttatbestände präzisiert - etwa bezüglich der Asylantragstellung
(30.08.1988 - 9 C 80.87 -, InfAuslR 1988, 337, 30.08.1988 - 9 C 20.88 -, InfAuslR
1989, 32, 25.10.1988 - 9 C 50.87 -, InfAuslR 1989, 173, 17.01.1989 - 9 C 56.88 -,
BVerwGE 81, 170 = EZAR 200 Nr. 23, u. 11.04.1989 - 9 C 53.88 -) sowie bezüglich
sog. aktiver oder passiver Republikflucht (vgl. einerseits 06.12.1988 - 9 C 22.88 -,
InfAuslR 1989, 169, andererseits 21.06.1988 - 9 C 5.88 -, EZAR 201 Nr. 14 = NVwZ
1989, 68) - und dabei entschieden, daß auch eine wegen dieser Verhaltensweisen
im Rückkehrfalle drohende politische Verfolgung wie ein selbstgeschaffener
Nachfluchtgrund zu behandeln und deshalb asylrechtlich unbeachtlich sei, wenn
der Ausländer sich nicht bereits im Zeitpunkt seines diesbezüglichen Verhaltens in
einer politisch bedingten Zwangslage befunden habe, als deren Erscheinungsform
sich eine "latente Gefährdungslage" darstelle, in der keine hinreichende Sicherheit
vor Verfolgung bestehe. Der Senat hat zur Frage der Asylerheblichkeit
selbstgeschaffener Nachfluchttatbestände ebenso wie zu der einer möglichen
Bindung an die betreffende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
(kritisch hierzu VGH Baden-Württemberg, 19.11.1987 - A 12 S 761/86 -, NVwZ-RR
1989, 46) bisher noch nicht grundsätzlich Stellung genommen. Der vorliegende
Fall bietet ebenfalls keine Veranlassung für eine diesbezügliche
Grundsatzentscheidung. Denn es fehlt schon an der vom
Bundesverfassungsgericht zugrundegelegten Ausgangssituation, daß der
Asylbewerber den Nachfluchttatbestand risikolos vom gesicherten Ort aus durch
eigenes Tun geschaffen hat; die den Asylanspruch des Klägers zu 3)
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eigenes Tun geschaffen hat; die den Asylanspruch des Klägers zu 3)
begründenden Umständen sind nämlich nicht von ihm selbst - etwa durch seine
Ausreise - herbeigeführt worden, sondern ohne sein eigenes Zutun zum einen
durch eine Veränderung der Situation im türkischen Militär und zum andern
dadurch entstanden, daß er älter und infolgedessen wehrpflichtig geworden ist.
Deshalb handelt es sich bei der ihm im Rückkehrfall beim türkischen Militär
drohenden politischen Verfolgung um einen objektiven und damit beachtlichen
Nachfluchttatbestand.
II.
Der Kläger zu 3) kann neben der Verpflichtung der Beklagten zu 1) zu seiner
Anerkennung als Asylberechtigter auch deren Verpflichtung zu der Feststellung
verlangen, daß die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen; deshalb ist
die im Tenor zum Ausdruck gebrachte Neufassung des verwaltungsgerichtlichen
Ausspruchs geboten.
Seit dem Inkrafttreten des neuen Ausländerrechts am 1. Januar 1991 wird nämlich
mit jedem Asylantrag sowohl die Feststellung, daß die Voraussetzungen des § 51
Abs. 1 AuslG vorliegen, als auch, wenn der Ausländer dies nicht ausdrücklich
ablehnt, die Anerkennung als Asylberechtigter beantragt (§ 7 Abs. 1 Satz 2
AsylVfG); demzufolge ist in der Entscheidung des Bundesamts für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge ausdrücklich festzustellen, ob die
Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen und ob der Antragsteller als
Asylberechtigter anerkannt wird (§ 12 Abs. 6 Satz 3 AsylVfG). Da dem
Berufungsverfahren eine Asylverpflichtungsklage der Kläger zugrundeliegt, für
deren Beurteilung die gegenwärtige Sach- und Rechtslage maßgebend ist, sind -
angesichts des Fehlens von ihre Anwendung ausschließenden
Übergangsbestimmungen - die genannten Vorschriften hier anzuwenden. Denn
die Erweiterung der Begriffsbestimmung für den Asylantrag erweitert automatisch
auch den Inhalt des Asylverfahrens. § 12 Abs. 6 Satz 3 AsylVfG soll gewährleisten,
daß weder das Bundesamt noch im Falle der Klage die Gerichte von sich aus die
Entscheidung über einen Asylantrag auf die Frage der Anerkennung als
Asylberechtigter beschränken können (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs
der Bundesregierung, BT-Drs. 11/6321, S. 88 f.). Vor dem Hintergrund der
allgemein mit der Gesetzesänderung verfolgten Ziele der Konzentration und
Beschleunigung von Asylverfahren (vgl. BT-Drs. 11/6321, S. 48 f., und, in anderem
Zusammenhang, Hess. VGH, 23.11.1990 - 12 TH 1760/90 -, EZAR 632 Nr. 10) ist
grundsätzlich davon auszugehen, daß die Entscheidung über einen vor
Inkrafttreten der neuen Verfahrensvorschriften gestellten Asylantrag auch darauf
zu erstrecken ist, ob die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen (Hess.
VGH, 25.02.1991 - 12 UE 2583/85 - u. - 12 UE 2106/87 -, EZAR 231 Nr. 1 sowie
15.03.1991 - 10 UE 1538/86 -). Die danach kraft Gesetzes wirksam gewordene
Erweiterung der Begriffsbestimmung für den Asylantrag gilt regelmäßig auch für
die gerichtliche Entscheidung in solchen Fällen, in denen der Asylantrag zwar noch
nach früherem Recht gestellt ist, in denen aber erst nach Inkrafttreten der
Neuregelung gerichtlich entschieden wird. Eine Ausnahme hiervon ist nur dann
anzunehmen, wenn der von der gerichtlichen Nachprüfung betroffene
Asylbewerber selbst ausdrücklich eine Entscheidung über nur eine der beiden nach
§ 12 Abs. 6 Satz 4 AsylVfG selbständig anfechtbaren Feststellungen wünscht. Gibt
der Asylbewerber keine sein Rechtsschutzbegehren in diesem Sinne
einschränkenden Erklärung ab, so kann regelmäßig ohne weiteres davon
ausgegangen werden, daß er eine umfassende gerichtliche Überprüfung erstrebt.
Dies gilt ungeachtet der Beteiligtenstellung, die der Asylbewerber in dem
fraglichen Rechtsstreit innehat, mithin auch dann, wenn er nicht selbst Kläger oder
Berufungskläger ist; vor allem bedarf es bei Verfahrensgestaltungen der zuletzt
genannten Art keiner besonders einzulegenden Anschlußberufung des
Asylbewerbers, um eine gerichtliche Entscheidung auch hinsichtlich des Vorliegens
der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG zu erreichen (im Ergebnis ebenso
Hess. VGH, 25.02.1991 - 12 UE 2583/85 -; a. A. insoweit Hess. VGH, 15.03.1991 -
10 UE 1538/86 -).
Nach diesen Grundsätzen ist davon auszugehen, daß die Prüfung des klägerischen
Asylbegehrens auch darauf zu erstrecken ist, ob die Voraussetzungen des § 51
Abs. 1 AuslG in der Person der Kläger vorliegen. Denn ihr Bevollmächtigter hat in
der mündlichen Verhandlung am 4. November 1991 ausdrücklich klargestellt, daß
er eine entsprechende Entscheidung wünscht.
Da der Kläger zu 3) politisch Verfolgter ist, liegen mangels gegenteiliger
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Da der Kläger zu 3) politisch Verfolgter ist, liegen mangels gegenteiliger
Anhaltspunkte die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vor. Zu der
entsprechenden Feststellung ist die Beklagte zu 1) nach Maßgabe des insoweit
neugefaßten Tenors des erstinstanzlichen Urteils verpflichtet.
Demgegenüber ist für die Kläger zu 1) und 2) nicht ersichtlich, daß in der Türkei ihr
Leben oder ihre Freiheit wegen ihrer Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, ihrer
Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen
Überzeugung bedroht ist.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.