Urteil des HessVGH vom 23.05.1997

VGH Kassel: politische verfolgung, kosovo, tschechische republik, bundesamt für flüchtlinge, unhcr, ausreise, politische partei, amnesty international, wahrscheinlichkeit, kroatien

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
7. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 UE 1465/96.A
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 16a Abs 1 GG, § 51 Abs
1 AuslG 1990
(Jugoslawien: keine Gruppenverfolgung albanischer
Volkszugehöriger mit muslimischer Religionszugehörigkeit
im Kosovo bzw Südserbien; keine Verfolgungsgefahr
wegen einfacher Mitgliedschaft in der PVD)
Tatbestand
Der 1968 in Novo Selo, Bez. Bujanovac (östlich angrenzend an die Provinz
Kosovo), Serbien, geborene Kläger ist jugoslawischer Staatsangehöriger
albanischer Volks- und muslimischer Religionszugehörigkeit. Seinen Angaben
zufolge hat der Kläger keinen Beruf erlernt und war zuletzt arbeitslos. Ebenfalls
nach eigenen Angaben verließ der Kläger Ende Juni 1993 seine Heimat und reiste
über Bulgarien, Rumänien, Ungarn, die Slowakei und die Tschechische Republik
nach Deutschland ein, wo er sich bei der Zentralen Anlaufstelle in Schwalbach als
Asylsuchender meldete und am 2. Juli 1993 hierüber eine für eine Woche gültige
Bescheinigung erhielt.
Am 20. Juli 1993 stellte der Kläger beim Bundesamt für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge (im folgenden: Bundesamt) - Außenstelle Gießen - einen
Asylantrag. Laut Niederschrift zu diesem Antrag vom selben Tage gab der Kläger
anläßlich seiner Anhörung durch das Bundesamt an: Seine letzte Anschrift im
Heimatland sei diejenige seiner Eltern in Novo Selo, Bez. Bujanovac, gewesen.
Dort habe er seit Januar 1993 wieder gelebt. Zuvor habe er viele Jahre lang, und
zwar von März 1989 bis Dezember 1992, in Kroatien gewohnt und deshalb auch
einen kroatischen Führerschein besessen. Am 8. Mai 1993 sei ihm dieser
Führerschein von der Polizei in Gnjilane, Provinz Kosovo, abgenommen worden, da
die Polizei zu Unrecht angenommen habe, daß er für die kroatische Armee
gekämpft hätte. Laut einer polizeilichen Bescheinigung - die der Kläger vorlegte -
habe er sich am 10. Mai 1993 in der Führerscheinangelegenheit nochmals bei der
Polizei in Gnjilane melden sollen. Davor habe er Angst gehabt, weil er befürchtet
habe, ins Kriegsgebiet nach Bosnien geschickt zu werden. Fälle dieser Art hätten
sich seinerzeit ereignet; er habe selbst gesehen, wie die Polizei junge Männer in
einem Jeep verfrachtet habe, und später von deren Verwandten gehört, daß sie in
Bosnien hätten Kriegsdienst leisten müssen. Politisch tätig gewesen sei er nicht;
die Umstände im Zusammenhang mit der polizeilichen Beschlagnahme seines
kroatischen Führerscheins seien der einzige Grund für seine Ausreise am 29. Juni
1993 gewesen. Er sei dann mit einem Bus in die Tschechische Republik gereist und
habe von dort aus mit Hilfe eines ihm unbekannten Schleppers gegen Bezahlung
von 1.200,-- DM am 2. Juli 1993 die Grenze nach Deutschland überschritten.
Mit Bescheid vom 31. August 1993 - zugestellt am 17. September 1993 - lehnte
das Bundesamt den Antrag auf Asylanerkennung ab, stellte fest, daß die
Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53
AuslG nicht vorlägen, und drohte dem Kläger für den Fall der Nichtausreise binnen
eines Monats nach Bekanntgabe dieses Bescheids bzw. im Falle einer
Klageerhebung nach dem unanfechtbaren Abschluß des Asylverfahrens die
Abschiebung - primär nach Jugoslawien - an. Zur Begründung wurde im
wesentlichen ausgeführt: Aus dem Vorbringen des Klägers ergäben sich keine
hinreichenden Anhaltspunkte dafür, daß er sich aus begründeter Furcht vor
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hinreichenden Anhaltspunkte dafür, daß er sich aus begründeter Furcht vor
Verfolgung außerhalb Jugoslawiens aufhalte oder bei Rückkehr mit
Verfolgungsmaßnahmen rechnen müsse. Die ihm zugegangene Aufforderung, sich
bei der Polizei zu melden, habe der Ahndung kriminellen Unrechts gedient, da die
Polizei ausweislich der vom Kläger vorgelegten Bescheinigung eine Fälschung des
kroatischen Führerscheins vermutet habe. Außerdem fehle vorübergehenden
polizeilichen Überprüfungsmaßnahmen regelmäßig die für eine asylerhebliche
Verfolgung erforderliche Eingriffsintensität. Der Kläger habe auch nicht mit einem
Einsatz im Kriegsgebiet rechnen müssen, da sich spätestens seit Oktober 1992
keine Truppen der Bundesrepublik Jugoslawien mehr auf bosnischem Territorium
aufgehalten hätten.
Wegen der Asylantragstellung in Deutschland bestehe ebenfalls keine beachtliche
Verfolgungsgefahr.
Mit am 1. Oktober 1993 eingegangenem Schriftsatz erhob der Kläger hiergegen
Klage.
Zur Begründung bezog er sich zunächst auf seine Angaben bei der
Vorprüfungsanhörung, die er mit Schriftsatz seiner früheren Bevollmächtigten vom
15. Oktober 1993 wie folgt ergänzte und korrigierte: Er habe im Jahre 1988 einen
Einberufungsbescheid für den Einsatz im Bosnien-Krieg erhalten. Deshalb sei er
nach Kroatien geflüchtet, wo er bis Dezember 1992 geblieben sei und seinen
serbischen Führerschein in einen kroatischen habe umschreiben lassen. Bei seiner
Rückkehr sei er von der serbischen Polizei kontrolliert worden; diese habe ihm
vorgeworfen, daß sein kroatischer Führerschein ungültig sei und daß er auf seiten
der Kroaten gekämpft habe. Er sei festgenommen, mehrere Tage inhaftiert und
geschlagen worden. Den Vorwurf der Urkundenfälschung habe die Polizei
offensichtlich nur vorgeschoben. Er habe sich am 10. Mai 1993 nochmals bei der
Polizei melden sollen; daraufhin sei er untergetaucht und am 29. Juni 1993
ausgereist. Soweit das Anhörungsprotokoll diesem Vorbringen entgegenstehe, sei
es lücken- und fehlerhaft, was wohl auf eine mangelhafte Übersetzung
zurückzuführen sei.
Später legte der Kläger eine Bescheinigung der Partei der Demokratischen Aktion
(PVD) mit Sitz in Bujanovac vom 2. Mai 1994 vor und behauptete, er sei aktives
Parteimitglied und deswegen der Verfolgung von Polizei, Sicherheitsdienst und
Armee ausgesetzt.
Mit Schriftsatz seines jetzigen Bevollmächtigten vom 30. November 1994 ließ der
Kläger vortragen: Er sei bereits am 27. Juni 1993 in Skopje (Mazedonien)
weggefahren und am folgenden Tage in Teplice (Tschechische Republik)
eingetroffen, und zwar zusammen mit seinen Freunden Hussein Azemi und
Bejtush Ademi. In der Nach vom 28. auf den 29. Juni hätten sie die Grenze nach
Deutschland überquert. Sie seien von einem Schlepper mit dessen Pkw auf der
tschechischen Seite bis nahe an die Grenze herangebracht und später auf der
deutschen Seite wieder aufgenommen und nach Schwalbach gefahren worden. Im
dortigen Asylbewerberheim hätten sie drei Nächte im Zimmer eines Freundes aus
Gnjilane, ihrem früheren gemeinsamen Wohnort im Kosovo, verbracht und sich
erst am 2. Juli 1993 als Asylsuchende gemeldet. Bei der Vorprüfungsanhörung
habe der Kläger auf Anraten des Sprachmittlers den Tag der Meldung als
Einreisetag angegeben, um mögliche Schwierigkeiten für sich und den Unterkunft
gewährenden Freund zu vermeiden. Die ladungsfähige Anschrift dieses Freundes
werde noch mitgeteilt.
Bei seiner informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem
Verwaltungsgericht am 20. Juli 1995 äußerte der Kläger: Seine Familie sei im März
1992 von Novo Selo, Bez. Bujanovac, nach Gnjilane, Provinz Kosovo, umgezogen.
Dort habe er im letzten Jahr vor seiner Ausreise gelebt; in Kroatien habe er nur
gearbeitet. Er sei Mitglied der "Partei für demokratische Tätigkeit", deren Ziel es
sei, für die Albaner die gleichen Rechte wie für die anderen Volksgruppen zu
erwirken; er habe Flugblätter mit Parolen für diese Partei verteilt. Schwierigkeiten
mit staatlichen Stellen habe er deswegen nicht bekommen. Wenn er aber bei
seinen Aktivitäten entdeckt worden wäre, hätte man ihn festgenommen. Er
fürchte, daß seine Mitgliedschaft jetzt bekannt sei und er deswegen im
Rückkehrfall verhaftet würde. Seinen kroatischen Führerschein habe er von der
Polizei nicht zurückerhalten; er habe sich nämlich am 10. Mai 1993 aus Angst nicht
bei der Polizei gemeldet, um ihn abzuholen. Am 27. Juni 1993 habe er Jugoslawien
verlassen und sei mit Hilfe eines Schleppers in einem Kombi hergekommen; nach
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verlassen und sei mit Hilfe eines Schleppers in einem Kombi hergekommen; nach
Deutschland eingereist sei er am 29. Juni 1993. Am folgenden Tage habe er seinen
Ausweis an der Pforte des Asylbewerberheims in Schwalbach abgegeben und
anschließend zwei Nächte lang dort geschlafen.
Der Kläger beantragte sinngemäß,
den Bescheid des Bundesamtes vom 31. August 1993 aufzuheben und die
Beklagte zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen,
daß die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen.
Die Beklagte beantragte unter Bezugnahme auf den angegriffenen Bescheid,
die Klage abzuweisen.
Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten äußerte sich nicht.
Das Verwaltungsgericht erhob aufgrund des Beschlusses vom 20. Juli 1995 Beweis
über das Datum der Einreise des Klägers nach Deutschland durch Vernehmung
des Hussein Azemi und des Bejtush Ademi als Zeugen. Wegen des Ergebnisses
der Beweisaufnahme wird auf die Verhandlungsniederschrift vom 20. Juli 1995
verwiesen.
Durch Urteil vom 20. Juli 1995 hob das Verwaltungsgericht - unter Abweisung der
Klage im übrigen - den Bescheid des Bundesamtes hinsichtlich der Feststellungen,
daß die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse
nach § 53 AuslG nicht vorlägen, sowie hinsichtlich der Abschiebungsandrohung auf
und verpflichtete die Beklagte festzustellen, daß die Voraussetzungen des § 51
Abs. 1 AuslG bezüglich Jugoslawien vorliegen. Zur Begründung wurde ausgeführt:
Der Kläger könne zwar nicht als Asylberechtigter anerkannt werden, weil er nach
dem 30. Juni 1993 aus einem sicheren Drittstaat nach Deutschland eingereist sei;
die Angaben des Klägers und der beiden Zeugen über eine frühere Einreise seien
nicht glaubhaft. Das Gericht gehe aber aufgrund der Angaben des Klägers
anläßlich seiner informatorischen Anhörung und aufgrund der Eintragungen in
seinem Personalausweis von der Herkunft des Klägers aus dem Kosovo aus. Als
albanischem Volkszugehörigen aus der Provinz Kosovo drohe ihm im Falle seiner
Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung. Das Gericht sei
nämlich davon überzeugt, daß Angehörige dieser Gruppe im Kosovo - da ein
staatliches Verfolgungsprogramm mit dem Ziel der Vertreibung eines großen Teils
der albanischen Bevölkerung dort bereits umgesetzt werde - staatlicher
Gruppenverfolgung ausgesetzt seien und daß sie auch außerhalb des Kosovo in
Jugoslawien keine verfolgungsfreie Zuflucht finden könnten. Besondere Umstände,
derentwegen der Kläger von dieser Verfolgungsgefahr ausgenommen sei, lägen
nicht vor.
Auf Antrag des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten hat der Senat die
Berufung gegen dieses Urteil mit Beschluß vom 17. April 1996 - 7 UZ 3084/95 -
hinsichtlich der Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG
zugelassen.
Der Bundesbeauftragte beantragt ohne nähere Begründung der Berufung
sinngemäß,
unter Abänderung des Urteils die Klage hinsichtlich der Feststellung der
Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er macht geltend, daß albanische Volkszugehörige im Kosovo auch nach den
Maßstäben der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des
Hessischen Verwaltungsgerichtshofs einer Gruppenverfolgung unterlägen;
abgesehen davon lägen in seiner Person auch individuelle Verfolgungsgründe vor.
Zu seiner politischen Betätigung für die PVD legt der Kläger einen am 1. Januar
1991 vom Vorsitzenden dieser Partei unterzeichneten Mitgliedsausweis sowie eine
Bescheinigung des Ortsverbandes Bujanovac vom 3. Februar 1997 vor; außerdem
beruft er sich insoweit auf das Zeugnis der im August 1996 ebenfalls ausgereisten
Miradije Haljimi, die er im selben Monat in Deutschland geheiratet habe. Diese
könne auch bezeugen, daß sein Vater im Gefängnis von Nis mißhandelt worden
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könne auch bezeugen, daß sein Vater im Gefängnis von Nis mißhandelt worden
und daran - ausweislich einer ebenfalls vorgelegten Sterbeurkunde am 6. Juli 1993
- verstorben sei.
Die Beklagte hat zu der Berufung nicht Stellung genommen.
Das Berufungsgericht hat aufgrund des Beschlusses vom 2. Mai 1996 über die
vom Kläger geltend gemachten Gründe politischer Verfolgung Beweis erhoben
durch dessen Vernehmung als Beteiligten. Insoweit wird auf die Niederschrift über
den Beweisaufnahmetermin vor dem Berichterstatter am 12. Juni 1996 verwiesen.
Außerdem hat das Berufungsgericht eine amtliche Auskunft des Auswärtigen
Amtes zur PVD im Bezirk Bujanovac und zu den Umständen des Todes des Vaters
des Klägers eingeholt. Auf die unter dem 3. September 1996 erteilte Auskunft wird
ebenfalls verwiesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter
anstelle des Senats und ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens und der Behördenakte des
Bundesamts - Gesch.-Z.: D 170775-138 - sowie der Akten VG Gießen 9 E
15097/93.A Bezug genommen. Diese sind ebenso Gegenstand der
Entscheidungsfindung gewesen wie die nachfolgend aufgeführten
Erkenntnisquellen:
1. 09.02.1993 Auswärtiges Amt (AA) an VG Wiesbaden
2. 10.02.1993 Bericht des Sonderberichterstatters der
Menschenrechtskommission Tadeusz Mazowiecki: Die
Menschenrechtssituation im Gebiet des ehemaligen Jugoslawien
3. 23.04.1993 (Schweizerisches) Bundesamt für Flüchtlinge: Themenpapier
Kosovo - Allgemeine politische, wirtschaftliche und
Menschenrechtssituation im Kosovo
4. 17.09.1993 amnesty international (ai) an VG Arnsberg
5. 12.10.1993 Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) an VG Regensburg
6. 28.10.1993 Sachverständiger Dr. Harald Kotschy vor VG München
7. 17.11.1993 5. periodischer Bericht des Sonderberichterstatters der
Menschenrechtskommission Tadeusz Mazowiecki: Die
Menschenrechtssituation auf dem Gebiet des früheren
Jugoslawien
8. Jan. 1994 Jens Reuter (Südost-Institut München - Abt.
Gegenwartsforschung, Referat (ehem.) Jugoslawien): Die
politische Entwicklung in Kosovo 1992/93
9. 23.03.1994 AA an VG Augsburg
10. 28.03.1994 Zeuge Bujar Bukoshi vor VG Minden
11. 05.05.1994 ai: Menschenrechtssituation in der Bundesrepublik Jugoslawien
- Kosovo
12. 30.05.1994 AA an VG Regensburg
13. Mai 1994 Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM): Ethnische
Säuberung des Kosova (2. Aufl.)
14. 07.06.1994 Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) an
Rechtsanwalt Dr. Thun in Freiburg
15. 16.06.1994 Institut für Ostrecht München (IfOR) an VG Ansbach
16. 04.07.1994 AA an VG Stuttgart
17. 06.07.1994 AA an VG Würzburg - W 9 K 93.33791 -
18. 07.07.1994 Ismije Beshiri an VG Frankfurt am Main
19. 21.07.1994 AA an VG Bayreuth
20. 10.08.1994 AA an VG Regensburg
21. 11.08.1994 AA an VG München
22. 16.08.1994 AA an VG Meiningen
23. 16.08.1994 AA an VG Würzburg
24. 14.09.1994 UNHCR an VG München
25. 20.09.1994 AA an VG Ansbach
26. Sept. 1994 ai: Jugoslawien: Polizeigewalt in der Provinz Kosovo - die
Opfer
27. 06.10.1994 ai an VG Regensburg
28. 07.10.1994 Felicitas Rohder (GfbV): Repressionen der
serbisch-montenegrinischen Behörden gegen Albaner und Muslime
29. 13.10.1994 IGFM an VG München
30. 31.10.1994 AA: Lagebericht Bundesrepublik Jugoslawien
(Serbien/Montenegro)
31. 11.11.1994 ai an VG München
32. 15.11.1994 sachverständige Zeugin Donika Gervalla vor VG Sigmaringen
33. 15.11.1994 sachverständige Zeugin Christine von Kohl vor VG Sigmaringen
34. 17.11.1994 ai: Wehrdienstverweigerer aus der Bundesrepublik Jugoslawien
35. 23.11.1994 Jutta Tiedtke (Arbeitsgruppe Außenpolitik der Fraktion der SPD
im Deutschen Bundestag): Gespräche in Pristina/Kosovo, 27. bis
29. September 1994
36. 05.12.1994 AA an VG Würzburg
37. 13.12.1994 GfbV an VG München
38. 14.12.1994 ai an VG München
39. 29.12.1994 AA an VG München
40. 30.12.1994 UNHCR an VG Schleswig
41. 02.01.1995 Bundesministerium des Innern an Senatsverwaltung für Inneres
des Landes Berlin
42. 09.01.1995 Zeitung "Rilindja": Bericht der KMDLNJ in Prishtina über
serbische Gewalt im Kosovo für das Jahr 1994
43. 12.01.1995 UNHCR: Position zu Abschiebungen nach Jugoslawien
44. 19.01.1995 AA an VG Ansbach
45. 25.01.1995 Christine von Kohl (Internationale Helsinki Föderation in
Wien) an VG Regensburg
46. 27.01.1995 AA an VG Wiesbaden
47. Jan. 1995 ai: Die rechtliche Situation von Wehrdienstverweigerern und
Deserteuren aus dem ehemaligen Jugoslawien
48. 06.02.1995 Schweizerische Flüchtlingshilfe: Vertriebene zurückschaffen?
49. 07.02.1995 Judith Kumin (UNHCR) vor Arbeitsgruppe Innenpolitik der
SPD-Bundestagsfraktion
50. 13.02.1995 AA an VG Aachen
51. 13.02.1995 AA an VG München
52. 15.02.1995 AA an VG Ansbach
53. 15.02.1995 Zeitung "Zeri i Kosoves": Repression durch serbische
Polizei/serbisches Militär im Jahr 1994
54. 17.02.1995 AA an VG Ansbach
55. 17.02.1995 AA an VG Trier
56. 17.02.1995 AA an VG Würzburg
57. 22.02.1995 Bundesministerium des Innern an VGH Baden-Württemberg
58. 06.03.1995 IGFM: Pressemitteilung - Dramatischer Anstieg der
Menschenrechtsverletzungen an Albanern im Kosova 1994
59. 14.03.1995 AA an VG Ansbach
60. 14.03.1995 AA an VG Stuttgart
61. 20.03.1995 GfbV an VG Stuttgart
62. 21.03.1995 AA an VG Freiburg
63. 23.03.1995 GfbV an VG Stuttgart
64. 23.03.1995 Zeuge Peter Reuschenbach vor VG Aachen
65. 23.03.1995 VG Aachen (Urteil in der Sache 1 K 697/94.A, S. 13 - 32)
tabellarische Auswertung von englischsprachigen
Wochenberichten des Rates für die Verteidigung der
Menschenrechte und Freiheiten in Pristina für die Zeit vom
06.07. bis 24.08.1992 und vom 01.01. bis 19.02.1994
66. 03.04.1995 ai an VG Würzburg
67. 06.04.1995 AA an VGH Baden-Württemberg
68. 06.04.1995 AA an VG München
69. 10.04.1995 UNHCR an VG Regensburg
70. 05.05.1995 ai an VG Schleswig
71. 17.05.1995 AA an VG Ansbach
72. 18.05.1995 AA an VG Hamburg
73. 19.05.1995 AA an VG Freiburg - A 8 K 13213/93 -
74. 01.06.1995 AA an VG Minden
75. 01.06.1995 AA an VG Schleswig
76. 05.06.1995 GfbV an VG München
77. 07.06.1995 AA an VG Ansbach
78. 13.06.1995 AA an VG Ansbach
79. 13.06.1995 AA an VG Würzburg
80. 15.06.1995 GfbV an VG Oldenburg
81. 20.06.1995 IfOR an VG Sigmaringen
82. 21.06.1995 AA: Lagebericht Bundesrepublik Jugoslawien
83. 26.06.1995 UNHCR an VG München
84. 10.07.1995 Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Belgrad an VG
Regensburg
85. 11.07.1995 ai an VG Regensburg
86. 13.07.1995 Schweizerische Flüchtlingshilfe: Freiheit ist, wenn man nichts
mehr zu verlieren hat
87. 14.07.1995 UNHCR an VG Sigmaringen
88. 17.07.1995 UNHCR an VG Regensburg
89. 19.07.1995 Schweizerische Flüchtlingshilfe an VG Regensburg
90. 28.07.1995 AA an VG Ansbach
91. 01.08.1995 ai an VG Düsseldorf
92. 01.08.1995 ai an VG Koblenz
93. 09.08.1995 AA: Ergänzung zum Lagebericht vom 21.06.95
94. 16.08.1995 AA an VG Ansbach
95. 16.08.1995 AA an VG München
96. 17.08.1995 ai an VG Düsseldorf
97. 17.08.1995 ai an VG Gießen
98. 17.08.1995 ai an VG Stuttgart
99. 23.08.1995 AA an VG Stuttgart
100. 30.08.1995 GfbV an VG Bayreuth
101. 04.09.1995 UNHCR an VG Wiesbaden
102. 05.09.1995 UNHCR an VG Aachen
103. 08.09.1995 AA an VG Würzburg
104. 14.09.1995 AA an VG Oldenburg
105. 19.09.1995 AA an VG München
106. 21.09.1995 GfBV an VG Ansbach
107. 22.09.1995 IfOR an VG Würzburg
108. 25.09.1995 AA an VG Ansbach
109. 25.09.1995 IfOR an VG Ansbach
110. 26.09.1995 AA an VG Karlsruhe
111. 27.09.1995 Zeuge Smail Alihodzic vor VG Frankfurt am Main
112. 28.09.1995 UNHCR an VG Gießen
113. 29.09.1995 AA an VG Ansbach
114. 29.09.1995 AA an VG Köln
115. 29.09.1995 UNHCR an VG Aachen
116. 02.10.1995 AA an VG Ansbach
117. 05.10.1995 ai: Jugoslawien (Kosovo): ehemalige Polizeibeamte albanischer
Herkunft
118. 06.10.1995 IGFM an VG Aachen
119. 12.10.1995 IfOR an VG München
120. 18.10.1995 AA an VG Ansbach
121. 19.10.1995 AA an VG Würzburg
122. 31.10.1995 AA an VG Würzburg
123. 06.11.1995 ai an VG Freiburg
124. 13.11.1995 UNHCR an VG Münster
125. 15.11.1995 UNHCR an VG Leipzig
126. 15.11.1995 UNHCR an VG Stuttgart
127. 21.11.1995 AA an VG Aachen
128. 21.11.1995 AA an VG Stuttgart
129. 23.11.1995 GfbV an VG Aachen
130. Nov. 1995 (Schweizerisches) Bundesamt für Flüchtlinge:
Länderinformationsblatt Kosovo
131. 04.12.1995 AA an VG Karlsruhe
132. 08.12.1995 AA an VG München - M 21 K 93.50346 -
133. 08.12.1995 AA an VG München - M 21 K 94.51289 -
134. 20.12.1995 AA an VG Ansbach
135. 20.12.1995 AA an VG Frankfurt am Main
136. 20.12.1995 UNHCR an Bay. VGH
137. 04.01.1996 AA an VG Leipzig
138. 08.01.1996 ai an VG Mainz
139. 10.01.1996 GfbV an VG Leipzig
140. 11.01.1996 AA an VG Köln
131. 12.01.1996 AA an VG Freiburg
142. 18.01.1996 AA an VG Ansbach
143. 18.01.1996 AA an VG Münster
144. 25.01.1996 CDHRF Informationsdienst: Die Verletzung der Menschenrechte
im
Kosovo im Jahre 1995
145. 07.02.1996 AA an VG Ansbach - 18 K 94.42106 -
146. 07.02.1996 AA an VG Ansbach - 27 K 95.31622 -
147. 07.02.1996 AA an VG Freiburg
148. 27.02.1996 AA: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in
Jugoslawien (Serbien/Montenegro)
149. 08.03.1996 AA an VG Düsseldorf
150. 14.03.1996 Bericht der Sonderbotschafterin der Menschenrechtskommission
Elisabeth Rehn: Lage der Menschenrechte auf dem Gebiet des
ehemaligen Jugoslawien
151. 27.03.1996 AA an VG Stuttgart
152. 16.04.1996 AA an VG Chemnitz
153. 17.04.1996 AA an OVG Rheinland-Pfalz
154. 18.04.1996 AA an VG Regensburg - RN 4 K ... -
155. 18.04.1996 AA an VG Regensburg - RN 8 K 94.30175 -
156. 19.04.1996 BND an VG Ansbach
157. 23.04.1996 AA an VG Freiburg
158. 23.04.1996 AA an VG Stuttgart
159. 23.04.1996 UNHCR an VG Regensburg
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160. 24.04.1996 AA an VG Köln
161. 07.05.1996 ai an VG München
162. Mai 1996 IGFM: Apartheid und Ethnische Säuberung im Kosova
163. 04.06.1996 AA: Lagebericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage
in der BR Jugoslawien
164. 02.07.1996 AA an VG Schleswig
165. 03.07.1996 AA: Ergänzung zum Lagebericht vom 04.06.1996
166. 27.08.1996 AA an VG Oldenburg
167. 01.10.1996 AA an VG Stuttgart
Entscheidungsgründe
In Anbetracht des Einverständnisses der Beteiligten kann der Berichterstatter
anstelle des Senats und ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§§ 125 Abs. 1
Satz 1 i.V.m. 87a Abs. 2 und 3, 101 Abs. 2 VwGO).
Die vom Senat (nur) hinsichtlich der Feststellung der Voraussetzungen des § 51
Abs. 1 AuslG zugelassene und auch im übrigen zulässige Berufung des
Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten ist begründet, denn das
Verwaltungsgericht hat der Klage insoweit zu Unrecht stattgegeben. Die
Feststellung des Bundesamts, daß die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG
nicht vorliegen, erweist sich nämlich nach der im Zeitpunkt der Entscheidung des
Senats gegebenen Sach- und Rechtslage (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) als
rechtmäßig (1.). Dies hat Auswirkungen für die zu treffenden
Nebenentscheidungen (2.).
1.
Ein Anspruch gegen die Beklagte auf Feststellung, daß die Voraussetzungen des §
51 Abs. 1 AuslG vorliegen, steht dem Kläger nicht zu. Nach dieser Vorschrift darf
ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder
seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner
Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen
Überzeugung bedroht ist. Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und des
Asylrechts nach Art. 16a Abs. 1 GG sind deckungsgleich, soweit es die
Verfolgungshandlung, das geschützte Rechtsgut und den politischen Charakter der
Verfolgung betrifft, und sie unterscheiden sich auch nicht hinsichtlich der Frage, ob
die Gefahr politischer Verfolgung droht (BVerwG, Ue. v. 18.02.1992 - 9 C 59.91 -,
NVwZ 1992, 892, v. 18.01.1994 - 9 C 48.92 -, BVerwGE 95, 42, u. v. 10.05.1994 - 9
C 501.93 -, BVerwGE 96, 24).
Asylrecht als politisch Verfolgter im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG und damit auch
Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG genießt, wer bei einer Rückkehr in
seine Heimat aus politischen Gründen Verfolgungsmaßnahmen mit Gefahr für Leib
und Leben oder Beeinträchtigungen seiner persönlichen Freiheit zu erwarten hat
(BVerfG, B. v. 02.07.1980 - 1 BvR 147/80 u.a. -, BVerfGE 54, 341). Wird nicht die
physische Freiheit, sondern werden andere Grundfreiheiten gefährdet wie etwa die
der Religionsausübung oder der beruflichen und wirtschaftlichen Betätigung, so
sind allerdings nur solche Beeinträchtigungen relevant, die nach Intensität und
Schwere die Menschenwürde verletzen - also die Nichtgewährleistung des
betreffenden Existenzminimums zur Folge haben - und über das hinausgehen, was
die Bewohner des Herkunftslandes aufgrund des dort herrschenden Systems
allgemein hinzunehmen haben (BVerfG, Be. v. 01.07.1987 - 2 BvR 478/86 u.a. -,
BVerfGE 76, 143, u. v. 20.05.1992 - 2 BvR 205/92 u.a. -, NVwZ 1992, 1081;
BVerwG, U. v. 24.03.1987 - 9 C 321.85 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 64).
Politisch ist eine solche Verfolgung dann, wenn dem einzelnen in Anknüpfung an
seine politische Überzeugung, an seine Religions- oder Volkszugehörigkeit oder an
andere für ihn unverfügbare Merkmale gezielt Rechtsverletzungen zugefügt
werden oder unmittelbar drohen, die ihn aus der übergreifenden Friedensordnung
der staatlichen Einheit ausgrenzen (BVerfG, Be. v. 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -
, BVerfGE 80, 315, v. 23.01.1991 - 2 BvR 902/85 u.a. -, BVerfGE 83, 216, u. v.
11.05.1993 - 2 BvR 1989/92 u.a. -, NVwZ 1993, 975). Ob diese spezifische
Zielrichtung der Verfolgung vorliegt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach
ihrer erkennbaren Gerichtetheit und nicht nach den subjektiven Motiven des
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ihrer erkennbaren Gerichtetheit und nicht nach den subjektiven Motiven des
Verfolgenden zu beurteilen (BVerfG, Be. v. 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -,
a.a.O., u. v. 11.05.1993 - 2 BvR 1989/92 u.a. -, a.a.O.). Die erforderliche
gegenwärtige Verfolgungsbetroffenheit ist gegeben, wenn dem Schutzsuchenden
im Rückkehrfalle bei verständiger Würdigung aller bekannten Umstände politische
Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, wobei die insoweit
erforderliche Prognose einen absehbaren zukünftigen Zeitraum mit einbeziehen
muß (BVerwG, Ue. v. 03.12.1985 - 9 C 22.85 -, NVwZ 1986, 760, u. v. 05.11.1991 -
9 C 118.90 -, BVerwGE 89, 162). Einem Ausländer, der bereits vor seiner Ausreise
politisch verfolgt worden ist, kann eine Rückkehr dagegen nur zugemutet werden,
wenn die Wiederholung von Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist, d.h. wenn keine ernsthaften Zweifel an
seiner Sicherheit vor abermals einsetzender Verfolgung bestehen; insofern gilt für
die erforderliche Prognose hier ein herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab
(BVerfG, B. v. 02.07.1980 - 1 BvR 147/80 u.a. -, a.a.O.; BverwG, U. v. 25.09.1984 -
9 C 17.84 -, BVerwGE 70, 169).
Der Asyl oder Abschiebungsschutz begehrende Ausländer ist aufgrund der ihm
obliegenden Mitwirkungspflichten gehalten, die in seine Sphäre fallenden
Umstände substantiiert und in sich stimmig zu schildern sowie eventuelle
Widersprüche oder Steigerungen in seinem Vortrag aufzulösen bzw. plausibel zu
erklären (BVerwG, Ue. v. 16.04.1985 - 9 C 109.84 -, BVerwGE 71, 180, v.
23.02.1988 - 9 C 32.87 -, EZAR 630 Nr. 25, u. v. 30.10.1990 - 9 C 72.89 -, Buchholz
402.25 § 1 AsylVfG Nr. 135). Hinsichtlich der allgemeinen Verhältnisse im
Herkunftsland genügt es dagegen, daß die vorgetragenen Tatsachen eine nicht
entfernt liegende Möglichkeit politischer Verfolgung ergeben (BVerwG, Ue. v.
24.11.1981 - 9 C 251.81 -, Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 44, u. v. 23.11.1982 - 9
C 74.81 -, BVerwGE 66, 237). Das Gericht muß sich die feste Überzeugung von der
Wahrheit des von dem Ausländer behaupteten Verfolgungsschicksals verschaffen,
und zwar nicht nur hinsichtlich des individuellen Vorbringens, sondern auch
hinsichtlich der relevanten Situation im Herkunftsland (vgl. BVerwG, Ue. v.
12.11.1985 - 9 C 27.85 -, EZAR 630 Nr. 23, u. v. 05.07.1994 - 9 C 158.94 -,
BVerwGE 96, 200, sowie Nds. OVG, U. v. 28.09.1995 - 12 L 2034/95 -, S. 16, u.
OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 15.11.1995 - 13 A 1451/94.A -, S. 12).
Das Berufungsgericht ist nach diesen Grundsätzen aufgrund der Angaben des
Klägers, insbesondere des Ergebnisses seiner Vernehmung, sowie des Inhalts der
vorliegenden Akten und der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen zu
der Überzeugung gelangt, daß der Kläger weder im Zeitpunkt seiner Ausreise noch
im Falle seiner jetzigen Rückkehr einer rechtserheblichen Gruppenverfolgung als
albanischer Volkszugehöriger aus dem Kosovo ausgesetzt war bzw. wäre (1.1.)
und daß ihm - bezogen auf die beiden vorgenannten Zeitpunkte - auch keine
politische Verfolgung aus individuellen Gründen drohte (1.2.), so daß
Feststellungen betreffend eine eventuell gegebene inländische Fluchtalternative
entbehrlich sind (1.3.).
1.1.
Der Kläger, der zwar nicht aus dem Kosovo stammt, zu dessen Gunsten - trotz
seiner widersprüchlichen Angaben gegenüber dem Bundesamt, bei seiner
informatorischen Anhörung vor dem Verwaltungsgericht und bei seiner
Vernehmung durch das Berufungsgericht zu seinem Aufenthaltsort in der Zeit
nach seiner Rückkehr aus Kroatien bis zu seiner Ausreise - in Anbetracht der bei
seiner Vernehmung deutlich zutage getretenen albanischen Sprachkenntnisse und
seines sonstigen Vorbringens aber davon ausgegangen werden mag, daß er
albanischer Volkszugehöriger muslimischen Glaubens ist und sich zuletzt
wenigstens zeitweise im Kosovo und im übrigen im Bezirk Bujanovac in Südserbien
aufgehalten hat, hatte allein deswegen weder bei seiner Ausreise noch hat er bei
jetziger Rückkehr in absehbarer Zeit politische Verfolgung in Form der ethnischen
Gruppenverfolgung zu erwarten.
Der Anspruch auf Asyl ist zwar ein Individualgrundrecht, und der
Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG ist ebenfalls personenbezogen, und
beide setzen deshalb eigene Verfolgungsbetroffenheit voraus; die Gefahr eigener
politischer Verfolgung kann sich aber auch aus gegen Dritte gerichteten
Maßnahmen ergeben, wenn diese Dritten wegen eines insoweit rechtserheblichen
Merkmals verfolgt werden, das der Schutzsuchende mit ihnen teilt, und wenn er
sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren
Lage befindet und deshalb seine eigene bisherige Verschonung von
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Lage befindet und deshalb seine eigene bisherige Verschonung von
ausgrenzenden Rechtsgutsbeeinträchtigungen als eher zufällig anzusehen ist
(BVerfG, B. v. 23.01.1991 - 2 BvR 902/85 u.a. -, a.a.O.; BVerwG, Ue. v. 23.02.1988
- 9 C 85.87 -, BVerwGE 79, 79, u. v. 05.07.1994 - 9 C 158.94 -, a.a.O.). Die
Annahme einer gruppengerichteten Verfolgung setzt eine bestimmte
Verfolgungsdichte voraus, welche die Regelvermutung eigener Verfolgung jedes
einzelnen Gruppenmitglieds rechtfertigt; hierfür ist die Gefahr einer so großen Zahl
von Eingriffshandlungen in relevante Rechtsgüter erforderlich, daß es sich dabei
nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine bloße
Vielzahl solcher Übergriffe handelt; die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr
im Verfolgungszeitraum und -gebiet auf alle sich dort aufhaltenden
Gruppenmitglieder zielen und in quantitativer und qualitativer Hinsicht so um sich
greifen, daß dort für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern
ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht (BVerwG, Ue. v.
15.05.1990 - 9 C 17.89 -, BVerwGE 85, 139, u. v. 05.07.1994 - 9 C 158.94 -,
a.a.O.). Rechtserhebliche Bedeutung haben primär solche
Verfolgungsmaßnahmen, die unmittelbar durch den Staat erfolgen; dieser muß
sich aber auch Übergriffe nichtstaatlicher Personen und Gruppen zurechnen
lassen, wenn er sie anregt, unterstützt, billigt oder tatenlos hinnimmt und damit
den Betroffenen den erforderlichen Schutz versagt (BVerfG, B. v. 02.07.1980 - 1
BvR 147/80 u.a. -, a.a.O.). Eine mittelbare staatliche Gruppenverfolgung liegt
danach typischerweise bei Pogromen, die sich auf große Teile des Landes
erstrecken oder kleine Minderheiten mit besonderer Härte, Ausdauer und
Unnachgiebigkeit erfassen, und auch ansonsten immer dann vor, wenn die
Verfolgungsschläge so dicht und eng gestreut fallen, daß für jedes
Gruppenmitglied die Furcht begründet ist, in eigener Person Opfer der Übergriffe
zu werden (BVerwG, B. v. 24.09.1992 - 9 B 130.92 -, NVwZ 1993, 192, sowie Ue. v.
19.04.1994 - 9 C 462.93 -, NVwZ 1994, 1121, u. v. 05.07.1994 - 9 C 158.94 -,
a.a.O.). Die unmittelbare staatliche Gruppenverfolgung setzt grundsätzlich
ebenfalls eine solche Verfolgungsdichte voraus; sie kann aber - im Hinblick auf die
prinzipielle Überlegenheit staatlicher Machtmittel und auf die dem Staat mögliche
Durchsetzung eigener Ziele durch hierzu autorisierte Kräfte - auch schon dann
anzunehmen sein, wenn sichere Anhaltspunkte für ein staatliches
Verfolgungsprogramm vorliegen, dessen Umsetzung bereits eingeleitet ist oder
alsbald bevorsteht; kann etwa festgestellt werden, daß der Herkunftsstaat eine
bestimmte Gruppe physisch vernichten oder gewaltsam aus seinem Staatsgebiet
vertreiben will, so bedarf es nicht erst der Feststellung einzelner Vernichtungs-
oder Vertreibungsschläge, um eine Gruppenverfolgung annehmen zu können
(BVerwG, U. v. 05.07.1994 - 9 C 158.94 -, a.a.O.).
Die Prüfung der ethnischen Gruppenverfolgung erfordert zunächst, daß das
relevante Tatsachenmaterial möglichst umfassend und erschöpfend festgestellt
und darauf untersucht wird, welche rechtserheblichen politischen
Verfolgungsmaßnahmen - differenziert nach Eingriffen in bestimmte Rechtsgüter,
nach Ort, Zeit und Häufigkeit, nach Intensität und nach Gerichtetheit in bezug auf
das Merkmal der Ethnie - vorliegen. Dabei sind auch nicht unmittelbar zum
Verfolgungsgeschehen gehörende Umstände - wie etwa für sich betrachtet
rechtlich unerhebliche Maßnahmen - indiziell zu berücksichtigen; allerdings können
nur rechtlich beachtliche Eingriffe die Beurteilung der Verfolgungssituation als
Gruppenverfolgung rechtfertigen (BVerwG, U. v. 05.07.1994 - 9 C 158.94 -, a.a.O.)
Bei Anlegung dieser Maßstäbe stellte und stellt sich die Situation der albanischen
Volkszugehörigen im Kosovo aufgrund der in das Verfahren eingeführten und
hinsichtlich ihrer Zuverlässigkeit differenziert zu bewertenden Erkenntnisquellen
(vgl. hierzu BVerwG, U. v. 05.07.1994 - 9 C 158.94 -, BVerwGE 96, 200, und vor
allem Hamb. OVG, U. v. 07.06.1995 - Bf VII 2/94 -, S. 42 ff., u. Bay. VGH, U. v.
26.04.1994 - 19 BA 94.30770 -, S. 16 f.) so dar, daß ihnen jedenfalls seit 1990 bis
heute und in absehbarer Zukunft keine unmittelbare staatliche Gruppenverfolgung
drohte bzw. droht - es kann nämlich entgegen der Vorinstanz weder ein staatliches
Verfolgungsprogramm noch die erforderliche Verfolgungsdichte festgestellt
werden - und daß auch eine mittelbare staatliche Gruppenverfolgung in
Anknüpfung an die Ethnie nicht beachtlich wahrscheinlich war bzw. ist. Dies hat der
Senat in seinem Urteil vom 16. Februar 1996 - 7 UE 4242/95 -, das ebenso wie
sämtliche dort verwerteten Erkenntnisquellen in das vorliegende Verfahren
eingeführt worden ist, grundsätzlich festgestellt, und hieran hält das
Berufungsgericht weiterhin fest, da die seither bekannt gewordenen neueren
Erkenntnisquellen jedenfalls in ihrer Gesamtheit die dort getroffenen
Feststellungen nicht erschüttern, sondern vielmehr bestätigen. Mit seiner
diesbezüglichen Auffassung befindet sich der Senat in Übereinstimmung mit der
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42
diesbezüglichen Auffassung befindet sich der Senat in Übereinstimmung mit der
Beurteilung durch - soweit ersichtlich - alle Oberverwaltungsgerichte, die sich seit
Herbst 1994 mit der Frage der Gruppenverfolgung der Kosovo-Albaner befaßt
haben (VGH Baden-Württemberg, Ue. v. 24.01.1995 - A 14 S 2075/94 -, v.
18.05.1995 - A 12 S 207/95 -, v. 08.06.1995 - A 12 S 79/95 - u. v. 13.06.1995 - A
14 S 2459/94 -; Hamb. OVG, U. v. 07.06.1995 - Bf VII 2/94 -; Hess. VGH, U. v.
23.01.1995 - 13 UE 2370/94 -; Nds. OVG, Ue. v. 24.02.1995 - 8 L 5275/93 - u. v.
28.09.1995 - 12 L 2034/95 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Ue. v. 21.02.1995 - 13 A
265/94.A -, v. 15.11.1995 - 13 A 1451/94.A - u. v. 07.03.1996 - 13 A 1796/94.A -;
OVG Rheinland-Pfalz, Ue. v. 04.10.1994 - 7 A 10280/92 - u. v. 19.09.1995 - 7 A
12537/93 -; OVG Saarland, U. v. 08.02.1995 - 9 R 25/95 -; Sächs. OVG, U. v.
18.07.1995 - A 4 S 68/94 -; OVG Sachsen-Anhalt, U. v. 28.02.1995 - 3 L 29/93 -;
Schlesw.-Holst. OVG, Ue. v. 31.03.1995 - 3 L 258/94 - u. v. 05.03.1996 - 5 L 19/95 -
), und trägt damit auch dem gebotenen Interesse an einer möglichst einheitlichen
tatrichterlichen Würdigung desselben generellen Lebenssachverhalts Rechnung
(vgl. BVerwG, U. v. 05.07.1995 - 9 C 158.94 -, a.a.O.).
Für die albanischen Volkszugehörigen in Südserbien außerhalb des Kosovo,
insbesondere in den Bezirken Bujanovac, Medvedja und Presevo, gilt im Ergebnis
nichts anderes. Auch dort stellen die ethnischen Albaner - mit etwa 65 bis 70 % -
die Bevölkerungsmehrheit; es sind aber keine belegbaren
Menschenrechtsverletzungen bekannt geworden, die den Verhältnissen im Kosovo
vergleichbar wären (vgl. Erkenntnisquellen Nrn. 30, S. 8, 129, 163, S. 6, und 167 -
im folgenden: 30., S. 8; 129.; 163., S. 6; 167.). Die Lage der dort lebenden
albanischen Volkszugehörigen läßt sich demzufolge erst recht nicht als
Gruppenverfolgung im Rechtssinne qualifizieren.
1.2.
Das Berufungsgericht hat auch nicht festzustellen vermocht, daß der Kläger wegen
individueller politischer Verfolgung Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG
genießt. Insbesondere war er bei der Ausreise und ist er jetzt rechtlich relevanter
Einzelverfolgung wegen Zugehörigkeit zur Gruppe der albanischen
Volkszugehörigen nicht ausgesetzt (1.2.1.). Außerdem hatte er weder zum
Zeitpunkt der Ausreise in seiner Person eine rechtserhebliche Beeinträchtigung
bereits erlitten und drohte ihm eine solche damals aus sonstigen Gründen
unmittelbar (1.2.2.) - was eingetretener Verfolgung gleichstünde (BVerfG, B. v.
23.01.1991 - 2 BvR 902/85 u.a. -, a.a.O.) -, noch hat er im Falle jetziger Rückkehr
sogleich oder in absehbarer Zeit gerade ihn treffende sonstige politische
Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten (1.2.3.).
1.2.1.
Der Kläger konnte und kann Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG -
bezogen auf den Ausreisezeitpunkt und seine jetzige Rückkehr - nicht unter dem
Gesichtspunkt der Einzelverfolgung wegen Gruppenzugehörigkeit beanspruchen.
Auch dies hat der Senat für einen albanischen Volkszugehörigen in dem Kläger
vergleichbaren Lage in seinem - bereits oben erwähnten und in das vorliegende
Verfahren eingeführten - Urteil vom 16. Februar 1996 - 7 UE 4242/95 - im
einzelnen dargetan; hierauf wird verwiesen.
1.2.2.
Sonstige individuelle Verfolgungsgründe für die Zeit bis zur Ausreise des Klägers
hat das Berufungsgericht weder aufgrund des Vorbringens des Klägers noch sonst
feststellen können.
Soweit der Kläger geltend macht, er habe für den Fall, daß er am 10. Mai 1993
zwecks Abholung seines ihm abgenommenen kroatischen Führerscheins bei der
Polizeistation in Gnjilane vorgesprochen hätte, seine sofortige Rekrutierung mit
anschließendem Kriegseinsatz befürchtet, ist sein Vorbringen nicht in jeder
Hinsicht stimmig. Ungereimtheiten bestehen - vergleicht man die Angaben des
Klägers in den verschiedenen Verfahrensstadien - etwa hinsichtlich seiner bereits
1988 erfolgten Einberufung zum Wehrdienst (insbesondere in bezug auf den
vorgesehenen Einsatzort), hinsichtlich des Erwerbs des kroatischen Führerscheins
sowie hinsichtlich des Zeitpunkts der Abnahme und der dem Kläger dabei
widerfahrenen Behandlung durch die Polizei. Abgesehen von diesen
Widersprüchlichkeiten, die der Kläger nicht plausibel aufgelöst hat, bestehen
Bedenken gegen die Glaubhaftigkeit seiner betreffenden Angaben auch deshalb,
weil Einberufungen ethnischer Albaner - wie bereits in dem mehrfach erwähnten
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weil Einberufungen ethnischer Albaner - wie bereits in dem mehrfach erwähnten
Urteil des Senats vom 16. Februar 1996 - 7 UE 4242/95 - unter 1.1.1.3. festgestellt
(vgl. jetzt noch 128.; 135.; 141.) - nur gelegentlich stattfinden und, obwohl ihnen
nur selten Folge geleistet wird, lediglich in exemplarischen Einzelfällen
durchgesetzt werden. Hinreichend sichere Anhaltspunkte dafür, daß dies in der
Zeit von September 1992 - dem frühesten vom Kläger genannten Rückkehrtermin
aus Kroatien - bis Ende Juni 1993 anders gehandhabt worden wäre, sind den
vorliegenden Erkenntnisquellen - auch wenn gelegentlich berichtet wird,
wehrpflichtige ethnische Albaner seien vereinzelt zum Kriegseinsatz als "Freiwillige"
auf seiten der bosnischen Serben gezwungen worden - schwerlich zu entnehmen
(4.; 6., S. 55; 10., S. 10 f.; 13., S. 18; 19.; 28., S. 8 f.; 30., S. 7 u. 12; 51.; 75.; 82.,
S. 4 u. 7 f.; 93.; 111.; 128.). Einer abschließenden Überzeugungsbildung des
Berufungsgerichts hierüber und über die Glaubhaftigkeit der die befürchtete
Heranziehung zum Wehrdienst betreffenden Angaben des Klägers bedarf es
indessen jedenfalls im vorliegenden Zusammenhang nicht, weil selbst eine dem
Kläger bei seiner Ausreise unmittelbar bevorstehende Zwangsrekrutierung - wie
ebenfalls in dem Grundsatzurteil des Senats vom 16. Februar 1996, a.a.O.,
dargelegt - asylrechtlich nicht relevant gewesen wäre; das gilt auch dann, wenn der
Kläger die Möglichkeit eines Fronteinsatzes auf seiten der bosnischen Serben
während des Bürgerkrieges in Bosnien-Herzegowina hätte in Betracht ziehen
müssen.
Ebenso ist kaum anzunehmen, daß dem Kläger bei einem weiteren Verbleiben in
seiner Heimat - wenn er im Falle einer Einberufung und gegebenenfalls
zwangsweisen Zuführung zur Truppe die Dienstleistung beharrlich verweigert hätte
- Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung oder Desertion drohte. Es ist nämlich -
gemessen an der großen Zahl von Wehrdienstentziehungen und Desertionen
albanischer Volkszugehöriger - nur in vergleichsweise wenigen Fällen zu
strafgerichtlichen Verurteilungen gekommen. Eine abschließende Überzeugung
brauchte das Berufungsgericht freilich auch insoweit nicht zu gewinnen; denn
selbst wenn dem Kläger seinerzeit Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung oder
Desertion gedroht hat, wäre dies - wie wiederum in dem Grundsatzurteil des
Senats vom 16. Februar 1996, a.a.O., näher begründet wurde - rechtlich ohne
Bedeutung gewesen.
Soweit der Kläger im Klageverfahren erstmals schriftsätzlich vorgetragen hat,
anläßlich der Abnahme des Führerscheins festgenommen, mehrere Tage inhaftiert
und geschlagen worden zu sein, hat er dieses Vorbringen bei seiner Vernehmung
durch das Berufungsgericht am 12. Juni 1996 so nicht aufrechterhalten. Hier hat er
nur noch bekundet, ein paar Stunden auf der Polizeistation festgehalten und
geschlagen worden zu sein. Selbst diese abgeschwächte Version des betreffenden
Vorbringens erachtet das Berufungsgericht wegen der auch im übrigen vielfach
nicht stimmigen Ausführungen des Klägers nicht für glaubhaft. Insoweit wird
zunächst auf die bereits weiter oben (unter 1.1., 1. Abs., u. 1.2.2., 2. Abs.)
aufgezeigten Widersprüchlichkeiten verwiesen. Weitere Unstimmigkeiten, die den
Kläger zur Überzeugung des Berufungsgerichts insgesamt unglaubwürdig
erscheinen lassen, ergeben sich aus seinen unterschiedlichen bzw. gesteigerten
Angaben zu seiner politischen Tätigkeit, zum Zeitpunkt seiner Rückkehr aus
Kroatien, zum Anlaß seiner Ausreise aus Jugoslawien, zu den Daten der Ausreise
wie auch der Einreise nach Deutschland, zum dabei benutzten Verkehrsmittel und
zur Höhe des dafür aufgewandten Geldbetrages. Soweit der Kläger in diesem
Zusammenhang bei seiner Vernehmung durch das Berufungsgericht auf
angebliche Übersetzungsfehler des bei der Vorprüfungsanhörung zugezogenen
Sprachmittlers verwiesen hat, sieht das Berufungsgericht darin bloße
Schutzbehauptungen, zumal aus der Niederschrift und auch sonst nichts für
aufgetretene Verständigungsschwierigkeiten ersichtlich ist und zudem viele der
festgestellten Unstimmigkeiten gar nicht das Verhältnis zur Vorprüfungsanhörung
betreffen. Unabhängig davon wäre - würde man dem Kläger glauben, daß er einem
der Intensität nach asylerheblichen Eingriff ausgesetzt war - nicht erkennbar, daß
dieser an seine albanische Volkszugehörigkeit anknüpfte; gegen den Kläger
wurden nämlich, wie sich aus der von ihm beim Bundesamt vorgelegten
Bescheinigung ergibt, deshalb polizeiliche Maßnahmen ergriffen, weil der Verdacht
bestand, daß der kroatische Führerschein des Klägers gefälscht sei.
Soweit der Kläger sich als politischen Aktivisten der PVD darzustellen versucht,
vermag auch dies seinem Berufungsbegehren nicht zum Erfolg zu verhelfen. Das
Berufungsgericht geht allerdings, obwohl der Kläger im Rahmen der
Vorprüfungsanhörung die Frage, ob er politisch tätig gewesen sei, ausdrücklich
verneinte, zu seinen Gunsten von seiner schlichten Mitgliedschaft in der PVD
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verneinte, zu seinen Gunsten von seiner schlichten Mitgliedschaft in der PVD
jedenfalls seit 1991 aus, nachdem er im Berufungsverfahren einen
entsprechenden Mitgliedsausweis vorgelegt und auch seine Ehefrau anläßlich ihrer
eigenen Vorprüfungsanhörung am 23. August 1996 angegeben hat, der Kläger sei
Mitglied im "Bund für Demokratisches Handeln", abgekürzt "LVP", gewesen.
Dagegen glaubt das Berufungsgericht dem Kläger aufgrund seines insoweit im
Laufe des Verfahrens in besonders auffälliger Weise gesteigerten Vorbringens
nicht, daß er in nennenswertem Umfang Aktivitäten für diese Partei entfaltet, etwa
- wie erstmals bei seiner Vernehmung durch das Berufungsgericht behauptet -
Einladungen zu Versammlungen verteilt und während derartiger Veranstaltungen
Wache gestanden hat. Da derartige Tätigkeiten zumindest nicht substantiiert in
das Wissen seiner Ehefrau gestellt worden sind, bedarf es übrigens auch nicht ihrer
Vernehmung hierzu als Zeugin. Den vorgelegten Bescheinigungen des
Ortsverbandes Bujanovac der PVD vom 2. Mai 1994 und vom 3. Februar 1997 sind
diesbezügliche Einzelheiten ebenfalls nicht zu entnehmen; die vom Kläger mit
Schriftsatz vom 4. Oktober 1996 angeregte Nachfrage bei dem betreffenden
Ortsverband drängt sich unter diesen Umständen nicht auf. Abgesehen davon
erscheint der Beweiswert solcher Bescheinigungen ohnehin als äußerst zweifelhaft,
da sie in nahezu identischer Fassung offenbar mehrfach (vgl. Anlage zu 55. und Bl.
15 der beigezogenen Akte VG Gießen 9 E 15097/93.A) und zudem - wie im Falle
des Klägers auf Veranlassung seines Bruders Regip - gleichsam auf Bestellung
erteilt wurden. Ungeachtet dessen hat der Kläger bei seiner informatorischen
Anhörung vor dem Verwaltungsgericht selbst eingeräumt, wegen seiner
angeblichen Aktivitäten für die PVD vor seiner Ausreise keine Schwierigkeiten mit
staatlichen Stellen gehabt zu haben. Wegen der schlichten Mitgliedschaft in der
PVD - es handelt sich um eine ordnungsgemäß registrierte politische Partei mit
ausschließlich albanischen Mitgliedern, die bei den letzten Parlamentswahlen
gemeinsam mit einer weiteren albanischen Minderheitspartei einen Sitz gewann -
hatten bzw. haben albanische Volkszugehörige zur Zeit der Ausreise des Klägers
und auch jetzt nicht mit asylerheblichen Verfolgungsmaßnahmen zu rechnen;
bisher ist jedenfalls kein einziger konkreter Fall dieser Art belegt worden oder sonst
bekannt geworden (55.; 79.; 102.; 129.; 136.; 167.).
Auf Grund einer Gesamtwürdigung aller vorgenannten Umstände steht für das
Berufungsgericht fest, daß der Kläger bis zur Abnahme seines Führerscheins
unbehelligt in seinem Elternhaus in Novo Selo oder in dem von der Familie
zusätzlich erworbenen Haus in Gnjilane leben konnte und daß die serbische Polizei
- sofern sie ihn vor der Ausreise überhaupt gesucht hat, was der Kläger erstmals
bei seiner Vernehmung durch das Berufungsgericht behauptet hat - lediglich
deshalb an seiner Person interessiert war, um ihm entweder gemäß der
Ankündigung in der vorgelegten Bescheinigung den abgenommenen Führerschein
zurückzugeben oder um ihn in Anbetracht der noch nicht erfüllten Wehrpflicht zu
rekrutieren. Selbst wenn die Polizei auch bei dem angeblichen PVD-Aktivisten
Sevdej Hüseyni nach dem Kläger - wie dieser behauptet - gefragt haben sollte,
könnte er daraus nichts herleiten, weil weder dargetan noch ersichtlich ist, daß die
betreffende Nachfrage wegen der Parteizugehörigkeit des Klägers und nicht aus
den obengenannten Gründen erfolgt wäre. Abgesehen davon glaubt das
Berufungsgericht dem insgesamt unglaubwürdigen Kläger seine diesbezüglichen
erstmals vor dem Berufungsgericht aufgestellten Behauptungen ebenfalls nicht.
1.2.3.
Dem mithin in jeder Hinsicht unverfolgt ausgereisten Kläger, der im Rückkehrfalle
auf absehbare Zeit weder ethnischer Gruppenverfolgung noch Einzelverfolgung
wegen Gruppenzugehörigkeit ausgesetzt ist, droht bei einer jetzigen Rückkehr
auch nicht aus sonstigen individuellen Gründen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit
politische Verfolgung.
Zwar erscheint nicht völlig ausgeschlossen, daß der jetzt 29 Jahre alte Kläger im
Rückkehrfalle aufgrund der bereits 1987 oder 1988 erfolgten Einberufung zum
Wehrdienst herangezogen wird, zumal nach seinen Bekundungen bei der
Vernehmung durch das Berufungsgericht noch im Dezember 1995 die Polizei in
seinem Elternhaus in Novo Selo nach ihm gefragt hat. Es erscheint auch denkbar,
daß bei der Einreise nach Jugoslawien von den Grenzbehörden anhand
entsprechender Listen festgestellt wird, daß der Kläger bereits für den 15. Januar
1988 zum Grundwehrdienst einberufen worden ist und daß er sich der
Dienstleistung bisher entzogen hat (30., S. 16; 48., S. 28; 67.; 82., S. 9; 84.; 88.;
89.; 126.). Mit Blick auf das am 22. Juni 1996 in Kraft getretene Amnestiegesetz,
welches alle Fälle des Wehrdienstentzugs jugoslawischer Wehrpflichtiger in der Zeit
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welches alle Fälle des Wehrdienstentzugs jugoslawischer Wehrpflichtiger in der Zeit
bis zum 14. Dezember 1995 erfaßt und offenbar auch angewandt wird (165.; 166.),
erachtet das Berufungsgericht allerdings für nicht wahrscheinlich, daß der Kläger
bei seiner Rückkehr wegen Wehrdienstentziehung bestraft werden wird. Ob dem
Kläger eine zwangsweise Zuführung zum Wehrdienst unter den vorgenannten
Umständen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, braucht das
Berufungsgericht nicht abschließend zu prognostizieren. Denn jedenfalls wäre die
asylrechtliche Relevanz - übrigens auch einer wenig wahrscheinlichen Bestrafung
wegen Wehrdienstentziehung - zu verneinen; abgesehen davon hätte der Kläger
im Falle seiner Heranziehung zum Wehrdienst auf keinen Fall mit einem Einsatz in
Bosnien-Herzegowina zu rechnen, da sich dort seit langem keine Einheiten der
Bundesrepublik Jugoslawien mehr befinden und überdies in jüngerer Zeit
überhaupt keine offiziellen Kampfhandlungen mehr stattfinden (vgl. das
Grundsatzurteil des Senats v. 16.02.1996 - 7 UE 4242/95 - unter 1.1.1.3. sowie
insbesondere 132.).
Allein wegen seiner Asylantragstellung in Deutschland ist der Kläger ebenfalls nicht
mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politischer Verfolgung ausgesetzt (6., S. 57;
56.; 80.; 104.). Allerdings sind Rückkehrer aus dem Ausland gewissen Restriktionen
unterworfen, die von Verhören über die Einbehaltung des Passes und die
Beschlagnahme von Devisen bis hin zur Einreiseverweigerung reichen können (11.,
S. 17; 13., S. 16; 43.; 48., S. 26 f.; 56.; 58.; 67.; 91.; 104.). Von rechtlich relevanter
Intensität sind diese Maßnahmen in aller Regel jedoch nicht, es sei denn, ein
Rückkehrer ist aus besonderen Gründen ins Blickfeld der jugoslawischen Behörden
geraten (VGH Baden-Württemberg, U. v. 19.09.1995 - A 14 S 1327/94 -, S. 13 f.;
hinsichtlich der Einreisebeschränkungen vgl. das Urteil des Senats v. 16.02.1996 -
7 UE 4242/95 - unter 1.1.1.7.). Anhaltspunkte dafür, daß gerade dem Kläger bei
einer Rückkehr ausnahmsweise derartige Eingriffe von asylerheblicher Schwere mit
beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen, liegen zur Überzeugung des
Berufungsgerichts nicht vor. In Anbetracht dessen, daß die Geschwister des
Klägers dort - sein Bruder Feris wird den Angaben des Klägers zufolge in Ruhe
gelassen, seit er der Polizei 500,-- DM gegeben hat - im wesentlichen unbehelligt
leben können und daß der Tod des Vaters des Klägers zwischenzeitlich knapp vier
Jahre zurückliegt, läßt sich nämlich zumindest nicht feststellen, daß die gesamte
Familie des Klägers und damit auch er selbst gegenwärtig (noch) einer erhöhten
Aufmerksamkeit durch die serbischen Sicherheitskräfte unterliegt. Das
Berufungsgericht ist demzufolge davon überzeugt, daß der Kläger bei der letzten
Nachfrage im Dezember 1995 allenfalls wegen Wehrdienstentziehung gesucht
worden ist und daß eine Wiederholung dessen infolge der zwischenzeitlich
verkündeten Amnestie jetzt nicht mehr zu befürchten ist. Darauf, ob der damals
ca. 65 1/2 Jahre alte Vater des Klägers - wofür sich jedenfalls der Sterbeurkunde
nichts entnehmen läßt und wofür auch das hierzu befragte Auswärtige Amt trotz
wiederholter Versuche keine Bestätigung erlangen konnte - am 6. Juli 1993
tatsächlich an den Folgen polizeilicher Mißhandlungen verstorben ist, kommt es
nach alledem nicht an. Deshalb brauchte auch der Frage nicht weiter
nachgegangen zu werden, woher die auch insoweit als Zeugin benannte Ehefrau
des Klägers ihre diesbezügliche, bei ihrer eigenen Vorprüfungsanhörung
verlautbarte Kenntnis hat.
1.3.
Da dem Kläger weder bei seiner Ausreise noch im Falle seiner jetzigen Rückkehr
auf absehbare Zeit politische Verfolgung droht, kommt es auf die Frage des
Vorhandenseins einer internen Fluchtalternative in der Bundesrepublik Jugoslawien
nicht an.
2.
Die Entscheidungen über die Kosten des Verfahrens - hierzu gehören auch die
Kosten des Antragsverfahrens 7 UZ 3084/95 - und über die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruhen auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b Abs. 1 AsylVfG und auf §
167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.
die obersten Bundesgerichte erfolgt.