Urteil des HessVGH vom 28.08.1986

VGH Kassel: wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, aufschiebende wirkung, vorzeitige besitzeinweisung, öffentliches interesse, wasserrecht, enteignung, vollziehung, unterhaltung, behörde

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
5. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 TH 1161/86
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 14 Abs 1 S 2 GG, Art 45
Abs 1 S 2 Verf HE, Art 45
Abs 2 Verf HE, § 83 WasG
HE, § 84a WasG HE
(Zwangsrecht für Abwasserdurchleitung)
Gründe
Die Antragstellerin ist Rechtsnachfolgerin der früheren Gemeinde M., in deren
Gemarkung die Beigeladene die Sonderabfallbeseitigungsanlage "Speckwiese"
errichten will. Diese Anlage ist Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses des
Hessischen Oberbergamts vom 28. Oktober 1977, gegen den die Antragstellerin
Klage beim Verwaltungsgericht Darmstadt erhoben hat (III E 456/77), über die
noch nicht entschieden ist.
Im vorliegenden Verfahren streiten die Beteiligten um die Berechtigung der
Beigeladenen, den im Planfeststellungsbeschluß vorgesehenen Abwasserkanal
vom Gelände der Sonderabfallbeseitigungsanlage zum Main einschließlich des
Vorfluterbauwerks zu errichten.
Am 18. Januar 1985 beantragte die Beigeladene beim Regierungspräsidenten in
Darmstadt als Enteignungsbehörde die vorzeitige Besitzeinweisung in im einzelnen
aufgeführte Grundstücke, die im Eigentum der Antragstellerin stehen. Als Zweck
der Maßnahme gab die Beigeladene den Bau des Abwasserkanals an. Sie bezog
sich auf den zu ihren Gunsten ergangenen Planfeststellungsbeschluß. Die
Durchführung des behördlichen Verfahrens sei notwendig, da die Antragstellerin
den Abschluß eines Vertrages zur Bestellung von Grunddienstbarkeiten für die
Errichtung und den Betrieb des Kanals abgelehnt habe. Ob es zur Eintragung der
Dienstbarkeit letztlich eines Enteignungsverfahrens bedürfe, werde zur Prüfung
durch die Enteignungsbehörde gestellt. Ihrer Auffassung nach sei es allerdings
zulässig und ausreichend, eine Anordnung nach § 83 Hessisches Wassergesetz
(HWG) zu erlassen.
Mit Schreiben vom 30. Januar 1985 teilte der Regierungspräsident der
Beigeladenen mit, daß nicht die enteignungsrechtlichen Vorschriften, sondern die
spezielleren Regelungen der §§ 83 und 85 HWG anzuwenden seien. Das
Antragsschreiben werde daher nach Maßgabe dieser Vorschriften behandelt.
Nachdem der Antragstellerin Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden war
und die Beigeladene die Antragsunterlagen auf entsprechende Aufforderung des
Regierungspräsidenten ergänzt hatte, erließ dieser am 31. Oktober 1985 "in der
Wasserrechtssache" der Beigeladenen (als Antragstellerin des
Verwaltungsverfahrens) gegen die Antragstellerin (als Antragsgegnerin des
Verwaltungsverfahrens) "wegen der Anordnung eines Zwangsrechts gemäß den §§
83 ff HWG" folgenden Bescheid:
"1. a) Die jeweiligen Eigentümer und Nutzungsberechtigten der Grundstücke
Gemarkung M. Flur ... Nr. ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ... und Flur ... Nr. ... -
zur Zeit die Antragsgegnerin - werden verpflichtet, das unterirdische Durchleiten
von Abwasser mittels eines Kanals durch die Grundstücke sowie den Bau und die
Unterhaltung des Kanals auf den Grundstücken zu dulden. Der Kanal hat ab dem
letzten Schacht von der Ausmündung in den Main einen Innendurchmesser von
1.000 mm, bis dahin einen solchen von 600 mm.
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b) Außerdem wird die Antragsgegnerin verpflichtet, während des Baues des Kanals
die vorübergehende Inanspruchnahme folgender Grundstücke zu dulden:
Gemarkung M. Flur ... Nr. ..., ..., ... und Flur ... Nr. ...
2. Der Kanal ist auf den unter Ziffer 1.a) bezeichneten Grundstücken nach
Maßgabe des bei den Antragsunterlagen befindlichen Lageplans i.M. 1 : 1.000 zu
verlegen.
3. Während der Bauarbeiten darf auf den unter Ziffer 1.) bezeichneten
Grundstücken die im Lageplan in grüner Farbe schraffierte Fläche in Anspruch
genommen werden.
4. Die Beauftragten der Antragstellerin dürfen während der Bauarbeiten den unter
Ziffer 3. beschriebenen Arbeitsstreifen betreten und mit den zur Durchführung der
Arbeiten erforderlichen Maschinen und Fahrzeugen befahren sowie Erdaushub und
Arbeitsmaterial ablagern.
5. Die Antragstellerin hat nach Abschluß der Bauarbeiten die Grundstücke
unverzüglich wieder in ordnungsgemäßen Zustand zu versetzen.
6. Die Parteien können vor und nach der Inanspruchnahme der Grundstücke eine
Übergabeverhandlung verlangen, von der ein Protokoll anzufertigen ist, in welchem
der Zustand vor Inanspruchnahme und die Mängel bei der Rückgabe vermerkt
werden. Das Protokoll ist gegebenenfalls der oberen Wasserbehörde - Der
Regierungspräsident in Darmstadt - vorzulegen.
Verlangt die Antragsgegnerin keine Übergabeverhandlung oder beteiligt sie sich
trotz Aufforderung durch die Antragstellerin nicht an der Verhandlung, so wird die
Richtigkeit der Angaben der Antragstellerin vermutet.
Können sich die Parteien auf ein Protokoll nicht einigen, so ist vor Beginn der
Maßnahme beim zuständigen Amtsgericht Antrag auf Feststellung des
gegenwärtigen Zustandes der Grundstücke gemäß den §§ 485 Satz 2, 486 Abs. 3
und 487 Zivilprozeßordnung (ZPO) oder beim Regierungspräsidenten in Darmstadt
ein Antrag nach § 98 Abs. 2 HWG zu stellen.
Die Kosten hat die Antragstellerin zu tragen.
7. Innerhalb des Schutzstreifens von 10 m Breite - gemessen von der Achse des
Kanals aus nach beiden Seiten je 5 m - dürfen keine Maßnahmen ausgeführt oder
gestattet werden, die sich nachteilig auf den Bestand des Kanals auswirken
können.
8. Die Entscheidung über die Höhe der Entschädigung bleibt einem späteren,
besonderen Verfahren vorbehalten.
9. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen (§ 100 HWG). Diese
Kosten werden zu einem späteren Zeitpunkt mittels eines gesonderten
Bescheides festgesetzt."
Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin mit Schreiben vom 22.
November 1985 am 27. November 1985 Widerspruch, über den noch nicht
entschieden ist. Mit Schriftsatz vom 18. Dezember 1985 beantragte die
Beigeladene beim Regierungspräsidenten die Anordnung der sofortigen
Vollziehung des Bescheides vom 31. Oktober 1985.
Mit Bescheid vom 7. Januar 1986 ergänzte der Regierungspräsident die
angegriffene Verfügung zu 1.2 unter Bezugnahme auf einen in der Anlage zum
Bescheid beigefügten Höhenplan und ordnete die sofortige Vollziehung der Ziffern
1.1 bis 1.7 des ergänzten Bescheides vom 31. Oktober 1985 an. Gegen den
Bescheid vom 7. Januar 1986 erhob die Antragstellerin mit Schreiben vom 15.
Januar 1986 am 17. Januar 1986 Widerspruch, über den noch nicht entschieden ist.
Am 21. Januar 1986 suchte die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Darmstadt
um einstweiligen Rechtsschutz nach. Sie rügte die mangelnde Zuständigkeit des
Regierungspräsidenten zum Erlaß der angefochtenen Bescheide. Sofern
überhaupt noch weitere wasserrechtliche Entscheidungen behördlicherseits
erforderlich seien, müßten diese von der Planfeststellungsbehörde getroffen
werden. Im übrigen sei das wasserrechtliche Verfahren unstatthaft. Stattdessen
müßte ein förmliches Enteignungsverfahren durchgeführt werden. Schließlich
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müßte ein förmliches Enteignungsverfahren durchgeführt werden. Schließlich
genügten die angegriffenen Bescheide nicht den wasserrechtlichen
Bestimmtheitsanforderungen und ließen die gebotenen naturschutzrechtlichen
Genehmigungen und Auflagen vermissen.
Die Antragstellerin beantragte,
1. festzustellen, daß die von der Antragstellerin erhobene Klage vom 3.
Dezember 1977 (III E 456/77) gegen den Planfeststellungsbeschluß des
Hessischen Oberbergamtes zugunsten der Sonderabfallbeseitigungsanlage
"Speckwiese" vom 28. Oktober 1977 (Az.: 79 n - 14/2708) auch hinsichtlich des
Bauprojekts des unterirdischen Durchleitens von Abwasser durch die Grundstücke
der Gemeinde M. mittels eines Kanals sowie den Bau und die Unterhaltung dieses
Kanals (Bau des Abwasser- oder Vorflutkanals), einschließlich seines
Einlaufbauwerks am Main aufschiebende Wirkung hat,
2. Nr. 2 des Bescheides des Regierungspräsidenten in Darmstadt vom 7.
Januar 1986 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der
Antragstellerin vom 22. November 1985 und 15. Januar 1986 wiederherzustellen.
Der Antragsgegner beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Er trug vor, die Zulässigkeit wie die Erforderlichkeit der wasserbehördlichen
Entscheidung ergäben sich daraus, daß der Planfeststellungsbeschluß nicht zur
Benutzung fremder Grundstücke berechtige. Um dies zu ermöglichen, habe es
des Zwangsrechtsverfahrens bedurft. Dieses sei als Spezialverfahren gegenüber
dem ursprünglich beantragten Verfahren nach dem Hessischen
Enteignungsgesetz (HEG) anzusehen.
Die Beigeladene beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Sie trug vor, die Erforderlichkeit des 1985 eingeleiteten Verwaltungsverfahrens sei
das Ergebnis der Weigerung der Antragstellerin, ihre Grundstücke freiwillig für den
Bau des Kanals zur Verfügung zu stellen. Da eine Enteignung nach dem Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit nicht in Betracht kommt, habe sie den Weg gewählt, bei
der zuständigen Behörde den Erlaß einer Anordnung nach § 83 HWG zu
beantragen.
Mit Beschluß vom 22. April 1986 lehnte das Verwaltungsgericht den Eilantrag im
wesentlichen mit der Begründung ab, die originäre Zuständigkeit der oberen
Wasserbehörde für die Entscheidungen über wasserrechtliche Zwangsrechte, also
die Entscheidungsbefugnis für Eingriffe in Eigentum, bestehe neben der
abfallrechtlichen Zuständigkeit zum Erlaß von Planfeststellungsbeschlüssen. Die
Anordnung von Zwangsrechten habe andererseits nichts mit einer Enteignung zu
tun, da der Tatbestand des Durchleitens von Abwasser in § 83 HWG abschließend
geregelt sei und von § 84 a HWG nicht erfaßt werde. Die Maßnahme selbst sei bei
summarischer Prüfung nicht zu beanstanden. Die Interessenabwägung gehe
zugunsten der Beigeladenen aus.
Gegen den am 26. April 1986 zugestellten Beschluß hat die Antragstellerin am 29.
April 1986 Beschwerde eingelegt, mit der sie ihr bisheriges Vorbringen vertieft.
Unter Zurücknahme ihres Feststellungsantrages beantragt sie,
die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragstellerin vom 22.
November 1985 und 15. Januar 1986 gegen die Bescheide des
Regierungspräsidenten in Darmstadt vom 31. Oktober 1985 und 7. Januar 1986
wiederherzustellen.
Der Antragsgegner und die Beigeladene treten der Beschwerde entgegen und
beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Ein Band und ein Heftstreifen Behördenakten des Regierungspräsidenten in
Darmstadt sowie der Planfeststellungsbeschluß des Hessischen Oberbergamtes
vom 28. Oktober 1977 haben vorgelegen und sind zum Gegenstand der
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vom 28. Oktober 1977 haben vorgelegen und sind zum Gegenstand der
Verhandlung gemacht worden. Auf ihren Inhalt und den Inhalt der Gerichtsakte
wird ergänzend Bezug genommen.
II.
Nachdem der Feststellungsantrag zurückgenommen worden ist, war das
Verfahren insoweit in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 2 VwGO
einzustellen und zur Klarstellung auszusprechen, daß der Beschluß des
Verwaltungsgerichts insoweit wirkungslos ist (§§ 173 VwGO, 269 Abs. 3 S. 1 ZPO).
Im übrigen ist die Beschwerde zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg, da das
Verwaltungsgericht den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung
der Widersprüche der Antragstellerin gegen die wasserrechtlichen Bescheide des
Regierungspräsidenten in Darmstadt zu Unrecht abgelehnt hat. Die
Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche der
Antragstellerin nach § 80 Abs. 5 VwGO ist deshalb geboten, weil der Bescheid des
Regierungspräsidenten in Darmstadt vom 31. Oktober 1985 in der Fassung seines
Ergänzungsbescheides vom 7. Januar 1986 offensichtlich rechtswidrig ist. An der
sofortigen Vollziehung dieses Bescheides kann daher kein öffentliches Interesse
bestehen. Dies gilt unabhängig davon, ob und in welchem Umfang der
Planfeststellungsbeschluß derzeit oder künftig sofort vollziehbar ist. Die
Antragstellerin rügt nämlich zu Recht, daß der Regierungspräsident als obere
Wasserbehörde für die Entscheidung über die Anordnung eines Zwangsrechts der
Beigeladenen gegen die Antragstellerin nicht zuständig ist.
Die Anordnung des Zwangsrechts wird vom Regierungspräsidenten auf die §§ 83,
85 HWG in der Fassung vom 12. Mai 1981 (GVBl. 1981 I S. 154) gestützt; die
Änderung des Hessischen Wassergesetzes durch das 4. Gesetz zur Änderung des
Hessischen Abfallgesetzes vom 31. Oktober 1985, (GVBl. 1985 I S. 181) hat diese
Vorschriften unberührt gelassen. § 83 HWG ermächtigt die obere Wasserbehörde
u.a., den Eigentümer von Grundstücken zu verpflichten, das unterirdische
Durchleiten von Wasser oder Abwasser und die Unterhaltung entsprechender
Leitungen zu dulden, wenn dies zum Entwässern von Grundstücken und zum
Fortleiten von Wasser und Abwasser erforderlich ist. Eine solche Anordnung ist
nach § 85 HWG nur zulässig, wenn das Vorhaben ohne das Zwangsrecht anders
nicht zweckmäßig oder nur mit erheblichen Mehrkosten ausgeführt werden kann
und der zu erwartende Nutzen den Schaden des Betroffenen erheblich übersteigt.
Obere Wasserbehörde ist gemäß § 90 Abs. 2 HWG der Regierungspräsident.
Dessen Zuständigkeit wird hier jedoch zu Gunsten der Zuständigkeit der
Planfeststellungsbehörde, des Hessischen Oberbergamtes, verdrängt, bei dem die
Beigeladene im Dezember 1974 die Erteilung eines abfallrechtlichen
Planfeststellungsbeschlusses nach Maßgabe der §§ 7, 20 ff. des
Abfallbeseitigungsgesetzes (AbfG) vom 7. Juni 1972 (BGBl. 1972 I S. 873), danach
geltend in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Januar 1977 (BGBl. 1977 1 S.
42), beantragt hatte, und von dem am 28. Oktober 1977 im wesentlichen
antragsgemäß der Planfeststellungsbeschluß erlassen worden ist. Die dadurch in
Übereinstimmung mit § 15 Abs. 4 Hessisches Abfallgesetz (HAbfG) in der hier
maßgeblichen Fassung vom 12. März 1974 (GVBl. 1974 I S. 198) begründete und
nach § 19 Abs. 3 HAbfG in der Fassung vom 11. Dezember 1985 (GVBl. 1986 I S.
19) aufrechterhaltene Sonderzuständigkeit des Oberbergamtes erstreckte sich
gemäß § 26 Abs. 1 AbfG, § 75 Abs. 1 Hessisches Verwaltungsverfahrensgesetz
(HVwVfG) vom 1. Dezember 1976 (GVBl. 1976 I S. 454, ber. 1977 I S. 95) auf die
Entscheidung über a l l e öffentlich-rechtlichen Beziehungen, die zwischen der
Beigeladenen als Trägerin des Vorhabens, der öffentlichen Hand und Dritten
einschließlich der Antragstellerin bestehen. Gegenstand der behördlichen
Beurteilung eines Antrags auf Planfeststellung sind nach den genannten
Vorschriften alle zur Realisierung des Vorhabens erforderlichen behördlichen
Entscheidungen (Genehmigungen, Verleihungen, Erlaubnisse, Bewilligungen,
Zustimmungen, Befreiungen). Diese Entscheidungen sind im
Planfeststellungsbeschluß enthalten und ergehen unter Beachtung des jeweils
einschlägigen Fachrechts. Die Ermächtigung zur Planfeststellung bewirkt lediglich
eine Zusammenfassung der vielfältigen behördlichen Zulassungsverfahren,
entläßt aber die Planfeststellungsbehörde nicht aus den Bindungen, die sich
materiell aus den einzelnen Fachgesetzen ergeben (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.
Februar 1978 - 4 C 25.75 - BVerwGE 55, 220 = DVBl. 1979 S. 63 <66> = RdL 1979
S. 68 = VwRspr. 30 S. 133 = NuR 1979 S. 28 = BayVBl. 1978 S. 341 = DÖV 1978
S. 410 = MDR 1978 S. 694 = NJW 1978 S. 2308 = AgrarR 1978 S. 335; Beschluß
vom 22. März 1984 - 4 B 43.84 - DÖV 1984 S. 814 = Buchholz 442.08 § 36 BbG
Nr. 8; Urteil vom 9. November 1984 - 7 C 15.83 - BVerwGE 70, 242 = NVwZ 1985
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Nr. 8; Urteil vom 9. November 1984 - 7 C 15.83 - BVerwGE 70, 242 = NVwZ 1985
S. 414 = Buchholz 451.22 AbfG Nr. 18 = BauR 1985 S. 61 = DÖV 1985 S. 150 =
DVBl. 1985 S.400 = BayVBl. 1985 S. 246 = NuR 1985 S. 112 = RdL 1985 S. 175;
Urteil vom 22. März 1985 - 4 C 73.82 - BVerwGE 71, 163 = DVBl. 1985 S. 899
<900> = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 58 = RdL 1985 S. 156 = VkBl. 1985 S.
639 = NJW 1986 S. 82 = NuR 1985 S. 320; Jarass, Konkurrenz, Konzentration und
Bindungswirkung von Genehmigungen, 1984, S. 50 ff.; Laubfinger, VwArch 1986 S.
77 <88 ff.>).
Von der planfeststellungsrechtlichen Verfahrens- und Zuständigkeitskonzentration
sind lediglich Entscheidungen über die Anordnung einer Entziehung von
Eigentumsrechten ausgenommen, da darüber regelmäßig in dem
spezialgesetzlich geregelten Enteignungsverfahren zu befinden ist. Dies ergab sich
früher aus § 8 HAbfG in der Fassung von 1974 und folgt heute aus § 11 HAbfG in
der Fassung von 1985. In gleicher Weise gilt dieser Grundsatz auch für alle
anderen fachgesetzlich geregelten Planfeststellungsverfahren (vgl. auch BVerfG,
Beschluß vom 10. Mai 1977 - 1 BvR 514/68 und 323/69 - BVerfGE 45, 297 <319 f.;
337>).
Die Beurteilung der von der Antragstellerin angegriffenen Maßnahme hängt somit
von der Beantwortung der Frage ab, ob die Anordnung von Zwangsrechten nach §
83 HWG als Enteignung oder als Inhaltsbestimmung des Grundeigentums
anzusehen ist. Diese Unterscheidung beruht auf der verfassungsrechtlichen
Eigentumsgarantie in Art. 14 GG und Art. 45 HV, die den Gesetzgeber einerseits
zur Ausgestaltung und Inhaltsbestimmung von Eigentumsrechten, andererseits zu
Regelungen über den hoheitlichen Entzug von gesetzlich bestimmten
Eigentumsrechten ermächtigt. Die Auslegung des § 83 HWG muß diesen
verfassungsrechtlichen Rahmen beachten.
Zu dieser Frage hat der für Wasserrecht jetzt zuständige 7. Senat des
beschließenden Gerichtshofs in seinem Beschluß vom 15. August 1986 - 7 TH
1911/86 - folgendes ausgeführt:
"Mit dieser Regelung" (gemeint sind die §§ 83, 85 HWG) "hat der Gesetzgeber die
ihm durch Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zugewiesene Aufgabe wahrgenommen, Inhalt
und Schranken des Eigentums zu bestimmen. Er hat in genereller und abstrakter
Weise durch Begründung von Durchleitungsrechten und entsprechenden
Duldungspflichten das Verhältnis zwischen Grundeigentümer und auf die
Durchleitung von Wasser oder Abwasser angewiesenen Dritten und hiermit die
dem Grundeigentum insoweit gezogenen Grenzen bestimmt. Daß es sich hierbei
um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG und
nicht etwa um eine Enteignungsermächtigung i.S.d. Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG
handelt (vgl. hierzu BVerfGE 52, 1 <27 f.>; 56, 249 <260> und insbesondere
BVerfGE 58, 300 <330 ff.>), hat der Gesetzgeber dadurch bestätigt, daß er durch
das Änderungsgesetz vom 17.12.1980 (GVBl. I S. 513) in das Hessische
Wassergesetz mit § 84 a HWG eine enteignungsrechtliche Ermächtigungsnorm
eingefügt hat, die klarstellt, daß zum Zwecke der öffentlichen Wasserversorgung
oder Abwasserbeseitigung die Entziehung oder Beschränkung von Grundeigentum
im Wege der Enteignung möglich ist, ohne jedoch den Anwendungsbereich der §§
83 Abs. 1, 85 Abs. 1 HWG einzuschränken. Insoweit stimmt der Senat der vom
seinerzeit für das Sachgebiet Wasserrecht zuständigen 8. Senat vertretenen
Auffassung zu (Beschluß vom 04.10.1983, 8 TH 44/83)".
Der Senat pflichtet diesen Ausführungen des 7. Senats bei und vertieft sie wie
folgt: Voraussetzung einer Enteignung im Sinne der Art. 14 Abs. 3 GG, Art. 45 Abs.
2 HV ist, daß durch Hoheitsakt Rechte, die einem Rechtsträger aufgrund der
Gesetze nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 45 Abs. 1 Satz 2 HV zustehen,
entzogen und auf einen anderen Rechtsträger übertragen werden. Der Inhalt der
entzogenen und übertragenen Rechte wird durch eine Enteignungsmaßnahme
nicht berührt. Sie kann nicht die Eigentumsordnung als solche umgestalten,
sondern lediglich einen Austausch der jeweiligen Rechtsträger herbeiführen (vgl.
BVerfGE 45, 297 <338 f.>).
Durch die Verleihung eines Zwangsrechts wird dem damit belasteten
Grundstückseigentümer aber kein Recht entzogen, das ihm nach Maßgabe
anderer eigentumsrechtlicher Vorschriften zustünde. Die freie Verfügungsbefugnis
des Grundeigentümers endet gemäß § 903 BGB dort, wo Rechte Dritter
entgegenstehen. Derartige Rechte können auf der Grundlage des § 83 HWG
entstehen. Denn nach Art. 65 EGBGB bleiben vom BGB und der in ihm
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entstehen. Denn nach Art. 65 EGBGB bleiben vom BGB und der in ihm
festgelegten Eigentumsordnung unberührt die landesgesetzlichen Vorschriften, die
dem Wasserrecht angehören, unter Einschluß der Be- und Entwässerung von
Grundstücken. Die bürgerlich- rechtlichen Befugnisse des Grundeigentümers
können damit durch das Wasserrecht öffentlich-rechtlich wie auch privatrechtlich
überlagert oder eingeschränkt werden (vgl. BVerfGE 58, 300 <332 f.>). Bei den
Zwangsrechten des Hessischen Wassergesetzes handelt es sich daher um Rechte
eigener Art, die die Eigentumsrechte nach dem BGB begrenzen und überlagern
können und deren Entstehung vom Landesgesetzgeber ohne Verstoß gegen die
bundesverfassungsrechtliche Kompetenzordnung geregelt werden konnte. Zwar
entsprechen sie wirtschaftlich gesehen der bürgerlich-rechtlichen
Grunddienstbarkeit. Sie sind aber als sonstige Rechte außerhalb des BGB
anzusehen. So wurden die Zwangsrechte schon unter der Geltung des
Preußischen Wassergesetzes als sonstige dingliche Rechte eingestuft, die zwar auf
einem öffentlich-rechtlichen Titel beruhten, im übrigen aber den dinglichen
Rechten des BGB gleichgestellt waren (vgl. PrOVG, Beschluß vom 11. November
1926 - V.W. 31/25 - PrOVGE 81, 349 ff.; Beschluß vom 6. April 1933 - V.W. 185/32 -
PrOVGE 92, 156 ff.; Holtz-Kreutz-Schlegelberger, Preußisches Wassergesetz, 1.
Band, 4. Auflage, § 81 Vorbem. 1; Hammer, MDR 1965 S. 8 <10>). Das Hessische
Wassergesetz hat daran mit seiner weitgehenden Anlehnung an die Vorschriften
des Preußischen Wassergesetzes im Kern nichts geändert (vgl. Feldt, 1963,
Hessisches Wassergesetz, Vorbem. b) zu §§ 80-87). Dies gilt unabhängig davon,
ob das durch ein Zwangsrecht zwischen dem Begünstigten und dem Belasteten
geschaffene Rechtsverhältnis öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Art ist
(vgl. Hammer, a.a.O. Fn. 32, 33).
Die Verleihung eines Zwangsrechts an die Beigeladene zu Lasten der Grundstücke
der Antragstellerin stellt sich damit als die durch Verwaltungsakt begründete
Entstehung eines besonderen Rechtes in der Hand der Beigeladenen dar, mit dem
zwar in die Rechte der Antragstellerin als Grundeigentümerin eingegriffen wird,
dessen Verleihung aber nicht als Entziehung eines der Antragstellerin bereits
zustehenden Rechtes und dessen Übertragung auf die Beigeladene verstanden
werden kann. Wie der 7. Senat des beschließenden Gerichtshofs zutreffend
entschieden hat, regelt § 83 HWG somit nicht die Zulässigkeit von
Enteignungsmaßnahmen, sondern trifft eine Inhaltsbestimmung nach Art. 14 Abs.
1 Satz 2 GG bzw. Art. 45 Abs. 1 Satz 2 HV (vgl. auch VGH Baden-Württemberg,
Urteil vom 22. Februar 1974 - IX 391/73 - RdL 1976 S. 83 <84>; Urteil vom 18.
Februar 1975 - IX 114/72 - ESVGH 25 S. 227 <228>; Urteil vom 21. Februar 1978 -
VII 236/78 - ESVGH 29 S. 86 <88>; Feldt a.a.O. Roth, Hessisches Wasserrecht, §
80 Erl. 1).
Da das von dem Regierungspräsidenten der Beigeladenen verliehene Zwangsrecht
allein der Errichtung der nach § 7 Abs. 1 AbfG planfeststellungsbedürftigen
Sonderabfallbeseitigungsanlage dienen soll, war für diese Entscheidung gemäß §
26 Abs. 1 AbfG, § 75 Abs. 1 HVwVfG die ausschließliche Zuständigkeit der
Planfeststellungsbehörde gegeben. Eine bei der oberen Wasserbehörde
verbleibende Zuständigkeit scheidet wegen des Vorrangs der
planfeststellungsrechtlichen Bestimmungen aus.
Der vom Hessischen Oberbergamt im Jahre 1977 erlassene
Planfeststellungsbeschluß enthält keine ausdrückliche Zwangsrechtsanordnung
zugunsten der Beigeladenen. Vielmehr heißt es in Ziffer 6 des Abschnitts IV auf
Seite 82 ("Besondere Hinweise"), der Planfeststellungsbeschluß berechtige nicht
zur Inanspruchnahme fremden Eigentums. Danach läßt sich dem
Planfeststellungsbeschluß eine Zwangsrechtsanordnung auch nicht im Wege einer
ergänzenden Auslegung entnehmen. Dies hat zur Folge, daß die Beigeladene
gegebenenfalls auf eine Ergänzung des Plans im Hinblick auf unterbliebene
notwendige Entscheidungen hinwirken muß. Dafür ist diejenige Behörde zuständig,
die den zu ergänzenden Planfeststellungsbeschluß erlassen hat, hier also das
Hessische Oberbergamt. Seine Zuständigkeit ist auch dann gegeben, wenn man
den Planfeststellungsbeschluß von 1977 wegen Unvollständigkeit und mangelnder
Unbestimmtheit gemäß § 44 Abs. 1 HVwVfG für nichtig hält und ihm damit jede
Wirksamkeit abspricht (vgl. dazu den ebenfalls am 28. August 1986 verkündeten
Senatsbeschluß im Beschwerdeverfahren 5 TH 3071/84); in diesem Fall wäre die
Entscheidung über den Antrag auf Anordnung eines Zwangsrechts im Rahmen des
neu zu erlassenden Planfeststellungsbeschlusses vom Hessischen Oberbergamt
zu treffen.
Die Bescheide des Regierungspräsidenten lassen sich nicht in
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Die Bescheide des Regierungspräsidenten lassen sich nicht in
enteignungsrechtliche Maßnahmen im Sinne des HEG umdeuten (§ 47 HVwVfG),
da dies dem erkennbaren Willen der Behörde widerspricht; denn der
Regierungspräsident hat ausweislich seines Schreibens vom 30. Januar 1985 die
Durchführung eines enteignungsrechtlichen Verfahrens für ausgeschlossen
erachtet. Im übrigen gelten für enteignungsrechtliche Verfahren einschließlich der
auf vorzeitige Besitzeinweisung gerichteten Verfahren andere
Verfahrensbestimmungen, so daß auch aus diesen Gründen eine Umdeutung
ausscheidet.
Die Widersprüche der Antragstellerin werden deshalb Erfolg haben müssen. Dem
steht nicht entgegen, daß sich die Antragstellerin nicht auf die Grundrechte des
Art. 14 GG und des Art. 45 HV berufen kann, da das gemeindliche Eigentum nicht
dem grundrechtlichen Schutzbereich unterfällt (vgl. BVerfGE 61, 82 <105 ff.>). Die
Rechtsverletzung der Antragstellerin beruht hier darauf, daß die Bescheide in das
Selbstverwaltungsrecht nach Art. 137 Abs. 1, 3 HV, §§ 1, 2 Abs. 1 Hessische
Gemeindeordnung in der Fassung vom 1. April 1981 (GVBl. 1981 I S. 66)
eingreifen; denn die Verwaltung gemeindlichen Vermögens ist reine
Selbstverwaltungsangelegenheit und unterliegt gemäß Art. 137 Abs. 3 Satz 2 HV
ausschließlich der Rechtsaufsicht des Staates (vgl. Zinn-Stein, Hessische
Verfassung, Art. 137 Anm. IX 6). Eingriffe in ihr Selbstverwaltungsrecht braucht die
Antragstellerin daher nur nach Maßgabe der Gesetze hinzunehmen (vgl. auch OVG
Lüneburg, Beschluß vom 16. Mai 1984 - 7 OVG A 15/84 - DVBl. 1984 S. 895 f.; VGH
Baden-Württemberg, Beschluß vom 10. Dezember 1984 - 5 S 2203/84 - NVwZ
1985 S. 432; BayVGH, Beschluß vom 19. November 1985 - 20 CS 85 A. 2304 u.a. -
NVwZ 1986 S. 679 <680>).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 3, 155 Abs. 1, 2, 159 Satz 1
VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 2, 14 Abs. 1
GKG. Für den Feststellungsantrag wie das Begehren auf Wiederherstellung der
aufschiebenden Wirkung veranschlagt der Senat im Hinblick auf die Vorläufigkeit
der begehrten Entscheidung jeweils die Hälfte des gesetzlichen Regelstreitwerts
Der Beschluß ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 25 Abs. 2 Satz 2
GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.