Urteil des HessVGH vom 28.04.1994

VGH Kassel: befreiung, gebühr, bebauungsplan, ausweisung, amtshandlung, höchstbetrag, ermächtigung, stadt, grundstück, satzung

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
5. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 UE 379/92
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 1 Abs 1 VwKostG HE, § 1
Abs 4 VwKostG HE, § 9
VwKostG HE, § 21 VwKostG
HE
(Befreiungsgebühr für die Befreiung von Festsetzungen
eines Bebauungsplans; Einhaltung des
Kostenüberschreitungsverbots)
Tatbestand
Die Klägerin beantragte mit Bauantrag vom 18. März 1987 bei der
Bauaufsichtsbehörde des beklagten Landkreises die Erteilung einer
Baugenehmigung für die Errichtung einer "Reparatur- und Fertigungshalle mit
Büro- und Sozialtrakt" auf ihrem Grundstück in H (Flur Flurstück). Das Grundstück
liegt im Geltungsbereich des mit Verfügung des Regierungspräsidenten in vom 27.
Januar 1983 genehmigten Bebauungsplans "Überführung der Stadt H in einem
Gebiet, welches als "Fläche für Gemeinbedarf" mit dem Zusatz "Städtischer
Bauhof" ausgewiesen ist. An die Gemeinbedarfsfläche schließen sich - durch eine
punktierte Nutzungsgrenze im Bebauungsplan abgegrenzt - im Norden eine
Mischgebietsausweisung und im Westen eine Gewerbegebietsausweisung an.
Nachdem der Beklagte darauf hingewiesen hatte, daß die Genehmigung des
Bauvorhabens wegen der Ausweisung der Gemeinbedarfsfläche im Bebauungsplan
eine Befreiung voraussetze, stellte die Klägerin einen entsprechenden
Befreiungsantrag. Der Beklagte gewährte daraufhin - mit Befreiungsbescheid vom
2. März 1988 - im Einvernehmen mit der Stadt H die Befreiung und erteilte der
Klägerin mit gesondertem Bescheid die beantragte Baugenehmigung.
In dem Befreiungsbescheid setzte der Beklagte unter Hinweis auf "Abschnitt 3 des
Gebührenverzeichnisses zur Bauaufsichtsgebührensatzung des Kreises B vom
28.6.1984" eine Befreiungsgebühr in Höhe von 18.960,-- DM fest. Dagegen erhob
die Klägerin mit Schreiben ihres Architekten vom 2. April 1988 Widerspruch mit der
sinngemäßen Begründung, daß es einer Befreiung nicht bedurft habe, weil sich das
Bauvorhaben zu den Ausweisungen des Bebauungsplans nicht in Widerspruch
setze. In einem Schreiben vom 27. April 1989 führten die jetzigen
Bevollmächtigten der Klägerin ergänzend aus, daß eine Befreiung allenfalls wegen
des nicht eingehaltenen Grenzabstandes zum benachbarten städtischen
Grundstück (Parzelle 166) erforderlich gewesen sei. Für eine derartige Befreiung
könne bei Zugrundelegung der in Nr.14 der Richtlinien zur
Bauaufsichtsgebührensatzung des Beklagten vorgesehenen Berechnung lediglich
eine Gebühr in Höhe von 2.905,80 DM erhoben werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 1989 wies der Beklagte den
Widerspruch zurück. In den Gründen heißt es, daß die Befreiung gem. § 31 Abs. 2
des Baugesetzbuchs (BauGB) deshalb habe erteilt werden müssen, weil das
Bauvorhaben von der im Bebauungsplan durch die Ausweisung
"Gemeinbedarfsfläche" festgelegten Nutzungsart abweiche. Die für diese Befreiung
berechnete Gebühr finde ihre Rechtsgrundlage in der gem. § 5 der
Landkreisordnung und § 1 Abs. 4 des Hessischen Verwaltungskostengesetzes
(HVwKostG) erlassenen Bauaufsichtsgebührensatzung des Kreises vom 28. Juni
1984 (BAGebS). Das Gebührenverzeichnis zur Bauaufsichtsgebührensatzung sehe
in seinem Abschnitt 3 eine Rahmengebühr von 50,-- DM bis 20.000,-- DM vor. Die
festgesetzte Gebühr von 18.960,-- DM bewege sich in diesem Rahmen. Daß sie die
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festgesetzte Gebühr von 18.960,-- DM bewege sich in diesem Rahmen. Daß sie die
obere Grenze nahezu ausschöpfe, sei nicht zu beanstanden. Die Gebühr sei in der
Weise errechnet worden, daß die zu überbauende Grundfläche von 948 qm mit
20,-- DM multipliziert worden sei. Die Richtlinien des Kreises zur Gebührensatzung
sähen unter Nr. 13 an sich - weitergehend - vor, daß der Satz von 20,-- DM für
jeden angefangenen Quadratmeter der zu realisierenden G e s c h o ß f l ä c h
e berechnet werde und daß die obere Grenze der Rahmengebühr bei 100.000,--
DM liege. Nach dieser Regelung werde jedoch nicht verfahren, da sie
unzulässigerweise vom Gebührenverzeichnis, welches den Richtlinien vorgehe,
abweiche.
Die Klägerin erhob hierauf am 10. November 1989 Klage. Sie machte geltend: Mit
der Ausweisung "Fläche für Gemeinbedarf" werde gemäß § 1 Abs. 6 Nr. 2 der
Baunutzungsverordnung (BauNVO) eine im Gewerbegebiet vorgesehene
Ausnahme für allgemein zulässig erklärt, was nichts an der Zulässigkeit solcher
Bauvorhaben auf der fraglichen Fläche ändere, die - ohne Ausnahmeerteilung - im
Gewerbegebiet von Gesetzes wegen zulässig seien. Selbst wenn es sich im
übrigen um eine Gemeinbedarfsflächenausweisung im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 5
BauGB handele, entfalte diese nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts Ausschlußwirkung nur gegenüber solchen Nutzungen,
die dem Gebietscharakter widersprächen und daher situationswidrig seien. Das
klägerische Vorhaben sei in einem Misch- bzw. Gewerbegebiet ohne weiteres
zulässig und widerspreche daher nicht dem Gebietscharakter.
Die Klägerin beantragte,
den Gebührenbescheid des Beklagten vom 2. März 1988 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 1989 aufzuheben.
Der Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
Er vertrat die Auffassung, daß die Ausweisung der Gemeinbedarfsfläche auf § 9
Abs. 1 Nr. 5 BauGB und nicht auf § 1 Abs. 6 Nr. 2 BauNVO beruhe; folglich habe
ohne Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans das Bauvorhaben der
Klägerin nicht genehmigt werden können.
Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 25. September 1991 ab. In
den Entscheidungsgründen heißt es:
Die Anfechtungsklage der Klägerin gegen die Gebührenfestsetzung vom 2. März
1988 sei zulässig, aber nicht begründet. Die streitige Befreiungsgebühr finde ihre
Rechtsgrundlage in der Bauaufsichtsgebührensatzung des Beklagten vom 25. Juni
1984 in Verbindung mit § 1 Abs. 4 HVwKostG. Nach dem Gebührenverzeichnis zur
Bauaufsichtsgebührensatzung falle für eine Befreiung von Festsetzungen eines
Bebauungsplanes eine Rahmengebühr zwischen 50,-- DM und 20.000,-- DM an.
Die Befreiung sei im vorliegenden Fall erforderlich gewesen, da das Bauvorhaben
der Klägerin von Festsetzungen des einschlägigen Bebauungsplans der Stadt H
abweiche. Die Gemeinbedarfsflächenausweisung in diesem Bebauungsplan sei
nicht als Regelung im Sinne des § 1 Abs. 6 BauNVO anzusehen. Die streitige
Gebührenerhebung sei auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Die Gebühr
bewege sich im vorgesehenen Gebührenrahmen und beruhe auf einer
Berechnung, an der nichts ausgesetzt werden könne.
Gegen dieses ihr am 3. Februar 1992 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26.
Februar 1992 Berufung eingelegt. Sie hält im Berufungsverfahren ihren Einwand
aufrecht, daß die streitige Gebührenerhebung schon dem Grunde nach nicht
berechtigt sei. Darüber hinaus erhebt sie Einwände auch gegen die Höhe der
Gebührenfestsetzung. Sowohl die Richtlinien zur Bauaufsichtsgebührensatzung
des Beklagten als auch die Bauaufsichtsgebührensatzung selbst verstießen gegen
höherrangiges Recht. Der Höchstbetrag der Rahmengebühr nach der
Bauaufsichtsgebührensatzung übersteige mit 20.000,-- DM den in der laufenden
Nr. 12 der Gebührenordnung zum Hessischen Verwaltungskostengesetz
festgelegten Höchstbetrag von 3.000,-- DM um mehr als als das Sechsfache; das
werde durch die Ermächtigung der Landkreise zu abweichender Festlegung der
Bauaufsichtsgebühren "nach ihrem Verwaltungsaufwand" gem. § 1 Abs. 4
HVwKostG nicht gedeckt. Die fragliche Ermächtigung erlaube nur die Anhebung
der Gebührensätze wegen eines tatsächlich höheren Verwaltungsaufwandes im
Einzelfall, nicht jedoch die Anhebung zum Zwecke einer stärkeren
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Einzelfall, nicht jedoch die Anhebung zum Zwecke einer stärkeren
Berücksichtigung des wirtschaftlichen Nutzens und der wirtschaftlichen Bedeutung
der Befreiung für den Bauherrn. Im vorliegenden Fall werde die Festlegung der
Befreiungsgebühr auf 18.960,-- DM gerade mit dem erheblichen wirtschaftlichen
Nutzen begründet; auf zusätzlichen Prüfungsaufwand berufe sich der Beklagte nur
lapidar und ohne ausreichende Begründung. Tatsächlich sei der
Verwaltungsaufwand auch nicht so hoch gewesen, daß er eine Überschreitung der
Gebührenobergrenze von 3.000,-- DM nach Nr. 12 der Gebührenordnung zum
Hessischen Verwaltungskostengesetz um über 400 %, wie sie mit der Festsetzung
auf 18.960,-- DM verbunden sei, rechtfertigen könne.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil das Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 25. September 1991 - II/V E
2325/89 - abzuändern und den Befreiungsbescheid vom 2. März 1988 hinsichtlich
der darin festgesetzten Befreiungsgebühr in der Fassung des
Widerspruchsbescheids vom 10. Oktober 1989 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Er vertritt nach wie vor die Ansicht, daß die streitige Gebührenfestsetzung sowohl
dem Grunde als auch der Höhe nach rechtmäßig sei. Seine Gebührensatzung sei
durch die gesetzliche Ermächtigung in § 1 Abs. 4 HVwKostG zu abweichender
Gebührenfestlegung gedeckt. Auch Rahmengebühren könnten hiernach
überschritten werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte und der zum Verfahren vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, kann aber in der Sache keinen Erfolg haben.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die
angefochtene Gebührenerhebung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in
ihren Rechten.
Die Befugnis des Beklagten zur Erhebung von Gebühren für die Erteilung
baurechtlicher Genehmigungen und Befreiungen beruht auf dem Hessischen
Verwaltungskostengesetz vom 11. Juni 1972, GVBl. I S. 235 (HVwKostG), welches
in der hier noch maßgeblichen früheren Fassung (a.F.) letztmalig durch das 3.
Änderungsgesetz vom 2. April 1981, GVBl. I S. 137, geändert worden ist. Nach § 1
Abs. 1 HVwKostG a.F. sind für Amtshandlungen, die von Landesbehörden oder als
Weisungsaufgaben von anderen Verwaltungen vorgenommen werden, Gebühren
und Auslagen nach diesem Gesetz und der Gebührenordnung nach § 21
HVwKostG zu erheben. Bei der Erteilung der Befreiung von Festsetzungen eines
Bebauungsplans gem. § 31 Abs. 2 des Baugesetzbuches (BauGB) war der
Beklagte als Bauaufsichtsbehörde tätig, also in einer Weisungsangelegenheit nach
§ 81 Abs. 2 der Hessischen Bauordnung in der hier noch anwendbaren alten
Fassung. Die in § 1 Abs. 1 HVwKostG a.F. genannte "Gebührenordnung nach § 21"
war, soweit es um die Tätigkeit der Bauaufsichtsbehörden ging, das
Gebührenverzeichnis zum Hessischen Verwaltungsgebührengesetz in der Fassung
vom 22. September 1966, GVBl. I S. 277, zuletzt geändert durch Gesetz vom 12.
Mai 1970, GVBl. I S. 324, das zunächst nach § 22 Abs. 2 HVwKostG mit gewissen
Änderungen als Anlage zum Hessischen Verwaltungskostengesetz fortgelten sollte
und dann durch Art. 2 des Änderungsgesetzes vom 6. Februar 1974, GVBl. I S.
104, zu einer Gebührenordnung nach § 21 HVwKostG erklärt wurde. Die Gebühren
für die Tätigkeit der Bauaufsichtsbehörden finden sich in den laufenden Nummern
11 und 12 dieses Gebührenverzeichnisse. An die Stelle des
Gebührenverzeichnisses sind inzwischen in vollem Umfang besondere
Verwaltungskostenordnungen für die Geschäftsbereiche der einzelnen
Landesministerien als Rechtsverordnungen der Landesregierung getreten. Die
Nummern 11 bis 15, 21, 66 und 68 des Gebührenverzeichnisses wurden durch das
Verwaltungskostenverzeichnis zur Verwaltungskostenordnung für den
Geschäftsbereich des Ministers für Landesentwicklung, Wohnen, Landwirtschaft,
Forsten und Naturschutz mit Wirkung zum 1. November 1992 ersetzt (vgl. § 3 Abs.
2 der genannten Verwaltungskostenordnung vom 28. Oktober 1992, GVBl. I S.
477), und der danach noch in Kraft gebliebene Rest des Gebührenverzeichnisses
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477), und der danach noch in Kraft gebliebene Rest des Gebührenverzeichnisses
wurde mit Wirkung zum 1. Oktober 1993 durch § 3 der Verwaltungskostenordnung
für den Bereich des Ministers des Innern und für Europaangelegenheiten vom 2.
September 1993, GVBl. I S. 375, aufgehoben. Letzteres wirkt sich auf das
vorliegende Verfahren jedoch noch nicht aus; denn es ist auf die Rechtslage im
Zeitpunkt der Entstehung der streitigen Befreiungsgebühr (vgl. § 7 HVwKostG) und
damit auf einen Zeitpunkt abzustellen, in dem die Gebühren für Amtshandlungen
der Bauaufsichtsbehörden noch dem Gebührenverzeichnis vom 24. Juli 1972 zu
entnehmen waren.
Nach § 1 Abs. 4 HVwKostG können die Landkreise und diejenigen Städte und
Gemeinden, denen die Bauaufsicht übertragen ist, durch Satzung die
Bauaufsichtsgebühren nach ihrem Verwaltungsaufwand festlegen und dabei von
der Gebührenordnung nach § 21 abweichen. Eine solche Satzung mit Festlegung
abweichender Gebühren ist die Bauaufsichtsgebührensatzung der Beklagten vom
25. Juni 1984 (im folgenden: BAGebS). Das zugehörige Gebührenverzeichnis sieht
in seinem Abschnitt 3 für die "Befreiung von bauordnungsrechtlichen und
bauplanungsrechtlichen Vorschriften, auch von Festsetzungen eines
Bebauungsplans" eine Rahmengebühr zwischen 50,-- DM und 20.000,-- DM vor;
diese Gebühr kann, wenn der Nutzen für den Bauherrn "besonders groß" ist, bis
auf 50.000,-- DM erhöht werden. Die Gebührensatzung weicht damit von dem in
der laufenden Nr. 12 des Gebührenverzeichnisses zum Hessischen
Verwaltungskostengesetz vorgesehenen Gebührenrahmen für derartige
Befreiungen (20,-- DM bis 3.000,-- DM, bei besonders großem Nutzen für den
Bauherrn 20.000,-- DM) nach oben ab.
Von den vorgenannten Rechtsgrundlagen ausgehend erweist sich die von der
Klägerin angefochtene Gebührenfestsetzung zunächst dem Grunde nach als
rechtmäßig. Soweit die Klägerin einwendet, eine Gebührenpflicht habe deshalb
nicht entstehen können, weil die Genehmigung des Bauvorhabens eine Befreiung
von Festsetzungen des Bebauungsplans nicht vorausgesetzt habe, kann dem
nicht gefolgt werden. Zwar ist richtig, daß eine rechtlich überflüssige und für die
Verwirklichung des Bauvorhabens wertlose Befreiung die Gebührenpflicht nach
dem Hessischen Verwaltungskostengesetz nicht hätte auslösen können (dazu:
Senatsurteil vom 14. August 1975 - V OE 5/75 - HessVGRspr 1976, 17, 18). Die der
Klägerin erteilte Befreiung war jedoch keine überflüssige und wertlose
Amtshandlung. Wie das Verwaltungsgericht im einzelnen zutreffend dargelegt hat,
stand dem Bauvorhaben der Klägerin - Errichtung einer Reparatur- und
Fertigungshalle mit Büro- und Sozialtrakt - die Ausweisung "Gemeinbedarfsfläche"
mit dem Zusatz "Städtischer Bauhof" in dem einschlägigen Bebauungsplan der
Stadt H entgegen. Folglich mußte, um das Vorhaben gleichwohl genehmigen zu
können, eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB erteilt werden. Bei der streitigen
Ausweisung des Bebauungsplans handelt es sich um eine echte
Gemeinbedarfsflächenausweisung im Sinne des § 9 Nr. 5 BauGB und nicht, wie die
Klägerin meint, um eine Festsetzung nach § 1 Abs. 6 Nr. 2 der
Baunutzungsverordnung (BauNVO) des Inhalts, daß eine in einem Gewerbe- oder
Mischgebiet ausnahmsweise zulassungsfähige Nutzung für bauliche Anlagen und
Einrichtungen des Gemeinbedarfs auf der bezeichneten Fläche "allgemein
zulässig" sei. Die durch punktiert gekennzeichnete Nutzungsgrenzen zeichnerisch
zum Ausdruck gebrachte Abgrenzung der Gemeinbedarfsfläche von den
umgebenden Misch- und Gewerbegebietsausweisungen im Bebauungsplan läßt
sich nur so verstehen, daß die fragliche Fläche "exklusiv" der Nutzung für Anlagen
und Einrichtungen des Gemeinbedarfs vorbehalten sein solle. Eine Festlegung im
Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 2 BauNVO wäre durch eine übergreifende generelle
Gewerbe- oder Mischgebietsausweisung, kombiniert mit dem Hinweis auf die
generelle Zulässigkeit auch von Gemeinbedarfsvorhaben, zum Ausdruck gebracht
worden.
Unberechtigt sind auch die gegen die Gültigkeit der Bauaufsichtsgebührensatzung
des Beklagten gerichteten Einwände der Klägerin.
Die Festlegung abweichender Gebühren in dieser Satzung verstößt zum einen
nicht gegen das Kostenüberschreitungsverbot. Daß die Befugnis der in § 1 Abs. 4
HVwKostG genannten Gebietskörperschaften zu abweichender
Gebührenfestlegung hinsichtlich des Umfangs der Abweichung durch das
Kostendeckungsprinzip im Sinne des Kostenüberschreitungsverbots begrenzt ist,
ergibt sich aus dem Merkmal der abweichenden Festlegung "nach ihrem
Verwaltungsaufwand". Hieraus folgt nämlich gemäß § 21 Abs. 4 Satz 2 HVwKostG,
daß die Gebührensätze bei der abweichenden Festlegung so zu bemessen sind,
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daß die Gebührensätze bei der abweichenden Festlegung so zu bemessen sind,
daß das geschätzte Gebührenaufkommen den auf die Amtshandlungen
entfallenden durchschnittlichen Personal- und Sachaufwand für den betreffenden
Verwaltungszweig nicht übersteigt (vgl. Böhm, Hessisches
Verwaltungskostenrecht, 1976, § 21 Anm. 3). Im vorliegenden Fall ist nicht
ersichtlich, daß die durch Abschnitt 3 des Gebührenverzeichnisses zur
Bauaufsichtsgebührensatzung des Beklagten erfolgte Anhebung des
Gebührenrahmens für Baubefreiungsgebühren auf 50,-- DM bis 20.000,-- DM mit
der Möglichkeit weiterer Erhöhung auf 50.000,-- DM bei besonders großem Nutzen
für den Bauherrn zu einer - beabsichtigten - Überdeckung des individuellen
Verwaltungsaufwands des Beklagten im Bereich der Bauaufsicht führt. Dergleichen
macht auch die Klägerin selbst nicht geltend. Sie beruft sich lediglich darauf, daß
mit der in ihrem Einzelfall erteilten Befreiung kein so hoher Verwaltungsaufwand
verbunden gewesen sei, daß ein Überschreiten der Obergrenze des
Gebührenrahmens der laufenden Nr. 12 des Gebührenverzeichnisses zum
Hessischen Verwaltungskostengesetz um über 400 %, wie es mit der Festsetzung
der Gebühr auf 18.968,-- DM verbunden sei, gerechtfertigt sein könne. Damit ist
aber in der Sache nicht das nach § 1 Abs. 4 in Verbindung mit § 21 Abs. 4 Satz 2
HVwKostG zu beachtende Kostenüberschreitungsverbot angesprochen, sondern
die Gebührenbemessung im Einzelfall. Das Kostenüberschreitungsverbot setzt
lediglich dem erzielbaren Gesamtgebührenaufkommen im Hinblick auf den
Gesamtaufwand im jeweiligen Verwaltungszweig Grenzen, verlangt aber nicht, daß
die im Einzelfall anfallende Gebühr nicht über den Verwaltungsaufwand
hinausgehen dürfte, der durch gerade diese Amtshandlung bedingt ist.
Entgegen der Auffassung der Klägerin verstößt die Bauaufsichtsgebührensatzung,
soweit das zugehörige Gebührenverzeichnis in Abschnitt 3 den Gebührenrahmen
für die Erhebung von Befreiungsgebühren abweichend festlegt, auch nicht gegen
die Grundsätze, die nach § 21 Abs. 4 Satz 1 HVwKostG bei der
Gebührenbemessung im Einzelfall zu beachten sind. Nach der genannten
Vorschrift sind die Gebührensätze so zu bemessen, "daß zwischen der den
Verwaltungsaufwand berücksichtigenden Höhe der Gebühr einerseits und der
Bedeutung, dem wirtschaftlichen Wert oder dem sonstigen Nutzen der
Amtshandlung andererseits ein angemessenes Verhältnis besteht". Das Gesetz
bringt damit das aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG)
abzuleitende gebührenrechtliche Äquivalenzprinzip zum Ausdruck, welches in
seiner "negativen" Fassung ein Mißverhältnis zwischen dem Wert der
Amtshandlung für den Begünstigten und der Gebührenhöhe verbietet, in seiner
positiven Fassung ein "angemessenes Verhältnis" zwischen beidem verlangt. Der
in Abschnitt 3 des Gebührenverzeichnisses zur Bauaufsichtsgebührensatzung des
Beklagten vorgesehene Gebührenrahmen eröffnet einen weiten Spielraum, der
sowohl die Rücksichtnahme auf den Verwaltungsaufwand im Einzelfall als auch die
Orientierung an der Bedeutung und dem wirtschaftlichen Wert oder dem sonstigen
Nutzen der Amtshandlung in ausreichendem Maße zuläßt. Insoweit ist auch nicht
zu beanstanden, daß bei der Anhebung des Gebührenrahmens für
Befreiungsgebühren die untere Grenze mit 50,-- DM dem zweieinhalbfachen
Betrag der Untergrenze in der laufenden Nr. 12 des Gebührenverzeichnisses zum
Hessischen Verwaltungskostengesetz (20,-- DM) entspricht, während als
Obergrenze ein Betrag festgelegt ist, der 6 bis 7 mal so hoch ist wie der
entsprechende Wert von 3.000,-- DM im Gebührenverzeichnis zum Hessischen
Verwaltungskostengesetz. Die Ermächtigung in § 1 Abs. 4 HVwKostG zu
abweichender Gebührenfestlegung zwingt, solange nicht insgesamt eine
Kostenüberdeckung angestrebt und damit gegen das
Kostenüberschreitungsverbot verstoßen wird, nicht zu einer prozentual
gleichmäßigen Anhebung der einzelnen Gebühren, sondern erlaubt durchaus eine
unterschiedliche Veränderung der Gebührenhöhe (vgl. Böhm, a.a.O., § 1 Anm. 10).
Auch gegen die unterschiedlich starke Anhebung der beiden Eckwerte einer
Rahmengebühr bestehen keine durchgreifenden Bedenken. Der - verglichen mit
dem Höchstbetrag der Rahmengebühr - niedrigere Anstieg beim unteren Wert in
Abschnitt 3 des Gebührenverzeichnisses zur Bauaufsichtsgebührensatzung des
Beklagten läßt sich damit erklären, daß so bei besonders niedrigem
Verwaltungsaufwand im Einzelfall eine besonders niedrige Gebühr soll festgesetzt
werden können. Eine sich zur Gebührenordnung zum Hessischen
Verwaltungskostengesetz in Widerspruch setzende Wertung ist damit nicht
verbunden.
Die Anwendung der Bauaufsichtsgebührensatzung durch den Beklagten im
konkreten Fall begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Die festgelegte
Befreiungsgebühr von 18.960,-- DM bewegt sich in dem erhöhten
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Befreiungsgebühr von 18.960,-- DM bewegt sich in dem erhöhten
Gebührenrahmen von 50,-- DM bis 20.000,-- DM, den das Gebührenverzeichnis zur
Bauaufsichtsgebührensatzung in Abschnitt 3 vorsieht. Die dabei vorgenommene
Ausfüllung des Gebührenrahmens ist nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat zu
Recht nicht auf die vom Kreisausschuß erlassenen Richtlinien "für die Anwendung
der Rahmengebühren des Gebührenverzeichnisses" der
Bauaufsichtsgebührensatzung abgestellt. Diese Richtlinien stehen, soweit sie in Nr.
27 Position 13 den Gebührenrahmen für Befreiungen von Baurechtsvorschriften
über die Art der baulichen Nutzung auf bis zu 100.000,-- DM erweitern, mit der
Bauaufsichtsgebührensatzung und dem zugehörigen Gebührenverzeichnis nicht in
Einklang und können daher das Ermessen der Behörde bei Bestimmung der Höhe
von Befreiungsgebühren rechtlich nicht binden. Der Beklagte war infolgedessen
berechtigt, mit der Bemessung der Befreiungsgebühr nach der zu überbauenden
Grundfläche eine andere Bemessungsgrundlage zu wählen als sie mit der
Geschoßfläche in den Richtlinien vorgesehen ist. Hierdurch ergab sich - bei
Zugrundelegung eines Satzes von 20,-- DM je Quadratmeter Grundfläche - ein
Gebührenbetrag, der mit 18.960,-- DM noch unter dem Höchstbetrag des
satzungsmäßigen Gebührenrahmens von 20.000,-- DM lag. Diese Gebührenhöhe
trägt den in § 9 HVwKostG aufgestellten Kriterien für die Gebührenbemessung bei
Ausfüllung eines vorgegebenen Gebührenrahmens angemessen Rechnung. Nach
der genannten Vorschrift hat sich die Gebührenbemessung an (1.) der Bedeutung
des Gegenstandes und dem wirtschaftlichen Nutzen für die Beteiligten, (2.) der mit
der Vornahme der Amtshandlung verbundenen Mühewaltung und (3.) den
wirtschaftlichen Verhältnissen des Gebührenschuldners zu orientieren. Wie schon
die Reihenfolge der Kriterien zeigt, spielt bei einer Baubefreiung der damit
verbundene wirtschaftliche Nutzen für den Bauherrn eine ganz maßgebliche Rolle.
Es ist nicht so, daß - wie offensichtlich die Klägerin meint - die Ausfüllung des
Gebührenrahmens ausschlaggebend und gegenüber dem Gesichtspunkt der
wirtschaftlichen Bedeutung vorrangig bestimmt sein müßte von der Überlegung,
welchen Prüfungs- und Bearbeitungsaufwand die Erteilung der Befreiung im
Einzelfall erfordert hat. Für die Klägerin führt die streitige Befreiung zu einem ganz
erheblichen wirtschaftlichen Nutzen, denn sie wird hierdurch in die Lage versetzt,
ein wirtschaftlich bedeutsames Bauvorhaben auf einer ihr gehörenden Fläche trotz
entgegenstehender planerischer Ausweisung im Bebauungsplan zu realisieren.
Bedenkt man dies, so löst die Nähe der bei Zugrundelegung von 20,-- DM je
Quadratmeter überbaubarer Grundfläche sich ergebende Gebühr von 18.960,--
DM zur Höchstgebühr von 20.000,-- DM keine durchgreifenden Bedenken aus.
Insbesondere ist nichts dafür ersichtlich, daß eine so geringe Mühewaltung bei
Bearbeitung des Befreiungsantrags der Klägerin vorgelegen hätte, daß es im
Rahmen der durch § 9 Nr. 2 HVwKostG gebotenen Rücksichtnahme auf den
entstehenden Verwaltungsaufwand geboten gewesen wäre, die nach dem Maßstab
der überbaubaren Grundfläche berechnete Gebühr, angemessen zu ermäßigen.
Da die streitige Gebührenfestsetzung aus den genannten Gründen rechtlich
Bestand hat, ist die Berufung der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil mit der
Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die weiteren
Nebenentscheidungen haben ihre Grundlage in § 167 VwGO in Verbindung mit §§
708 Nr. 10, 711 ZPO, sowie in § 132 Abs. 1 und 2 VwGO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.