Urteil des HessVGH vom 11.05.1992

VGH Kassel: politische verfolgung, anerkennung, verfolgung aus politischen gründen, genfer flüchtlingskonvention, bundesamt, entziehung, ausreise, meldung, wehrpflichtiger, ausländer

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
13. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
13 TP 145/91
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 166 VwGO, § 114 ZPO, §
7 Abs 1 AsylVfG vom
09.04.1991, § 51 Abs 1
AuslG 1990, Art 16 Abs 2 S
2 GG
(Feststellung der Voraussetzungen des AuslG 1990 § 51
Abs 1 J: 1990 in
Asylstreitverfahren/Prozeßkostenhilfeverfahren)
Gründe
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers, mit der er sich gegen die Ablehnung
seines Antrages auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für die von ihm nach
Ablehnung seines Asylantrages durch das Bundesamt für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge und Erlaß einer Ausreiseaufforderung und
Abschiebungsandrohung durch den Beklagten zu 2) bei dem Verwaltungsgericht
Wiesbaden erhobene asylrechtliche Verbundklage wendet, ist zulässig, jedoch nur
in dem im Tenor bezeichneten Umfange begründet.
Ohne Erfolg richtet sich die Beschwerde des Antragstellers zunächst gegen die
Versagung von Prozeßkostenhilfe für den Teil der von ihm bei dem
Verwaltungsgericht erhobenen Asylverpflichtungsklage gegen die Beklagte zu 1),
der sich auf den - von dem Antragsteller bislang allein geltend gemachten -
Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigten im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Satz 2
GG bezieht. Insoweit fehlt, wie von der Vorinstanz zu Recht angenommen, der von
dem Antragsteller betriebenen Rechtsverfolgung die für die Bewilligung von
Prozeßkostenhilfe erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne der §§ 166
VwGO, 114 Satz 1 ZPO.
Seine Anerkennung als politisch Verfolgter im Sinne der grundrechtlichen
Asylgewährleistung kann der bei Verlassen seines Heimatlandes weder von einer
unmittelbar bevorstehenden Einberufung noch von sonstigen, als politische
Verfolgung einzustufenden staatlichen Maßnahmen bedrohte und damit unverfolgt
ausgereiste Antragsteller entsprechend dem in diesen Fällen zugrundezulegenden
normalen Wahrscheinlichkeitsmaßstab (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Oktober 1985 -
BVerwG 9 C 20.85 -, Buchholz 402.25 Nr. 37 zu § 1 AsylVfG) nur dann
beanspruchen, wenn er im Falle seiner Rückkehr in den Iran mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit mit staatlicher oder dem Staate zurechenbarer Verfolgung aus
politischen Gründen zu rechnen hätte.
Gezielte staatliche Repression aus politischen Gründen hat der Antragsteller bei
Rückkehr in sein Heimatland nach den vorliegenden Umständen zunächst nicht
deshalb zu befürchten, weil er am 23. November 1987 den Iran verlassen hatte,
ohne sich freiwillig zum Fronteinsatz im damaligen Golfkrieg mit dem Irak zu
melden. Die Befürchtung des Antragstellers, man werde ihn bei Rückkehr in den
Iran dieses Verhalten nachträglich zum Vorwurf machen und gegen ihn deshalb
mit asylrelevanten Mitteln vorgehen, erscheint auf der Grundlage des von ihm
bislang vorgetragenen Sachverhalts und der dem Senat vorliegenden, in das
Beschwerdeverfahren eingeführten Erkenntnisse grundlos.
Der Antragsteller war, als er aus dem Iran ausreiste, 15 Jahre alt und damit nach
iranischem Wehrpflichtrecht noch nicht wehrdienstpflichtig. Zwar konnten nach
Mitteilung des Auswärtigen Amtes (Lagebericht vom 13. Juli 1988 - Stand: 1. Juli
1988 -) Jugendliche auch vor dem Erreichen ihres regulären Wehrdienstalters von
18 Jahren, und zwar ab Vollendung des 15. Lebensjahres, auf freiwilliger Basis und
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18 Jahren, und zwar ab Vollendung des 15. Lebensjahres, auf freiwilliger Basis und
mit Zustimmung ihrer Eltern Kriegsdienst leisten. Hierbei wurde nach Aussage des
Auswärtigen Amtes in dem zitierten Lagebericht seitens des iranischen Staates
zwar kein unmittelbarer Zwang auf die noch nicht wehrpflichtigen Jugendlichen
ausgeübt, um diese zur vorzeitigen freiwilligen Meldung an die Front zu bewegen.
Allerdings entsprach die freiwillige Teilnahme am Fronteinsatz vor Erreichen des
18. Lebensjahres offenbar der allgemeinen, an die Jugendlichen herangetragenen
Erwartungshaltung, so daß eine Verweigerung der freiwilligen Meldung zum
Wehrdienst nach Angaben des Auswärtigen Amtes in dem erwähnten Lagebericht
zu gewissen Benachteiligungen führen konnte.
Dieser Auskunftslage entsprechen auch die Angaben des Antragstellers
gegenüber dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge beim
Vorprüfungstermin am 27. Januar 1989, in dem der Antragsteller zwar von einem
auf ihn und seine Mitschüler ausgeübten permanenten Druck zur Ableistung des
Wehrdienstes, nicht jedoch von zwangsweisen Einberufungen von Kindern und
Jugendlichen oder sonstigen Maßnahmen zur Erzwingung des vorzeitigen
Wehrdiensteinsatzes berichtet hat. Daß der Antragsteller zum Zeitpunkt seiner
Ausreise ein derartiges Vorgehen der Behörden seines Heimatlandes ernstlich
nicht zu befürchten hatte, zeigt sich im übrigen auch darin, daß er ohne weitere
Schwierigkeiten auf legalem Wege den Iran über den Zentralflughafen Teheran-
Mehrabad verlassen konnte, obwohl normalerweise für alle männlichen Personen,
die das 14. Lebensjahr vollendet und noch keinen Wehrdienst geleistet haben, ein
allgemeines Ausreiseverbot aus dem Iran besteht (vgl. Auswärtiges Amt in dem
zitierten Lagebericht vom 13. Juli 1988). Auch nach seiner Ausreise hat es nach
Aussagen des Antragstellers keine Versuche von staatlicher Seite aus gegeben,
etwa seine Eltern für das Verhalten ihres Sohnes verantwortlich zu machen oder
sie seinetwegen unter Druck zu setzen. Es ist von daher äußerst unwahrscheinlich,
daß dem Antragsteller aus seinem damaligen Verhalten bei Rückkehr in sein
Heimatland noch irgendwelche Nachteile erwachsen könnten.
Sind somit verfolgungsbegründende Umstände aus der Zeit vor der Ausreise des
Antragstellers aus dem Iran nicht ersichtlich, könnte sich für ihn das beachtliche
Risiko einer politischen Verfolgung im Falle der Rückkehr in den Iran allenfalls aus
beachtlichen Nachfluchtgründen ergeben. Auf derartige asylrechtlich relevante
Nachfluchttatbestände kann sich der Antragsteller indessen nicht berufen.
Allerdings hätte er, wenn er zum gegenwärtigen Zeitpunkt in den Iran
zurückkehren würde, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Strafverfolgung nach
§ 58 des iranischen Gesetzes über die Allgemeine Wehrpflicht vom 21. Oktober
1984 (IWPflG) zu befürchten. Für den Antragsteller bestand nämlich die
Verpflichtung, sich mit Vollendung seines 18. Lebensjahres bei der
Auslandsvertretung der Islamischen Republik Iran in der Bundesrepublik
Deutschland als Wehrpflichtiger zu melden. Dieser Verpflichtung ist der
Antragsteller offenbar nicht nachgekommen, und es kann aufgrund seiner im
Verlaufe des Verfahrens ausdrücklich zum Ausdruck gebrachten Weigerung, im
Iran Wehrdienst zu leisten, auch davon ausgegangen werden, daß er eine solche
Meldung als Wehrpflichtiger auch zukünftig nicht abgeben wird. Damit gilt der
Antragsteller gemäß § 58 Abs. 1 IWPflG als abwesend, ohne bei seiner Einreise
eine zureichende Begründung für seine Abwesenheit (§ 58 Abs. 3 IWPflG) geben zu
können. Dies hätte aller Voraussicht nach zur Folge, daß der Antragsteller bei
seiner Wiedereinreise in den Iran festgenommen und den Militärbehörden zur
nachträglichen Ableistung des Wehrdienstes überstellt würde. Darüber hinaus
müßte der Antragsteller jedenfalls damit rechnen, aufgrund der Strafbestimmung
in § 58 Abs. 4 d IWPflG für die Dauer bis zu 10 Jahren keine Bescheinigung über die
Ableistung des Wehrdienstes ausgestellt zu erhalten.
Auf diese ihm im Falle der Rückkehr in den Iran mit hoher Wahrscheinlichkeit
treffenden Sanktionen kann sich der Antragsteller indessen zur Begründung seines
Anspruches auf Anerkennung als politisch Verfolgter im Sinne von Art. 16 Abs. 2
Satz 2 GG nicht mit Erfolg berufen. Ob die von dem Antragsteller begründet zu
befürchtenden Folgen der Wehrdienstentziehung deshalb als tauglicher
Verfolgungsgrund ausscheiden, weil eine Heranziehung des Antragstellers zum
Wehrdienst oder eine Bestrafung wegen der erfolgten Entziehung vom Wehrdienst
nicht dem Bereich der politischen Verfolgung zugerechnet werden könnten, wie
das Verwaltungsgericht meint, kann für den hier in Frage stehenden Anspruch des
Antragstellers auf Anerkennung als Asylberechtigter auf sich beruhen. Die dem
Antragsteller aufgrund seiner unterbliebenen Meldung als Wehrpflichtiger bei der
Auslandsvertretung seines Heimatlandes bei einer Rückkehr in den Iran
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Auslandsvertretung seines Heimatlandes bei einer Rückkehr in den Iran
zukommenden staatlichen Maßnahmen sind nämlich für die hier in Frage stehende
Asylberechtigung des Antragstellers gemäß Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG außer
Betracht zu lassen, weil für diesen von dem Antragsteller selbst herbeigeführten
möglichen Verfolgungsgrund die besonderen Anforderungen nicht erfüllt sind, die
nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Beachtlichkeit
selbstgeschaffener Nachfluchtgründe im Rahmen des Asylgrundrechtes gestellt
werden. Nach dieser Rechtsprechung (vgl. grundlegend BVerfG, Beschluß vom 26.
November 1986 - 2 BvR 1058/85 -, BVerfGE 74, 51 ff.) kommt subjektiven
Nachfluchttatbeständen, die der Asylbewerber nach Verlassen des Heimatstaates
aus eigenem Entschluß geschaffen hat, im Rahmen des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG
nur im Ausnahmefall Relevanz zu, wobei hinsichtlich der für die ausnahmsweise
Beachtlichkeit dieser Verfolgungsgründe zu fordernden besonderen
Voraussetzung zwischen den verschiedenen Fallgruppen der subjektiven
Nachfluchtgründe zu unterscheiden ist. Der hier in Frage stehende
Nachfluchttatbestand der Bestrafung oder sonstigen Verfolgung aufgrund einer
mit dem Verlassen des Heimatlandes oder nach der Flucht während des
Aufenthaltes im Zufluchtsland erfolgten Entziehung vom Wehrdienst ist
entsprechend der von dem Bundesverfassungsgericht in seiner grundlegenden
Entscheidung vom 26. November 1986 für die Fallgruppe der exilpolitischen
Betätigung aufgestellten allgemeinen Leitlinie dann ausnahmsweise als beachtlich
anzuerkennen, wenn sich die Entziehung vom Wehrdienst als Ausdruck und
Fortführung einer schon im Heimatland vorhandenen und erkennbar offenbarten
Ablehnungs- bzw. Verweigerungshaltung dem Wehrdienst gegenüber darstellt (vgl.
BVerwG, Urteil vom 27. Juni 1989 - BVerwG 9 C 1.89 -, BVerwGE 82, 171 <175>;
OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30. Mai 1990 - 16 A 10126/88 -; OVG
Lüneburg, Urteil vom 5. Juni 1989 - 21 OVG A 61/88 -). Diese Voraussetzungen
sind im Falle des Antragstellers nicht erfüllt, denn aus seinem bisherigen Vortrag
ist nicht zu entnehmen, daß er seine Abneigung gegen die Ableistung des
Wehrdienstes in seiner Heimat oder seine Furcht, im Falle eines Fronteinsatzes
getötet oder verwundet zu werden, außerhalb des Bereiches seiner Familie
offenbart oder in sonstiger Weise deutlich kundgetan hätte.
Auch die Stellung des Asylantrages vermag als ein von dem Antragsteller selbst
geschaffener Nachfluchtgrund hinsichtlich der von ihm beanspruchten
Anerkennung als politisch Verfolgter im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG keine
Anerkennung zu finden, da eine solche die Feststellung voraussetzt, daß sich der
Ausländer bereits im Heimatstaat in einer politisch bedingten Zwangslage
befunden hatte, er also entweder politische Verfolgung bereits erlitten oder eine
solche als konkret bevorstehend zu befürchten hatte oder zumindest der Gefahr
politischer Verfolgung latent ausgesetzt war (BVerwG, Urteil vom 30. August 1988
- BVerwG 9 C 80.87 -, BVerwGE 80, 131; Urteil vom 9. April 1991 - BVerwG 9 C
80.89 -). Eine solche politisch bedingte Zwangssituation ist zumindest auf der
Grundlage des bisherigen Sachstandes nicht zu erkennen, denn der Antragsteller
war, wie bereits oben ausgeführt, vor seiner Ausreise aus dem Iran dort weder akut
noch latent von einer zwangsweisen vorzeitigen Einziehung zum Wehrdienst oder
von sonstigen möglicherweise als politische Verfolgung zu qualifizierenden
staatlichen Maßnahmen bedroht.
Mit der Feststellung der fehlenden Erfolgsaussicht der Asylverpflichtungsklage des
Antragstellers in bezug auf die von ihm hiermit erstrebte Anerkennung als
Asylberechtigter kann es indessen nicht sein Bewenden haben. Zu berücksichtigen
ist nämlich, daß der Ausländer sein Asylbegehren aufgrund der zwingenden
gesetzlichen Begriffsbestimmung des Asylantrages in § 7 Abs. 1 AsylVfG in der
Fassung der Bekanntmachung des Gesetzes vom 9. April 1991 (BGBl. I Seite 869)
nicht mehr, wie nach bisherigem Rechtszustand, auf die Anerkennung als
Asylberechtigter gemäß Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG beschränken darf. Nach dieser
gemäß Art. 15 Abs. 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9.
Juli 1990 (BGBl. I Seite 1354) am 1. Januar 1991 in Kraft getretenen Neuregelung,
die mangels anderslautender Übergangsregelungen nach § 43 Nr. 2 Satz 1
AsylVfG auch auf Asylverfahren Anwendung findet, die - wie das vorliegende -
bereits vor dem 1. Januar 1991 eingeleitet worden sind, wird mit jedem Asylantrag
sowohl die Feststellung der gesetzlichen Voraussetzungen des
ausländerrechtlichen Abschiebungsschutzes gemäß § 51 Abs. 1 durch das
Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (vgl. §§ 51 Abs. 2 Satz 2
AuslG, 12 Abs. 6 Satz 2 AsylVfG), als auch, wenn der betreffende Ausländer dies
nicht ausdrücklich ablehnt, die Anerkennung als Asylberechtigter beantragt. Mit
der Neubestimmung des Asylantragsbegriffes in § 7 Abs. 1 AsylVfG ist der
Streitgegenstand auch in den bei Inkrafttreten der Neuregelung anhängigen
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Streitgegenstand auch in den bei Inkrafttreten der Neuregelung anhängigen
Asylstreitverfahren von Gesetzes wegen auf die Prüfung des Vorliegens der
Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG erweitert worden mit der Folge, daß das
Verwaltungsgericht auch ohne eine entsprechende Klageerweiterung durch den
Asylkläger und unabhängig davon, ob über eine Klage des Ausländers oder aber
eine Beanstandungsklage des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten zu
befinden ist, in jedem Falle auch eine Entscheidung über das Vorliegen der
Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG zu treffen hat (BVerwG, Urteil vom 18.
Februar 1992 - BVerwG 9 C 59.91 - und Beschluß vom 9. März 1992 - BVerwG 9 B
235.91 -). Diesem Ergebnis steht die Vorschrift des § 12 Abs. 6 Satz 4 AsylVfG
nicht entgegen, wonach jede der von dem Bundesamt für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge gemäß § 12 Abs. 6 Satz 3 AsylVfG getroffenen
Feststellungen selbständig anfechtbar ist. Die den Beteiligten in Satz 4 der
genannten Bestimmung eingeräumte Möglichkeit, die Feststellungen des
Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge über die
Asylanerkennung und über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1
AuslG eigenständig im Verwaltungsrechtsweg anzufechten, knüpft an die in Satz 3
zwingend vorgeschriebene Gesamtentscheidung des Bundesamtes an, die in den
Überleitungsfällen der vorliegenden Art aber gerade fehlt (vgl. Urteil des Senates
vom 11. März 1991 - 13 UE 3545/89 -).
Die vorstehend dargestellte gesetzliche Ausdehnung des Prüfungsumfanges in
Asylstreitverfahren führt zwangsläufig auch zu einer entsprechenden Erweiterung
des Streitgegenstandes im Prozeßkostenhilfeverfahren. Da der Asylkläger aus den
oben dargestellten Gründen in Übergangsfällen der vorliegenden Art, bei denen
eine Entscheidung des Bundesamtes über die gesetzlichen Voraussetzungen des
§ 51 AuslG gemäß § 12 Abs. 6 Satz 3 AsylVfG nicht vorliegt, seine Asylklage nicht
auf die Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung als Asylberechtigter
beschränken darf, kann auch sein hierauf bezogener Prozeßkostenhilfeantrag in
zulässiger Weise nur auf die Gewährung von Kostenbefreiung für die Asylklage in
der oben dargestellten erweiterten Form gerichtet sein. Deshalb ist vorliegend,
ohne daß es eines entsprechenden Antrages des Antragstellers bedürfte, auch
darüber zu befinden, ob ihm im Hinblick auf den auf die Verpflichtung der
Beklagten zu 1) zur Feststellung der Voraussetzungen des 51 Abs. 1 AuslG
gerichteten Teil seiner Asylverpflichtungsklage Prozeßkostenhilfe zu gewähren ist.
Eine solche Entscheidung erübrigt sich auch nicht deshalb, weil das
Verwaltungsgericht den vorliegend in Streit stehenden Antrag des Antragstellers
auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe bereits am 17. Dezember 1990 und damit
vor Inkrafttreten der oben zitierten Neufassung des § 7 Abs. 1 AsylVfG abgelehnt
hat. Der Senat stellt in ständiger Rechtsprechung (vgl. beispielsweise Beschlüsse
vom 13. Juni 1991 - 13 TP 2966/90 - und vom 30. März 1992 - 13 TP 38/92 -) bei
der Beurteilung der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung und der
sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe
auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Entscheidung des
Verwaltungsgerichtes, regelmäßig also der, der Beschwerde nicht abzuhelfen, ab.
Dieser Nichtabhilfebeschluß des Verwaltungsgerichtes als maßgebliche letzte
Entscheidung datiert vorliegend vom 8. Januar 1991, so daß die Frage des
ausländerrechtlichen Abschiebungsschutzes gemäß § 51 Abs. 1 AuslG aus den
bereits dargelegten Gründen automatisch in den Streitgegenstand der Asylklage
in der Hauptsache und damit auch in den des vorliegenden
Prozeßkostenhilfeverfahrens einbezogen war.
Der Prozeßkostenhilfeantrag des Antragstellers ist, soweit er sich auf die von ihm
in der Hauptsache begehrte Verpflichtung der Beklagten zu 1) zur Feststellung der
gesetzlichen Voraussetzungen des ausländerrechtlichen Abschiebungsschutzes
gemäß § 51 Abs. 1 AuslG bezieht, auch begründet, denn der Antragsteller macht
hinreichend erfolgversprechend geltend, daß ihm durch die Entziehung vom
Wehrdienst im Iran eine politische Verfolgung im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG
droht. Dabei ist zunächst unerheblich, daß sich der Antragsteller - wie bereits oben
ausgeführt - dem Risiko, im Falle der Rückkehr in sein Heimatland wegen
Verweigerung des Wehrdienstes bestraft zu werden, durch sein Verhalten nach der
Ausreise aus dem Iran selbst ausgesetzt hat. Der Begriff der politischen
Verfolgung im Sinne der zitierten ausländerrechtlichen Neuregelung ist nämlich,
wie auch derjenige in Art. 33 der Genfer Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951,
umfassend zu verstehen und umfaßt alle denkbaren Verfolgungsgründe
unabhängig davon, ob diese bei der Frage der Asylberechtigung des Betreffenden
gemäß Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG Berücksichtigung finden können oder nicht (vgl.
BVerwG, Urteil vom 18. Februar 1992 - BVerwG 9 C 59.91 -; Urteil des Senates
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BVerwG, Urteil vom 18. Februar 1992 - BVerwG 9 C 59.91 -; Urteil des Senates
vom 11. März 1991 - 13 UE 3469/89 -).
Allerdings ist der Senat, wie das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen
Beschluß zu Recht anmerkt, in mehreren zurückliegenden Entscheidungen davon
ausgegangen, daß die einem iranischen Staatsangehörigen bei Rückkehr in sein
Heimatland drohenden Sanktionen wegen Entziehung vom Wehrdienst nicht den
Bereich der politischen Verfolgung zugeordnet werden können, weil der Senat aus
den von ihm herangezogenen Auskünften und Stellungnahmen sachinformierter
Stellen keine zureichenden Anhaltspunkte für eine ausgrenzende Behandlung des
betroffenen Wehrdienstpflichtigen bei der Anwendung der in Betracht kommenden
Strafbestimmungen des Iranischen Wehrpflichtgesetzes hat entnehmen können
(vgl. Urteile des Senates vom 2. Oktober 1989 - 13 UE 3090/86 -, vom 5. August
1991 - 13 UE 323/89 - und vom 9. September 1991 - 13 UE 499/89 -). Diese
Ansicht ist indessen nicht unbestritten. So geht das OVG Nordrhein-Westfalen im
Gegensatz zur Einschätzung des Senates in ständiger Rechtsprechung davon aus,
daß die staatlichen Maßnahmen, die einem in sein Heimatland zurückkehrenden
iranischen Staatsangehörigen wegen der Entziehung vom Wehrdienst drohen, als
gezielte politische Verfolgungseingriffe zu werten sind (vgl. Urteile vom 5.
September 1990 - 16 A 10160/90 - und vom 17. Oktober 1988 - 16 A 10187/88 -;
so wohl auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Januar 1992 - A 14 S
1039/90 - in einem die Desertion eines iranischen Wehrpflichtigen betreffenden
Einzelfall).
Bestehen aber, wie dies vorliegend der Fall ist, zu einer entscheidungserheblichen
Tatsachen- oder Rechtsfrage in der obergerichtlichen Rechtsprechung
unterschiedliche Auffassungen, ohne daß bislang eine höchstrichterliche Klärung
erfolgt ist, kann das Prozeßkostenhilfegesuch eines Rechtssuchenden nicht
abgelehnt werden, wenn der von ihm geltend gemachte Anspruch auf der
Grundlage einer der in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertretenen
Rechtsauffassungen als begründet und damit sein Rechtsschutzbegehren als
objektiv vertretbar erscheint (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO,
50. Aufl., Anm. 7 A zu § 114 ZPO).
Ohne Erfolg bleibt die Beschwerde des Antragstellers dagegen insoweit, als sie sich
gegen die Versagung der beantragten Prozeßkostenhilfe für die von dem
Antragsteller im Klageverbund gemäß § 30 AsylVfG erhobene Anfechtungsklage
gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung des Landrates des R
Kreises vom 27. November 1989 richtet. Insoweit stellt sich die Rechtsverfolgung
des Antragstellers als aussichtslos dar.
Der von dem Antragsteller angefochtene ausländerbehördliche Bescheid erweist
sich auf der Grundlage des bislang bekannten Sachverhaltes als rechtmäßig und
verletzt den Antragsteller deshalb nicht im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in
seinen Rechten. Rechtswidrig ist die von der Ausländerbehörde nach Ablehnung
des Asylantrages durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer
Flüchtlinge gemäß § 28 Abs. 1 AsylVfG erlassene Ausreiseaufforderung und
Abschiebungsandrohung nur dann, wenn die Behörde ein zum Zeitpunkt ihrer
Entscheidung erkennbares asylunabhängiges Bleiberecht des betreffenden
Asylbewerbers unbeachtet läßt. Im Hinblick auf die ihr durch § 28 Abs. 1 AsylVfG
auferlegte Verpflichtung, die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung
unverzüglich nach Zuleitung des Ablehnungsbescheides des Bundesamtes für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zu erlassen, hat die Ausländerbehörde bei
der Prüfung eines etwaigen anderweitigen Aufenthaltsrechtes des Asylbewerbers
grundsätzlich vom Inhalt des Ablehnungsbescheides des Bundesamtes
auszugehen und sich im übrigen auf die Heranziehung und Verwertung ihr
vorliegender "liquider" Erkenntnisse zu beschränken (vgl. BVerwG, Urteile vom 4.
Dezember 1990 - BVerwG 9 C 99.89 -, NVwZ 1991, 792 <793> und vom 3.
November 1987 - BVerwG 9 C 254.86 -, BVerwGE 78, 243 <245, 246>). Die
Ausländerbehörde war deshalb auch unter Geltung der zum 1. Januar 1991 außer
Kraft getretenen Bestimmung des § 14 AuslG nicht verpflichtet, die von dem
Asylbewerber vorgetragenen Verfolgungsgründe im Hinblick auf einen möglichen
Abschiebungsschutz gemäß § 14 AuslG a.F. einer nochmaligen umfassenden
Überprüfung zu unterziehen, soweit diese, wie im vorliegenden Fall geschehen,
durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in dem
Ablehnungsbescheid umfassend gewürdigt wurden (Urteil des Senats vom 2.
Oktober 1989 - 13 UE 759/87 -). Die von dem Antragsteller geltend gemachte
Gefahr einer menschenrechtswidrigen Behandlung bei Rückkehr in den Iran
aufgrund der Stellung des Asylantrages in der Bundesrepublik Deutschland
aufgrund der Stellung des Asylantrages in der Bundesrepublik Deutschland
vermag, da eine derartige Gefährdung in dem angefochtenen Bescheid des
Bundesamtes vom 22. September 1989 ausdrücklich verneint wurde, die
erhobene Anfechtungsklage gegen den Beklagten zu 2) deshalb nicht zu
begründen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.