Urteil des HessVGH vom 27.08.1992
VGH Kassel: entstehung, anfechtung, beweismittel, quelle, immaterialgüterrecht, zivilprozessrecht, gebühr, vertretung, behandlung, dokumentation
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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
14. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
14 S 1581/92
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 31 Abs 1 Nr 3 BRAGebO,
§ 34 Abs 1 BRAGebO
Zur Beweisgebühr - hier: Berücksichtigung eines
Sachverständigen-Gutachtens
Gründe
I.
Die Erinnerungsführer wenden sich als Prozeßbevollmächtigte des Beklagten
dagegen, daß der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle in dem
Kostenfestsetzungsbeschluß die von den Erinnerungsführern im
Kostenfestsetzungsgesuch vom 5. November 1991 beantragte Beweisgebühr in
Höhe von 2.455,70 DM mit der damit verbundenen Verringerung der
Mehrwertsteuer abgesetzt hat. Zur Begründung hat der Urkundsbeamte
ausgeführt, eine Beweisgebühr sei deshalb nicht entstanden, weil die vorgelegten
Unterlagen (Gutachten) weder erkennbar durch den Senat zu Beweiszwecken
herangezogen noch als Beweismittel verwertet worden seien. Die
Erinnerungsführer halten dies für unzutreffend. Sie sind der .Ansicht, der
Hessische Verwaltungsgerichtshof wäre ohne die Beiziehung der in Rede
stehenden TÜV-Gutachten nicht zu einer Sachentscheidung in der Lage gewesen;
daraus folgern sie die Entstehung einer Beweisgebühr. Dem sind die
Erinnerungsgegner entgegengetreten.
II.
Die nach § 165 VwGO hier von den Prozeßbevollmächtigten des Beklagten
zulässigerweise eingelegte Anfechtung ist unbegründet; denn der Urkundsbeamte
der Geschäftsstelle hat die Beweisgebühr zu Recht abgesetzt. Nach § 31 Abs. 1
Nr. 3 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte - BRAGO - erhält der zum
Prozeßbevollmächtigten bestellte Rechtsanwalt eine Gebühr "für die Vertretung im
Beweisaufnahmeverfahren". Nach der einschränkenden Bestimmung des § 34
Abs. 1 BRAGO kommt die Beweisgebühr jedoch dann nicht zur Entstehung, wenn
die Beweisaufnahme lediglich in der Vorlegung der in den Händen eines Beteiligten
befindlichen Urkunden besteht. So liegt der Fall hier. Bei den fraglichen Vorgängen
handelt es sich um die Gutachten des TÜV Hannover und des TÜV Rheinland.
Diese Gutachten haben bereits im Verwaltungsverfahren in die behördliche
Entscheidung der Genehmigungsbehörde des beklagten Landes Eingang gefunden
und sind im Tatbestand des Urteils des Senats vom 29. Oktober 1991 - 14 A
2767/90 - unter C II. als Inhalt der Behördenakten bezeichnet worden (Bl. 39 des
Urteilsabdrucks). Diese Akten sind vom Beklagten dem Gericht im Sinne des § 34
Abs. 1 BRAGO "vorgelegt" und nicht im Sinne des § 34 Abs. 2 BRAGO "zum Beweis
beigezogen" worden. Der Qualifizierung einer "Beiziehung zum Beweis" steht
bereits die Tatsache entgegen, daß das beklagte Land über diese Unterlagen
verfügen konnte und sie dem Gericht - sei es aus eigenem Antrieb, sei es auf
Aufforderung des Berichterstatters - vorgelegt hat. Die Zuerkennung einer
Beweisgebühr nach § 34 Abs. 1 BRAGO kommt von vornherein reicht in Betracht,
wenn es sich bei den - auch auf Aufforderung vorgelegten - Akten um solche eines
Prozeßbeteiligten handelt. Es ist dann unerheblich, ob die Akten nach § 34 Abs. 2
BRAGO auch ohne Beweisbeschluß erkennbar zum Beweis beigezogen oder doch
wenigstens als Beweis verwertet werden. Die Vorschrift des § 34 Abs. 2 BRAGO, auf
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wenigstens als Beweis verwertet werden. Die Vorschrift des § 34 Abs. 2 BRAGO, auf
die die Erinnerungsführer den von ihnen geltend gemachten Gebührenanspruch
stützen, kann nur dann erheblich werden, wenn Akten oder Urkunden nicht am
Prozeß beteiligter Behörden beigezogen werden.
Abgesehen davon, daß dem Entstehen einer Beweisgebühr bereits der
"Ausschlußtatbestand" des § 34 Abs. 1 BRAGO entgegensteht, hat der Senat die
als Akten oder Urkunden in Betracht kommenden Gutachten des TÜV Hannover
und des TÜV Rheinland nicht als Beweis verwertet. Bei der vom Senat in dem dem
Kostenfestsetzungsverfahren vorausgegangenen Verwaltungsstreitverfahren zu
entscheidenden Frage, ob die beigeladene Betreiberin des Kohlekraftwerkes ihre
vom Bundesimmissionsschutzgesetz geforderten Grundpflichten erfüllt, dienten
die Aussagen in den fraglichen schriftlichen Gutachten - ebenso wie die
Erläuterungen der Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung - in erster
Linie nicht der Nachprüfung streitiger Tatsachenbehauptungen, sondern auch und
gerade dem Verständnis von fachwissenschaftlichen Zusammenhängen. Gerade
bei der Behandlung von Einwendungen der Kläger, die die Erinnerungsführer unter
Hinweis auf die Seiten 62 ff. des Urteilsabdrucks als Ausdruck der
"Beweisverwertung" für sich reklamieren, hat sich der Senat anstatt auf
tatsächliche Ermittlungen auf die in den Gutachten enthaltenen Prognosen und
Erfahrungssätze unter dem Gesichtspunkt einer Plausibilitätsbetrachtung gestützt.
Die Erinnerung mußte daher insgesamt mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2
VwGO zurückgewiesen werden.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. dem entsprechend
anzuwendenden § 14 des Gerichtskostengesetzes - GKG -. Sie entspricht der
Summe, die aus der vom Kostenbeamten angesetzten Beweisgebühr in Höhe von
2.455,70 DM und der gemäß § 25 Abs. 2 BRAGO darauf entfallenden 14 %-igen
Mehrwertsteuer in Höhe von 343,80 DM zu bilden ist.
Der Beschluß ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.