Urteil des HessVGH vom 19.03.1987

VGH Kassel: gemeinde, erneuerung, aufwand, satzung, absicht, entstehung, quelle, einheit, bauarbeiten, ungültigkeit

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
5. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 TH 1211/86
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 11 Abs 1 KAG HE, § 11
Abs 3 KAG HE
(Straßenbeitragsrecht: Regelung der
Herstellungsmerkmale bzw Fertigstellungsmerkmale)
Gründe
Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist begründet. Entgegen der
Auffassung des Verwaltungsgerichts Darmstadt bestehen kehre ernstlichen
Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides (§ 80 Abs. 4, 5
VwGO).
Zunächst teilt der Senat die Ansicht des Verwaltungsgerichts, daß die im .Jahre
1984 vorgenommenen Bauarbeiten in vier Lindenstraße in Otzberg den
Tatbestand der Erneuerung erfüllen. Den Umstand, daß § 1 der
Straßenbeitragssatzung vom 15.09.1980 nun von Um- und Ausbau", nicht aber
von "Erneuerung" spricht, steht, wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt
hat, der Entstehung eines Beitragstatbestandes nicht entgegen. Auf die
Ausführungen des Verwaltungsgerichts in dem Beschluß vom 07.04.1986 kann
insoweit verwiesen worden. Dem Verwaltungsgericht ist auch darin au folgen, daß
die Straßenbeitragssatzung vom 15.09.1980 irr wesentlichen rechtmäßig und
gültig ist. Dies gilt allerdings nicht für die Regelung des § 3 Abs. 2, wonach vier
beitragsfähige Aufwand auch für mehrere Straßen, die für die Erschließung der
Grundstücke eine Einheit bilden und von ihrer Verkehrsbedeutung gleichrangig
sind, insgesamt ermittelt werden kann. Wie der Senat in seinem Urteil vom
10.10.1984 (V OE 101/82, ESVGH 35, 2:38 (L.) = HSGZ 85, 98 = NVwZ 85, 365)
entschieden hat, läßt das Straßenbeitragsrecht nach § 11 des
Kommunalabgabengesetzes die
Bildung von Abrechnungseinheiten nicht zu. Die partielle Ungültigkeit des § 3 Abs.
2 berührt aber die Gültigkeit der Satzung im übrigen nicht. Die Frage der Bildung
einer Abrechnungseinheit steht im vorliegenden Fall nicht im Streit. Die Regelung
kann hinweg gedacht weiden, ohne daß dies für die übrigen Regelungen der
Straßenbeitragssatzung von Bedeutung ist.
Zu Unrecht hält das Verwaltungsgericht die Heranziehung aber deshalb für
rechtswidrig, weil kein vom zuständigen Organ der Gemeinde erlassener
Kostenspaltungsbeschluß vorliege.
Im vorliegenden Fall bedarf es keiner Kostenspaltung. Diese setzt nämlich voraus,
daß die Gemeinde ihre Erneuerungsabsicht bisher nur zum Teil verwirklicht hat und
für die bereits realisierten Teileinrichtungen schon einen Beitrag erheben will. Hat
die Gemeinde jedoch die von ihr geplante Erneuerung bereits vollständig
durchgeführt, so ist für eine Kostenspaltung kein Raum mehr. So liegen die Dinge
hier. Die Antragsgegnerin hat die Lindenstraße von Grund auf erneuert. Dabei
hatte sie nicht etwa die Absicht, über den früheren Ausbauzustand hinaus noch
Gehwege anzulegen. Sie wollte nur den Unterbau, die Fahrbahn und die Rinnen
erneuern. Und eben dies hat sie vollständig getan, so daß der Beitragstatbestand
ohne weiteres entstehen konnte.
Möglicherweise hat sich das Verwaltungsgericht von der Regelung des § 2 der
Straßenbeitragssatzung beirren lassen, der in gewisser Anlehnung an die Regelung
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Straßenbeitragssatzung beirren lassen, der in gewisser Anlehnung an die Regelung
von Herstellungsmerkmalen in Erschließungsbeitragssatzungen bestimmt, daß die
Kosten für bestimmte Teilmaßnahmen (Geländeerwerb und Freilegung) und für
bestimmte Teileinrichtungen in den umlegungsfähigen Aufwand eingestellt werden
dürfen. Diese Vorschrift besagt aber schon von ihrem Wortlaut her nicht, daß diese
Maßnahmen und Teileinrichtungen, die über Beiträge finanziert werden können,
alle ergriffen, bzw. hergestellt sein müssen, um den Beitragstatbestand überhaupt
zur Entstehung zu bringen. Fehlt es aber an einer solchen Regelung über
notwendige Herstellungsmerkmale, dann kann die Gemeinde selbst bestimmen, in
welchem Umfang sie eine Straße erneuern oder ausbauen will. Es ist im
kommunalen Beitragsrecht nach § 11 Kommunalabgabengesetz nicht
vorgeschrieben, satzungsrechtlich Fertigstellungsmerkmale festzuschreiben. Dies
gilt nicht nur, wie der Senat bereits mit Beschluß vom 17.12.1986 (V TH 103/83)
festgestellt hat, für die Herstellung von Wasserversorgungs- und
Entwässerungsanlagen, sondern auch für die Erneuerung von Straßen. Abgesehen
davon, daß § 11 KAG keine Verpflichtung enthält, Herstellungsmerkmale in einer
Satzung zu regeln, wäre eine solche Regelung auch nicht sehr zweckmäßig, da
sich der Umfang einer Erneuerung nach dem tatsächlichen Erneuerungsbedürfnis
richten muß und nicht nach abstrakt vorherbestimmten Herstellungsmerkmalen.
Wenn Baumaßnahmen an einer vorhandenen öffentlichen Straße über den
Umfang bloßer Erhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen hinausgehen,
können dafür von den Anliegern Straßenbeiträge nach Maßgabe des § 11 Abs. 1, 3
KAG erhoben werden. Wann die Baumaßnahme abgeschlossen ist und der
Beitragstatbestand als entstanden gelten kann, bestimmt: sich nicht nach der
Übereinstimmung des fertiggestellten Ausbauzustandes mit satzungsrechtlich im
voraus festgelegten Herstellungsmerkmalen, sondern nach dessen
Übereinstimmung mit der Ausbauplanung der Gemeinde. Für die nötige
Rechtssicherheit sorgt insoweit der nach § 11 Abs. 9 KAG erforderliche
Fertigstellungsbeschluß.
Da eine Kostenspaltung hier nicht in Betracht kommt, ist der Gesichtspunkt des
Verwaltungsgerichts, es sei kein ordnungsgemäßer Kostenspaltungsbeschluß
gefaßt worden, gegenstandslos. Es sei jedoch ergänzend festgestellt, daß nach
der bisherigen Senatsrechtsprechung ein solcher Beschluß auch nicht nötig ist.
Vielmehr genügt es, wenn die Gemeinde ihre Absicht, eine Teilabrechnung
vorzunehmen, durch einen entsprechenden Teilfertigstellungsbeschluß kundgetan
hat (Urteil des Senats vom 10.03.1982 - V OE 139/78, HSGZ 83, 236). Dieser
Beschluß kann auch vom Gemeindevorstand gefußt werden, denn er hat keine so
nachhaltigen Folgen für die unterschiedliche Belastung der betroffenen Anlieger
wie etwa ein Beschluß über die Bildung einer Erschließungseinheit (vgl. dazu Urteil
des Senats vom 25.04.1984 - V OE 36/82 -). Weder die Zahl oder die Identität der
Beitragspflichtigen, noch die Höhe des insgesamt zu entrichtenden Beitrags wird
dadurch berührt, daß die Gemeinde sukzessive mehrere Teilbeiträge für die
zeitlich auseinandergezogene Fertigstellung von Teileinrichtungen erhebt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über
den Streitwert beruht auf §§ 21 Abs. 3, 13, 14 (analog) GKG; dabei ging der Senat
wegen der geringeren Bedeutung des Eilverfahrens von 1/4 des streitigen
Straßenbeitrages aus.
Diesen Beschluß ist nicht anfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.