Urteil des HessVGH vom 16.06.1998
VGH Kassel: rechtliches gehör, durchschnitt, beamtengesetz, quelle, zivilprozessrecht, kreis, verfahrensmangel, bestandteil, personalauswahl, dokumentation
1
2
3
4
5
6
Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
1. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 TZ 45/98
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 8 Abs 1 BG HE, Art 33
Abs 2 GG
(Bewerberauswahl für eine Beförderungsstelle -
Eignungsprognose)
Gründe
Der Antrag auf Zulassung der Beschwerde gegen den Beschluß des
Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 4. Dezember 1997 hat keinen Erfolg.
Weder bestehen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen
Entscheidung, noch weicht diese von einer Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts oder des Senats ab, noch liegt ein Verfahrensmangel
vor (§§ 146 Abs. 4, 124 Abs. 2 Nr. 1, 4, 5 VwGO).
Der Senat hat auch unter Berücksichtigung des gesamten Vorbringens des
Antragstellers - insbesondere im Zulassungsverfahren - keine ernstlichen Zweifel
an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne von § 124 Abs. 2
Nr. 1 VwGO. Die vom Verwaltungsgericht im Ergebnis gebilligte
Auswahlentscheidung zugunsten der Beigeladenen verletzt den Antragsteller nicht
in seinem Bewerbungsverfahrensanspruch (vgl. zu dessen Inhalt: Beschluß des
Senats vom 26. Oktober 1993 - 1 TG 1585/93 -, DVBl. 1994, 593 m. w. N.).
Insbesondere hat der Antragsgegner die durch Art. 33 Abs. 2 GG, § 8 Abs. 1
Hessisches Beamtengesetz (HBG) und § 10 Abs. 1 Satz 1 Hessisches
Gleichberechtigungsgesetz (HGlG) vorgegebenen Auswahlmaßstäbe von Eignung,
Befähigung und fachlicher Leistung beachtet, wie das Verwaltungsgericht
zutreffend dargelegt hat.
Zwar ist dem Antragsteller darin zuzustimmen, daß sich bei dem gebotenen
Eignungs- und Leistungsvergleich anhand der aktuellen dienstlichen Beurteilungen
über den Antragsteller vom 9. Januar 1997 und über die Beigeladene vom 16.
Januar 1997 ein Leistungsvorsprung gegenüber der Beigeladenen ergibt, der sich
nicht nur in der besseren Gesamtbeurteilung niederschlägt ("(übertrifft) in jeder
Hinsicht und in allen Bereichen die Anforderungen an den gehobenen Dienst in der
Verwaltung erheblich" gegenüber "Ihre Leistungen liegen deutlich über dem
Durchschnitt"), sondern auch in der Beurteilung einzelner wesentlicher Merkmale
des Leistungs- und Persönlichkeitsbildes deutlich wird, insbesondere bei Nr. 1
(Auffassungsgabe), Nr. 8 (Arbeitssorgfalt) und Nr. 9 (Fachkenntnisse) des
verwendeten einheitlichen Beurteilungsformulars. Dies gilt auch unter
Berücksichtigung der Tatsache, daß die Beurteilungen aus verschiedenen
dienstlichen Bereichen und von unterschiedlichen Erstbeurteilern herrühren.
Dennoch durfte der Antragsgegner die Beigeladene ohne Beurteilungsfehler dem
Antragsteller vorziehen. Die den Auswahlvermerk vom 16. Oktober 1997 ersichtlich
tragende Erwägung, die Beigeladene komme aufgrund ihrer während der
bisherigen Laufbahn gewonnenen beruflichen Erfahrungen und Fähigkeiten dem
Anforderungsprofil des ausgeschriebenen Dienstpostens am nächsten und sei
daher die am besten geeignete Bewerberin, beruht auf einer umfassenden
Auswertung der dienstlichen Beurteilungen und des entscheidungserheblichen
Inhalts der Personalakten und ist gerichtlich nicht zu beanstanden.
Nach der Rechtsprechung des Senats hat der Dienstherr grundsätzlich das Recht,
6
7
8
9
10
11
Nach der Rechtsprechung des Senats hat der Dienstherr grundsätzlich das Recht,
den Kreis der Bewerber um eine Beförderungsstelle bzw. einen höher bewerteten
Dienstposten dadurch zu begrenzen, daß er die Stelle mit einer genauen
Beschreibung der fachlichen und persönlichen Anforderungen an den zukünftigen
Stelleninhaber (Anforderungsprofil) ausschreibt und Bewerber, die wesentliche
Merkmale dieses Anforderungsprofils nicht erfüllen, nicht in die engere Auswahl
einbezieht (vgl. Beschlüsse des Senats vom 20. September 1994 - 1 TG 1261/94 -,
ESVGH 45, 156 und vom 23. August 1994 - 1 TG 1749/94 -, ZBR 1995, 107). Dies
schließt die Befugnis ein, bei der eigentlichen Auswahlentscheidung unter den
Bewerbern, die nach ihrem Leistungsbild grundsätzlich für die Auswahl in Betracht
kommen, denjenigen zu bevorzugen, der nach Auffassung des Dienstherrn den
Anforderungen des zu besetzenden Dienstpostens am besten gewachsen sein
wird. Das darin liegende prognostische Element der Auswahlentscheidung findet
seine Rechtfertigung in dem berechtigten öffentlichen Interesse an einer
effizienten Arbeit der Verwaltung, wie bereits das Verwaltungsgericht zu Recht
hervorgehoben hat. Wesentlicher Bestandteil dieser Eignungsprognose kann die
Frage sein, welcher Bewerber aufgrund seiner bisherigen beruflichen Erfahrung am
ehesten imstande ist, die zukünftigen dienstlichen Aufgaben ohne Verzögerung -
etwa durch längere Einarbeitung - erfolgreich wahrzunehmen.
Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze führt der Umstand, daß der
Antragsgegner zu Unrecht von im wesentlichen gleichen dienstlichen Leistungen
des Antragstellers und der Beigeladenen ausgegangen ist, gleichwohl nicht zur
Rechtswidrigkeit der Auswahlentscheidung; denn der Antragsgegner war
berechtigt, den - im übrigen nur knappen - Leistungsvorsprung des Antragstellers
in Anbetracht der besseren Eignung der Beigeladenen am Maßstab des
Anforderungsprofils als ausgeglichen zu betrachten und ihr den Vorzug gegenüber
dem Antragsteller zu geben. Dieser Entscheidung liegt auch kein unrichtiger oder
unvollständiger Sachverhalt zugrunde; denn die nach dem Inhalt der
Verwaltungsvorgänge von der Beigeladenen erfolgreich wahrgenommenen
dienstlichen Aufgaben weisen jedenfalls in weiten Bereichen die erforderliche
Sachnähe zu den Aufgaben des ausgeschriebenen Dienstpostens im Dezernat III
KFH 4 (Unterbringungsbeschaffung, Landesaufnahmegesetz) des
Regierungspräsidiums auf. Damit ist die für die Beigeladene günstigere
Eignungsprognose sachlich gerechtfertigt.
Bei dieser Sachlage war entgegen der Ansicht des Antragstellers für die
Berücksichtigung sogenannter Hilfskriterien kein Raum. Dienstalter und
Familienstand kommen als Hilfskriterien ohnehin nur in seltenen Ausnahmefällen
in Betracht, weil sie leistungsfremd sind (vgl. dazu grundlegend Beschluß des
Senats vom 5. Juli 1994 - 1 TG 1659/94 -, ZBR 1995, 109; siehe ferner Beschluß
vom 16. Mai 1995 - 1 TG 772/95 -, NVwZ-RR 1996, 279 sowie zuletzt Urteil vom 9.
Juli 1997 - 1 UE 3581/95 -, ESVGH 48, 80).
Die Beschwerde ist auch nicht wegen Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO)
zuzulassen.
Es bestehen bereits erhebliche Bedenken, ob die Voraussetzungen dieses
Zulassungsgrundes hinreichend dargelegt worden sind (vgl. § 146 Abs. 5 Satz 3
VwGO). Hierzu bedarf es der Benennung eines inhaltlich bestimmten, die
angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatzes, mit dem das
Verwaltungsgericht einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
bzw. des Senats aufgestellten ebensolchen, die jeweilige Entscheidung tragenden
Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. zur
Revisionszulassung BVerwG, Beschluß vom 17. August 1997 - 7 B 261.97 -, DÖV
1998, 117 m. w. N.). Diesen Anforderungen genügt die Antragsschrift vom 22.
Dezember 1997 bereits in formeller Hinsicht nicht; denn sie enthält insoweit
lediglich Rechtsausführungen und benennt keine bestimmten vom
Verwaltungsgericht aufgestellten Rechtssätze.
Im übrigen liegen die behaupteten Abweichungen auch inhaltlich nicht vor. Der
zitierten Entscheidung des Senats vom 27. Januar 1994 - 1 TG 2485/93 - (NVwZ-RR
1994, 525) lag ein anderer Sachverhalt zugrunde; denn Gegenstand jenes
Verfahrens war die Personalauswahl zwischen Angestellten und Beamten. Darüber
hinaus hat das Verwaltungsgericht lediglich ausgeführt (S. 7 f., 11 des
Entscheidungsabdrucks), daß der Antragsgegner die seinerzeit vom Senat
formulierten Anforderungen an einen rechtsfehlerfreien Eignungs- und
Leistungsvergleich eingehalten und insbesondere die aktuellen dienstlichen
Beurteilungen einbezogen hat, wie bereits eingangs dargelegt.
12
13
14
15
16
Von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Heranziehung des
Lebens- und Dienstalters bei der Auswahl unter Beamten, die nach Eignung,
Befähigung und fachlicher Leistung im wesentlichen gleich beurteilt sind (BVerwG,
Urteil vom 25. August 1988 - 2 C 51.86 -, BVerwGE 80, 123 = NJW 1989, 538),
weicht die erstinstanzliche Entscheidung gleichfalls nicht ab; denn da das
Verwaltungsgericht in Übereinstimmung mit dem Antragsgegner - wie dargelegt
zutreffend - von einem Eignungsvorsprung der Beigeladenen gegenüber dem
Antragsteller ausgegangen ist, stellte sich die Frage nicht, ob und welche
Hilfskriterien der Dienstherr ohne Beurteilungsfehler hätte berücksichtigen können
und müssen.
Aus dem gleichen Grunde kommt auch eine Zulassung der Beschwerde wegen
eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) nicht in Betracht. Das
Vorbringen des Antragstellers in dem Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 24.
November 1997 zur Notwendigkeit der Heranziehung von Hilfskriterien war für die
Entscheidung des Verwaltungsgerichts ersichtlich nicht erheblich. In dem
Umstand, daß das Verwaltungsgericht diesen Inhalt des Schriftsatzes vom 24.
November 1997 in den Gründen seiner Entscheidung nicht ausdrücklich gewürdigt
hat, kann keine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör im Sinne von Art. 103
Abs. 1 GG, § 138 Nr. 3 VwGO gesehen werden.
Da der Antrag auf Zulassung der Beschwerde erfolglos bleibt, hat der Antragsteller
gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Zu
einer Billigkeitsentscheidung hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen nach § 162 Abs. 3 VwGO besteht kein Anlaß, da diese keine Anträge
gestellt und somit kein Kostenrisiko übernommen hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 14 Abs. 1 und 3, 13 Abs. 1 Satz 1,
Abs. 4 Sätze 1 a und 2, 20 Abs. 3 GKG. Der Senat berechnet den in einem
Beschwerdeverfahren anzusetzenden Streitwert (§ 14 Abs. 3 GKG) ebenso wie das
Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluß.
Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.