Urteil des HessVGH vom 16.09.1993
VGH Kassel: berechnung der steuer, vollstreckung, steuerordnung, unternehmen, gastwirtschaft, anfechtungsklage, adresse, doppelbesteuerungsabkommen, pachtvertrag, gaststätte
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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
5. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 UE 3140/90
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 8 Abs 2 KAG HE, § 191
AO 1977, § 219 AO 1977, §
117 AO 1977
(Schankerlaubnissteuer - Haftung des Verpächters für die
Schankerlaubnissteuer - Haftungsschuldner)
Tatbestand
Die Klägerin ist Eigentümerin des Hauses Z weg 2 in, in welchem sich die Bier- und
Speisegaststätte (mit Kegelbahn) "Zur Z hütte" befindet. Die für diesen Betrieb
eingerichteten Räume hatte sie mit einem als "Mietvertrag für gewerblich genutzte
Räume und Grundstücke" überschriebenen Vertrag vom 15. Februar 1984 mit
Wirkung vom 1. Oktober 1984 an die Eheleute und "vermietet". Auf den Wortlaut
dieses Vertrages (Bl. 5 - 12 der Prozeßakten) wird Bezug genommen. Mit einer auf
einem Briefbogen der Klägerin entworfenen Erklärung der Eheleute und traten
diese ab dem 16. März 1985 mit allen Rechten und Pflichten anstatt der Eheleute
in diesen Vertrag vom 15. Februar 1984 ein. Die Klägerin stimmte diesem
"Pächterwechsel" auf derselben Urkunde zu (Bl. 32 der Behördenvorgänge). erhielt
am 5. Juni 1985 von der Stadt T die Erlaubnis zum Betrieb von Schankwirtschaft
und Speisewirtschaft. Die Kämmerei des Beklagten erhielt hiervon am 23. Mai
1986 Kenntnis. Am 3. Juni 1986 setzte sie eine
Schankerlaubnissteuervorauszahlung von 729,92 DM fest, die auch bezahlte. Mit
Schreiben vom 8. Oktober 1987 wollte der Beklagte Herrn zur Abgabe der
Steuererklärung für die Festsetzung der Schankerlaubnissteuer auffordern; das
Schreiben kam aber mit dem Postvermerk "unbekannt verzogen" zurück. Eine
Anfrage des Beklagten beim Einwohnermeldeamt W ergab, daß nach R /Italien
verzogen sei. Der Beklagte brachte sodann im Dezember 1987 durch Anfrage bei
der Stadt T in Erfahrung, daß Verpächter bzw. Eigentümer der Gaststätte "Zur Z
hütte" der Geschäftsführer der Komplementärin der Klägerin gewesen sei. Im Mai
1988 bekam der Beklagte vom Finanzamt Bad S die für die Festsetzung der
Schankerlaubnissteuer benötigten Zahlen (Höhe des Umsatzes und des
Gewerbeertrages im Kalenderjahr 1986) mitgeteilt. Mit
Schankerlaubnissteuerhaftungsbescheid vom 13. Juni 1988 wurde daraufhin
zunächst Herr auf Zahlung der Steuerforderung von 3.057,51 DM in Anspruch
genommen. Dem Bescheid war ein Blatt der Berechnung der
Schankerlaubnissteuer im einzelnen beigefügt. Herr erhob Widerspruch mit dem
Hinweis, daß nicht er, sondern die Klägerin Eigentümerin des Hauses sei. Mit
Schreiben vom 5. Januar 1989 hob der Beklagte den Bescheid vom 13. Juni 1988
auf. Mit Schankerlaubnissteuerhaftungsbescheid vom selben Tage wurde die
Klägerin auf Zahlung der Steuerforderung von 3.057,51 DM in Anspruch
genommen. Sie legte am 30. Januar 1989 Widerspruch sowohl gegen den
Haftungsbescheid als auch gegen die in ihm enthaltene Zahlungsaufforderung ein
und brachte zur Begründung vor: Die Voraussetzungen eines Haftungsbescheides
nach § 2 Abs. 3 der Schankerlaubnissteuerordnung des Beklagten lägen nicht vor,
da sie nicht Verpächterin eines Unternehmens, sondern Verpächterin lediglich von
Räumlichkeiten sei. Der Haftungsbescheid sei auch deswegen unwirksam, weil er
keine Ausführungen über eine Ermessensentscheidung des Beklagten enthalte.
Die Zahlungsaufforderung sei rechtswidrig, weil gegen den Grundsatz der
Subsidiarität des Haftungsanspruchs gemäß § 219 AO verstoßen sei. Es sei nicht
dargelegt, daß eine Vollstreckung gegen den Steuerschuldner aussichtslos oder
erfolglos geblieben sei; es habe zumindest versucht werden müssen, den
Steuerbescheid gegen den Steuerschuldner trotz des Wohnsitzwechsels nach
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Steuerbescheid gegen den Steuerschuldner trotz des Wohnsitzwechsels nach
Italien zu realisieren.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 26. April 1989
zurückgewiesen, weil die Voraussetzungen für den Haftungsbescheid gegeben
seien. Die Vorschrift über die Verpächterhaftung in der Steuerordnung sei
wirksam. Der Vertrag der Klägerin mit sei kein Mietvertrag sondern ein
Pachtvertrag gewesen, da das Vertragsobjekt typische Räume für den Betrieb
einer Gaststätte und zudem nach den eigenen Angaben des Herrn von der
Klägerin mit dem notwendigen Inventar ausgestattet gewesen seien. Die
Inanspruchnahme der Klägerin sei nach § 219 der Abgabenordnung zulässig, weil
die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Steuerschuldners aussichtslos
sein würde, da nach R verzogen sei.
Die Klägerin, der der Widerspruchsbescheid am 3. Mai 1989 zugestellt worden war,
erhob am Montag, den 5. Juni 1989 Anfechtungsklage beim Verwaltungsgericht
Wiesbaden. Zur Begründung wiederholte sie die Ausführungen, daß kein
Unternehmen verpachtet worden sei, sondern nur Räume. Der Beklagte
unterscheide nur zwischen Miete und Pacht und verkenne damit, daß die
Steuerhaftung nur den Verpächter eines Unternehmens als Inbegriff von
beweglichen Sachen und Rechten sowie immateriellen Werten wie Marken und den
Kunden- und Lieferantenbeziehungen treffe. Ferner habe der Beklagte nicht
nachgewiesen, daß die Steuerforderung bei nicht beitreibbar sei. Der Beklagte
habe sich gar nicht um dessen Adresse gekümmert, obwohl die Nachfolger in der
Bewirtschaftung der Gaststätte, die Eheleute, Schwester und Schwager des Herrn
seien und außerdem ein Bruder des Herrn Koch in einem anderen Lokal sei.
Schließlich sei die Berechnung der Steuer nicht nachvollziehbar.
Die Klägerin beantragte,
die Beklagte zu verurteilen, den Schankerlaubnissteuerhaftungsbescheid vom
05.01.1989, Aktenzeichen: 20.3-961-42 Di/Pl, in der Form des
Widerspruchsbescheides vom 26.04.1989, Aktenzeichen: 20.3-961-42 Di/Pl,
aufzuheben.
Der Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen,
und erwiderte auf die Klagebegründung: Bei dem von übernommenen Vertrag der
Eheleute mit der Klägerin habe es sich um einen Pachtvertrag gehandelt, so daß
die Steuerhaftung des § 2 Abs. 3 der Steuerordnung vom 19. Februar 1979
eingreife. Ein Bescheid an sei nicht ergangen, weil er mangels einer näheren
Adresse in Italien nicht zugestellt werden könne; die Verwandtschaft mit dem
Ehepaar sei für ihn, den Beklagten, aus nichts erkennbar gewesen. Außerdem sei
eine Vollstreckung in Italien nur wegen Grundsteuern und Gewerbesteuern
möglich; ferner dürfe der Steuerschuldner nicht italienischer Staatsangehöriger
sein.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage nach Verzicht der Beteiligten auf mündliche
Verhandlung durch ein im schriftlichen Verfahren am 3. September 1990
beratenes Urteil abgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, die
Klage sei ungeachtet des Wortlauts des Klageantrags als Anfechtungsklage
anzusehen und als solche zulässig, sie sei aber unbegründet. Rechtliche Bedenken
gegen die formale Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs seien durch nachträgliche
Gewährung des rechtlichen Gehörs im Widerspruchsverfahren geheilt worden.
Bedenken gegen die Rechtswirksamkeit der Schankerlaubnissteuerordnung des
Beklagten bestünden nicht. Der Beklagte sei durch § 8 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes
über Kommunale Abgaben (KAG) zur Erhebung der Schankerlaubnissteuer
ermächtigt. Zwar sei diese Gesetzesbestimmung mit Wirkung vom 1. Januar 1988
außer Kraft getreten; die Klägerin werde aber für einen Steuertatbestand aus der
früheren Zeit in Anspruch genommen. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 2
Abs. 3 der Steuerordnung seien erfüllt. Der Vertrag der Klägerin mit den Eheleuten
und später mit dem Steuerschuldner sei ungeachtet der Bezeichnung als
Mietvertrag in Wirklichkeit ein Pachtvertrag, so daß § 2 Abs. 3 der Steuerordnung
erfüllt sei. Ermessensfehler bei der Inanspruchnahme der Klägerin als
Haftungsschuldnerin seien nicht zu erkennen. Die Klägerin verkenne, daß nach
dem eindeutigen Wortlaut des § 2 Abs. 3 der Steuerordnung der Verpächter nicht
nur "als Haftungsschuldner" für die in der Person des Erlaubnisnehmers als
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nur "als Haftungsschuldner" für die in der Person des Erlaubnisnehmers als
Steuerschuldner begründete Steuerschuld in Anspruch genommen werde,
sondern daß der Verpächter als "Gesamtschuldner" der Steuerpflicht unterworfen
werde. Da nach § 44 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung jeder Gesamtschuldner
die gesamte Leistung schulde, könne der Steuergläubiger auswählen, von
welchem Gesamtschuldner er die Leistung fordern wolle; er müsse nur Willkür
vermeiden. Der Beklagte habe sich zu dem Zeitpunkt, als die
Besteuerungsgrundlagen feststanden, an die Klägerin gehalten, nachdem sich
herausgestellt hatte, daß die Eheleute für ihn nicht mehr erreichbar gewesen
seien. Das sei die einfachste Art und Weise gewesen, einen offenen
Steueranspruch zu realisieren. Es habe vom Beklagten nicht erwartet werden
können, daß er zunächst eine mit vielen Unwägbarkeiten verbundene
Vollstreckung im Ausland versuche. Soweit die Klägerin rüge, die Höhe des
Betrages sei für sie nicht nachvollziehbar, könne auf die Anlage zum
angefochtenen Bescheid verwiesen werden, wo alle Besteuerungsgrundlagen im
einzelnen aufgeführt seien. Die Angaben über den Gewerbeertrag und den
steuerpflichtigen Umsatz 1986 beruhten auf Mitteilungen des Finanzamtes; weder
aus dem klägerischen Vortrag noch aus den Behördenakten ergäben sich
Anhaltspunkte, daß diese unzutreffend gewesen seien. Berechnungsfehler seien
nicht festzustellen; die Klägerin sei also auch der Höhe nach ohne Rechtsfehler in
Anspruch genommen worden.
Das Urteil wurde der Klägerin am 21. September 1990 zugestellt. Zur Begründung
der am Montag, den 22. Oktober 1990 eingegangenen Berufung führt die Klägerin
aus: § 8 des Kommunalabgabengesetzes sei durch das Gesetz vom 14. Oktober
1980 bereits zumindest bis zum 3. Juni 1986 aufgehoben gewesen, so daß auch
für diese Zeit eine Ermächtigungsgrundlage gefehlt habe. Die Regelung des § 2
Abs. 3 der Steuerordnung des Beklagten sei aber durch § 8 des
Kommunalabgabengesetzes ohnehin nicht gedeckt. Die Ausdehnung der
Steuerhaftung auf einen Verpächter überschreite die Kompetenz des Beklagten,
da diese Haftungsregelung nicht an den Steuergegenstand bzw. Steuertatbestand
anknüpfe, der nur für den Gaststättenbetreiber gelte. Der Verpächter könne die
Grundlage der Besteuerung ohne Verletzung des Steuergeheimnisses überhaupt
nicht erfragen. Er werde also zur Zahlung einer Steuer herangezogen, die sich aus
Gewinn bzw. Umsatz einer anderen Person errechne und auf die er keinen Einfluß
habe. Ein gemeinsames Steuerschuldverhältnis, für das § 44 der Abgabenordnung
gelte, liege also nicht vor. Im übrigen bleibe sie, die Klägerin, dabei, daß sie kein
Unternehmen verpachtet habe und daß die Besteuerungsgrundlagen für sie nicht
nachvollziehbar seien.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden IX E 529/89 aufzuheben und die
Beklagte zu verurteilen, den Schankerlaubnissteuerhaftungsbescheid vom
05.01.1989, Aktenzeichen: 20.3-961-42 Di/Pl, in der Form des
Widerspruchsbescheides vom 26.04.1989, Aktenzeichen: 20.3-961-42 Di/Pl,
aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er führt aus, daß § 8 des Kommunalabgabengesetzes bis zum 31. Dezember 1987
gegolten habe und der Steueranspruch vor diesem Zeitpunkt entstanden sei. Im
übrigen wiederholt der Beklagte seine früheren Ausführungen.
Dem Senat liegen die einschlägigen Vorgänge des Beklagten über die
Schankerlaubnissteuer des Herrn und die Heranziehung der Klägerin sowie zum
Widerspruchsverfahren vor. Auf ihren Inhalt wird bezüglich aller weiteren
Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten ebenso wie auf
den Inhalt der Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung, über die gemäß § 125 Abs. 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO ohne
mündliche Verhandlung entschieden werden kann, ist zulässig, aber nicht
begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Recht abgewiesen.
Die Klage ist vom Verwaltungsgericht zutreffend als Anfechtungsklage nach § 42
Abs. 1 VwGO behandelt worden; an den von der Klägerin wie eine
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Abs. 1 VwGO behandelt worden; an den von der Klägerin wie eine
Verpflichtungsklage formulierten Klageantrag war das Verwaltungsgericht nach §
88 VwGO nicht gebunden. Der angefochtene Verwaltungsakt war in dem
Klageantrag klar bezeichnet; daß der Beklagte dabei als "die Beklagte" bezeichnet
wurde, stand der Erkennbarkeit des Klageziels nicht entgegen.
Die Anfechtungsklage ist aber vom Verwaltungsgericht mit Recht als unbegründet
angesehen worden, da der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist.
Der Schankerlaubnissteueranspruch des Beklagten gegen als Steuerschuldner
und gegen die Klägerin als Haftungsschuldnerin beruht auf § 8 Abs. 2 des
Gesetzes über Kommunale Abgaben (KAG) vom 17. März 1970 (GVBl. I S. 225)
und der Schankerlaubnissteuerordnung für den Rheingau-Taunus-Kreis vom 19.
Februar 1979. Die Ausführungen der Klägerin im Berufungsverfahren, daß § 8 KAG
bereits mit dem Gesetz vom 14. Oktober 1980 "zumindest bis 3.6.1986
aufgehoben" gewesen sei - so daß für die 1985 entstandene Steuerschuld des
Herrn keine Grundlage bestanden hätte -, sind unrichtig. Durch Art. 1 Nr. 3 des
Gesetzes über die Aufhebung von Bagatellsteuergesetzen vom 14. Oktober 1980
(GVBl. I S. 383) sollte § 8 KAG ursprünglich mit dem Inkrafttreten desselben
Gesetzes am 1. Januar 1982 aufgehoben werden; das Inkrafttreten des Gesetzes
wurde aber durch das Haushaltsstrukturgesetz vom 21. Dezember 1981 (GVBl. I
S. 450) und durch Art. 1 des Gesetzes vom 24. Juni 1983 (GVBl. I S. 97) zuerst bis
zum 1. Januar 1984 und dann bis zum 1. Januar 1987 hinausgeschoben, so daß § 8
KAG noch galt, als das Gesetz vom 14. Oktober 1980 durch das Gesetz vom 26.
Juni 1986 (GVBl. I S. 209) vollständig aufgehoben wurde. § 8 KAG wurde dann erst
durch das Gesetz über die Aufhebung von Bagatellsteuergesetzen vom 25.
September 1987 (GVBl. I S. 174) mit Wirkung vom 1. Januar 1988 aufgehoben.
Diese Aufhebung mit Wirkung vom 1. Januar 1988 stand der Verwirklichung des
vorher entstandenen Steueranspruchs des Beklagten nicht entgegen (vgl. dazu
Senatsurteil vom 21. März 1990 - 5 UE 3537/89 - KStZ 1991, 80 (L)).
Die Angriffe der Klägerin gegen die Bestimmung des § 2 Abs. 3 der
Schankerlaubnissteuerordnung (StO), auf der ihre Heranziehung beruht, sind nicht
begründet. Auf Grund der gesetzlichen Ermächtigung, eine Schankerlaubnissteuer
zu erheben, konnte nicht nur derjenige, dem die "Schankerlaubnis" erteilt wurde,
sondern auch derjenige herangezogen werden, der von der Ausnutzung dieser
Erlaubnis einen mittelbaren Vorteil hatte, wie z.B. der Verpächter, der entweder
schon wegen der vom Umsatz abhängigen Höhe des Pachtzinses oder doch - im
Falle einer festen Pachtsumme - wenigstens deshalb am Betrieb interessiert war,
weil dadurch der Wert des Objektes für spätere Verpachtungsfälle erhalten blieb.
Das ist, worauf der Beklagte und das Verwaltungsgericht mit Recht hingewiesen
haben, in der Rechtsprechung seit langem anerkannt (Urteile des
Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Oktober 1971 (Buchholz 401.67 Nr. 11 =
BVerwGE 39, 1 = DÖV 1972, 721 = DVBl. 1972, 151 = KStZ 1972, 91 = DGStZ
1972, 37 = GewArch 1972, 81 = VerwRspr 23, 1008) und Urteile des erkennenden
Senats vom 28. Januar 1979 - V OE 93/77 - HessVGRspr 1979, 36 = VerwRspr 31,
98, vom 16. September 1987 - 5 UE 960/86 - ZKF 1988, 227, vom 5. Juli 1988 - 5
UE 1348/87 - ZKF 1989, 41 = ZMR 1989, 117 = GemHH 1989, 138 und vom 3.
August 1988 - 5 UE 2904/86 - sowie Beschlüsse des erkennenden Senats vom 4.
Mai 1988 - 5 TH 1612/87 -, vom 5. Juli 1988 - 5 UE 1348/87 - ZKF 1989, 41 =
GemHH 1989, 138, vom 4. September 1990 - 5 TH 2919/89 - und vom 6. April
1993 - 5 TH 1300/87 -). Die Richtigkeit dieser Rechtsprechung wird auch nicht
durch die Hinweise der Klägerin erschüttert, daß sie einen Teil der in der
Steuerordnung vom Steuerschuldner geforderten Erklärungen gar nicht aus
eigener Kenntnis abgeben könne. Wo wegen des gewählten Steuermaßstabes
derartige Erklärungspflichten statuiert werden, wird nötigenfalls im einzelnen zu
prüfen sein, ob der Verpächter nur "Haftungsschuldner" ist oder ob er - wie es der
in den dem Senat bekannten Schankerlaubnissteuersatzungen regelmäßig
auftauchende Ausdruck "Gesamtschuldner" nahezulegen scheint - selbst
"Steuerschuldner" sein soll. Dem "Haftungsschuldner" kommt einerseits der
Subsidiaritätsgrundsatz (§ 219 AO 1977) zugute, während andererseits vom
Gesetz als selbstverständlich in Kauf genommen wird, daß er bei der Ermittlung
des Steueranspruchs der Höhe nach nicht in gleichem Maße mitwirken kann wie
der Steuerschuldner selbst. Aber auch eine gesamtschuldnerische Stellung
mehrerer Personen als Steuerschuldner setzt nicht notwendig voraus, daß jeder
einzelne dem Steuergläubiger gegenüber in gleichem Maße zur Mitwirkung
befähigt ist. Wenn sich der Steuergläubiger bei der Entscheidung, welchen von
mehreren Gesamtschuldnern er heranziehen will, denjenigen herausgreift, der sich
am ehesten auf Unkenntnis einzelner Teile des Sachverhalts oder auf
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am ehesten auf Unkenntnis einzelner Teile des Sachverhalts oder auf
Unvermögen zur Mitwirkung berufen kann, so wird er sich in der Regel nur selbst
die Verwirklichung des Steueranspruchs erschweren.
Die Klägerin hatte die Gastwirtschaft "Zur Ziegelhütte" an die Eheleute und später
an die Eheleute v e r p a c h t e t . Insoweit kann auf die Ausführungen des
Verwaltungsgerichts im angefochtenen Urteil Bezug genommen werden. Deshalb
liegen die Voraussetzungen der Verpächterhaftung nach § 2 Abs. 3 StO vor. Das
Verwaltungsgericht ist - wie vorher auch der Beklagte - auf die von der Klägerin
geforderte Unterscheidung zwischen Raumpacht und Unternehmenspacht nicht
eingegangen; dazu bestand aber auch letztlich kein Anlaß. Denn der Ausdruck
"Betrieb eines verpachteten Unternehmens" in § 2 Abs. 3 StO ist nicht als
Gegensatz zum "Betrieb in verpachteten Räumen" zu verstehen, sondern soll
eben dieses bedeuten. Eine Unterscheidung, ob nur die Räume, in denen ein
Unternehmen betrieben wird bzw. betrieben werden kann oder soll, oder ob ein
Unternehmen als Ganzes (mit Firma, know how, good will, Kundenstamm)
verpachtet ist, kann dort, wo eine solche Unterscheidung überhaupt eine
tatsächliche Grundlage hat, für die Rechtsbeziehungen zwischen Pächter und
Verpächter von Bedeutung sein oder sich in der Steuerbilanz auswirken (vgl. den
Art. "Pacht" in Strickrodt u.a., Handwörterbuch des Steuerrechts, 2.Aufl. 1981). Für
die Verpachtung einer Gastwirtschaft hat die Unterscheidung zwischen Raumpacht
und Unternehmenspacht keinen Sinn. Verpachtet werden können immer nur die
für den Betrieb tauglichen Räume und Einrichtungsgegenstände; was für ein
"Unternehmen" er darin zu schaffen versteht bzw. ob er das von einem Vorgänger
geschaffene "Unternehmen" auf Dauer weiterzuführen vermag, hängt immer allein
von der Tüchtigkeit des Pächters ab. Das Interesse des Verpächters, das seine
Heranziehung zur Schankerlaubnissteuer rechtfertigt, ist nur darauf gerichtet, daß
die Gastwirtschaft tatsächlich betrieben und eben dadurch der Nachweis der
Möglichkeit erbracht wird, in diesen konkreten Räumen eine Gastwirtschaft
erfolgreich zu führen, der den Wert des Pachtobjektes auch für spätere
Verpachtungen oder für den Verkaufsfall sichert.
Da die Steuerschuld nach § 2 Abs. 1 StO mit dem Zeitpunkt der Erlaubniserteilung
im Jahre 1985 entstanden war, ist der angefochtene Bescheid vom 5. Januar 1989
auf alle Fälle vor Ablauf der Festsetzungsfrist von vier Jahren nach § 4 Abs. 1 Nr. 4
Buchst. b KAG i.V.m. §§ 169 bis 171 und 191 AO 1977 ergangen, die mit Ablauf
des Jahres 1985 begann und erst mit dem Ablauf des Jahres 1989 ablief; es kann
deshalb hier dahingestellt bleiben, ob auf die Klägerin § 170 AO 1977 anzuwenden
ist, weil sie Steuerschuldnerin, oder ob § 191 Abs. 3 AO 1977 heranzuziehen ist,
weil sie Haftungsschuldnerin ist.
Mit Recht hat das Verwaltungsgericht den Einwand der Klägerin zurückgewiesen,
daß die Berechnung der Schankerlaubnissteuer nicht nachvollziehbar sei. Alle für
die Berechnung der Schankerlaubnissteuer nach den §§ 3 und 5 StO benötigten
Zahlen sind in der Anlage zum angefochtenen Bescheid angegeben. Mehr ist für
den Inhalt eines Steuerbescheides nach § 4 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG i.V.m. §
157 AO 1977 nicht erforderlich. Der Einwand, daß sie die der Berechnung
zugrundegelegten Beträge nicht überprüfen könne, ist ebenfalls unbegründet, da
sie die Behördenakten des Beklagten einsehen konnte, in welchem sich die
Auskunft des Finanzamts Bad S vom 20. Mai 1988 über Umsatz und
Gewerbeertrag des Herrn im Kalenderjahr 1986 befindet. Die Zahlen
(steuerpflichtiger Umsatz 241.263,-- DM, Gewerbeertrag 30.646,-- DM) sprechen
dafür, daß es sich nicht um geschätzte Beträge handelt, sondern daß seine
Auskunfts- und Erklärungspflichten gegenüber dem Finanzamt für das Jahr 1986
erfüllt hatte; falls sie dennoch Zweifel an der Richtigkeit der Zahlen gehabt hätte,
hätte es der Klägerin freigestanden, sich bei dem ehemaligen Pächter selbst zu
erkundigen, dessen Anschrift sie nach ihrem eigenen Vorbringen über das Ehepaar
hätte in Erfahrung bringen können.
Die Klägerin kann schließlich auch nicht mit Erfolg einwenden, daß der Beklagte
sich nicht genügend um die Realisierung seines Steueranspruchs gegenüber
selbst bemüht habe. Es kann zweifelhaft erscheinen, ob das Verwaltungsgericht
mit Recht geglaubt hat, diesen Einwand der Klägerin deshalb für unbeachtlich
erklären zu können, weil es allein die "Gesamtschuldnerschaft" nach § 2 Abs. 3 StO
und das sich daraus ergebende Auswahlermessen des Beklagten für maßgeblich
gehalten hat, wofür es sich zwar nicht auf das von ihm zitierte Senatsurteil vom
16. September 1987 - 5 UE 960/86 -, wohl aber auf den Senatsbeschluß vom 4.
Mai 1988 - 5 TH 1612/87 - berufen konnte. Ob an dieser Rechtsprechung
festzuhalten ist, wird bei gegebenem Anlaß zu überprüfen sein. Im vorliegenden
festzuhalten ist, wird bei gegebenem Anlaß zu überprüfen sein. Im vorliegenden
Falle kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin durch § 2 Abs. 3 StO zur
Haftungsschuldnerin oder zur Steuerschuldnerin erklärt ist; denn auch wenn sie
nur Haftungsschuldnerin ist, so daß bei ihrer Heranziehung die §§ 191 und 219 AO
1977 zu beachten waren, sind deren Voraussetzungen jedenfalls erfüllt. Von § 191
AO 1977 sind nur die Absätze 3 und 5 für den vorliegenden Fall von Bedeutung.
Absatz 3 regelt die Festsetzungsfrist, die - wie schon oben gesagt - gegenüber der
Klägerin gewahrt worden ist; Absatz 5 bestimmt, daß ein Haftungsbescheid nicht
mehr ergehen kann, soweit die Abgabe gegen den Abgabeschuldner nicht
festgesetzt worden ist und wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist auch nicht mehr
festgesetzt werden kann oder wenn die gegen den Abgabeschuldner festgesetzte
Abgabe verjährt ist oder die Abgabe erlassen worden ist. Beides war beim Erlaß
des angefochtenen Bescheides im Januar 1989 nicht der Fall. Daß die
Schankerlaubnissteuer auch später gegen nicht mehr festgesetzt worden ist, ist
unerheblich (und beruhte im übrigen auf denselben Gründen, aus denen sich für
den Beklagten überhaupt erst die Notwendigkeit, die Klägerin in Anspruch zu
nehmen, ergeben hat, nämlich auf der praktischen Unerreichbarkeit des
Steuerschuldners). Nach § 219 AO 1977 darf ein Haftungsschuldner, wenn nichts
anderes bestimmt ist, auf Zahlung nur in Anspruch genommen werden, soweit die
Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Steuerschuldners ohne Erfolg
geblieben oder anzunehmen ist, daß die Vollstreckung aussichtslos sein würde. Es
kann hier offengelassen werden, ob der Beklagte mit der Satzungsbestimmung,
daß Verpächter und Erlaubnisinhaber als Gesamtschuldner haften, im Sinne von §
219 Satz 1 AO 1977 "etwas anderes bestimmen" wollte und ob er dazu befugt war;
denn es war anzunehmen, daß die Vollstreckung aussichtslos sein würde. Die
Vollstreckung hätte, ebenso wie die bereits unterbliebene Festsetzung der
Schankerlaubnissteuer, zunächst Kenntnis der Adresse des Steuerschuldners
erfordert. Von diesem war dem Beklagten nur bekannt, daß er nach R /Italien
verzogen sei. R ist eine Provinzhauptstadt im Süden Siziliens, die nach den
Angaben auf der Karte 1:5000000 in Meyers Weltatlas (Band 27 des
Enzyklopädischen Lexikons, 3. Aufl. 1985) 50.000 bis 100.000 Einwohner hat. Es
war also schon fraglich, ob eine Nachforschung nach dem Steuerschuldner,
dessen Namen nicht besonders ausgefallen erscheint, Erfolg haben würde. Selbst
wenn aber die Adresse bekanntgewesen wäre, wäre die Zustellung des
Steuerbescheides und insbesondere die Vollstreckung auf Schwierigkeiten
gestoßen. Zwischen Deutschland und Italien besteht das Abkommen über Amts-
und Rechtshilfe in Steuersachen vom 9. Juni 1938 (RGBl. 1939 II S. 124), das aber
nur für die Steuern gilt, die Gegenstand des deutsch-italienischen
Doppelbesteuerungsabkommens sind. Weder im Doppelbesteuerungsabkommen
vom 31. Oktober 1925 (RGBl. II S. 1146) noch im neuen, in den Jahren 1987 bis
1989 ohnehin noch nicht anwendbaren Abkommen vom 18. Oktober 1989 (BGBl.
1990 II S. 742) ist die Schankerlaubnissteuer erfaßt. Von den den Kommunen
zufließenden Steuern sind, wie der Beklagte im Verfahren erster Instanz richtig
ausgeführt hat, nur die Grundsteuer und die Gewerbesteuer Gegenstand des
Abkommens. Der weitere Hinweis des Beklagten, daß eine Vollstreckung gegen als
Italiener in Italien nicht möglich gewesen wäre, trifft wohl nicht zu, da diese
Einschränkung in Art. 13 des Amts- und Rechtshilfeabkommens vom 9. Juni 1938
einer Ausnahme für den Fall unterliegt, daß die Steuerforderung zu einer Zeit
entstanden ist, als der Angehörige des ersuchten Staates noch im Gebiet des
ersuchenden Staates wohnte. Doch kommt es darauf nicht an, weil, wie
ausgeführt, die Schankerlaubnissteuer nicht vom Doppelbesteuerungsabkommen
und folglich auch nicht von der Bestimmung über die Beitreibungshilfe im Amts-
und Rechtshilfeabkommen erfaßt ist. Die EG-Richtlinie über die gegenseitige
Amtshilfe ... im Bereich der direkten Steuern vom 19. Dezember 1977 (ABl EG Nr.
L 336 S. 15) in der Fassung der Änderung vom 6. Dezember 1979 (ABl EG Nr. L
331 S. 8) erfaßt die Schankerlaubnissteuer nicht und regelt außerdem nur die
gegenseitige Auskunftserteilung, aber nicht Zustellung und Vollstreckung von
Steuerbescheiden. Einen Versuch, die Rechtshilfe der italienischen Behörden für
die Zustellung des Schankerlaubnissteuerbescheids an und sodann bei der
Vollstreckung dieses Steuerbescheides im abkommensfreien Raum - als "Kulanz" -
zu erhalten, brauchte der Beklagte nicht zu unternehmen. Zwar ist durch § 4 Abs.
1 Nr. 3 Buchst. a KAG auch § 117 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 AO 1977 über
zwischenstaatliche Rechts- und Amtshilfe in Abgabensachen für anwendbar erklärt,
wovon Abs. 1 sagt, daß die abgabenberechtigten Körperschaften
zwischenstaatliche Rechts- und Amtshilfe nach Maßgabe des deutschen Rechts in
Anspruch nehmen können; das bedeutet aber nur, daß dann, wenn eine
Körperschaft ausländische Hilfe in Anspruch nimmt, dies im Verhältnis zum
Steuerschuldner rechtmäßig ist; die Körperschaft wird dadurch jedoch nicht zu
einem Versuch verpflichtet, ausländische Hilfe in Anspruch zu nehmen, und über
einem Versuch verpflichtet, ausländische Hilfe in Anspruch zu nehmen, und über
die Erfolgsaussichten eines solchen Ersuchens kann der hessische oder der
Bundesgesetzgeber ohnehin nichts Verbindliches aussagen. Von einer
Bereitschaft Italiens, Vollstreckungshilfe für nicht vom
Doppelbesteuerungsabkommen erfaßte Steuern zu leisten, ist den Kommentaren
zu dieser Bestimmung nichts zu entnehmen; dagegen, daß andere Staaten
allgemein zu solcher "Kulanz" bereit seien, spricht - beispielsweise - auch der in
ZKF 1991, 70 und 94 abgedruckte Briefwechsel zwischen dem Deutschen
Städtetag und den Bundesministern für Finanzen und des Innern.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.