Urteil des HessVGH vom 14.01.1993
VGH Kassel: meisterprüfung, veränderte verhältnisse, befreiung, notkompetenz, auskunft, anpassung, rechtsverordnung, diplom, fachhochschule, handwerk
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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
11. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
11 UE 3543/87
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 80 Abs 1 S 2 GG, § 46
Abs 3 HwO, § 3
HwPrAnerkV
(Befreiung von einzelnen Prüfungsteilen der
Meisterprüfung für das Maurerhandwerk;
Regelungsauftrag des HwO § 46 Abs 3 Satz 3)
Leitsatz
1. § 46 Abs 3 Satz 2 Handwerksordnung ist keine im Rahmen der Rechtsanwendung
auszufüllende Generalklausel, sondern ausschließlich eine Verordnungsermächtigung,
die einen Regelungsauftrag an den zuständigen Bundesminister enthält. Bereits
abgelegte Prüfungen der darin bezeichnet Art
können daher nur dann als mit Teilen der Meisterprüfung gleichwertig angesehen
werden und zur Befreiung von Prüfungsteilen führen, wenn ihre Gleichwertigkeit
normiert ist.
2. Zur Frage einer Notkompetenz zur unmittelbaren Umsetzung der
Ermächtigungsnorm im Rahmen der Rechtsanwendung bei Untätigkeit des
Verordnungsgebers
3. Zur Zulässigkeit sog. Normerlaßklagen
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Zulassung zur Meisterprüfung im Maurerhandwerk unter
Befreiung vom Prüfungsteil III (Prüfung der wirtschaftlichen und rechtlichen
Kenntnisse). Er hat im Jahre 1980 an der Fachhochschule F ... die Diplomprüfung
als Betriebswirt und im Jahre 1984 die Gesellenprüfung im Maurerhandwerk
bestanden.
Seinen auf § 46 Abs.3 Satz 2 Handwerksordnung gestützten und mit seiner
Qualifikation als Diplom-Betriebswirt begründeten Befreiungsantrag lehnte der
Meisterprüfungs-Ausschuß für das Maurerhandwerk bei der Handwerkskammer ...
mit Bescheid vom 28. August 1984 mit der Begründung ab, daß die Befreiung von
Prüfungsteilen nur nach Maßgabe der auf § 46 Abs.3 Satz 3 Handwerksordnung
beruhenden Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft über die Anerkennung
von Prüfungen bei der Eintragung in die Handwerksrolle und bei Ablegung der
Meisterprüfung im Handwerk vom 2. November 1982 (BGBl.I S.1475) möglich sei.
§ 3 dieser Verordnung sehe jedoch eine Befreiung vom Prüfungsteil III nur in den
Fällen vor, in denen die bereits abgelegte Prüfung an einer in der Anlage 4
aufgeführten Unterrichtsanstalten absolviert worden sei. Die Fachhochschule F ...
sei in dieser Anlage nicht genannt.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger bei der Handwerkskammer ... am 28.
September 1984 Widerspruch ein und behauptete, in der von ihm absolvierten
Prüfung zum Diplom-Betriebswirt würden höhere Anforderungen gestellt als in Teil
III der Meisterprüfung. Daß Diplom-Betriebswirte mit Fachhochschulabschluß in
Anlage 4 der Verordnung vom 2. November 1982 nicht erwähnt seien, beruhe auf
einer Regelungslücke, die im Wege der Auslegung geschlossen werden müsse.
Den Rechtsbehelf wies der Regierungspräsident in Darmstadt mit
Widerspruchsbescheid vom 28. August 1985 zurück. Zur Begründung vertrat er die
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Widerspruchsbescheid vom 28. August 1985 zurück. Zur Begründung vertrat er die
Auffassung, der Bundesminister für Wirtschaft habe von seiner
Regelungskompetenz im Verordnungswege abschließend Gebrauch gemacht. Eine
unbewußte Regelungslücke, die im Wege der Auslegung geschlossen werden
könne, enthalte diese Verordnung nicht.
Am 27. September 1985 hat der Kläger bei dem Verwaltungsgericht Darmstadt
die vorliegende Klage erhoben, mit der er unter Vertiefung seines bisherigen
Vorbringens sein Anliegen weiter betrieben hat. Wegen der Einzelheiten wird auf
die Klageschrift vom 26. September 1985 und den Schriftsatz seines
Bevollmächtigten vom 3. April 1987 Bezug genommen.
Der Kläger hat sinngemäß beantragt,
den Bescheid vom 28. August 1984 und den Widerspruchsbescheid vom 28.
August 1985 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Kläger vom Teil III
der Meisterprüfung des Maurerhandwerks zu befreien.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der Begründung dieses Antrags wird auf den Schriftsatz der
Handwerkskammer ... vom 2. Juni 1987 Bezug genommen.
Das Verwaltungsgericht Darmstadt hat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne
mündliche Verhandlung entschieden und die Klage mit einem am 3. September
1987 beratenen Urteil abgewiesen. Wegen des klaren Wortlauts des § 46 Abs.3
Satz 3 Handwerksordnung unterliege es keinem Zweifel, daß die Verordnung vom
2. November 1982 sämtliche Befreiungsfälle abschließend regele und Befreiungen
unter Rückgriff auf § 46 Abs.3 Satz 2 Handwerksordnung nicht möglich seien. Eine
unbeabsichtigte Regelungslücke in dieser Verordnung sei, wie sich aus einer im
Widerspruchsbescheid zitierten Stellungnahme des Bundesministers für Wirtschaft
ergebe, nicht vorhanden. Die hier einschlägigen Vorschriften der
Handwerksordnung basierten auf dem Regelfall, daß derjenige, der ein Handwerk
selbständig betreiben wolle, die Meisterprüfung vollständig abzulegen habe. Diese
subjektive Zulassungsvoraussetzung verstoße nicht gegen Art.12 Abs.1
Grundgesetz, da sie im Normalfall zu dem angestrebten Zweck des
ordnungsgemäßen selbständigen Betriebs des Handwerks nicht außer Verhältnis
stehe. Ein unverhältnismäßiger Eingriff könne mit der Regelung lediglich dann
verbunden sein, wenn dem Probanden die mehrfache Ablegung inhaltsgleicher
Prüfungen abverlangt würde. Durch die relativ weite Fassung des § 46 Abs.3 Satz 2
Handwerksordnung habe der Gesetzgeber dem Verordnungsgeber einen breiten
Entscheidungsspielraum gelassen. Daß Diplomprüfungen der vom Kläger
absolvierten Art nicht in den Katalog der Befreiungsgründe aufgenommen worden
seien, beruhe nicht auf einer evident unsachgerechten Differenzierung und sei
daher rechtlich nicht zu beanstanden. Dem Vortrag des Klägers seien auch keine
detaillierten Angaben über die Vergleichbarkeit der von ihm abgelegten
Diplomprüfung mit Teil III der Meisterprüfung sowie der absolvierten
Fachhochschule mit den in Anlage 4 zur Verordnung vom 2. November 1982
(BGBl.I S.1475) genannten Lehranstalten zu entnehmen.
Gegen dieses seinem Prozeßbevollmächtigten am 12. Oktober 1987 zugestellte
Urteil hat der Kläger am 27. September 1987 bei dem Verwaltungsgericht
Darmstadt Berufung eingelegt, zu deren Begründung er sein bisheriges
Vorbringen vertieft. Wegen Einzelheiten wird auf die Schriftsätze seines
Bevollmächtigten vom 26. April 1988 und vom 25. Februar 1992 sowie auf das mit
dem letztgenannten Schriftsatz vorgelegte Schreiben des Bundesministers für
Wirtschaft vom 20. Februar 1992 Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 3.
September 1987 den Bescheid des Meisterprüfungs-Ausschusses bei der
Handwerkskammer ... vom 28. August 1984 in der Fassung des
Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidenten in Darmstadt vom 28. August
1985 aufzuheben und den Meisterprüfungs-Ausschuß zu verpflichten, den Kläger
von Teil III der Meisterprüfung zu befreien.
Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
Das Berufungsgericht hat eine amtliche Auskunft des Bundesministers für
Wirtschaft zum Stand der Vorarbeiten für eine früher beabsichtigte Novellierung
der Verordnung vom 2. November 1982 eingeholt. Wegen der Einzelheiten wird auf
das Auskunftsersuchen des Berichterstatters vom 8. Oktober 1992 und das
Schreiben des Bundesministers für Wirtschaft vom 11. Dezember 1992 verwiesen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den
Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Dem Gericht liegen die den Kläger betreffenden Akten des Meisterprüfungs-
Ausschusses bei der Handwerkskammer ... vor.
Entscheidungsgründe
Über die Berufung kann mit Einverständnis der Beteiligten der Berichterstatter
ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§§ 87a Abs.2 und 3, 101 Abs.2, 125
Abs.1 VwGO).
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§ 124
VwGO).
Sie ist jedoch nicht begründet, denn das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht
abgewiesen.
Das Berufungsgericht tilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, daß der
Beklagte nicht unter Rückgriff auf § 46 Abs.3 Satz 2 Handwerksordnung eine
vermeintliche Regelungslücke in der aufgrund der Ermächtigung in § 46 Abs.3 Satz
3 Handwerksordnung erlassenen Verordnung über die Anerkennung von Prüfungen
bei der Eintragung in die Handwerksrolle und bei Ablegung der Meisterprüfung im
Handwerk vom 2. November 1982 (BGBl.I S.1475) schließen und den Kläger von
Teil III der Meisterprüfung im Maurerhandwerk befreien kann. Auf die zutreffenden
Ausführungen des Verwaltungsgerichts in den Entscheidungsgründen des
angegriffenen Urteils wird insoweit gemäß § 130 b VwGO Bezug genommen. Die
im Berufungsverfahren eingeholte amtliche Auskunft des Bundesministers für
Wirtschaft vom 11. Dezember 1992 zeigt in Verbindung mit der im
Widerspruchsbescheid zitierten Stellungnahme dieses Ministeriums und dessen
vom Kläger vorgelegten Schreiben vom 20. Februar 1992, daß eine dem Anliegen
des Klägers Rechnung tragende und bei einer Entscheidung über die vorliegende
Verpflichtungsklage auch in der Berufungsinstanz noch zu berücksichtigende
Änderung der Verordnung vom 2. November 1982 nicht mehr beabsichtigt ist,
sondern offenbar eine die Zulassung zur Meisterprüfung erleichternde Novellierung
der Handwerksordnung abgewartet werden soll. Damit steht zur Überzeugung des
Gerichts fest, daß es auf nicht absehbare Zeit bei der vom Verwaltungsgericht
zutreffend dargestellten Rechtslage bleiben wird.
Soweit der Kläger im Berufungsverfahren unter Vertiefung seines früheren
Vorbringens der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts entgegengetreten ist,
vermag seine Argumentation nicht zu überzeugen. Indem der Kläger seinen
vermeintlichen Befreiungsanspruch unmittelbar aus § 46 Abs.3 Satz 2
Handwerksordnung herleiten möchte, mißt er dieser Bestimmung den Charakter
einer im Rahmen der Rechtsanwendung auszufüllenden Generalklausel bei. Diese
Auffassung ist jedoch mit der Regelungssystematik des § 46 Abs.3
Handwerksordnung nicht vereinbar. Nach dem in seinem Wortlaut eindeutigen § 46
Abs.3 Satz 3 Handwerksordnung bestimmt der Bundesminister für Wirtschaft im
Einvernehmen mit dem Bundesminister für Bildung und Wissenschaft durch
Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates, welche Prüfungen nach Satz
2 den Anforderungen einer Meisterprüfung entsprechen, und das Ausmaß der
Befreiung. Damit hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, daß er in § 46 Abs.3 Satz
2 Handwerksordnung lediglich die Maßstäbe für die delegierte Rechtssetzung im
Sinne des Art.80 Abs.1 Satz 2 Grundgesetz festlegen und nicht eine
Generalklausel für die Beurteilung der Vergleichbarkeit von Prüfungen unmittelbar
durch die rechtsanwendenden Behörden und Gerichte schaffen wollte. Vielmehr
müssen ausnahmslos alle möglicherweise vergleichbaren Prüfungen erst den Filter
des komplizierten Verordnungsverfahrens nach § 46 Abs.3 Satz 3
Handwerksordnung in Verbindung mit Art.80 und 82 Abs.1 Satz 2 Grundgesetz
durchlaufen, ehe sie nach entsprechender Rechtssetzung im Verordnungswege
von den zuständigen Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichten als
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von den zuständigen Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichten als
gleichwertig anerkannt werden können. Daran ändert sich hier auch nichts
deswegen, weil dem Verordnungsgeber in § 46 Abs.3 Satz 3 Handwerksordnung
nicht nur eine Ermächtigung, sondern ein Regelungsauftrag erteilt worden ist. Für
derartige Konstellationen hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom
13. Februar 1991 -- 8 C 15.89 -- (BVerwGE 88, 13 (15 f.)) für den Fall der
Untätigkeit des Verordnungsgebers ausgeführt:
"Allerdings ist dem Verordnungsgeber in ...nicht nur eine Ermächtigung,
sondern ein Regelungsauftrag erteilt worden. Dies begründet jedoch für den hier
voraussetzungsgemäß zu unterstellenden Fall der Unwirksamkeit der
Durchführungsverordnung keine verfassungsrechtliche Sperre der Anwendung der
auszufüllenden Beschränkungsvorschriften des Fehlbelegungsgesetzes bis zum
Erlaß einer neuen gültigen Verordnung. Denn auch wenn der Gesetzgeber
zwingend die Ausfüllung einer gesetzlichen Regelung durch eine Rechtsverordnung
vorschreibt, können Verwaltung und Rechtsprechung ausnahmsweise die
Vorschriften des Gesetzes unmittelbar anwenden, sofern der Verordnungsgeber
untätig bleibt (vgl. BVerfGE 79, 174 (193 ff.); BVerwGE 71, 150 (154 f.) unter
Aufgabe der in BVerwGE 61, 295 (298 ff.) vertretenen Rechtsauffassung, BVerwGE
77, 285 (286 f.) und Urteil vom 20. Oktober 1989 -- BVerwG 4 C 12.87 --, Buchholz
407.4 § 18 c FStrG Nr.2 S.1 (9 ff.)). Insoweit gilt im Grundsatz nichts anderes als
für einen verfassungsrechtlichen Anspruch, zu dessen Realisierung eine (einfach)
gesetzliche Grundlage nicht unbedingt notwendig ist. Solange der Gesetzgeber die
Modalitäten eines solchen Anspruchs nicht geregelt hat, müssen Inhalt, Umfang
und Voraussetzungen seiner Geltendmachung von der Rechtsprechung in
unmittelbarer Anwendung der verfassungsrechtlichen Vorgaben umrissen werden
(vgl. BVerwGE 38, 175 (185))....
Die Inanspruchnahme einer richterlichen Notkompetenz kommt freilich nicht in
Betracht, wenn die gesetzliche Regelung ohne die ausstehende Rechtsverordnung
nicht vollziehbar ist (vgl. BVerfGE 13, 248 (254); 16, 332 (338)) oder wenn sie dem
verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot nicht genügt (vgl. BVerfGE 21, 73 (79
f.); 31, 255 (264)). Ist eine gesetzliche Regelung jedoch auf den Einzelfall
unmittelbar anwendbar, so hindert das Fehlen einer gesetzlich vorgesehenen
Rechtsverordnung für Verwaltung und Gerichte daran nur dann, wenn ein dahin
gehender Wille des Gesetzgebers im Gesetz zum Ausdruck gekommen ist und
'wenn die damit verbundene Rechtsanwendungssperre keine unerträglichen
Auswirkungen auf die Verfolgung öffentlicher Belange oder den Schutz von
Grundrechten hat' (BVerfGE 79, 174 (194))."
Selbst wenn man diese für den Fall des gänzlichen Untätigbleibens des
ermächtigten Verordnungsgebers entwickelten Grundsätze auf den nach Ansicht
des Klägers gegebenen Fall mangelnder Anpassung einer bereits erlassenen
Verordnung an neue Erkenntnisse übertragen wollte, würde dies der Klage nicht
zum Erfolg verhelfen. Denn die durch die Verordnungsermächtigung in § 46 Abs.3
Satz 3 Handwerksordnung geschaffene Sperre für eine unmittelbare
Rechtsanwendung in bezug auf § 46 Abs.3 Satz 2 Handwerksordnung würde im
Sinne einer richterlichen Notkompetenz nach Auffassung des
Bundesverfassungsgerichts nur dann durchbrochen, wenn der Verordnungsgeber
mit einer Anpassung der Verordnung an veränderte Verhältnisse oder
Erkenntnisse unangemessen lange gewartet hätte. In seinem Beschluß vom 14.
März 1989 -- 1 BvR 1033/82 -- zur Nichtigkeit des § 14 Abs.5 der
Approbationsordnung für Ärzte 1978 hat das Bundesverfassungsgericht folgendes
ausgeführt (BVerfGE 80, 1 (34)):
"Die Entscheidung darüber, auf welche Weise die entstandene Lücke
sachgerecht geschlossen werden soll, gebührt in erster Linie dem
Verordnungsgeber. Die Verwaltungsgerichte müssen diesem eine angemessene
Anpassungsfrist einräumen. Sollte der Verordnungsgeber seiner
verfassungsrechtlichen Verpflichtung nicht nachkommen, müßten die
Verwaltungsgerichte im Wege richterlicher Lückenfüllung eine Bestehensregel
finden, die den Anforderungen des Art.12 Abs.1 GG genügt."
Eine unangemessene Verzögerung der Anpassung der Verordnung vom 2.
November 1982 an veränderte Verhältnisse oder Erkenntnisse ist im vorliegenden
Fall nicht ersichtlich, zumal der Bundesminister für Wirtschaft ausweislich seiner
amtlichen Auskunft vom 11. Dezember 1992 von einer alsbaldigen Novellierung
der Handwerksordnung ausgeht, die eine Anerkennung von Prüfungen im
Verwaltungsverfahren ermöglichen und eine Regelung im Verordnungswege
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Verwaltungsverfahren ermöglichen und eine Regelung im Verordnungswege
generell entbehrlich machen wird. Unter diesem Gesichtspunkt besteht für die
Untätigkeit des Verordnungsgebers jedenfalls derzeit ein sachlicher Grund.
Im übrigen sind die für den Kläger mit der unterbliebenen Anpassung der
Verordnung verbundenen Nachteile nicht so gravierend, daß sie zur Wahrung
seines Grundrechts aus Art.12 Abs.1 Grundgesetz eine unmittelbare Anwendung
des § 46 Abs.3 Satz 2 Handwerksordnung im Wege richterlicher Notkompetenz
zwingend erforderlich machen würde. Die Freiheit der Berufswahl wird durch den
Zwang, sich wie die übrigen Prüflinge auch einer Prüfung der rechtlichen und
wirtschaftlichen Kenntnisse zu unterziehen, nicht beeinträchtigt. Es ist allenfalls im
Rahmen des allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit
fraglich, ob Prüflingen, die bereits im Rahmen eines anderen Prüfungsverfahrens
gleichen oder ähnlichen Anforderungen ausgesetzt waren, im Rahmen der
Meisterprüfung zugemutet werden kann, sich erneut derartigen Anforderungen zu
stellen. Sollte der Kläger, wie er behauptet, im Rahmen seiner Diplomprüfung
insoweit tatsächlich höheren Anforderungen ausgesetzt gewesen sein, als sie in
Teil III der Meisterprüfung für das Maurerhandwerk auf ihn zukämen, müßte es ihm
im übrigen relativ leicht fallen, diesen Teil der Prüfung zu absolvieren.
Für den Fall, daß sich die in der amtlichen Auskunft des Bundesministers für
Wirtschaft vom 11. Dezember 1992 angedeuteten Novellierungsabsichten nicht in
absehbarer Zeit realisieren sollten, ist der Kläger auf die Möglichkeit einer
sogenannten Normerlaßklage zu verweisen, die allerdings nicht gegen den
Beklagten, sondern gegen die Bundesrepublik Deutschland als Trägerin der
Verordnungsermächtigung zu richten wäre. Die grundsätzliche Zulässigkeit der
Erhebung einer auf Erlaß oder Änderung einer untergesetzlicher Rechtsnorm
gerichteten Klage im Verwaltungsrechtsweg ist -- ungeachtet abweichender
Auffassungen über die Klageart -- mittlerweile anerkannt (BVerwG, Urteil vom 3.
November 1988 -- 7 C 115.86 --, BVerwGE 80, 355 (360 ff.); Würtenberger, Die
Normenerlaßklage als funktionsgerechte Fortbildung verwaltungsprozessualen
Rechtsschutzes, AöR 105 (1980), 370 ff.; Kopp, VwGO, 9.Aufl., Rdnr.9 zu § 47
VwGO m.w.N.; a.A. noch: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluß vom 13. Januar 1982
-- 8 B 2353/81 --, NJW 1982, 1415, und OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10. März
1988 -- 12 A 171/87 --, NJW 1988, 239, unter Hinweis auf den Grundsatz der
Gewaltenteilung, der durch den Erlaß von zu Rechtssetzungsakten verpflichtenden
Gerichtsentscheidungen verletzt werde).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.