Urteil des HessVGH vom 22.07.1994

VGH Kassel: amnesty international, mazedonien, bestrafung, zugehörigkeit, quelle, zivilprozessrecht, immaterialgüterrecht, verwaltungsrecht, bedürfnis, dokumentation

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
13. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
13 UZ 1952/94
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 78 Abs 3 Nr 1 AsylVfG
1992, § 78 Abs 4 S 4
AsylVfG 1992
(Zulassung der Berufung in Asylsachen wegen
grundsätzlicher Bedeutung einer Tatsachenfrage -
Darlegung der Grundsatzbedeutung)
Gründe
Der Antrag, mit dem der Kläger gemäß § 78 Abs. 4 AsylVfG die Zulassung der
Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts vom 24.
Februar 1994 begehrt, bleibt ohne Erfolg.
Soweit der Kläger in der Begründung des Zulassungsantrages zunächst eine
ungenügende Aufklärung des Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht rügt,
macht er keinen Verfahrensfehler geltend, der gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG
zur Zulassung der Berufung führen kann. Nach der vorgenannten Bestimmung
sind im asylrechtlichen Berufungszulassungsverfahren nur solche
Verfahrensmängel zu berücksichtigen, die in § 138 VwGO bezeichnet sind. Zu den
in § 138 VwGO aufgeführten Verfahrensfehlern gehört die den gesetzlichen
Anforderungen in § 86 Abs. 1 VwGO nicht entsprechende unzureichende
Sachverhaltsaufklärung durch das Verwaltungsgericht gerade nicht.
Auch unter dem Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) kommt die von dem Kläger erstrebte Berufungszulassung
nicht in Betracht. Als grundsätzlich bedeutsam erachtet der Kläger das
vorliegende Asylstreitverfahren deshalb, weil erstmals durch ein hessisches
Verwaltungsgericht entschieden worden sei, daß wehrpflichtige Männer aus
Mazedonien, die den Wehrdienst in der jugoslawischen Bundesarmee verweigert
hätten, ohne Furcht vor Bestrafung durch die mazedonischen Behörden in ihr
Heimatland zurückkehren könnten. Zu dieser Feststellung sei das
Verwaltungsgericht unter Mißachtung der innenpolitischen Entwicklung in
Mazedonien gelangt, die durch eine wirtschaftliche und politische Destabilisierung
nach Verhängung des Embargos durch Griechenland und ein Erstarken des
Einflusses serbischer Kräfte im Land geprägt sei. Überdies sei durch die Vorinstanz
verkannt worden, daß in Mazedonien ganz überwiegend noch das Recht der
"Bundesrepublik Jugoslawien" gelte und von den ausschließlich nach diesem Recht
ausgebildeten Richtern und Staatsanwälten in Mazedonien auch entsprechend
angewendet werde.
Mit diesem Vortrag ist eine gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG zur Zulassung der
Berufung führende Grundsatzbedeutung nicht dargetan. Grundsätzliche
Bedeutung im Sinne der vorgenannten asylverfahrensrechtlichen Bestimmung hat
ein Asylstreitverfahren nur dann, wenn es eine tatsächliche oder rechtliche Frage
aufwirft, die für die Berufungsinstanz entscheidungserheblich ist und die über den
Einzelfall hinaus im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung einer Klärung
bedarf (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. beispielsweise Beschluß vom
30. Juni 1994 - 13 UZ 1334/94 -).
Für die Annahme der notwendigen Klärungsbedürftigkeit einer
entscheidungserheblichen Tatsachen- oder Rechtsfrage genügt es nicht, daß in
einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung erstmals bestimmte, auch für andere
Asylverfahren bedeutsame Tatsachen verwertet und als nach richterlicher
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Asylverfahren bedeutsame Tatsachen verwertet und als nach richterlicher
Überzeugung feststehend (vgl. § 108 Abs. 1 VwGO) dem Urteil zugrundegelegt
werden. Ebensowenig stellt sich eine bestimmte Tatsachen- oder Rechtsfrage
allein deshalb als klärungsbedürftig dar, weil das zuständige
Oberverwaltungsgericht noch keine Gelegenheit hatte, sich mit dieser Frage in
einem Berufungsverfahren zu befassen (Beschluß des Senats vom 28. Januar
1993 - 13 UZ 2018/92 -). Ein Klärungsbedarf besteht in diesem Sinne vielmehr erst
dann, wenn die von dem Antragsteller als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete
Rechts- oder Tatsachenfrage (noch) einer Klärung bedarf und das
Berufungsverfahren zur Klärung dieser Frage beitragen kann. Dies ist von dem die
Zulassung der Berufung beantragenden Beteiligten im Rahmen der ihm gemäß §
78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG obliegenden Darlegungspflicht vorzutragen. Wird dabei -
wie im vorliegenden Fall - die Klärung einer Tatsachenfrage erstrebt, reicht es für
die Darlegung der Grundsatzbedeutung nicht aus, wenn lediglich Zweifel an der
tatsächlichen Entscheidungsgrundlage des erstinstanzlichen Urteils geäußert
werden oder die bloße Behauptung aufgestellt wird, daß sich die für die
Verfolgungsprognose maßgeblichen Verhältnisse anders darstellen als von dem
Verwaltungsgericht angenommen. Vielmehr bedarf es der Angabe konkreter
Anhaltspunkte dafür, daß die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen, etwa im
Hinblick auf hierzu vorliegende gegensätzliche Auskünfte, einer unterschiedlichen
Würdigung und damit einer Klärung im Berufungsverfahren zugänglich sind. Ist
demgegenüber absehbar, daß von dem Berufungsgericht die von dem
Verwaltungsgericht ermittelten und zugrundegelegten Tatsachen lediglich
bestätigt werden könnten, ist ein Bedürfnis für die Durchführung des
Rechtsmittelverfahrens nicht gegeben (vgl. Beschluß des Senats vom 12. März
1993 - 13 TE 700/92 -).
Den dargestellten Anforderungen an die Darlegung des Zulassungsgrundes
gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG genügt die Antragsschrift des Kläger nicht. Diese
enthält außer der Feststellung, daß durch das Verwaltungsgericht erstmals ein
Bestrafungsrisiko für zurückkehrende männliche Wehrpflichtige aus Mazedonien,
die den Wehrdienst in der jugoslawischen Bundesarmee verweigert haben, verneint
worden sei, keinerlei näheren Ausführungen darüber, inwiefern es sich hierbei um
eine klärungsbedürftige Tatsachenfrage handelt und in welcher Hinsicht das von
dem Kläger angestrebte Berufungsverfahren zu einer Klärung dieser
Tatsachenfrage führen kann. Der bloße Hinweis des Klägers auf die unsicheren
Verhältnisse in seinem Heimatland und das Fortbestehen von Gesetzen aus der
Zeit der Zugehörigkeit Mazedoniens zur "Bundesrepublik Jugoslawien" sowie einer
an diesen Gesetzen orientierten Rechtspraxis vermag die Einschätzung des
Verwaltungsgerichts, der Kläger habe wegen der Nichtbefolgung eines
Einberufungsbescheides zur jugoslawischen Volksarmee im Falle der Rückkehr
nach Mazedonien keine Bestrafung zu befürchten, nicht zu erschüttern. Die
Prognose des Verwaltungsgerichts beruht auf Auskünften des Auswärtigen Amtes
in dessen Lageberichten für Mazedonien vom 1. April und 21. Juli 1993 sowie einer
Stellungnahme der Gefangenenhilfsorganisation amnesty international vom 25.
November 1992 an das Verwaltungsgericht Karlsruhe. In diesen Auskünften wird
übereinstimmend festgestellt, daß eine Bestrafung von Mazedoniern, die sich - wie
der Kläger - dem Dienst in der jugoslawischen Bundesarmee entzogen hatten,
nicht mehr zu erwarten sei, nachdem sich die Bundesarmee vollständig aus
Mazedonien zurückgezogen habe und die für Mazedonien zuständigen
Militärgerichte aufgelöst worden seien. Angesichts dieser eindeutigen Aussage
bedürfte es zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit des Verfolgungsrisikos von
Mazedoniern, die unter den dargestellten Umständen in ihr Heimatland
zurückkehren, konkreter Belege dafür, daß die Entziehung vom Wehrdienst in der
jugoslawischen Bundesarmee entgegen den Erkenntnissen des Auswärtigen
Amtes und der Gefangenenhilfsorganisation amnesty international auch nach der
Loslösung Mazedoniens von der "Bundesrepublik Jugoslawien" noch bestraft wird.
Solche Belege enthält die Antragsschrift des Klägers indessen nicht. Aus dem
bloßen Fortbestand von Strafvorschriften aus der Zeit der Zugehörigkeit
Mazedoniens zur "Bundesrepublik Jugoslawien" und der Existenz einer noch dieser
Zeit verhafteten Justiz ist jedenfalls die von dem Kläger unterstellte Rechtspraxis
allein nicht zu entnehmen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.