Urteil des HessVGH vom 26.06.2007
VGH Kassel: politische verfolgung, genfer flüchtlingskonvention, afghanistan, alleinstehende mutter, genfer konvention, christentum, abschiebung, wahrscheinlichkeit, menschenwürde, anwendungsbereich
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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
8. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 UZ 452/06.A
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 60 Abs 7 S 1 AufenthG
2004, Art 15c EGRL
83/2004 vom 29.04.2004, §
60 Abs 7 S 2 AufenthG
2004, § 73 Abs 1 S 3
AsylVfG 1992
(Abschiebungsschutz für Asylbewerberin aus Afghanistan;
geschlechtsspezifische Verfolgung; Sicherheits- und
Versorgungslage)
Leitsatz
Der Anwendungsbereich des subsidiären Schutzes unmittelbar aus Art. 15 c) der
Qualifikationsrichtlinie ist auf solche ernsthaften Schäden begrenzt, die in einem
unmittelbaren Zusammenhang zu bewaffneten Konflikten und kriegsgleichen
Zuständen ab einer bestimmten Größenordnung hinsichtlich Intensität und Dauer
stehen, wie etwa landesweiten Bürgerkriegsauseinandersetzungen und
Guerillakämpfen, während die mit solchen Konflikten allgemein für die Bevölkerung
mittelbar verbundenen nachteiligen Konsequenzen, wie etwa eine schlechte
Sicherheits- und Versorgungslage, jedenfallls hinsichtlich ihrer nachträglichen
Auswirkungen nicht darunter fallen.
Tenor
Die Anträge des Klägers und der Klägerinnen auf Zulassung der Berufung gegen
das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 15. Dezember 2005 - 3 E
2960/03.A - werden abgelehnt.
Der Kläger und die Klägerinnen haben die Kosten des
Zulassungsantragsverfahrens zu je 1/5 zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die noch innerhalb der Zwei-Wochen-Frist gemäß § 78 Abs. 4 Sätze 1 und 2
AsylVfG am 13. Februar 2006 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Anträge
des Klägers und der Klägerinnen auf Zulassung der Berufung gegen das ihrem
Verfahrensbevollmächtigten am 30. Januar 2006 zugestellte Urteil des
Verwaltungsgerichts Kassel vom 15. Dezember 2005 ist abzulehnen. Die in dem
Antragsschreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 13. Februar 2006 geltend
gemachten Zulassungsgründe gemäß § 78 Abs. 3 AsylVfG sind nicht in einer den
Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG entsprechenden Weise dargelegt
oder nicht gegeben; ihre nach Ablauf der zweiwöchigen Antragsfrist eingereichten
Unterlagen können im vorliegenden Berufungszulassungsverfahren nicht
berücksichtigt werden.
Gegen die Ablehnung ihres Hauptbegehrens auf Anerkennung als Asylberechtigte
gemäß Art. 16a GG und/oder auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes wegen
ihrer Flüchtlingseigenschaft nach der Genfer Flüchtlingskonvention (GK) gemäß §
60 Abs. 1 AufenthG im Hinblick auf ihren Übertritt vom Islam zum Christentum
während ihres Aufenthalts in Deutschland haben der Kläger und die Klägerinnen
zunächst auf Seite 1 f. unter A. ihres Antragsschreibens den Zulassungsgrund
einer Abweichung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG von einem Beschluss des
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einer Abweichung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG von einem Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts geltend gemacht.
Eine solche Divergenzzulassung setzt die Darlegung voraus, dass das
Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil einen entscheidungserheblichen
Rechtsgrundsatz aufgestellt hat, der einem in der genannten
Divergenzentscheidung aufgestellten (abstrakten) Rechtssatz widerspricht, und
dass eine solche Abweichung auch tatsächlich vorliegt. Da es sich bei der
Divergenzberufung um einen Unterfall der Grundsatzberufung handelt, muss mit
der Divergenzrüge weiterhin eine grundsätzliche Frage aufgeworfen werden, die
insbesondere aus Gründen der Rechtssicherheit und der Rechtseinheitlichkeit im
allgemeinen Interesse einer Klärung bedarf.
Diese Voraussetzungen sind hier hinsichtlich der behaupteten Abweichung von
dem dem Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Dezember
1994 - 2 BvR 1426/91 - (InfAuslR 1995 S. 210 f. = AuAS 1995 S. 124 f. = juris)
entnommenen Rechtssatz nicht gegeben,
"der Asylbewerber dürfe nicht darauf verwiesen werden, seine
Religionsausübung oder gar seine Religionszugehörigkeit im Heimatland als solche
geheim zu halten, um staatlichen Repressalien zu entgehen. Ahnde eine
ausländische Rechtspraxis den Fall der Apostasie und könne sich der
Glaubensangehörige einer Bestrafung nur in der Weise entziehen, dass er seine
Religionszugehörigkeit leugnet, und effektiv versteckt hält, ist ihm der elementare
Bereich, den er als religiöses Existenzminimum zu seinem Leben- und Bestehen
können als sittliche Person benötigt, entzogen."
Der im Antragsschreiben auf Seite 2 als abweichend wiedergegebene Rechtssatz
des Verwaltungsgerichts lässt sich aber dem angefochtenen Urteil so nicht
entnehmen. Danach soll es den Rechtssatz aufgestellt haben:
"ihm (Anmerkung des Unterzeichners: gemeint ist der glaubende Mensch) ist
es jedenfalls zuzumuten, diesen Schritt im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland
zu verschweigen und gegebenenfalls zu leugnen, dass er die Taufe empfangen
und vor Zeugen schriftlich und mündlich das Bekenntnis abgelegt hat, er entsage
dem Islam und Mohammed sei kein Prophet."
Auf Seite 14 der Entscheidungsgründe hat das Verwaltungsgericht aber entgegen
der in Klammern gesetzten Anmerkung des Verfahrensbevollmächtigten des
Klägers und der Klägerinnen nicht einem "glaubenden Menschen" eine
Verleugnung seines Glaubenswechsels vom Islam zum Christentum zugemutet,
sondern vielmehr - wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der
Urteilsbegründung und insbesondere dem Ansatz auf Seite 13 unten der
Entscheidungsgründe deutlich ergibt - nur einem solchen Asylbewerber, der
"lediglich aus verfahrenstaktischen Gründen seine Zugehörigkeit zu einer
Religionsgemeinschaft wechselt". Nach der vorangegangenen Zusammenfassung
seiner Tatsachenwürdigung ist das Gericht nämlich insgesamt "nicht zu der
Überzeugung gelangt, dass die Kläger sich aus einem inneren Bedürfnis dem
Christentum zugewandt haben, sondern weil sie sich davon Vorteile für den
Ausgang ihres Asylverfahrens versprachen".
Die behauptete und dargelegte Divergenz liegt danach nicht vor. Bei einem
Glaubenswechsel allein aus "asyltaktischen Erwägungen" wird durch die
Verleugnung der neuen Religionszugehörigkeit "der elementare Bereich, den er
(der Glaubensangehörige) als "religiöses Existenzminimum" zu seinem Leben- und
Bestehen können als sittliche Person benötigt"(vgl. den in der Antragsschrift
wiedergegebenen Rechtssatz des Divergenzgerichts), gerade nicht entzogen, weil
der Glaubenswechsel nicht auf einer ernsthaften, die sittliche Persönlichkeit
prägenden inneren Überzeugung beruht (vgl. auch BVerwG, Urteile vom 18.
Februar 1986 - 9 C 16/85 - BVerwGE 74 S. 31 [38] = juris Rdnr. 21 und vom 20.
Januar 2004 - 1 C 9/03 - BVerwGE 120 S. 16 ff. = juris Rdnr. 13). Abgesehen von
der Zumutbarkeit der Verleugnung eines nur "asyltaktischen" Glaubenswechsels
kann das Gericht bei einem solchen auch nicht zu der Überzeugung gelangen, der
Flüchtling würde bei einer Rückkehr in sein islamisches Heimatland von seiner nur
behaupteten christlichen Glaubensüberzeugung nicht ablassen können (vgl. VG
Düsseldorf, Urteil vom 15. August 2006 - 22 K 350/05.A - juris Rdnr. 63).
Mangels Entscheidungserheblichkeit scheidet deshalb entgegen den Ausführungen
auf Seite 10 ff. (12 f., 17) unter D. II. und III. des Zulassungsantragsschreibens
auch eine Divergenzzulassung mit der Begründung aus, dass das
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auch eine Divergenzzulassung mit der Begründung aus, dass das
Verwaltungsgericht in Abweichung von dem Beschluss des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofs vom 29. Dezember 2004 - 12 CG (richtig: TG) 3649/04 -,
wonach eine Europarichtlinie bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist der
gemeinschaftsrechtliche Stand sei und ihr Inhalt beachtet werden müsse, die sog.
Qualifikationsrichtlinie EU, Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 (ABl.
Nr. L 304/12; im Folgenden: QRL) nicht berücksichtigt und deshalb den Schutz des
§ 60 Abs. 1 AufenthG nicht auf die Glaubenspraxis auch im öffentlichen Bereich
erstreckt und hinsichtlich des Abschiebungsschutzes gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG
die nichtstaatliche Verfolgung nicht in seine Erwägungen einbezogen habe.
Wie eben ausgeführt, ist das Verwaltungsgericht von einem nur asyltaktischen,
also nicht "echten" Glaubenswechsel des Klägers und der Klägerinnen und deshalb
hinsichtlich ihrer christlichen Religionsausübung von einer fehlenden
Schutzwürdigkeit ausgegangen, so dass sich insoweit die Fragen des
Schutzumfangs und einer staatlichen oder nichtstaatlichen Verfolgung nicht
stellten. Für die Entscheidungserheblichkeit einer aufgeworfenen Grundsatzfrage
ist aber grundsätzlich von den Feststellungen des Verwaltungsgerichts
auszugehen, weil es nicht Aufgabe des asylrechtlichen
Zulassungsantragsverfahrens ist, für die Beurteilung der grundsätzlichen
Bedeutung einer Rechtssache und damit auch für die Frage der
Divergenzzulassung die verwaltungsgerichtliche Einzelfallwürdigung zu überprüfen.
Hier kommt hinzu, dass inzwischen die Umsetzungsfrist der sog.
Qualifikationsrichtlinie am 10. Oktober 2006 abgelaufen und sich auch deshalb die
Rechtsfrage ihrer vorherigen Anwendbarkeit, hinsichtlich derer das
Verwaltungsgericht von der obergerichtlichen Entscheidung abgewichen sein soll,
in einem Berufungsverfahren gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG nicht mehr stellen würde.
Die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Übertritt des Klägers und der
Klägerinnen zum Christentum und ihre christliche Betätigung seien rein
"asyltaktisch" bedingt, beruht entgegen dem Vorbringen auf Seite 6 ff. unter C. der
Zulassungsantragsschrift auch weder auf einem Verfahrensmangel in Form eines
Verstoßes gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3
AsylVfG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO noch wird dadurch die - nach Ansicht der
Klägerseite eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gemäß § 78 Abs. 3
Nr. 1 AsylVfG begründende - Rechtsfrage aufgeworfen,
"ob es bei der Feststellung eines Religionswechsels ausreichend ist, allein
rational prüfbare Kriterien und Wissenselemente abzufragen oder ob nicht
zumindest darüber hinaus wegen des hohen Schutzgutes der inneren
Überzeugung und Anschauung insbesondere bei religiösen Fragen auch die
subjektive Religiosität und die innere Lebenshaltung ausschlaggebend sind".
Der auch in Art. 103 Abs. 1 GG verbürgte Anspruch auf Gewährung rechtlichen
Gehörs verschafft den Verfahrensbeteiligten ein Recht darauf, sich zu allen
entscheidungserheblichen Tatsachen zweckentsprechend und erschöpfend zu
erklären und Anträge zu stellen, und verpflichtet das Gericht, das Vorbringen der
Beteiligten, die von ihnen gestellten Anträge oder vorgelegten Beweismittel zur
Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Dabei ist
dem Gehörsgebot regelmäßig genügt, wenn sich das Verwaltungsgericht in der
Begründung seines Urteils mit dem seiner Auffassung nach
entscheidungserheblichen Beteiligtenvorbringen ausdrücklich auseinandersetzt. Im
Übrigen ist davon auszugehen, dass auch der sonstige Sachvortrag berücksichtigt
worden ist, selbst wenn dies in dem Urteil nicht näher zum Ausdruck kommt. Ein
Verstoß des Gerichts gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs kann deshalb
erst dann angenommen werden, wenn im Einzelfall eindeutige Anhaltspunkte oder
besondere Umstände deutlich ergeben, dass tatsächliches, für die Entscheidung
wesentliches Vorbringen eines Beteiligten vor Gericht entweder überhaupt nicht
zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung ersichtlich nicht erwogen
worden ist (vgl. u. a. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 31. Mai 2006 - 2 Q 11/06
- juris Rdnr. 9).
Nach diesen Maßstäben kann hier ein Gehörsverstoß nicht deshalb angenommen
werden, weil das Verwaltungsgericht in seiner Argumentation verkannt habe, dass
es sich bei den Klägerinnen zu 3. bis 5. nicht um Erwachsene handele, weil es den
Taufzeitpunkt des Klägers und der Klägerin zu 2. einerseits und der Klägerinnen zu
3. bis 5. andererseits widersprüchlich herangezogen und den christlichen
Religionsunterricht der Klägerinnen zu 3. bis 5. in Deutschland nicht hinreichend
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Religionsunterricht der Klägerinnen zu 3. bis 5. in Deutschland nicht hinreichend
berücksichtigt habe (vgl. Seite 8 des Antragsschreibens ab dem dritten Absatz).
Dass sich das Verwaltungsgericht des Alters der Klägerinnen zu 3. bis 5. bewusst
war, wird schon aus den Ausführungen auf Seite 11 der Entscheidungsgründe zu
den Zweifeln an der Anwendbarkeit des § 28 Abs. 1 AsylVfG auf diese Klägerinnen
deutlich; der letzte Satz auf dieser Seite bezieht sich ersichtlich auf den Kläger und
die Klägerin zu 2., hinsichtlich derer auf der nächsten Seite auch nicht auf die
bisher fehlende Taufe, sondern in erster Linie auf ihr Unwissen darüber abgestellt
wird, "was sie vor ihr(er) eigenen Taufe noch zu absolvieren haben". Auf Seite 13
der Entscheidungsgründe werden die Zweifel an der Ernsthaftigkeit des
Glaubenswechsels der klagenden Familie ergänzend damit begründet, dass die
Kinder trotz der bisher unterbliebenen Taufe der Eltern "gleichwohl ... noch
während des laufenden Asylverfahrens getauft wurden", andererseits aber nicht
konfirmiert und damit auch nicht zum Abendmahl zugelassen werden sollen.
Schließlich hat das Verwaltungsgericht ausweislich der im Zulassungsantrag
zitierten Seite 12 der Verhandlungsniederschrift und auch nach der Wiedergabe
des Klagevortrags auf Seite 5 des Urteils den schulischen Religionsunterricht der
Klägerinnen zu 3. bis 5. sehr wohl zur Kenntnis genommen. Dass es diesen nicht
ausdrücklich in seinen Erwägungen abgehandelt und ihm damit kein
entscheidungserhebliches Gewicht zuerkannt hat, stellt angesichts der
eingehenden, eine Vielzahl von Aspekten würdigenden Begründung der
gerichtlichen Überzeugungsbildung keinen Gehörsverstoß dar. Das Vorbringen im
Zulassungsantrag rügt demgemäß auch weniger die Nichtberücksichtigung des
klägerischen Vorbringens als vielmehr dessen Fehlgewichtung und fehlerhafte
Würdigung sowie insbesondere eine widersprüchliche und objektiv willkürliche
Argumentation des Verwaltungsgerichts, begründet also letztlich keinen
Verfahrensfehler, sondern übt inhaltliche Kritik an der verwaltungsgerichtlichen
Einzelfallwürdigung.
Darauf läuft im vorliegenden Zusammenhang auch die Begründung der
grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hinaus.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine asylrechtliche Rechtsstreitigkeit nur dann,
wenn sie eine rechtliche oder tatsächliche Frage aufwirft, die für die
Berufungsinstanz entscheidungserheblich ist und über den Einzelfall hinaus aus
Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Fortbildung
des Rechts im allgemeinen Interesse einer Klärung bedarf. Der Zulassungsantrag
hat im Einzelnen darzulegen und in rechtlicher sowie in tatsächlicher Hinsicht zu
erläutern, warum die Rechtssache eine in diesem Sinne klärungsfähige und
klärungsbedürftige Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft. Zur Begründung der
Klärungsbedürftigkeit ist darzulegen, warum eine über die Feststellungen und
Wertungen des angefochtenen verwaltungsgerichtlichen Urteils hinausgehende
Klärung durch das Berufungsgericht erforderlich ist. Dazu bedarf es einer
eingehenden Auseinandersetzung i.d.R. unter Benennung abweichender
verwaltungs- oder oberverwaltungsgerichtlicher Entscheidungen, gegensätzlicher
Auskünfte, Stellungnahmen, Gutachten, Presseberichte oder sonstiger
Erkenntnisquellen, aus denen sich zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit
dafür ergibt, dass nicht die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des
Verwaltungsgerichts, sondern die gegenteiligen Behauptungen in der
Zulassungsantragsschrift zutreffend sind, so dass zur Klärung der sich dann
stellenden Fragen die Durchführung eines Berufungsverfahrens erforderlich
erscheint.
Die vorliegend auf Seitz 6 unten unter C. der Antragsschrift aufgeworfene und
oben bereits zitierte "Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung" hinsichtlich der
Prüfungskriterien bei einem Religionswechsel wird auch unter Berücksichtigung der
dazu gegebenen Begründung diesen Anforderungen nicht gerecht.
Sie stellt letztlich eine in abstrahierende Frageform gekleidete Kritik an der
Entscheidungsfindung des Verwaltungsgerichts im vorliegenden Einzelfall dar und
nicht eine verallgemeinerungsfähige, der Klärung in einem Berufungsverfahren
bedürftige abstrakte Rechtsfrage. Aus dem Erfordernis der gerichtlichen
Überzeugung von einer drohenden religiösen Verfolgungsgefährdung ergibt sich,
dass einem in Deutschland vorgenommenen Glaubenswechsel zum Christentum
nur dann Relevanz zukommt, wenn verlässlich festgestellt werden kann, dass die
Konversion auf einer glaubhaften Zuwendung zum christlichen Glauben im Sinne
einer ernsthaften Gewissensentscheidung, auf einem ernst gemeinten religiösen
Einstellungswandel mit einer identitätsprägenden festen Überzeugung und nicht
lediglich auf bloßen Opportunitätsgründen beruht, so dass eine Verleugnung der
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lediglich auf bloßen Opportunitätsgründen beruht, so dass eine Verleugnung der
neuen Glaubensüberzeugung den Betroffenen grundsätzlich und in aller Regel
unter Verletzung seiner Menschenwürde existenziell und in seiner sittlichen Person
treffen würde und das Gericht auch davon ausgehen kann, dass der seine
Flüchtlingsanerkennung begehrende Ausländer bei einer Rückkehr in sein
Heimatland von seiner neuen Glaubensüberzeugung deshalb nicht ablassen
könnte; damit sind auch - wie in der Fragestellung des Zulassungsantrags
angeführt - "die subjektive Religiosität und die innere Lebenshaltung"
Prüfungsgegenstand. Für die Beurteilung der Frage, ob ein seine Anerkennung
begehrender Ausländer nur formal, nicht aber auch seiner inneren Überzeugung
nach einer im Heimatland von Verfolgung bedrohten Religion verbunden ist, hat
das Verwaltungsgericht nämlich den Sachverhalt umfassend und erschöpfend
aufzuklären (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Dezember 1994 a.a.O. juris
2. Orientierungssatz; vgl. beispielhaft: VG Düsseldorf, Urteile vom 15. August 2006
a.a.O. juris Rdnrn. 61 f. und vom 29. August 2006 - 2 K 3001/06.A - juris Rdnr. 37
ff.; VG Meiningen, Urteil vom 10. Januar 2007 - 5 K 20256/03.Me - juris Rdnr. 30; VG
Darmstadt, Urteil vom 10. November 2005 - 5 E 1749/03.A(4) - juris,
Urteilsabdruck S 7 f.).
In diesem Sinne hat auch das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil
geprüft, ob sich der Kläger und die Klägerinnen tatsächlich aus innerer
Überzeugung und aus einem inneren Bedürfnis heraus endgültig vom Islam ab-
und dem Christentum zugewandt haben, und hat dies unter Heranziehung der
äußeren Umstände ihres Glaubenswechsels, ihrer dazu gegebenen Begründungen
und Einstellungen und ihrer Vertrautheit mit den neuen Glaubensinhalten letztlich
verneint.
Es bedarf keiner weiteren rechtlichen Erörterung im Rahmen eines
Berufungsverfahrens, dass die Prüfung der oben dargestellten inneren Tatsachen
nur anhand nach außen erkennbarer Umständen und der Überzeugungskraft dazu
abgegebener Erklärungen erfolgen kann, wie etwa zur Entwicklung des Kontaktes
zu dem neuen Glauben, zur Glaubensbetätigung und zu Kenntnissen über die
neuen Glaubensinhalte, und dass anhand dieser nach außen erkennbaren Indizien
versucht werden muss, Rückschlüsse auf die innere Überzeugung zu ziehen. Über
die dabei heranzuziehenden Kriterien und Umstände ist eine verallgemeinernde
abstrakt-rechtliche Auseinandersetzung nicht möglich. Dieser Vorgang ist vielmehr
als klassischer Fall einer richterlichen Überzeugungsbildung im Einzelfall im
Berufungsverfahren deshalb keiner grundsätzlichen rechtlichen Klärung, sondern
allenfalls einer erneuten Einzelfallwürdigung zugänglich; das aber ist nicht Sinn und
Zweck einer Grundsatzberufung.
Auch im Hinblick auf die verwaltungsgerichtliche Verneinung einer
Verfolgungsgefährdung der Klägerinnen zu 2. bis 5. wegen ihres weiblichen
Geschlechts ergeben sich die im Zulassungsantrag geltend gemachten
Zulassungsgründe nicht.
Die auf Seite 3 unter B. der Antragsschrift aufgeworfene Rechtsfrage,
"ob es einer "Muslima" in Afghanistan zumutbar ist, die dort allgemein
geltenden Bekleidungsvorschriften zu beachten, und zwar unabhängig davon, ob
sie früher in Afghanistan oder nach ihrer Flucht in Deutschland von westlichen
Idealen geprägt gelebt und diese verinnerlicht hat und dass nicht die subjektive
Sicht der einzelnen Frau, sondern das im Heimatland der Betroffenen herrschende
Wertesystem der rechtliche Orientierungsmaßstab ist",
verleiht der vorliegenden Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung gemäß §
78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG, weil eine Klärungsbedürftigkeit dieser Frage weder
hinreichend dargelegt noch erkennbar ist.
Das verwaltungsgerichtliche Urteil hat seine Auffassung auf Seite 15 der
Entscheidungsgründe, es sei einer Muslima in Afghanistan zur Vermeidung von
Verfolgung ohne Verletzung ihrer Menschenwürde zumutbar, die dort allgemein
geltenden Bekleidungsvorschriften zu beachten, unter Berufung auf ein Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Februar 1996 (richtig: 1986), BVerwGE 74, 31,
37 (a.a.O.) damit begründet, maßgeblich sei nicht die subjektive Sicht der
einzelnen Frau, es müsse vielmehr ein objektiver Maßstab angelegt werden, der
sich daran orientiere, was im Heimatland der Betroffenen als das herrschende
Wertesystem anzusehen sei. Bei der asylrechtlichen Beurteilung einer fremden
Rechtsordnung könne diese nicht am weltanschaulichen Neutralitäts- und
Toleranzgebot des Grundgesetzes gemessen werden, denn es sei nicht Aufgabe
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Toleranzgebot des Grundgesetzes gemessen werden, denn es sei nicht Aufgabe
des Asylrechts, die Grundrechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland in
anderen Staaten durchzusetzen.
Entgegen den oben aufgeführten Voraussetzungen für die Darlegung der
Klärungsbedürftigkeit einer als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Frage wird
die gegenteilige Rechtsansicht im Zulassungsantragsschreiben ohne Benennung
abweichender verwaltungs- oder oberverwaltungsgerichtlicher Entscheidungen
oder Äußerungen aus der Literatur allein mit eigenen Überlegungen des
Verfahrensbevollmächtigten des Klägers und der Klägerinnen begründet, die
zudem die vom Bundesverwaltungsgericht - und nachfolgend in der
angefochtenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung - benannten Grenzen der
unmittelbaren Gefahr für Leib und Leben oder Beschränkungen der persönlichen
Freiheit sowie der Verletzung der Menschenwürde außer Acht lassen; dass die
Beachtung der in Afghanistan allgemein geltenden Bekleidungsvorschriften die
Menschenwürde einer aus dem westlichen Ausland zurückkehrenden "Muslima"
verletze, wird nicht dargelegt.
Abgesehen davon stimmt die Einschätzung des angefochtenen
verwaltungsgerichtlichen Urteils im Übrigen mit obergerichtlichen Entscheidungen
zur Verfolgungssituation von nach Afghanistan zurückkehrenden Frauen überein.
Unter Zugrundelegung obiger Maßstäbe droht ihnen danach keine generelle
landesweite Verfolgung wegen ihres weiblichen Geschlechts. Jedenfalls im Kabuler
Bereich würden Frauen nach Gutachtenäußerungen aus geschlechtsspezifischen
Gründen nicht mehr diskriminiert und entrechtet, wenn sie nicht grob gegen den
immer noch existierenden Sittenkodex der afghanischen Gesellschaft verstießen.
Frauen könnten heute in Kabul frei ausgehen, einen Beruf ergreifen, öffentliche
Ämter übernehmen und sich in der Politik engagieren; sie müssten auch nicht
mehr die Burka tragen. Es gebe keine Verfolgung von Frauen, die sich im Rahmen
der ortsüblichen Normen verhielten. Dies werde auch durch Pressemeldungen
bestätigt, wonach in Kabul Frauen mit deutscher Hilfe zu Polizistinnen ausgebildet
würden und im ganzen Land Unterricht in Lesen und Schreiben für berufliche
Tätigkeiten erhielten. Aus der Auskunftslage lasse sich weiter nichts dafür
entnehmen, dass Frauen jedenfalls im Kabuler Raum in größerem Umfang
etwaigen Übergriffen schutzlos ausgesetzt seien. Auch für die Gefahr einer
Zwangsheirat, wie es sie unter den Taliban gegeben habe, bestünden keine
ausreichenden Anhaltspunkte mehr. Anders lautende Berichte beträfen nicht den
Kabuler Raum, sondern andere Provinzen oder Städte (vgl. Hamb. OVG, Urteil vom
11. April 2003 - 1 Bf 104/01.A - juris Rdnrn. 25 bis 29). Andererseits seien danach
aber alleinstehende, ohne männliche Begleitung und nicht in intakte
Familienstrukturen nach Afghanistan zurückkehrende Frauen in hohem Maße
gefährdet (vgl. OVG NW, Urteil vom 5. April 2006 - 20 A 5161/04.A - juris Rdnr. 55).
Dementsprechend ist auch der Berichterstatter des beschließenden Senats unter
Auswertung neuerer Erkenntnismittel in seinem (rechtskräftigen) Urteil vom 1.
März 2006 zu der Einschätzung gelangt, dass eine nicht aus der Hauptstadt Kabul
stammende, unverheiratete und alleinstehende Mutter zweier nichtehelicher
Kinder verschiedener Väter nach einem fast sechsjährigen Aufenthalt im
westlichen Ausland bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit eine landesweite, an ihr Geschlecht anknüpfende und wegen
"unislamischen Verhaltens" konkret auf ihre Person zielende leibes-, lebens-
und/oder freiheitsbedrohende Verfolgung befürchten müsse (vgl. Hess. VGH, Urteil
vom 1. März 2006 - 8 UE 3766/04.A - juris Rdnrn. 43 ff.), so dass eine (erneute)
Klärungsbedürftigkeit der auch nach den weiteren Ausführungen im
Antragsschreiben letztlich allgemein aufgeworfenen Frage der Verfolgungssituation
von nach Afghanistan aus dem westlichen Ausland zurückkehrenden Frauen weder
dargelegt noch ersichtlich ist.
Hinsichtlich der in diesem Zusammenhang zur Begründung der grundsätzlichen
Bedeutung der Rechtssache auf Seite 20 der Antragsschrift unter G. weiter
aufgeworfenen Frage,
"ob weiblichen Afghaninnen im Alter ab 16 Jahren politische Verfolgung oder
individuelle Menschenrechtsbeeinträchtigung wegen ihres weiblichen Geschlechts
aufgrund von Zwangsverheiratung außerhalb der Reihen der eigenen Familie
drohen kann",
ist schon die Entscheidungserheblichkeit für den vorliegenden Fall nicht
hinreichend dargelegt, so dass ihre nach Obigem ebenfalls fragliche allgemeine
Klärungsbedürftigkeit offen bleiben kann.
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Das Verwaltungsgericht hat auf den Seiten 8, 9 und 11 seiner
Entscheidungsgründe vorliegend den Verfolgungsmaßstab der "beachtlichen
Wahrscheinlichkeit" selbst für den Fall für maßgeblich erklärt, dass der Kläger und
die Klägerinnen Afghanistan im September 2001 aus Furcht vor einer von den
Taliban gewaltsam erzwungenen Heirat der Klägerin zu 3. vorverfolgt verlassen
hätten, weil aufgrund der grundlegenden Veränderungen der dortigen politischen
und militärischen Verhältnisse im Falle ihrer Rückkehr nach Afghanistan eine
landesweite Verfolgung durch die Taliban derzeit und auf absehbare Zukunft
auszuschließen sei. Die Annahme des Klägers, der Mann, der damals seine
Tochter habe zwangsweise heiraten wollen, lebe immer noch in Kabul, stelle bloße
Vermutungen dar, die eine "konkrete Gefährdung des Mädchens und seiner
Familie nicht zu begründen vermögen" (vgl. Seite 11 oben der
Entscheidungsgründe). Dem wird zwar auf Seite 22 der Antragsschrift spekulativ
entgegengehalten, es sei "überwiegend wahrscheinlich, dass der Mann auch heute
noch in Kabul lebt, weil dies seine Heimat war und weil dort seine sozialen
Bindungen sind. Er selbst war auch kein hochrangiger Taliban, der hätte verhaftet
werden können. Für die so genannten einfachen Taliban gab es eine
Generalamnestie." Abgesehen davon, dass dieser Mann nach den Angaben des
Klägers und der Klägerin zu 2. in ihrer mündlichen Anhörung vor dem Bundesamt
für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 16. Oktober 2001 der
verheiratete Sohn einer "Nomadenfrau" und ein "mächtiger Taliban-Milizenführer"
gewesen sein soll, der gerne noch eine Frau aus Kabul hätte heiraten wollen, ist
dieses Vorbringen jedenfalls deshalb nicht erheblich, weil er als Taliban-
Angehöriger in Kabul heute nicht mehr die Machtmittel hätte, um eine solche
Zwangsheirat gewaltsam durchzusetzen., also eine Verknüpfung zu einer
unterstellten Vorverfolgung nicht mehr bestünde.
Der danach zu Recht zugrunde gelegte Verfolgungsmaßstab der beachtlichen
Wahrscheinlichkeit für eine "Zwangsverheiratung außerhalb der Reihen der eigenen
Familie" wird aber in der Fragestellung der Antragsschrift und auch in den
nachfolgenden Ausführungen nicht berücksichtigt und eine derartige
Verfolgungsgefährdung lässt sich auch aus den auszugsweise wiedergegebenen
Erkenntnismitteln nicht herleiten. In Übereinstimmung mit Seite 11 der
Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils ergibt sich auch aus diesen
Quellen, dass "Zwangsverheiratung in der Regel in erster Linie aus den Reihen der
eigenen Familie" droht. Zwar wird entgegen solchen Auskünften, wonach "arranged
marriages" wie unter den Taliban heute nicht mehr vorkommen, auch noch
darüber berichtet, dass nach wie vor junge Frauen von lokalen Kommandeuren zur
Ehe gezwungen würden, dies betrifft jedoch nicht den Kabuler Raum, sondern
andere Provinzen oder Städte (vgl. Hamb. OVG a. a. O. juris Rdnr. 29). Dass diese
in der Fragestellung beschriebene "politische Verfolgung oder individuelle
Menschenrechtsbeeinträchtigung" mit der erforderlichen beachtlichen
Wahrscheinlichkeit landesweit drohen könnte, also auch in Kabul als der
Heimatstadt des Klägers und der Klägerinnen, ist dort nicht formuliert und lässt
sich der Antragsschrift im Übrigen ebenfalls nicht entnehmen.
Eine andere Betrachtungsweise ergibt sich insoweit auch nicht wegen der auf Seite
22 unter H. in der Antragsschrift geltend gemachten Abweichung des
angefochtenen verwaltungsgerichtlichen Urteils von dem Urteil des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofs vom 6. Oktober 2005 - 8 UE 1378/05.A - (juris).
Es trifft zwar zu, dass dieser obergerichtlichen Entscheidung der im Antragsschrift
wiedergegebene Rechtssatz zu entnehmen ist, wonach bei Annahme einer
Vorverfolgung eine Flüchtlingsanerkennung gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG i. V. m.
der Genfer Flüchtlingskonvention auch dann auszusprechen sei, wenn zwar die
Wiederholung bereits erlittener Verfolgung sicher auszuschließen wäre, die
Betroffenen sich aber gemäß Art. 1 C Nr. 5 Satz 2 GK auf zwingende, auf früheren
Verfolgungen beruhende Gründe berufen könnten, um die Rückkehr in das Land
abzulehnen, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten (vgl. Seiten 5 und 9
des Urteilsabdrucks). Das Verwaltungsgericht hat auf Seite 16 der
Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils demgegenüber die
Anwendbarkeit des Art. 1 C Nr. 5 Satz 2 GK auf den vorliegenden Fall verneint, weil
nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. C Satz 1 ("Eine Person, auf die die
Bestimmungen des Abschnitts A zutreffen, fällt nicht mehr unter dieses
Abkommen ....") dieser Abschnitt der Genfer Konvention den Wegfall der
Flüchtlingsstellung regele, während es hier um die erstmalige Anerkennung des
Klägers und der Klägerinnen als Flüchtlinge gehe (entsprechend auch Bayer. VGH,
Beschluss vom 16. April 2002 - 15 ZB 99.32404 - juris Rdnrn. 6 f.).
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Die Zulassung einer Divergenzberufung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG als
Unterfall einer Grundsatzberufung nach Nr. 1 dieser Vorschrift kommt trotzdem
nicht in Betracht.
Unabhängig von der Klärungsbedürftigkeit der damit aufgeworfenen Rechtsfrage
der grundsätzlichen Anwendbarkeit des Art. 1 C Nr. 5 Satz 2 GK auf die erstmalige
Flüchtlingsanerkennung ist die Entscheidungserheblichkeit dieser abweichend
beurteilten Frage nämlich weder dargelegt noch ersichtlich. Es ist nämlich
inzwischen in Übereinstimmung mit einem früheren Urteil des beschließenden
Senats und mit anderen obergerichtlichen Entscheidungen (vgl. Hess. VGH, Urteil
vom 10. Februar 2005 - 8 UE 280/02.A - juris Rdnrn. 77 ff. m.w.N.) höchstrichterlich
geklärt, dass der dem wortgleichen Art. 1 C Nr. 5 Satz 2 GK nachgebildete
humanitäre Ausschlusstatbestand des § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG nicht vor
allgemeinen Gefahren schützt, etwa infolge eines Bürgerkrieges oder aufgrund
einer schlechten Sicherheits- und Versorgungslage, sondern nur den
Nachwirkungen früherer Verfolgungsmaßnahmen und damit der psychischen
Sondersituation solcher Personen Rechnung trägt, die ein besonders schweres,
nachhaltig wirkendes Verfolgungsschicksal erlitten haben und denen es deshalb
selbst lange Zeit danach - auch ungeachtet veränderter Verhältnisse - nicht
zumutbar ist, in den früheren Verfolgerstaat zurückzukehren, wobei die
Signatarstaaten bei der Schaffung des Art. 1 C Nr. 5 Satz 2 GK das Schicksal
jüdischer Flüchtlinge aus dem nationalsozialistischen Deutschland vor Augen
hatten (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. November 2005 - 1 C 21/04 - BVerwGE 124 S.
276 ff. = InfAuslR 2006 S. 244 ff. = NVwZ 2006 S. 707 ff. = juris Rdnrn. 37 ff.).
Dass derartige, unmittelbar mit einer Vorverfolgung verknüpfte Voraussetzungen,
wie "etwa psychische, traumatische Belastungen aus einem besonders schweren,
nachhaltig wirkenden Verfolgungsschicksal" (vgl. Hess. VGH, Urteil vom 10.
Februar 2005 a.a.O. juris Rdnr. 81), vorliegend gegeben sein könnten, lässt sich
dem Vorbringen auf Seite 23 der Antragsschrift nicht entnehmen. Die durch eine
Vorverfolgung im Zuge der Ausreise nur mittelbar verursachte Aufgabe der
wirtschaftlichen Existenz und familiärer Bindungen im Heimatland und die deshalb
und wegen der allgemein schlechten Lage fehlende Chance, dort eine neue
wirtschaftliche Existenzgrundlage aufzubauen, fallen nicht darunter; die Frage der
grundsätzlichen Anwendbarkeit des Art. 1 C Nr. 5 Satz 2 GK wäre hier deshalb in
einem Berufungsverfahren nicht entscheidungserheblich.
Schließlich sind auch die gegen die verwaltungsgerichtliche Ablehnung der
Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG geltend
gemachten Zulassungsgründe nicht anzunehmen.
Soweit unter dem Gesichtspunkt der vom Beschluss des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofs vom 29. Dezember 2004 (a.a.O.) abweichenden
Nichtberücksichtigung der sog. Qualifikationsrichtlinie ab Seite 14 der
Antragsschrift unter IV. geltend gemacht wird, bei sog. "allgemeinen Gefahren"
gelte danach nicht der Gefahrmaßstab der "extremen Gefahr" des
Bundesverwaltungsgerichts, sondern der europarechtliche Gefahrmaßstab des
EGMR, ist die mit dieser Divergenzrüge aufgeworfene Frage - abgesehen von dem
zwischenzeitlichen Ablauf der Umsetzungsfrist - schon deshalb nicht
entscheidungserheblich, weil das Verwaltungsgericht in Bezug auf Gefahren
allgemeiner Art im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG die Frage einer "extremen
Gefahrenlage" auf Seite 18 seiner Entscheidungsgründe im Hinblick auf die
Verneinung einer verfassungswidrigen Schutzlücke auf Grund der hessischen
Erlasslage gerade offen gelassen hat.
Die dazu ab Seite 17 unter E. und F. in der Antragsschrift als rechtsgrundsätzlich
formulierten Fragen,
"ob unter Anwendung des so genannten extremen Gefahrenmaßstabes ein
Gericht dahingehend argumentieren darf, dass die Kläger mit "alsbaldige
Abschiebung" nicht zu rechnen hätten, da Familien mit Kindern nach der
Erlasslage nachrangig zurückgeführt werden sollen" (Seite 17),
und
"ob die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil v.
12.07.2001 - 1 C 2.01 -, InfAuslR 2002, 48, 50, 51; BVerwG, Urteil vom 12.07.2001
- 1 C 5.01 -, InfAuslR 2002, 52 ff.) zum fehlenden Rechtsschutzbedürfnis für die
Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs, 6 S. 1 AuslG (jetzt: §
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Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs, 6 S. 1 AuslG (jetzt: §
60 Abs. 7 S. 1 AufenthG) in verfassungskonformer Anwendung ab dem
01.01.2005, dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes noch haltbar ist" (Seite
19),
werfen auch unter Berücksichtigung der jeweils nachfolgenden Begründungen
keine hier entscheidungserheblichen oder allgemein klärungsbedürftigen
Rechtsfragen auf.
Die nicht ausdrücklich formulierte, aber durch den Bezug auf die
Qualifikationsrichtlinie auf Seite 18 und unter Berücksichtigung der Ausführungen
auf Seite 15 des Antragsschreibens angedeutete Frage, ob bei allgemeinen
Gefahren, die sich individuell auf den Einzelnen auswirken, nicht subsidiärer Schutz
unmittelbar gemäß Art. 15 c) QRL zu gewähren ist, und zwar ohne Rücksicht auf
die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG und deshalb ohne die
Erfordernisse einer verfassungswidrigen Schutzlücke und einer "extremen
Gefahrenlage" für eine verfassungskonforme Anwendung, ist in der
Rechtsprechung teilweise geklärt und nach deren inhaltlicher Auslegung für den
vorliegenden Fall jedenfalls nicht entscheidungserheblich.
Nach dieser Rechtsprechung ist nach dem am 10. Oktober 2006 erfolgten Ablauf
der Umsetzungsfrist mit Art. 15 c) i.V.m. Art. 18 QRL ein neuer Unterfall zu § 60
Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinzugetreten, der bis zu seiner vollständigen Umsetzung
in das deutsche Recht unmittelbar anzuwenden ist (vgl. u. a. Hess. VGH, Urteil
vom 9. November 2006 - 3 UE 3238/03.A - juris Rdnr. 20; Bayer. VGH, Urteil vom
26. Februar 2007 - 13 a B 06.31169 - juris Rdnr. 20), so dass im
Anwendungsbereich dieses besonderen internationalen subsidiären Schutzes eine
Differenzierung zwischen allgemeinen Gefahren und solchen nicht allgemeiner Art,
der Maßstab einer extremen Gefahrenlage und das Erfordernis einer
verfassungswidrigen Schutzlücke nicht heranzuziehen sein dürften (vgl. VG
Stuttgart, Urteil vom 21. Mai 2007 - 4 K 2563/07 - juris Rdnr. 18; Marx, Ausländer-
und Asylrecht, 2. Aufl. 2005, Rdnr. 213 zu § 7, S. 708;
Begründungszusammenhänge der Urteile des Hess. VGH vom 9. November 2006
und des Bayer. VGH vom 26. Februar 2007 jeweils a.a.O.; unklar OVG NW,
Beschluss vom 21. März 2007 - 20 A 5164/04.A - juris Rdnr.30; eher a.A. OVG
Schl.-H., Beschluss vom 22. Dezember 2006 - 1 LA 125/06 - juris Rdnr. 7).
Der Anwendungsbereich des subsidiären Schutzes unmittelbar aus Art. 15 c) QRL
ist aber auf solche ernsthaften Schäden begrenzt, die in einem unmittelbaren
Zusammenhang zu bewaffneten Konflikten und kriegsgleichen Zuständen ab einer
bestimmten Größenordnung hinsichtlich Intensität und Dauer, wie etwa
landesweiten Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen stehen,
während die mit solchen Konflikten allgemein für die Bevölkerung mittelbar
verbundenen nachteiligen Konsequenzen, wie etwa eine schlechte Sicherheits- und
Versorgungslage, jedenfalls hinsichtlich ihrer nachträglichen Auswirkungen nicht
darunter fallen; eine in den Anwendungsbereich des Art. 15 c) QRL fallende
gegenwärtige landesweite Bürgerkriegssituation ist danach sowohl für den Kongo
(vgl. Hess. VGH, Urteil vom 9. November 2006 a.a.O.) wie auch für den Irak
abgelehnt worden (vgl. Bayer. VGH, Urteil vom 26. Februar 2007 a.a.O.). Danach
kann auch für Afghanistan nicht von einer derzeitigen landesweiten Bedrohung
infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts
gemäß Art. 15 c) QRL ausgegangen werden, da begrenzte Bandenkriege nicht
darunter fallen und bürgerkriegsähnliche bewaffnete Auseinandersetzungen mit
den Taliban und anderen extremistischen Gruppierungen allenfalls im Süden und
Süd-Osten des Landes, nicht aber in anderen Provinzen und vor allem nicht in der
Hauptstadt Kabul stattfinden. Wegen der allgemein schlechten Sicherheits- und
Versorgungslage bleibt es deshalb bei der Anwendbarkeit des § 60 Abs. 7 Satz 2
AufenthG und damit bei den eingeschränkten Möglichkeiten einer
verfassungskonformen Anwendung.
Die dazu auf Seite 19 der Antragsschrift aufgeworfene Frage, ob auch nach
Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes am 1. Januar 2005 und trotz der damit
eingetretenen erheblichen Verbesserung des Rechtsstatus nach Gewährung von
Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG eine verfassungswidrige
Schutzlücke wegen eines vergleichbar wirksamen Schutzes verneint werden kann,
wenn nach einer landesweiten Erlasslage nicht mit einer zeitnahen, alsbaldigen
Abschiebung zu rechnen ist, ist in der Rechtsprechung des beschließenden
Senats, anderer Oberverwaltungsgerichte und des Bundesverwaltungsgerichts
hinreichend geklärt und kann deshalb eine grundsätzliche Bedeutung der
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hinreichend geklärt und kann deshalb eine grundsätzliche Bedeutung der
vorliegenden Rechtssache nicht begründen.
Zu dieser Frage hat der Senat u. a. in einem Beschluss vom 12. Oktober 2006 - 8
UZ 259/06.A - u. a. ausgeführt, der Senat habe in mehreren
Berufungszulassungsverfahren ab September 2005 die Auffassung vertreten und
bestätigt, dass eine die Überwindung der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2
i.V.m. § 60a Abs. 1 AufenthG rechtfertigende verfassungswidrige Schutzlücke zu
verneinen sei, wenn aufgrund der Erlasslage mit einer alsbaldigen zeitnahen
Abschiebung eines abgelehnten Asylbewerbers nicht zu rechnen sei. Der Hinweis,
ein solcher Erlass stelle keinen gleichwertigen Schutz im Sinne des Urteils des
Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Juli 2001 - 1 C 2/01 - dar, sei nicht geeignet,
eine Abweichung von dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung und/oder eine
erneute Klärungsbedürftigkeit zu begründen. Aus dem Gesamtzusammenhang
dieses Urteils des Bundesverwaltungsgerichts ergebe sich vielmehr, dass der einer
verfassungswidrigen Schutzlücke entgegenstehende "gleichwertige Schutz" keine
bestimmte Dauer oder Qualität einer vorübergehenden Bleibemöglichkeit, sondern
vielmehr nur voraussetze, dass der Durchführung der Abschiebung abgelehnter
Asylbewerber nicht nur tatsächliche Hindernisse entgegenstünden, wie etwa ein
Flugverbot, sondern dass ihnen durch behördliche Maßnahmen Schutz gewährt
und ihr Aufenthalt deshalb nicht in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem
negativen Abschluss des Asylverfahrens beendet werde.
Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach
es für den vergleichbar wirksamen Schutz eines Abschiebestopp-Erlasses
gegenüber den Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG nur
auf die Schutzwirkung der Duldung bzw. eines Erlasses im Hinblick auf eine
drohende Abschiebung ankomme, nicht aber auf Folgewirkungen im Hinblick auf
eine Verfestigung des Aufenthaltsrechts, wie etwa einen Anspruch auf eine
Aufenthaltsgenehmigung. Die durch das Aufenthaltsgesetz eingeführte bessere
aufenthaltsrechtliche Stellung des Betroffenen bei Bestehen von
zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten, die im Regelfall zur Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG führe und ggf. später eine noch
weitergehende Verfestigung des Aufenthalts zur Folge haben könne, gehöre nicht
zu dem verfassungsrechtlich mit Rücksicht auf Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG
gebotenen Schutz vor Abschiebung in eine unmittelbar drohende extreme
Gefahrensituation (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. August 2006 - 1 B 60/06 (1 C
21/06) - juris Rdnr. 4; vgl. auch Bayer. VGH, Beschluss vom 13. Oktober 2006 - 13
a ZB 096.30856 - juris Rdnr. 4, und Urteil vom 26. Februar 2007 a.a.O. juris Rdnr.
25; OVG Schl.-H., Beschluss vom 22. Dezember 2006 a.a.O. juris Rdnr. 6).
Nach alledem sind die Zulassungsanträge des Klägers und der Klägerinnen mit der
Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 i.V.m. § 159 Satz 1 VwGO und § 100 ZPO
abzulehnen; Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben.
Dieser Beschluss ist gemäß § 78 Abs. 5 Satz 2 und § 80 AsylVfG unanfechtbar.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.