Urteil des HessVGH vom 08.06.1990

VGH Kassel: zur unzeit, aufenthaltserlaubnis, abschiebung, verfügung, familiennachzug, vollziehung, vorläufiger rechtsschutz, überwiegendes interesse, volljährigkeit, widerspruchsverfahren

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
12. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 TH 2430/89
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 62 Abs 1 Nr 1 VwGO, § 80
Abs 5 S 1 VwGO, § 80 Abs
5 S 3 VwGO, § 13 Abs 1
GKG, § 20 Abs 3 GKG
(Familiennachzug - Änderung der Erlaßlage - Aufhebung
der Vollziehung/Streitwert)
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig, soweit sie sich auf die in der Verfügung des
Antragsgegners vom 15. September 1988 enthaltene Abschiebungsandrohung
bezieht, denn diese wurde durch die am 18. Juli 1989 durchgeführte Abschiebung
endgültig gegenstandslos (Hess. VGH, 17.03.1986 - 7 TH 228/83 -) mit der Folge,
daß dem Antragsteller insoweit das Rechtsschutzbedürfnis für das
Beschwerdeverfahren fehlt. Regelmäßig erledigt sich eine Abschiebungsandrohung
nämlich, wenn der Ausländer abgeschoben wird oder wenn er freiwillig ausreist, um
seiner Abschiebung zuvorzukommen (Hess. VGH, 14.03.1989 - 12 TH 741/89 -
,"EZAR 105 Nr. 23 = NVwZ-RR 1989, 432, m.w.N.). Nur dann, wenn die
Ausländerbehörde für den Fall einer Rückkehr des Ausländers die bisherige
Abschiebungsandrohung als taugliche Grundlage für eine (erneute) Abschiebung
anzusehen beabsichtigt, kann ausnahmsweise ein Bedürfnis des Ausländers an
vorläufigem Rechtsschutz auch insoweit nicht verneint werden (Hess. VGH,
14.03.1-989 - 12 TH 741/89 -, a.a.O.). Im vorliegenden Falle hat weder der
Antragsgegner entsprechende Absichten geäußert, noch liegen Anhaltspunkte
dafür vor, daß der Antragsteller illegal ins Bundesgebiet zurückkehren wird. Wenn
er nach der gerichtlichen Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines
Widerspruchs hinsichtlich der Versagung der Aufenthaltserlaubnis einreist, ist die
frühere Abschiebungsandrohung bereits deshalb gegenstandslos geworden, weil
der Antragsteller die mit ihr verbundene Ausreisefrist aufgrund der Rückwirkung
der gerichtlichen Anordnung nicht einzuhalten brauchte (BVerwG, 11.11.1982 - 1 C
15.79 -, InfAuslR 1983, 33; vgl. ferner Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im
Verwaltungsstreitverfahren, 3. Aufl., 1986, Rdnr. 665). Eines besonderen
gerichtlichen Hinweises auf das hinsichtlich der Abschiebungsandrohung fehlende
Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers bedurfte es trotz dessen ausdrücklicher
diesbezüglicher Bitte mit Schriftsatz vom 13. Oktober 1989 nicht, weil von der
gegenstandslos gewordenen Abschiebungsandrohung belastende Wirkungen nicht
mehr ausgehen und weil die insoweit erfolgende Verwerfung der Beschwerde auch
in kostenrechtlicher Hinsicht keine Nachteile für den Antragsteller hat (vgl. Hess.
VGH, 08.12.1988 - 12 TH 2512/87 -, FamRZ 1989, 739 <Ls.> = NVwZ-RR
1989, 581 <Ls.>, 23.03.1989 - 12 TH 1097/87 -, 17.08.1989 - 12 TH 2791/88 -
, InfAuslR 1989, 299, u. 28.11.1989 - 12 TH 2263/89 EZAR 100 Nr. 24).
Im übrigen, also hinsichtlich des sinngemäßen Antrags auf Anordnung der
aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs, soweit dieser sich gegen die
Versagung der Aufenthaltserlaubnis richtet, und hinsichtlich des Antrags auf
Aufhebung der Vollziehung, ist die Beschwerde in vollem Umfang zulässig.
Insbesondere fehlt dem am 22. Oktober 1971 geborenen Antragsteller nicht die
Prozeßfähigkeit für das Beschwerdeverfahren (vgl. § 62 Abs. 1 Nr. 1 VwGO u.
BVerwG, 16.08.1982 - 1 CB 162.80 -, EZAR 600 Nr. 4 = BayVBl. 1984, 57, m.w.N.),
nachdem er zwischenzeitlich volljährig geworden und eine von ihm nach Eintritt der
Volljährigkeit unterzeichnete Prozeßvollmacht vorgelegt worden ist (vgl. Hess.
VGH, 28.12.1989 - 12 TH 4942/88 - u. 31.05.1990 - 12 TH 1459/89 -).
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Ebensowenig kann dem Antragsteller das Rechtsschutzbedürfnis abgesprochen
werden, soweit er vorläufigen Rechtsschutz gegen die Versagung der
Aufenthaltserlaubnis begehrt. Vor allem hat sich das Beschwerdeverfahren
insoweit nicht durch die Abschiebung des Antragstellers erledigt. Vielmehr führt
nur das endgültige freiwillige Verlassen des Bundesgebiets durch einen Ausländer
regelmäßig zum Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses für ein von ihm betriebenes
aufenthaltsrechtliches Eilverfahren, weil dann davon auszugehen ist, daß er an
seinem diesbezüglichen Rechtsschutzbegehren nicht länger festhält (vgl. § 9 Abs.
1 Nr. 3 AuslG, BVerwG, 18.12.1984 - 1 C 19.81 -, EZAR 223 Nr. 10 NVwZ 1985,
428, u. Hess. VGH, 21.04.1989 - 12 TH 4117/88 u. 12 TH 951/89 -, 30.05.198912
TH 1658/89 -"NJW 1989, 140, 21.12.1989 - 12 TH 2820/88 -, EZAR 622 Nr. 7, u.
23.04.1990 - 12 TH 83/90 -). Durch Zeitablauf ist ebenfalls eine Erledigung nicht
eingetreten. Zwar hatte der Antragsteller unter dem 25. Januar 1988 beantragt,
ihm "die Aufenthaltsbewilligung bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres zu
erteilen", und wird ein vorläufiges Rechtsschutzverfahren, das sich auf die
Versagung einer lediglich befristet begehrten Aufenthaltserlaubnis bezieht, mit
Ablauf der betreffenden Frist gegenstandslos mit der Folge, daß dem Antragsteller
das Rechtsschutzbedürfnis fehlt (Hess. VGH, 02.05.1986 -7 TH 1411/85 - u.
22.09.1988 - 12 TH 836/88 -, EZAR 622 Nr. 6 = InfAuslR 1-989, 14). Indessen hat
der Antragsteller die betreffende Befristung in seinem Widerspruchsschreiben vom
7. Oktober 1988 und damit rechtzeitig - nämlich vor Eintritt der Volljährigkeit und
vor Erlaß des Widerspruchsbescheids - fallengelassen und begehrt seither
uneingeschränkt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
Auch der Antrag auf Aufhebung der Vollziehung ist statthaft. Er findet seine
verfahrensrechtliche Grundlage in § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO (Kopp, VwG0, 8. Aufl.
1989, § 80, Rdnr. 72), durfte - zumal die Abschiebung nach Erlaß des
erstinstanzlichen Beschlusses erfolgt ist - im Beschwerdeverfahren erstmalig
gestellt worden und geht auch nicht etwa wegen Erledigung der Grundverfügung
infolge deren Vollzugs ins Leere (vgl. hierzu Finkelnburg/Jank, a.a.O., Rdnr. 80);
denn die Versagung der Aufenthaltserlaubnis ist, wie oben dargelegt, durch die
Abschiebung des Antragstellers gerade nicht gegenstandslos geworden. Der
Aufhebungsantrag ist zutreffend nicht isoliert, sondern unter Aufrechterhaltung
des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gestellt
worden, denn letzterer ist Voraussetzung für den ersteren, weil erst die Anordnung
der aufschiebenden Wirkung der Vollziehung die rechtliche Grundlage entzieht
(Finkelnburg/Jank, a.a.O., Rdnr. 679).
Die hiernach im wesentlichen zulässige Beschwerde ist im entsprechenden
Umfang auch begründet; denn das Verwaltungsgericht hat den sinngemäßen
Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs, soweit
dieser sich gegen die Versagung der Aufenthaltserlaubnis richtet, zu Unrecht
abgelehnt, und außerdem ist auf den Antrag des Antragstellers in der im Tenor
konkretisierten Form auch die Aufhebung der Vollziehung anzuordnen. Für die
gesamte rechtliche Beurteilung sind, da ein Widerspruchsbescheid noch nicht
ergangen ist, die derzeitigen tatsächlichen Verhältnisse maßgebend (Hess. VGH,
21.12.1989 - 12 TH 2820/88 -, EZAR 622 Nr. 7 m.w.N.).
Ein überwiegendes Interesse an der Aussetzung der Vollziehung kann nicht etwa
mit der Erwägung verneint werden, daß der Aufenthaltserlaubnisantrag, der
Widerspruch und der gerichtliche Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zunächst nicht
wirksam gewesen seien. Zwar ist der Formblattantrag auf Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis vom 21. Oktober 1987 nur vom Antragsteller und seinem
Vater unterschrieben und hat die zunächst vorgelegten Prozeßvollmachten
allesamt der Vater des Antragstellers unter zeichnet. Indessen wurde bereits im
Verwaltungsverfahren eine Einwilligung der Mutter des Antragstellers vom 11.
Dezember 1987 eingereicht, wonach er "alles Nötige für die Beantragung der
Aufenthaltserlaubnis in die Wege leiten" könne, und außerdem ist der Antragsteller
zwischenzeitlich volljährig geworden und hat durch die danach erteilte Vollmacht
die früheren Verfahrenshandlungen seiner Bevollmächtigten genehmigt; dadurch
sind die be treffenden Mängel rückwirkend geheilt worden (vgl. Hess. VGH,
21.11.1989 - 12 TH 2401/8928.12.1989 - 12 TH 4942/88 - u. 31.05.1990 - 12 TH
1459/89
Nach der im vorliegenden Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen und in
der Regel auch nur möglichen summarischen Überprüfung der Sach- und
Rechtslage erscheint derzeit als offen, ob die Verfügung des Antragsgegners vom
15. September 1988 offenbar rechtmäßig oder offenbar rechtswidrig ist; unter
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15. September 1988 offenbar rechtmäßig oder offenbar rechtswidrig ist; unter
diesen Umständen überwiegt im vorliegenden Fall das private Interesse des
Antragstellers an einem vorläufigen Aufenthalt im Bundesgebiet bis zum
endgültigen Verfahrensabschluß in der Hauptsache das öffentliche Interesse an
der Aufrechterhaltung des Sofortvollzugs der angegriffenen Verfügung.
Verfahrensfehler, die zwischenzeitlich noch nicht als geheilt angesehen werden
können, sind der Ausländerbehörde bei der Versagung der Aufenthaltserlaubnis
allerdings nicht unterlaufen. Soweit das Anhörungsschreiben vom 4. März 1988 an
die Rechtsanwälte Glass gerichtet und diesen auch die Verfügung vom 15.
September 1988 zugestellt worden ist, obwohl. sie damals nur eine vom Vater des
Antragstellers unterzeichnete Vollmacht vorlegen konnten, sind auch die darin
liegenden Verfahrensfehler infolge der bereits mehrfach erwähnten
Vollmachtserteilung durch den nunmehr volljährigen Antragsteller als geheilt
anzusehen, zumal sich der Antragsteller oder seine Eltern auf den betreffenden
Mangel zu keiner Zeit berufen haben (BVerwG, 31.07.1984 - 9 C 156.83 -, EZAR
600 Nr. 6 = NJW 1985, 576, u. Hess. VGH, 21.11.1989 - 12 TH 2401/89 - u.
31.05.1990 - 12 TH 1459/89
Ob der Antragsgegner dem Antragsteller eine Aufenthaltserlaubnis rechtsfehlerfrei
versagen kann, erscheint dagegen derzeit als offen und kann frühestens im
Widerspruchsverfahren oder in einem sich eventuell anschließenden
Klageverfahren endgültig entschieden werden.
Zutreffend hat der Antragsgegner freilich erkannt, daß Rechtsgründe der
begehrten Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nicht entgegenstehen. Keinen
Hinderungsgrund bildet hier das Fehlen eines gültigen Passes oder Paßersatzes
(vgl. dazu BVerwG, 19.01.1983 - 1 B 11.83 -, EZAR 112 Nr. 1 = NVwZ 1983, 226),
denn der Antragsteller verfügt über einen bis zum 15. November 1990 gültigen
türkischen Nationalpaß. Der Erlaubniserteilung steht auch ein Verstoß gegen
Einreisevorschriften nicht entgegen (vgl. dazu BVerwG, 04.09.1986 - 1 C 19.86 -,
BVerwGE 75, 20 = EZAR 100 Nr. 20), denn der Antragsteller hatte bei seiner
Einreise am 22. August oder 23. August 1987 noch nicht das 16. Lebensjahr
vollendet und bedurfte deshalb keines vorher einzuholenden Sichtvermerks (§§ 2
Abs. 2 Nr. 1, 5 AuslG). Die Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 1 AuslG, wonach einem
Ausländer, der abgeschoben worden ist, keine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden
darf, muß hier trotz der am 18. Juli 1989 durchgeführten Abschiebung außer
Betracht bleiben, da die Abschiebung gerade aufgrund der hier zu überprüfenden
Aufenthaltserlaubnisversagung erfolgt und im übrigen, wie noch darzulegen sein
wird, auch zur Unzeit vorgenommen worden ist.
Offen erscheint dagegen, ob der Antragsgegner die Erteilung der
Aufenthaltserlaubnis mit Ermessenserwägungen rechtsfehlerfrei abgelehnt hat
und ablehnen kann.
Insbesondere kann im vorliegenden Verfahren nicht sicher beurteilt werden, ob mit
Blick auf den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG ermessensbindende
Verwaltungsvorschriften die Ausländerbehörde gegenwärtig daran hindern, dem
Antragsteller eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.
Zu Recht vertreten Ausländerbehörde und Verwaltungsgericht freilich die
Auffassung, daß für die Beurteilung des Begehrens des Antragstellers
grundsätzlich der Erlaß des Hessischen Ministers des Innern betr.
"Aufenthaltserlaubnis bei Familiennachzug" vom 15. September 1987 (StAnz. S.
1955) - unmittelbar oder entsprechend - heranzuziehen ist. Nach Absch. X Nr. 1
dieses Erlasses wurde nämlich der bis dahin maßgebende Erlaß vom 13. Juli 1984
(StAnz. S. 1486) aufgehoben, und in Abschn. X Nr. 2 ist als "Übergangslösung für
Altfälle" bestimmt, daß (nur) die bis zum 15. September 1987 gestellten Anträge
auf Familienzusammenführung nach der bisherigen (günstigeren) Erlaßlage zu
entscheiden sind. Der Senat teilt ebenso wie das Verwaltungsgericht nicht die vom
Antragsteller gegen die vorgenannte Bestimmung erhobenen und im wesentlichen
mit Rechtsstaatlichkeitserwägungen begründeten verfassungsrechtlichen
Bedenken, denn insbesondere dem Vertrauensschutz- und dem
Verhältnismäßigkeitsprinzip sowie den Schutzgeboten des Art. 6 GG kann und
muß im Einzelfall nach den jeweils vorliegenden wesentlichen Besonderheiten
entweder mit Hilfe der Härteklausel (Abschn. V des Erlasses vom 15. September
1987) oder außerhalb der ohnehin nur für typische Fallkonstellationen geltenden
Erlaßregelung Rechnung getragen werden (BVerwG, 18.09.1984 - 1 A 4.83 -,
BVerwGE 70, 127 = EZAR 105 Nr. 15, u. 04.10.1988 - 1 A 93.88 -, EZAR 105 Nr. 22
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BVerwGE 70, 127 = EZAR 105 Nr. 15, u. 04.10.1988 - 1 A 93.88 -, EZAR 105 Nr. 22
= InfAuslR 1988, 315; Hess. VGH, 14.03.1989 - 12 TH 741/89 -, EZAR 105 Nr. 23 =
NVwZ-RR 1989, 432, u. 20.07.1989 - 12 TH 3562/87 -, EZAR 105 Nr. 26). Der
Aufenthaltserlaubnisantrag des Antragstellers vom 21. Oktober 1987 ist am 27.
Oktober 1987 bei der Ausländerbehörde eingegangen, also nach dem für die
Fortgeltung der bisherigen Erlaßlage bestimmten Stichtag des 1-5. September
1987. Bis zu diesem Termin hat der Antragsteller auch bei Zugrundelegung seines
eigenen Vorbringens keinen derartigen Antrag gestellt. Zwar ist substantiiert
vorgetragen und durch eidesstattliche Versicherung des Vaters des Antragstellers
vom 1. Februar 1989 auch glaubhaft gemacht, daß der Vater anläßlich der
polizeilichen Anmeldung des Antragstellers bei der Meldebehörde der Stadt
Flörsheim am Main am 24. August 1987 für ihn einen Aufenthaltserlaubnisantrag
stellen wollte; unstreitig ist es aber zu einer Antragstellung tatsächlich nicht
gekommen; insbesondere ist bei der nach § 20 Abs. 1 Satz 1 AuslG zuständigen
Ausländerbehörde des Antragsgegners der betreffende Antrag bis zum Stichtag
nicht eingegangen (vgl. auch AuslVwV Nr. 29 Satz 1 zu § 20).
Unter diesen Umständen kann offenbleiben, ob die Meldebehörde deshalb keinen
Antrag (zum Zwecke der Weiterleitung an die Ausländerbehörde)
entgegengenommen hat, weil sich der Vater des Antragstellers nicht hinreichend
verständlich machen konnte (so das Vorbringen im Widerspruchsschreiben vom 7.
Oktober 1988) oder weil seitens der Meldebehörde geäußert wurde, der Antrag
könne erst nach Vollendung des 16. Lebensjahres gestellt werden (so das
Vorbringen in der gerichtlichen Antrags- und in der Beschwerdeschrift). Denn
selbst wenn man davon ausgeht, daß nur zulässigerweise bis zum 15. September
1987 gestellte Anträge die für den Ausländer günstigere Rechtsfolge auslösen (so
BVerwG, 04.07.1989 - 8 C 84/85 -, NVwZ 1986, 1021, für den ähnlichen Fall eines
kürzeren Zivildienstes bei Antragstellung vor einem bestimmten Stichtag), und
wenn man außerdem annimmt, der Antragsteller habe - gleichsam um für die
Entscheidungsreife unmittelbar bei Vollendung des 16. Lebensjahres vorzusorgen
(vgl. BVerwG, 04.07.1987 - 8 C 84/85 -, a.a.O.) - jedenfalls knapp zwei Monate
zuvor schon einen Aufenthaltserlaubnisantrag stellen dürfen und die übrigen
damals gegebenen Zulässigkeitsmängel - nämliche fehlende Schriftform (vgl. § 21
Abs. 2 Satz 1 AuslG u. Hess. VGH, 14.06.1988 - 12 TP 2278/88 -) und mangelnde
Handlungsfähigkeit - seien durch spätere Nachholung rückwirkend geheilt worden,
so bleibt es doch dabei, daß die Antragstellung erst mit dem Eingang bei der
zuständigen Ausländerbehörde (vgl. BVerwG, 03.06.1988 - 8 C 79/86 -, NVwZ
1988, 1128) und damit hier erst am 27. Oktober 1987 erfolgt ist. Eine
Wiedereinsetzung in die durch die Stichtagsregelung bestimmte Frist kommt eben
falls nicht in Betracht, weil der Vater des Antragstellers, auch wenn die
Meldebehörde am 24. August 1987 tatsächlich die Aufnahme eines
Aufenthaltserlaubnisantrags unter Hinweis auf die Minderjährigkeit des
Antragstellers abgelehnt haben sollte, jedenfalls nicht gehindert war, gleichwohl
einen (schriftlichen) Antrag unmittelbar an die Ausländerbehörde zu richten.
Abgesehen davon bestehen keine Anhaltspunkte dafür, der Meldebehörde sei
etwa schon bekannt gewesen, daß das Inkrafttreten einer für den Antragsteller
ungünstigeren Erlaßlage kurz bevorstand; der be treffende Erlaß datiert nämlich
vom 15. September 1987 und wurde erst im Staatsanzeiger für das Land Hessen
Nr. 39 vom 28. September 1987 veröffentlicht. Schon deshalb kann ihr, wie
übrigens der Antragsteller selbst einräumt (vgl. S. 5, erster Abs., der
Antragsschrift vom 1. Februar 1989), auch keine Verletzung ihrer Beratungs- und
Auskunftspflicht gemäß § 25 HVwVfG angelastet werden.
Nach den Regelbestimmungen des mithin grundsätzlich einschlägigen Erlasses
des Hessischen Ministers des Innern betr. Aufenthaltserlaubnis bei
Familiennachzug vom 15. September 1987 sind u.a. nur unverheiratete Kinder
eines ausländischen Arbeitnehmers nachzugsberechtigt, die das 16. Lebensjahr
noch nicht vollendet haben; sie dürfen jedoch zu einem allein im Bundesgebiet
lebenden Elternteil nicht nachziehen, wenn der andere Elternteil noch im Ausland
lebt (Abschn. I Nr. 2 a Abs. 1 u. 3 des Erlasses). Außerdem können Ausländer, die
als Kinder von Ausländern eingereist sind, ihren Ehegatten nachziehen lassen,
wenn sie das 18. Lebensjahr vollendet haben, sich seit mindestens acht Jahren
ununterbrochen im Bundesgebiet aufhalten, mindestens eine unbefristete
Aufenthaltserlaubnis besitzen, den gemeinsamen Lebensunterhalt aus eigenen
Einkünften bestreiten können, eine Wohnung haben und die Ehe bereits ein Jahr
besteht (Abschn. I Nr. 2 c des Erlasses). Diese regelmäßigen
Erlaßvoraussetzungen hat der Antragsteller seit der Antragstellung zu keiner Zeit
erfüllt, und sie liegen auch im maßgeblichen gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vor.
Denn zum einen war der Antragsteller bei der Beantragung der
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Denn zum einen war der Antragsteller bei der Beantragung der
Aufenthaltserlaubnis bereits 16 Jahre alt, ist er jetzt sogar volljährig und lebt seine
Mutter nach wie vor in der Türkei, und zum anderen ist seine Ehefrau erst seit dem
12. Dezember 1986 im Bundesgebiet, besitzt sie lediglich eine befristete
Aufenthaltserlaubnis, ist nichts dafür dargetan, daß sie überhaupt Einkünfte hat,
und erst recht nichts dafür, daß diese zur Bestreitung auch des Lebensunterhalts
des Antragstellers ausreichen, und schließlich besteht die Ehe erst seit dem 27. Juli
1987.
Allerdings kann die Ausländerbehörde bei außergewöhnlichen, über das allgemein
hinzunehmende Maß hinausgehenden Härten, die durch die Regelung des
Familiennachzugs für u.a. Jugendliche und Zuheiratsfälle der zweiten Generation
entstehen, mit Zustimmung des Regierungspräsidenten eine Ausnahme von der
Nachzugsbeschränkung zulassen (Abschn. V des Erlasses). Bei der Prüfung, ob die
Härteklausel im konkreten Einzelfall zum Zuge kommt, ist darauf Bedacht zu
nehmen, daß der Erlaß nach seinem eindeutigen Wortlaut und seiner Zielrichtung
unmittelbar nur den Familiennachzug nach Antragstellung vom Ausland aus regelt,
nicht also den weiteren Verbleib bereits im Bundesgebiet befindlicher
Familienangehöriger von Ausländern (vgl. Hess. VGH, 20.12.1988 - 12 TH 85/88 -).
Auf derartige Personen werden die Erlaßregelungen freilich ohne weiteres
entsprechend angewandt werden können, soweit die Ausländer sich illegal hier
aufhalten; dagegen kommt allenfalls eine vorsichtige, den Besonderheiten des
Einzelfalls Rechnung tragende Analogie (bejahend etwa BVerwG, 29.07.1985 - 1 C
24.84 -, EZAR 105 Nr. 19 ; u. Bay. VGH, 19.12.1983 - 10 CS 83
A.2284 -, EZAR 105 Nr. 13 ) in Betracht, soweit es um Personen geht,
die schon zu einem früheren Zeitpunkt legal eingereist sind und sich seither befugt
hier aufhalten oder - wären sie nicht zur Unzeit abgeschoben worden - jedenfalls
befugt hier aufhalten würden. Der Antragsteller ist am 22. August oder 23. August
1987 vor Vollendung seines 16. Lebensjahres zu seinem hier lebenden Vater
nachgezogen; er bedurfte hierzu nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 AuslG keiner
Aufenthaltserlaubnis und tat dies außerdem in Einklang mit Abschn. I Nr. 2 a Abs.
1 und 3 des seinerzeit noch geltenden Erlasses des Hessischen Ministers des
Innern betr. Aufenthaltserlaubnis bei Familiennachzug vom 13. Juli 1984, wonach
noch nicht 18jährige Kinder zu einem allein im Bundesgebiet lebenden Elternteil
nachziehen durften. Nach der Stellung des Aufenthaltserlaubnisantrags vom 21.
Oktober 1987 galt der Aufenthalt des Antragstellers gemäß § 21 Abs. 3 AuslG bis
zur Zustellung der Verfügung der Ausländerbehörde am 16. September 1988
vorläufig als erlaubt, und danach war (bzw. wäre) dem Antragsteller Gelegenheit
zur Stellung eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO und - nach dessen Ablehnung -
auch zur Einlegung der Beschwerde zu geben (gewesen), und - gemäß den
jeweiligen Ersuchen der Berichterstatter beider Instanzen vom 2. Februar und 1.
September 1989 und der allgemein üblichen Handhabung in der Praxis der
Ausländerbehörden - hätte im Hinblick auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19
Abs. 4 GG und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht nur die
erstinstanzliche Entscheidung abgewartet werden müssen, sondern auch die
Beschwerdeentscheidung abgewartet werden sollen (vgl. Kanein/Renner,
Ausländerrecht, 4. Aufl., 1988, § 13 AuslG, Rdnr. 13, unter Hinweis auf BVerfG,
19.06.1973 - 1 BvL 39/69 u. 14/72 -, BVerfGE 35, 263 ).
Berücksichtigt man diese Umstände und läßt man demgemäß die zur Unzeit
erfolgte Abschiebung außer Betracht, so steht beim Antragsteller kein
Familiennachzug im eigentlichen Sinne, sondern die Frage des weiteren
Verbleibens eines Familienangehörigen zur rechtlichen Überprüfung an. Dies hat
der Regierungspräsident in Darmstadt, als er unter dem 19. Januar 1989 die
Aussetzung der Vollziehung ablehnte, ebensowenig erkennbar berücksichtigt wie
das Verwaltungsgericht bei der mit der Beschwerde angegriffenen
erstinstanzlichen Entscheidung. Ob bei der vorliegenden besonderen
Fallkonstellation überhaupt eine entsprechende Anwendung der fraglichen
Verwaltungsvorschriften in Betracht kommt und welche Entscheidung bei der
bejahendenfalls vorzunehmenden Härtefallprüfung rechtsfehlerfrei getroffen
werden kann, läßt sich im summarischen vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht
abschließend beurteilen. Immerhin stellt sich die tatsächliche Situation insofern
verändert dar, als aufgrund der zwischenzeitlichen Volljährigkeit dem Schutzgebot
des Art. 6 GG für das Verhältnis des Antragstellers zu seinen Eltern nur noch
geringes Gewicht zukommt (vgl. für die rechtliche Situation vor Eintritt der
Volljährigkeit in Fällen der vorliegenden Art BVerwG, 09.02.1983 - 1 B 17.83 -,
EZAR 105 Nr. 8 = NJW 1983, 1278) und sich ferner nicht mehr die Frage stellt,
welche Bedeutung dem Umstand beizumessen war, daß durch den Nachzug des
Antragstellers Erziehungsschwierigkeiten seiner Mutter im Zusammenhang mit
seinem auswärtigen Schulbesuch entgegengewirkt werden sollte. Dagegen ist
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seinem auswärtigen Schulbesuch entgegengewirkt werden sollte. Dagegen ist
nunmehr aufgrund der zwischenzeitlich vorgelegten Unterlagen in die Prüfung
miteinzubeziehen, daß der Antragsteller vom 21. September 1987 bis zum 2.
Februar 1988 mit sehr gutem Erfolg an einem Intensivsprachkurs (Bl. 68 d.A.) und
von Oktober 1988 bis Juli 1989 diszipliniert und regelmäßig an einem
Vorbereitungslehrgang auf die Hauptschulabschlußprüfung in Rüsselsheim
teilgenommen hat, nach Auffassung seiner Lehrer einen hervorragenden Haupt-
und auch den Realschulabschluß machen kann und nur wegen seines ungeklärten
Aufenthaltsstatus an der Hauptschulabschlußprüfung nicht teilnehmen durfte (Bl.
67 u. 94 f. d.A.); außerdem war der Antragsteller am 28. Juni 1989 zur Zweijährigen
Berufsfachschule, Berufsfeld Elektrotechnik, an der Werner-Heisenberg-Schule in
Rüsselsheim angemeldet worden (Bl. 66 d.A.). Schließlich darf - mit Blick auf das
Schutzgebot des Art. 6 GG - die zwischenzeitliche Heirat des Antragstellers, auch
wenn sie erst während des Beschwerdeverfahrens erfolgt ist, nicht außer Betracht
gelassen werden. Denn der Antragsteller hat diesen Aufenthaltszweck in den
vorliegenden Rechtsstreit eingeführt, und der Antragsgegner hat sich hierzu
rügelos eingelassen und damit in die betreffende Änderung analog § 91 Abs. 1 und
2 VwG0 eingewilligt (vgl. dazu BVerwG, 21.10.1983 - 1 B 116.83 -, InfAuslR 1984, 5,
u. Hess. VGH, 15.01.1990 - 12 TH 4435/88 - u. 16.05.1990 - 12 TH 3022/89 -).
Hält man im vorliegenden Fall die ermessensbindenden Vorschriften des Erlasses
vom 15. September 1987 einschließlich der sog. Härteklausel nicht - auch nicht
analog - für anwendbar, so ergibt sich mit Blick auf die Darlegungen im
vorstehenden Absatz letztlich nichts anderes. Denn auch dann erscheint aufgrund
der zwischenzeitlich veränderten Tatsachenlage als offen, ob die Erteilung der
Aufenthaltserlaubnis ermessensfehlerfrei abgelehnt werden kann. Die in der
Verfügung des Antragsgegners hierzu angestellten Erwägungen reichen insoweit
keinesfalls aus. Zunächst kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts
nach Wortlaut und Systematik der betreffenden Verfügung nicht angenommen
werden, daß die dortigen Ausführungen zum Familiennachzug die ablehnende
Entscheidung eigenständig tragen sollen. Denn zu Beginn der rechtlichen
Darlegungen in der Begründung heißt es, bei der nach pflichtgemäßem Ermessen
zu treffenden Entscheidung seien alle einschlägigen Gesichtspunkte zu
berücksichtigen (S. 2, erster Abs., der Verfügung), und alsdann wird nach einem
Hinweis auf den seit 1973 geltenden Anwerbestop und nach Abhandlung des
Familiennachzugs aufgrund der Erlaßregelungen ausgeführt, im Rahmen der
Ermessensentscheidung seien "aber auch noch andere Gesichtspunkte zu
berücksichtigen" (S. 2, vorl. Abs.), die im folgenden erörtert werden, um letztlich
damit zu schließen, deshalb habe die Ausländerbehörde die Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis nach Ausübung ihres pflichtgemäßen Ermessens abgelehnt
(S. 4, sechster Abs.). Hat der Antragsgegner demnach eine
Ermessensentscheidung getroffen, die dergestalt auf mehrere Einzelerwägungen
gestützt ist, daß diese in ihrer Gesamtheit die Entscheidung tragen sollen, so hält
sie einer jetzigen rechtlichen Überprüfung schon deshalb nicht stand, weil
zwischenzeitlich, wie im vorstehenden Absatz dargelegt, sich die Tatsachenlage in
mehrfacher Hinsicht verändert hat oder verändert darstellt und weil darüber
hinaus auch im übrigen die wesentlichen Besonderheiten des vorliegenden Falles,
die sich insbesondere aus der nach dem Nachzug des Antragstellers veränderten
Erlaßlage und aus der zuvor erfolglos versuchten Stellung des
Aufenthaltserlaubnisantrags ergeben, bisher in rechtlicher Hinsicht nicht
hinreichend gewürdigt worden sind. Namentlich die einwanderungs-, finanz- und
ausbildungspolitischen Erwägungen in der angegriffenen Verfügung sowie die dort
vertretene Auffassung, eine baldige Rückkehr des Antragstellers liege in seinem
eigenen wohlverstandenen schulischen und beruflichen Interesse (S. 2, letzter
Abs., bis. S. 3, vierter Abs.), halten einer gegenwärtigen Nachprüfung nicht ohne
weiteres (mehr) stand, zumal sich der Antragsteller während seines knapp
zweijährigen und vom Antragsgegner zur Unzeit zwangsweise beendeten
Aufenthalts im Bundesgebiet offenbar außergewöhnlich gut integriert hat und sich
im übrigen die Zahl der offenen Ausbildungsstellen zwischenzeitlich erhöht haben
dürfte. Im Widerspruchsverfahren werden deshalb alle relevanten Gesichtspunkte
neu zu gewichten sein, und erst in einem sich eventuell anschließenden
Klageverfahren wird dann eine abschließende gerichtliche Überprüfung erfolgen
können.
Ist nach alledem derzeit offen, ob die Versagung der Aufenthaltserlaubnis offenbar
rechtmäßig oder offenbar rechtswidrig ist, so fällt doch die unter diesen
Umständen im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwG0 gebotene Interessenabwägung
zugunsten des Antragstellers aus. Unter den hier gegebenen Umständen
erschiene es dem Senat als unverhältnismäßig hart, es bei der vor Ablauf der
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erschiene es dem Senat als unverhältnismäßig hart, es bei der vor Ablauf der
Beschwerdefrist erfolgten Abschiebung des Antragstellers zu belassen. Der im
Alter von 15 Jahren eingereiste Antragsteller hat knapp zwei Jahre lang hier gelebt
und sich während dieser Zeit in die hiesigen Verhältnisse den vorgelegten
Schriftstücken zufolge hervorragend integriert, und dieser Integrationsprozeß
wurde nur durch die zur Unzeit erfolgte Abschiebung unterbrochen. Der
Antragsteller hat eine im Bundesgebiet lebende Türkin geheiratet hat, zu der er
entweder 1991, nach Inkrafttreten der neuen Vorschriften über den
Familiennachzug (vgl. §§ 17, 18 AuslG i.d.F. d. Ges. zur Neuregelung des AuslG,
vgl. BR-Drs. 290/90) oder spätestens im Dezember 1994 aller Voraussicht nach
auch bei Zugrundelegung des einschlägigen Erlasses ohnehin wird nachziehen
dürfen. Zudem stellt sich seine Situation als infolge der nach seinem Nachzug
geänderten Erlaßlage besonders gelagerter Übergangsfall dar, der eventuell noch
nach den früheren günstigeren Verwaltungsvorschriften zu behandeln gewesen
wäre, wenn der Vater des damals noch nicht anwaltlich vertretenen Antragstellers
nach der erfolglos versuchten Stellung eines Aufenthaltserlaubnisantrags für den
Antragsteller bei der Meldebehörde der Stadt Flörsheim am Main sich schriftlich an
die Ausländerbehörde gewandt hätte. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung
des Widerspruchs hält der Senat nicht zuletzt deshalb für geboten, weil im Hinblick
auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG und den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit nur überwiegende öffentliche Interessen rechtfertigen
könnten, den Rechtsschutzanspruch des Antragstellers weiterhin einstweilen
zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen
Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten (vgl. BVerfG, 21.03.1985 - 2 BvR 1642/83 -,
BVerfGE 69, 220 = EZAR 622 Nr. 1); diese öffentlichen Interessen sind auch
deshalb als nicht sonderlich schwerwiegend zu bewerten, weil die hier lebenden
Väter des Antragstellers und seiner Ehefrau ausweislich der vorliegenden
Behördenakten in Arbeitsverhältnissen stehen und deshalb angenommen werden
kann, daß sie wie bisher die Unterhaltskosten des Antragstellers und seiner
Ehefrau bis zum Abschluß von deren Berufsausbildungen tragen werden.
Auf den im Beschwerdeverfahren gestellten weiteren Antrag des Antragstellers ist
in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch die Aufhebung der Vollziehung
anzuordnen. Materiell-rechtliche Grundlage hierfür ist der allgemeine
Folgenbeseitigungsanspruch in Verbindung mit den einschlägigen Bestimmungen
des Ausländergesetzes (vgl. Kopp, a.a.O., § 80, Rdnr. 72). Danach hat die
Ausländerbehörde die Abschiebung des Antragstellers rückgängig zu machen,
wobei es der Senat für zweckmäßig erachtet, analog § 113 Abs. 1 Satz 2 VwG0
selbst zu bestimmen, wie die Rückgängigmachung zu erfolgen hat (vgl.
Finkelnburg/Jank, a.a.O., Rdnr. 684). Da auch insoweit nur eine vorläufige Regelung
getroffen und die Hauptsache dadurch nicht vorweggenommen werden darf (vgl.
Kopp, a.a.O., § 80, Rdnr. 72), genügt es, daß der Antragsgegner dem Antragsteller
abweichend von § 5 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 DVAuslG die Wiedereinreise ohne
vorherige Einholung eines Sichtvermerks erlaubt und daß er die Ausschlußwirkung
des § 15 Abs. 1 Satz 1 AuslG, wonach u.a. einem Ausländer, der abgeschoben
worden ist, keine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden darf, aufhebt -
zweckmäßigerweise dokumentiert durch Ungültigstempelung des in seinem Paß
angebrachten Vermerks "Abgeschoben" (vgl. Bl. 72 R d.A. u. Hess. VGH,
09.05.1986 - 7 TH 107/83 -) -, damit im Widerspruchsverfahren überhaupt (wieder)
eine Prüfung des Aufenthaltserlaubnisantrags des Antragstellers unter
Ermessensgesichtspunkten vorgenommen werden darf. Dagegen hält der Senat
es nicht für sachgerecht, dem Antragsgegner auch die Erstattung der
Rückreisekosten des Antragstellers im vorliegenden Verfahren aufzuerlegen. Es ist
nämlich nichts dafür dargetan oder sonst ersichtlich, daß der Antragsteller bzw.
sein Vater diese Kosten nicht aufbringen könnten, zumal sein Vater offenbar jedes
Jahr Urlaub in der Türkei macht - wie auch zum Zeitpunkt der Abschiebung des
Antragstellers am 18. Juli 1989 (vgl. Bl. 90 d.A.) - und den Angaben in dem
Schriftsatz vom 13. Juni 1989 zufolge ursprünglich beabsichtigt hatte, den
Antragsteller mitzunehmen. Abgesehen davon hat der Antragsteller einen Teil der
Umstände, die nunmehr zum weitaus überwiegenden Erfolg seines Antrags führen,
erst im Beschwerdeverfahren substantiiert und glaubhaft gemacht, und ist der
andere Teil dieser Umstände überwiegend erst im Verlauf des
Beschwerdeverfahrens eingetreten.
Die Kostenentscheidung ergibt sich, soweit die Beschwerde des Antragstellers
Erfolg hat, aus § 154 Abs. 1 VwGO; im übrigen - also hinsichtlich der
Abschiebungsandrohung - folgt sie aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Der
beschließende Senat mißt nämlich im Anschluß an den früher für Ausländersachen
allein zuständigen 7. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (z.B.
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allein zuständigen 7. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (z.B.
12.11.1986 - 7 UE 1075/85 -) und an das Bundesverwaltungsgericht (z.B.
10.07.1984 - 1 C 11.82 -) einer mit einer Aufenthaltserlaubnisversagung und/oder
Ausweisung verbundenen Abschiebungsandrohung weder in kosten- noch
streitwertrechtlicher Hinsicht eine selbständige Bedeutung zu (Nachweise siehe
oben am Ende des zweiten Abs. der Gründe). Ob dann, wenn der Ausländer in
Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwG0 nur hinsichtlich der Abschiebungsandrohung -
also umgekehrt wie hier - Erfolg hat, etwas anderes gilt (so der 13. Senat des
Hess. VGH - 13 TH 1094/87 -, InfAuslR 1989, 17, der in einem solchen Fall eine
hälftige Kostenteilung angenommen hat), kann offenbleiben, weil hier eine
derartige Konstellation nicht gegeben ist.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 13 Abs. 1, 20 Abs. 3 GKG. Der Senat bemißt
den Streitwert in vorläufigen Rechtsschutzverfahren, in denen der Ausländer nicht
nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs bzw. -mittels,
sondern daneben auch die Aufhebung einer bereits erfolgten Abschiebung
begehrt, im Anschluß an die Praxis des 7. Senats (vgl. z.B. Hess. VGH, 09.05.1986
- 7 TH 107/83 -) mit der Hälfte des eineinhalbfachen Regelstreitwerts.
Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 25 Abs. 2 Satz 2
GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.