Urteil des HessVGH vom 06.02.1989
VGH Kassel: politische verfolgung, ausreise, religionsunterricht, polizei, minderheit, nichte, bevölkerung, schüler, traktor, seelsorgerische betreuung
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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
12. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 UE 2584/85
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 16 Abs 2 S 2 GG, § 1
Abs 1 AsylVfG, § 4 Abs 1
AsylVfG
(Asylrecht syrisch-orthodoxer Christen aus der
Südosttürkei)
Tatbestand
Der am 1. Januar 1945 - laut Paß in Mardin und laut Nüfus in Nusaybin, Provinz
Mardin - geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger syrisch-orthodoxen
Glaubens. Er reiste am 12. Januar 1980 - mit dem Flugzeug aus Istanbul kommend
- über Frankfurt am Main in die Bundesrepublik Deutschland ein. Er war im Besitz
eines am 28. Dezember 1979 in Mardin ausgestellten und für zwei Jahre gültigen
türkischen Nationalpasses. Nach der darin enthaltenen Nüfuseintragung ist der
Kläger in dem Dorf Ü., Kreis Nusaybin, Provinz Mardin, registriert. Die am 1. Januar
1950 in N. geborene Ehefrau B. des Klägers sowie ihre gemeinsamen Kinder S.
(geb. laut Nüfus am 12. Mai 1966 in N., laut eidesstattlicher Erklärung des Klägers
am 8. Februar 1969 in N.-Ü.), A. (geb. am 31. Mai 1971 in Istanbul), B. (geb. am 7.
Dezember 1973 in Istanbul), I. (geb. am 10. August 1976 in N.) und B. (geb. am 3.
Dezember 1978 in N.) folgten dem Kläger am 26. September 1980. Sie sind
rechtskräftig als Asylberechtigte anerkannt (VG Wiesbaden I/2 E 5793/83). Die
Ehefrau und - mindestens - der Sohn A. des Klägers sind seit dem 2. April 1987 im
Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, der Kläger selbst seit dem 27.
April 1987.
Am 14. April 1980 hatte der Kläger zur Niederschrift der Ausländerbehörde Asyl
beantragt. Dabei gab er als Geburtsort "Mardin", als letzte Anschrift im Heimat-
/Herkunftsland "Ü." und als letzte dortige Berufstätigkeit "selbständig, Landwirt" an;
unter der Rubrik "Sprachkenntnisse" ist "aramäisch" eingetragen. Zur Begründung
seines Asylbegehrens führte der Kläger aus: Er fühle sich wegen seines christlichen
Glaubens verfolgt. In der Heimat sei ein Freund wegen seines Glaubens ermordet
und ihm das Vieh gestohlen worden. Er, der Kläger, sei deshalb aus Angst nach
Istanbul gezogen, wo er gearbeitet habe. Eine Tochter seines Onkels, die mit ihm
gegangen sei, sei im Frühjahr 1975 von Leuten aus Malatya entführt worden. Die
Entführer seien auf seine Anzeige hin festgenommen, jedoch später - da er selbst
von Moslems gezwungen worden sei, nicht auszusagen - wieder freigelassen
worden. Einen Monat später sei er in sein Heimatdorf zurückgekehrt. Dort hätten
die Leute, die schon seinen Freund ermordet hatten, ihm nach und nach Teile von
seinem Traktor gestohlen (wie z.B. Batterie, Auspuff usw.). Außerdem habe er Geld
an die Moslems zahlen müssen, um überhaupt in Ruhe arbeiten zu können. Ein
anderer Freund, der solche Zahlungen verweigert habe, sei ebenfalls ermordet
worden. Die Polizei wisse von den herrschenden Zuständen, unternehme jedoch
nichts dagegen. Im Einzelfall könne man sich nicht an die Polizei wenden, weil man
für diesen Fall von den Erpressern mit dem Tode bedroht werde. Ende 1979, am
Tag seiner Abreise, seien Moslems in die christliche Kirche gekommen und hätten
die Bücher gestohlen. Deswegen seien sie bei der Polizei gewesen; dort sei ihnen
nur gesagt worden, daß die Polizei nichts tun könne. Ausweislich der Niederschrift
wurde die Anhörung des Klägers in deutscher Sprache geführt und ihm die
Niederschrift in türkischer Sprache vorgelesen.
Anläßlich seiner in aramäischer Sprache durchgeführten Anhörung im Rahmen der
Vorprüfung durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge
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Vorprüfung durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge
am 27. Januar 1983 in Nürnberg ergänzte der Kläger zunächst seine Angaben bei
der Ausländerbehörde zum Geburtsort in "M./Ü." und zu den Sprachkenntnissen in
"aramäisch, wenig türkisch und arabisch". Des weiteren führte der Kläger aus: Er
habe keine Schule besucht, könne aber etwas lesen und schreiben. Militärdienst
habe er von 1966 bis 1969 geleistet. Vor der Ausreise sei er in der Landwirtschaft
tätig gewesen. Er habe, und zwar bis etwa August 1975, ca. fünf Jahre lang - die
letzten vier Jahre zusammen mit seiner Familie - in Istanbul gelebt und in einer
Kabelfabrik gearbeitet. Die damals etwa 14 bis 15 Jahre alte Tochter seines
Bruders habe bei ihnen in Istanbul-Tarlabasi gewohnt. Ca. vier bis sechs Wochen
vor der Rückkehr ins Heimatdorf habe er seine Nichte morgens zu ihrer
Arbeitsstelle begleitet; da hätten drei unbekannte Moslems - wie er später von
einem Arbeitskollegen erfahren habe, aus Malatya - ihm das Mädchen entrissen
und entführt. Er sei mit seinem Arbeitgeber, einem Armenier, sofort zur Polizei
gegangen; die Beamten hätten aber lediglich nach der Zahl der Entführer gefragt
und außerdem geäußert, diese hätten seine Nichte wohl geliebt. Durch Zahlung
von Bestechungsgeldern an andere Moslems habe er erfahren, wer die Entführer
gewesen seien, nicht aber, wohin man das Mädchen entführt hatte. Erst viel später
sei bekannt geworden, daß die Nichte in Istanbul lebe, mittlerweile ein Kind habe
und einmal einen erfolglosen Fluchtversuch unternommen habe. Er selbst habe
seinerzeit die Entführer in Istanbul-Tarlabasi gestellt, und es sei zu einer
Auseinandersetzung gekommen, bei der ihm zwei Zähne ausgeschlagen worden
seien. Deshalb sei er nochmals bei der Polizei gewesen; die Beamten hätten ihm
nunmehr gesagt, er solle die Leute selbst auf die Wache bringen. Verhaftet worden
sei von den Entführern keiner. Was hierzu in der Niederschrift über seine Anhörung
bei der Ausländerbehörde im April 1980 aufgenommen worden sei, treffe nicht zu.
Möglicherweise habe der Sprachmittler nicht ausreichend Deutsch gesprochen;
auch bei der damaligen Anhörung habe er im übrigen in Aramäisch ausgesagt. Die
moslemischen Entführer hätten ihn sodann für den Fall, daß er in Istanbul bleibe,
mit dem Tode bedroht. Ausschließlich wegen dieser Bedrohungen habe er Istanbul
verlassen; wirtschaftliche Gründe hierfür habe es nicht gegeben, da er damals
6.000,-- TL monatlich verdient habe. Von seinen Ersparnissen habe er sich einen
Traktor für 95.000,-- TL gekauft und in Ü. für 75.000,-- TL ein Haus gebaut. Mit dem
Traktor habe er Arbeiten in fremden Landwirtschaften erledigt und Transporte
ausgeführt; hierbei habe er durchschnittlich 1.500,-- TL täglich verdient. 1977 habe
er in seinem Haus auch noch einen Krämerladen eröffnet, den seine Ehefrau und
er geführt hätten. Es sei dann immer häufiger zu Überfällen gekommen. Die Leute
seien wohl neidisch gewesen, weil er so viel Geld besessen habe; hinzugekommen
sei seine Religionszugehörigkeit. Er sei fast zehnmal überfallen worden; meist
seien ihm die Täter bekannt gewesen. Einmal sei er deswegen bei der örtlichen
Gendarmeriestation gewesen; er habe eine Bestätigung des Überfalls für ein evtl.
zivilgerichtliches Verfahren gegen die Täter haben wollen; eine solche sei ihm
jedoch versagt worden, weil die Gendarmen gemeint hätten, er wolle damit
irgendwo Asyl beantragen. Im Jahre 1977 seien ihm vom Hof Ersatzteile für seinen
Traktor gestohlen worden; in diesem Zusammenhang sei er zweimal erfolglos bei
der örtlichen Gendarmeriestation gewesen. Später habe er gegen Bezahlung von
den Dieben, deren Namen er von einem anderen Christen erfahren hatte, die Teile
zurückerhalten; Anzeige gegen die Täter habe er aus Angst nicht erstattet.
Zwischen 1977 und 1979 sei er insgesamt mindestens fünfzigmal - er sei
unterwegs mit seinem Traktor überfallen worden, es habe Überfälle auf das Haus
gegeben - bei der Gendarmeriewache in Ü. gewesen; dreimal habe er sich sogar
bei der vorgesetzten Dienststelle in Nusaybin beschwert; infolge einer dieser
Beschwerden sei der vorgesetzte Unteroffizier der ca. fünf oder sechs Gendarmen
des Dorfes versetzt worden. Zuletzt habe er sich nicht mehr aus dem Haus
getraut; außerdem hätten ihn laufend Leute um Beträge in Höhe von 1.000,-- bis
3.000,-- TL erpreßt; so viel Geld habe er nicht aufbringen können. Er habe deshalb
Anfang 1979 sein Geschäft schließen und einen Monat vor seiner Ausreise auch
den Traktor, mit dem er bis dahin seinen Lebensunterhalt bestritten hatte,
verkaufen müssen. Er sei mit dem Traktor nach Nusaybin gefahren, habe diesen
dort heimlich - und zwar weit unter Wert - verkauft, sei sodann nach Mardin
weitergefahren, wo er sich seinen Paß habe ausstellen lassen, und schließlich -
ohne nochmals ins Dorf zurückzukehren - nach Istanbul, von wo er ausgereist sei.
Die restlichen landwirtschaftlichen Geräte, Ersatzteile für den Traktor usw. habe
seine Ehefrau verkauft, um ihre und der Kinder Ausreise zu finanzieren. Seine
Familie habe, wie er aus Briefen erfahren habe, nach seiner Ausreise aus der
Türkei keine Ruhe mehr vor den Moslems gehabt; sie seien bedroht und ihr Vieh
sei gestohlen worden.
Mit Bescheid vom 25. Februar 1983 - zugestellt am 22. April 1983 - lehnte das
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Mit Bescheid vom 25. Februar 1983 - zugestellt am 22. April 1983 - lehnte das
Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Asylantrag des
Klägers ab. Zur Begründung wurde ausgeführt: Es sei nicht ersichtlich, daß die
Christen in der Türkei allgemein in asylerheblicher Weise verfolgt wären und daß
darüber hinaus im vorliegenden Fall für die Ausreise aus der Türkei politische
Verfolgung ursächlich gewesen sei oder daß bei einer Rückkehr mit asylerheblichen
Verfolgungsmaßnahmen gerechnet werden müsse. Weder gebe es in der Türkei
eine gezielte staatliche Verfolgung von Angehörigen der christlichen Minderheit,
noch könne von einer generellen Duldung, Untätigkeit oder gar Unterstützung des
türkischen Staates bei Übergriffen Dritter die Rede sein, wenngleich die türkische
Regierung nicht in jedem Fall die Sicherheit des einzelnen garantieren könne. Die
Folgen der früheren desolaten innenpolitischen Zustände hätten im übrigen nicht
nur die christlichen Minderheiten sondern die türkische Bevölkerung in ihrer
Gesamtheit getroffen. Daß vielfach Christen Opfer von Angriffen und Bedrohungen
von Privatpersonen wurden, sei nicht in erster Linie auf ihre Volks- bzw.
Religionszugehörigkeit, sondern auf ihre relativ bessere wirtschaftliche Situation
sowie auf ihre - durch Abwanderung eines großen Teils der arbeits- und
verteidigungsfähigen Männer - geschwächte Selbstverteidigungskraft
zurückzuführen. Durch den Machtwechsel vom 12. September 1980 habe sich
überdies die Sicherheitslage grundlegend gebessert; dies gelte auch für die
traditionellen Siedlungsgebiete der Christen. Darüber hinaus ergäben sich aus
dem Vortrag des Klägers keine Anhaltspunkte für eine bereits erfolgte oder noch
zu befürchtende asylerhebliche Verfolgung. Gegen die vom Kläger geltend
gemachten Bedrohungen bzw. Übergriffe von Privatpersonen sei der Schutz des
türkischen Staates in Anspruch zu nehmen. Daß dem Kläger gezielt staatlicher
Schutz verweigert worden sei, habe er nicht hinreichend substantiiert und
glaubhaft gemacht. Vielmehr seien staatliche Stellen von ihm nicht in der
erforderlichen intensiven Weise um Schutz gebeten worden. Nach dem
vorliegenden Informationsmaterial sei im übrigen davon auszugehen, daß auch
Christen bei Anrufung der Gerichte in der Türkei zu ihrem Recht gelangten. Gegen
die vom Kläger behauptete Verfolgungsfurcht spreche überdies, daß er seine
Familie zunächst allein dort zurückgelassen habe, wo allgemein lebens- bzw.
existenzbedrohende Umstände vorliegen sollten. Auch stünden die - lange
zurückliegenden - geltend gemachten Ereignisse nicht in ursächlichem
Zusammenhang mit der Ausreise. Unabhängig davon sei dem Kläger zumutbar,
Istanbul als inländische Fluchtalternative in Anspruch zu nehmen; dort träfen
Christen auf bereits vorhandene hilfsbereite und oft wohlhabende christliche
Gemeinden, die ihnen zusätzlich Rückhalt und Hilfestellung böten. Auch für vom
Lande nach Istanbul ziehende Christen bestehe deshalb die Möglichkeit, sich dort
einen Arbeits- und Sozialkreis zu schaffen.
Mit Bescheid vom 20. April 1983 forderte der Landrat des Landkreises Gießen den
Kläger zur Ausreise auf und drohte ihm für den Fall, daß er nicht innerhalb eines
Monats nach Unanfechtbarkeit des Bescheids des Bundesamtes und dieses
Bescheids den Geltungsbereich des Ausländergesetzes verlassen habe, die
Abschiebung an.
Mit Schriftsatz vom 5. Mai 1983, der am folgenden Tage einging, erhob der Kläger
gegen Bundesamtsbescheid und Ausreiseaufforderung Klage.
Zur Begründung seiner Klagen nahm er auf sein bisheriges Vorbringen Bezug und
bestätigte ausdrücklich die anläßlich der Vorprüfungsanhörung gemachten
Angaben, zu denen er nichts zu ergänzen habe. Die Niederschrift über seine
persönliche Anhörung vor der Ausländerbehörde sei insofern unrichtig, als es sich
bei dem entführten Mädchen um die Tochter seines Bruders gehandelt habe und
als die Entführer nicht verhaftet worden seien. Er, der Kläger, wie auch sein
moslemischer Informant seien damals - bevor er zum zweiten Male bei der Polizei
vorgesprochen habe - für den Fall, daß er sich weiter um die Entführungssache
kümmere, mit dem Tode bedroht worden. Die abweichende Darstellung in der
Niederschrift sei wohl darauf zurückzuführen, daß der seinerzeitige Sprachmittler -
es handele sich um den Sohn des Pfarrers der syrisch-orthodoxen Gemeinde in
Pohlheim-Garbenteich - die deutsche Sprache nur unzureichend beherrscht habe.
Bei seiner informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem
Verwaltungsgericht am 26. September 1985 bekräftigte der Kläger nochmals die
Richtigkeit seiner Angaben bei der Vorprüfungsanhörung. Ergänzend führte er aus,
daß sein Bruder, der sich seit etwa einer Woche ebenfalls als Asylbewerber im
Bundesgebiet aufhalte, erzählt habe, daß Kurden ihm die ganze Ernte - die Felder
gehörten ihrer Familie - verbrannt hätten. Im übrigen seien sein, des Klägers,
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gehörten ihrer Familie - verbrannt hätten. Im übrigen seien sein, des Klägers,
Onkel A. und dessen Familie bereits als asylberechtigt anerkannt.
Der Kläger beantragte,
die Beklagte zu 1) unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamtes für
die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 25. Februar 1983 zu verpflichten,
ihn als Asylberechtigten anzuerkennen, sowie den Bescheid des Landrats des
Landkreises Gießen vom 20. April 1983 aufzuheben.
Die Beklagte zu 1) beantragte,
die Klage abzuweisen.
Sie machte geltend: Im Anerkennungsverfahren vor dem Bundesamt sei
zutreffend festgestellt worden, daß ein Anspruch auf Asylgewährung nicht bestehe.
Von einer Gruppenverfolgung der syrisch-orthodoxen Christen - auch in ihrem
Herkunftsgebiet - könne angesichts der allgemeinen Besserung der
Sicherheitssituation in der Türkei, die auch den christlichen Minderheiten zugute
komme, nicht ausgegangen werden; mindestens stehe Istanbul als
Fluchtalternative offen. Das individuelle Vorbringen des Klägers genüge den zu
stellenden Anforderungen ebenfalls nicht; er habe es bei ungenauen und
pauschalen Angaben sowie "nicht näher verifizierten" Behauptungen belassen.
Auch der Beklagte zu 2) beantragte mit näherer Begründung,
die Klage abzuweisen.
Das Verwaltungsgericht gab mit Urteil vom 26. September 1985 den Klagen unter
Zulassung der Berufung statt und führte zur Begründung aus: Der Kläger sei als
Asylberechtigter anzuerkennen, denn er sei politisch Verfolgter i.S. des Art. 16
Abs. 2 Satz 2 GG. Politisch Verfolgter sei ein Ausländer, der in seiner Person
liegenden Eigenschaften wegen oder aufgrund seiner Überzeugungen
Verfolgungsmaßnahmen staatlicher Organe seines Heimat- oder Herkunftslandes
erlitten oder zu befürchten habe. Diese Voraussetzungen erfülle der Kläger, da er
als syrisch-orthodoxer Christ einer Gruppe angehöre, die in jüngster Zeit in
asylrechtlich erheblicher Weise verfolgt worden sei. Es erscheine allerdings
zweifelhaft, ob von einer religiösen Gruppenverfolgung gesprochen werden könne;
die Situation stelle sich eher als eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer
bestimmten sozialen Gruppe dar, nämlich einer durch das gemeinsame Merkmal
des christlichen Glaubens verbundenen Minderheit. Nach 1960 sei die syrisch-
orthodoxe Minderheit zunehmend nicht mehr in der Lage gewesen, sich gegen die
vornehmlich aus Neid und Feindseligkeit erfolgten Übergriffe türkischer Moslems
zu wehren. Staatliche Hilfe hätten die Christen nur in seltenen Fällen zu erlangen
vermocht. Insofern treffe die Stellungnahme von Monsignore Wilschowitz vom 9.
April 1981 den Kern der Sache, wenn es sich hierbei auch um eine vereinfachende
Darstellung der Situation der Christen in der Türkei handele. Die Beklagte zu 1)
habe die Lage der Christen in zahlreichen Bescheiden (etwa vom 10.12.1982 - Tür-
T-13538 -) ebenfalls zutreffend geschildert. Da der Kläger nach seinen glaubhaften
Darlegungen in der Türkei mit feindlich gesinnten Moslems in Berührung
gekommen sei, könne auch nicht davon ausgegangen werden, daß er von der
allgemein stattfindenden Gruppenverfolgung der Christen in der Türkei
ausgenommen gewesen sei. Zudem müsse er bei einer Rückkehr in die Türkei
befürchten, dort in asylrechtlich erheblicher Weise verfolgt zu werden. Zwar habe
sich insgesamt gesehen die Sicherheitslage nach dem Militärputsch am 12.
September 1980 deutlich verbessert. Dies gelte jedoch - bedingt durch
zunehmende Abwanderung - nicht für die christlichen Minderheiten, so daß von
einer weiterhin bestehenden Gruppenverfolgung gesprochen werden müsse.
Schließlich gebe es keine Möglichkeit, der Gruppenverfolgung innerhalb der Türkei
auszuweichen. Die als inländische Fluchtalternative in Betracht kommenden
Großstädte Istanbul und Ankara seien nicht in der Lage, die große Zahl der
abgewanderten Christen aufzunehmen und ihnen das Existenzminimum zu
gewährleisten. Die Rückkehr der Christen würde deshalb voraussichtlich zu
Spannungen führen, die sich zu pogromartigen Übergriffen steigern könnten.
Letzten Endes könne aber dahinstehen, ob zum gegenwärtigen Zeitpunkt die
Minderheit der Christen in der Türkei verfolgt werde; sie müsse hiermit jedenfalls in
absehbarer Zukunft ernsthaft rechnen; denn die weitere Entwicklung lasse sich vor
dem Hintergrund der wachsenden Islamisierungstendenzen nicht sicher
abschätzen. Nach alledem sei dem Kläger Asyl zu gewähren. Dementsprechend
sei auch die Klage begründet, die sich gegen den Bescheid des Beklagten zu 2)
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sei auch die Klage begründet, die sich gegen den Bescheid des Beklagten zu 2)
richte.
Gegen dieses ihm am 8. November 1985 zugestellte Urteil hat der
Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten mit Schriftsatz vom 5. Dezember
1985 - eingegangen am 6. Dezember 1985 - hinsichtlich des asylrechtlichen
Verfahrensteils Berufung eingelegt.
Er macht geltend: Der Kläger habe weder bisher eine asylrechtlich erhebliche
Verfolgung erlitten, noch brauche er eine solche für den Fall seiner Rückkehr zu
befürchten. Zwar habe in der Zeit vor dem Militärputsch vom 12. September 1980
in abgelegenen Gebieten wie der östlichen Türkei die türkische Regierung nicht in
jedem Fall die Sicherheit des Einzelnen garantieren können; davon sei aber nicht
nur die christliche Minderheit, sondern die gesamte Bevölkerung betroffen
gewesen. Damalige Übergriffe seien Abbild der Gewaltkriminalität gewesen und
ohne Rücksicht auf die Religions- und Volkszugehörigkeit der Opfer erfolgt, zumal
ihre Häufigkeit nach der Machtübernahme durch die Militärs rapide abgenommen
habe. Im übrigen sei der türkische Staat im wesentlichen auch seinerzeit willens
und grundsätzlich in der Lage gewesen, der christlichen Minderheit Schutz zu
gewähren, so daß die vom Kläger geschilderten Beeinträchtigungen dem Staat
asylrechtlich nicht zurechenbar seien. Mindestens hätte eine Inanspruchnahme
vorgesetzter Dienststellen oder der Staatsanwaltschaft wahrscheinlich Erfolg
gehabt, wenn die örtlichen Stellen untätig geblieben sein sollten. Abgesehen
davon sei dem Kläger jedenfalls jetzt eine Rückkehr in sein Heimatland
zuzumuten, da mindestens in Istanbul eine inländische Fluchtalternative bestehe;
dort sei eine asylerhebliche Verfolgung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit
auszuschließen. Auch wenn der Kläger nie in Istanbul gelebt habe, sei es für ihn
aufgrund des Zusammenhalts der dortigen christlichen Gemeinden nicht
schwieriger als für jeden anderen Türken, sich dort eine Existenzgrundlage zu
schaffen.
Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 26. September 1985 in
bezug auf die Beklagte zu 1) aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf die rechtskräftige Anerkennung seiner Ehefrau und seiner fünf in
der Türkei geborenen Kinder als Asylberechtigte sowie - mit Schriftsatz seiner
Bevollmächtigten vom 5. Mai 1988 - auf die Erfahrungen einer deutschen
Reisegruppe in der Türkei, die zahlreiche Aramäer in Istanbul besucht und befragt
habe. Dabei habe sich ergeben, daß derzeit eine große Tendenz zur Abwanderung
aus Istanbul bestehe, daß es syrisch-orthodoxen Christen allenfalls zwei Jahre lang
gelingen könne, in Istanbul ihre religiöse Identität zu verbergen, und daß sie nach
ihrer "Enttarnung" mit erheblichen Verfolgungen und Nachstellungen durch
Moslems rechnen müßten. Ein Bericht der betreffenden Reisegruppe, der
gegenwärtig erstellt werde, werde dem Senat übersandt, sobald er vorliege.
Die Beklagte zu 1) stellt zu der Berufung keinen Antrag.
Der Senat hat aufgrund des Beschlusses vom 14. Oktober 1988 Beweis erhoben
über die Asylgründe des Klägers durch dessen Vernehmung als Beteiligten durch
den Berichterstatter als beauftragten Richter. Wegen des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift vom 25. November 1988 verwiesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung
einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der
Beteiligten wird auf die von diesen eingereichten Schriftsätze, den einschlägigen
Vorgang des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge -
Gesch.-Z.: Tür-S-45571 - und die über den Kläger geführte Ausländerakte des
Landrats des Landkreises Gießen - L 3 152-05 - (zwei Hefter) Bezug genommen,
ferner auf die über die Ehefrau B. und die Kinder S., A., B., I. und B. geführten
Bundesamts- (163/ 73713/80) und Ausländerbehördenakten des Landrats des
Landkreises Gießen (L 3 152-05, ein - weiterer - Hefter) sowie auf die über den
Bruder M. A. des Klägers geführte Akte des Bundesamtes (163/10802/85) - in
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Bruder M. A. des Klägers geführte Akte des Bundesamtes (163/10802/85) - in
Kopie -. Diese sind ebenso Gegenstand der Beratung gewesen wie die nachfolgend
aufgeführten Dokumente:
1. Dez. 1978 Yonan: "Assyrer heute"
2. 11.04.1979 Auswärtiges Amt an Bay. VGH
3. Mai/Juni pogrom Nr. 64 ("Verfolgte christliche Minderheiten in der Türkei" u.a.)
1979
4. 07.08.1979 Dr. Harb-Anschütz an Bay. VGH
5. 12.11.1979 pd Dokumentation Nr. 49/79: "Christliche Minderheiten aus der
Türkei"
6. Nov. 1979 Ev. Akademie Bad Boll, Materialdienst 2/80: "Christen aus der Türkei
suchen Asyl"
7. Mai 1980 pogrom Nr. 72/73 ("Zur Lage der syrisch-orthodoxen Christen in der
Türkei" u.a.)
8. 20.05.1980 Patriarch Yakup III und Bischof Cicek vor dem VG Gelsenkirchen
9. 15.10.1980 Carragher an Bay. VGH
10. 09.04.1981 Msgr. Wilschowitz: "Die Situation der christlichen Minderheiten in
der Türkei"
11. 29.04.1981 Reisebericht einer schwedisch-norwegischen Reisegruppe
12. 02.05.1981 Dr. Hofmann "Zur Lage der Armenier in Istanbul/Konstantinopel"
13. 12.06.1981 Prof. Dr. Kappert vor VG Hamburg
14. 06.07.1981 Staatssekretär von Staden (BT-Drs. 9/650)
15. 20.07.1981 IGFM an VG Wiesbaden
16. 22.07.1981 Vocke an VG Karlsruhe
17. 04.08.1981 Auswärtiges Amt an VG Wiesbaden
18. 24.11.1981 RA Wiskandt an Bundesamt: "Situation der Christen in der Türkei"
19. 21.01.1982 Schweiz. Ev. Pressedienst Nr. 3
20. 03.02.1982 Auswärtiges Amt an VG Minden
21. 26.03.1982 Auswärtiges Amt an VG Trier
22. 07.04.1982 Pfarrer Diestelmann: "Die Situation der syrisch-orthodoxen
Christen ..."
23. 21.04.1982 Carragher zum Gutachten Wiskandt
24. 28.04.1982 Dr. Hofmann zum Gutachten Wiskandt
25. 06.05.1982 Diakonisches Werk EKD zum Gutachten Wiskandt
26. 18.05.1982 Ev. Gemeinde dt. Sprache in der Türkei an EKD
27. Juni 1982 CCMWE: "The Situation of the Christian Minorities of Turkey ..."
28. 03.07.1982 Anschütz/Harb, Protokoll HR (3. Fernsehprogramm)
29. 26.07.1982 Sürjanni Kadim an VG Minden
30. 17.08.1982 Dr. Harb-Anschütz an VG Minden
31. 1983 Kraft, in "Christ in der Gegenwart": "Fremde und Außenseiter"
32. 28.02.1983 RA Müller: "Zur Lage der Christen in der Türkei"
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33. 04.03.1983 Pfarrer Weber: "Christen aus der Türkei suchen Asyl"
34. Mai 1983 Ev. Akademie Bad Boll, Protokolldienst 27/83: "Studienfahrt in die
Türkei"
35. 09.04.1984 Oberkreisdirektor Gütersloh an RP Detmold
36. 25.05.1984 Auswärtiges Amt an VG Karlsruhe
37. 12.06.1984 epd Dokumentation Nr. 26/84: "Die Lage der christlichen
Minderheiten in der Türkei ..."
38. 26.06.1984 Auswärtiges Amt an Bay. VGH
39. 11.09.1984 Auswärtiges Amt an Hess. VGH
40. 14.09.1984 Dr. Oehring an VG Minden
41. 09.11.1984 Auswärtiges Amt an VGH Baden-Württemberg
42. 03.12.1984 RA Müller, RA Wiskandt, Dr. Oehring und Erzbischof Cicek als
sachverständige Zeugen vor dem Bay. VGH
43. 04.02.1985 Dr. Hofmann an VG Stuttgart
44. 17.03.1985 Prof. Dr. Wießner an VG Stuttgart
45. 07.05.1985 Dr. Binswanger an VGH Baden-Württemberg
46. 30.05.1985 Dr. Oehring an VG Gelsenkirchen
47. 22.06.1985 RA Müller: "Reisebericht zur Lage der Christen in der Türkei"
48. 07.10.1985 Auswärtiges Amt an VG Ansbach
49. 31.03.1986 Sprenzel: "Situation der aramäisch sprechenden, syrisch-
orthodoxen Christen in der (Ost)Türkei"
50. 01.07.1986 EKD an VG Hamburg
51. 14.10.1986 Prof. Dr. Wießner an VG Hamburg
52. 10.11.1986 Auswärtiges Amt an VG Hamburg
53. 03.12.1986 Auswärtiges Amt an VG Köln
54. 06.01.1987 Dr. Tasci vor VG Gelsenkirchen
55. 07.04.1987 Yonan: Gutachten
56. 23.04.1987 Yonan an Bundesamt; Stellungnahme
57. 01.06.1987 Auswärtiges Amt an VG Ansbach
58. 30.06.1987 Ev. Gemeinde deutscher Sprache in der Türkei an VGH Baden-
Württemberg
59. 06.07.1987 Auswärtiges Amt an VGH Baden-Württemberg
60. 09.10.1987 EKD an RA König
61. 18.12.1987 Auswärtiges Amt an OVG Bremen
62. 15.01.1988 Dr. Oehring an VGH Baden-Württemberg
63. 20.01.1988 Auswärtiges Amt - Lagebericht Türkei -
64. April 1988 Regine Erichsen: "Die Religionspolitik im türkischen
Erziehungswesen von der Atatürk-Ära bis heute" in: Zeitschrift für Kulturaustausch
1988, 234
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65. 15.05.1988 Taylan an VG Karlsruhe
66. 25.05.1988 Dr. Oehring an VG Düsseldorf
67. 02.09.1988 Dr. Binswanger an VGH Baden-Württemberg
68. 24.09.1988 Dr. Binswanger an VG Karlsruhe
Entscheidungsgründe
In Anbetracht des Einverständnisses der Beteiligten kann der Senat ohne
mündliche Verhandlung entscheiden (§§ 125 Abs. 1 i.V.m. 101 Abs. 2 VwGO).
I.
Die auf den asylrechtlichen Verfahrensteil beschränkte Berufung des
Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten ist frist- und formgerecht eingelegt
(§§ 124, 125 VwGO) und auch sonst zulässig. Sie ist nämlich vom
Verwaltungsgericht zugelassen worden (§ 32 Abs. 1 AsylVfG), und der
Bundesbeauftragte war zur Einlegung der Berufung ungeachtet dessen befugt,
daß er sich am erstinstanzlichen Verfahren weder durch einen Antrag noch sonst
beteiligt hat (BVerwG, 11.03.1983 - 9 B 2597.82 -, BVerwGE 67, 64 = NVwZ 1983,
413; Hess. VGH, 11.08.1981 - X OE 649/81 -, ESVGH 31, 268).
II.
Die Berufung des Bundesbeauftragten ist auch begründet, denn der Kläger kann
nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der
Berufungsentscheidung die Anerkennung als Asylberechtigter durch die Beklagte
zu 1) nicht beanspruchen, weil er nicht politisch verfolgt ist (§§ 1 Abs. 1, 4 Abs. 1
AsylVfG i.V.m. Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG).
Asylrecht als politisch Verfolgter im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG genießt,
wer bei einer Rückkehr in seine Heimat aus politischen Gründen
Verfolgungsmaßnahmen mit Gefahr für Leib und Leben oder Beeinträchtigungen
seiner persönlichen Freiheit zu erwarten hat (BVerfG, 02.07.1980 - 1 BvR 147/80
u.a. -, BVerfGE 54, 341 = EZAR 200 Nr. 1). Eine Verfolgung ist in Anlehnung an
den Flüchtlingsbegriff des Art. 1 Abschn. A Nr. 2 GK als politisch im Sinne von Art.
16 Abs. 2 Satz 2 GG anzusehen, wenn sie auf die Rasse, Religion, Nationalität,
Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder die politische
Überzeugung des Betroffenen zielt; insoweit kommt es entscheidend auf die
Motive für die staatlichen Verfolgungsmaßnahmen an (BVerwG, 17.05.1983 - 9 C
874.82 -, BVerwGE 67, 195 = EZAR 201 Nr. 5; BVerwG, 17.05.1983 - 9 C 36.83 -,
BVerwGE 67, 184; BVerwG, 08.11.1983 - 9 C 93.83 -, BVerwGE 68, 171 = EZAR
200 Nr. 9; BVerwG, 26.06.1984 - 9 C 185.83 -, BVerwGE 69, 320 = EZAR 201 Nr. 8;
BVerwG, 21.10.1986 - 9 C 28.85 -, BVerwGE 75, 99 = EZAR 200 Nr. 17; BVerwG,
19.05.1987 - 9 C 184.86 -, BVerwGE 77, 258 = EZAR 200 Nr. 19; BVerwG,
20.10.1987 - 9 C 277.86 -, EZAR 202 Nr. 11 = NVwZ 1988, 160; BVerwG,
15.03.1988 - 9 C 278.86 -, EZAR 201 Nr. 13 = JZ 1988, 709). Werden nicht Leib,
Leben oder physische Freiheit gefährdet, sondern andere Grundfreiheiten wie etwa
die Religionsausübung oder die berufliche und wirtschaftliche Betätigung, so sind
allerdings nur solche Beeinträchtigungen asylrelevant, die nach Intensität und
Schwere die Menschenwürde verletzen und über das hinausgehen, was die
Bewohner des Heimatstaats aufgrund des dort herrschenden Systems allgemein
hinzunehmen haben (BVerfG, 02.07.1980, a.a.O.; BVerfG, 01.07.1987 -2 BvR
478/86 u.a. -, BVerfGE 76, 143 = EZAR 200 Nr. 20; BVerwG, 18.02.1986 - 9 C
16.85 -, BVerwGE 74, 31 = EZAR 202 Nr. 7; BVerwG, 18.02.1986 - 9 C 104.85 -,
BVerwGE 74, 41; BVerwG, 20.10.1987 - 9 C 42.87 -, InfAuslR 1988, 22).
Asylerhebliche Bedeutung haben nicht nur unmittelbare Verfolgungsmaßnahmen
des Staats; dieser muß sich vielmehr auch Übergriffe nichtstaatlicher Personen
und Gruppen - als mittelbare staatliche Verfolgungsmaßnahmen - zurechnen
lassen, wenn er sie anregt, unterstützt, billigt oder tatenlos hinnimmt und damit
den Betroffenen den erforderlichen Schutz versagt, der allerdings nicht lückenlos
zu sein braucht (BVerfG, 02.07.1980, a.a.O.; BVerwG, 02.08.1983 - 9 C 818.81 -,
BVerwGE 67, 317 = EZAR 202 Nr. 1; BVerwG, 03.12.1985 - 9 C 33.85 -, BVerwGE
72, 269 = EZAR 202 Nr. 5; BVerwG, 22.04.1986 - 9 C 318.85 u.a. -, BVerwGE 74,
160 = EZAR 202 Nr. 8; BVerwG, 02.07.1986 - 9 C 2.85 -). Asylrelevante politische
Verfolgung - und zwar sowohl unmittelbar staatlicher als auch mittelbar staatlicher
Art kann sich nicht nur gegen Einzelpersonen, sondern auch gegen durch
100
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Art kann sich nicht nur gegen Einzelpersonen, sondern auch gegen durch
gemeinsame Merkmale verbundene Gruppen von Menschen richten mit der
regelmäßigen Folge, daß jedes Gruppenmitglied als von dem Gruppenschicksal
mitbetroffen anzusehen ist (BVerfG, 02.07.1980, a.a.O.; BVerwG, 02.08.1983 - 9 C
599.81 -, BVerwGE 67, 314 = EZAR 203 Nr. 1; BVerwG, 30.10.1984 - 9 C 24.84 -,
BVerwGE 70, 232 = EZAR 202 Nr. 3; BVerwG, 18.02.1986 - 9 C 16.85 -, BVerwGE
74, 31 = EZAR 202 Nr. 7; BVerwG, 23.02.1988 - 9 C 85.87 -, EZAR 202 Nr. 13). Die
Gefahr einer derartigen Verfolgung ist gegeben, wenn dem Asylsuchenden bei
verständiger Würdigung aller Umstände seines Falles politische Verfolgung mit
beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, wobei die insoweit erforderliche
Zukunftsprognose auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen
Tatsachenentscheidung abgestellt und auf einen absehbaren Zeitraum
ausgerichtet sein muß (BVerwG, 31.03.1981 - 9 C 286.80 -, EZAR 200 Nr. 3 =
DVBl. 1981, 1096; BVerwG, 03.12.1985 - 9 C 22.85 -, EZAR 202 Nr. 6 = NVwZ
1986, 760). Einem Asylbewerber, der bereits einmal politisch verfolgt war, kann
eine Rückkehr in seine Heimat nur zugemutet werden, wenn die Wiederholung von
Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist
(BVerfG, 02.07.1980, a.a.O.; BVerwG, 27.04.1982 - 9 C 308.81 - BVerwGE 65, 250
= EZAR 200 Nr. 7; BVerwG, 02.08.1983 - 9 C 599.81 -, BVerwGE 67, 314 = EZAR
203 Nr. 1; BVerwG, 15.10.1985 - 9 C 3.85 -, EZAR 630 Nr. 22; BVerwG, 23.02.1988
- 9 C 85.87 -, EZAR 202 Nr. 13 = NVwZ 1988, 635). Der Asylbewerber ist aufgrund
der ihm obliegenden prozessualen Mitwirkungspflicht gehalten, umfassend die in
seine eigene Sphäre fallenden Ereignisse zu schildern, die seiner Auffassung
zufolge geeignet sind, den Asylanspruch zu tragen (BVerwG, 08.05.1984 - 9 C
141.83 -, EZAR 630 Nr. 13 = NVwZ 1985, 36; BVerwG, 12.11.1985 - 9 C 27.85 -,
EZAR 630 Nr. 23 = InfAuslR 1986, 79; BVerwG, 23.02.1988 - 9 C 32.87 -, EZAR 630
Nr. 25) und insbesondere auch eine politische Motivation der
Verfolgungsmaßnahmen festzustellen (BVerwG, 22.03.1983 - 9 C 68.81 -,
Buchholz 402.24 Nr. 44 zu § 28 AuslG; BVerwG, 18.10.1983 - 9 C 473.82 -, EZAR
630 Nr. 8). Bei der Darstellung der allgemeinen Umstände im Herkunftsland
genügt es dagegen, daß die vorgetragenen Tatsachen die nicht entfernt liegende
Möglichkeit politischer Verfolgung ergeben (BVerwG, 23.11.1982 - 9 C 74.81 -,
BVerwGE 66, 237 = EZAR 630 Nr. 1). Die Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung
kann schließlich nur festgestellt werden, wenn sich das Gericht in vollem Umfang
die Überzeugung von der Wahrheit des von dem Asylbewerber behaupteten
individuellen Verfolgungsschicksals verschafft, wobei allerdings der sachtypische
Beweisnotstand hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerstaat bei der Auswahl der
Beweismittel und bei der Würdigung des Vortrags und der Beweise angemessen zu
berücksichtigen ist (BVerwG, 29.11.1977 - 1 C 33.71 -, BVerwGE 55, 82 = EZAR
201 Nr. 3; BVerwG, 16.04.1985 - 9 C 109.84 -, BVerwGE 71, 180 = EZAR 630 Nr.
17; BVerwG, 12.11.1985, a.a.O.).
Der erkennende Senat ist nach diesen Grundsätzen aufgrund der eigenen
Angaben und Aussagen des Klägers, der beigezogenen Akten und der in das
Verfahren eingeführten Dokumente zu der Überzeugung gelangt, daß der Kläger
nicht kraft innerstaatlich geltender völkerrechtlicher Vereinbarung anzuerkennen
ist (1.), daß er vor seiner Ausreise aus der Türkei weder als Mitglied der Gruppe der
syrisch-orthodoxen Christen politisch verfolgt (2.) noch persönlich von
Verfolgungsmaßnahmen betroffen war (3.) und daß er auch bei einer Rückkehr in
die Türkei weder Gruppenverfolgung zu befürchten hat (4.) noch selbst politischer
Verfolgung ausgesetzt sein wird (5.).
1. Der Kläger, an dessen syrisch-orthodoxer Glaubenszugehörigkeit der Senat in
Anbetracht seiner eigenen Angaben und wegen der Eintragung "Süryani" bzw.
"Süryani kadim" in den Nüfen seiner Ehefrau und seiner Söhne S. und A. (Bl. 31, 34
und 37 der Bundesamtsakte 163/73713/80) keinen Zweifel hat, kann seine
Anerkennung nicht (schon) aufgrund des Abkommens über die Ausdehnung
gewisser Maßnahmen zugunsten russischer und armenischer Flüchtlinge auf
andere Kategorien von Flüchtlingen vom 30. Juni 1928 (abgedruckt in: Societe des
Nations, Recueil des Traites, Bd. 89 <1929>, S. 64) erreichen. Da er 1945 geboren
ist und erst 1980 die Türkei verlassen hat, kann dieses Abkommen auf ihn ohnehin
nicht angewandt werden (ständige und vom BVerwG durch Urteil vom 17.05.1983 -
9 C 874.82 -, BVerwGE 67, 195 = EZAR 201 Nr. 5, bestätigte Rechtsprechung des
Hess. VGH, vgl. z.B. 11.08.1981 - X OE 649/81 -, ESVGH 31, 268, 07.08.1986 - X
OE 189/82 -, 01.02.1988 - 12 OE 419/82 - u. 05.12.1988 - 12 UE 2487/85 u. 12 UE
2569/85 -). Der Senat kann deshalb offenlassen, ob dem durch die genannte
Vereinbarung geschützten Personenkreis überhaupt noch ein Anspruch auf
Asylanerkennung oder Asylgewährung in anderer Form zusteht, nachdem § 39 Nr.
4 AsylVfG die bis dahin in § 28 AuslG enthaltene Bezugnahme auf Art. 1 GK und
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4 AsylVfG die bis dahin in § 28 AuslG enthaltene Bezugnahme auf Art. 1 GK und
die dort in Abschn. A Nr. 1 enthaltene Verweisung auf die erwähnte Vereinbarung
ersatzlos beseitigt hat und eine Asylanerkennung nunmehr allein an die
Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG anknüpft (vgl. dazu auch Berberich,
ZAR 1985, 30 ff., Köfner/Nicolaus, ZAR 1986, 11, 15).
2. Der Senat hat auch nicht feststellen können, daß die Angehörigen der syrisch-
orthodoxen Minderheit in der Türkei im Gebiet des Tur'Abdin oder in Istanbul bis
zur Ausreise des Klägers einer unmittelbaren oder mittelbaren Gruppenverfolgung
ausgesetzt waren.
a) Der Senat legt seiner Beurteilung der Lage der Christen in der Türkei im
allgemeinen und der syrisch-orthodoxen Glaubensgemeinschaft im besonderen
sowie des Verhältnisses dieser Christen zu anderen dort lebenden religiösen und
ethnischen Gruppen die nachfolgend anhand der vorliegenden schriftlichen
Unterlagen (im folgenden nur noch mit der entsprechenden Nummer der Liste von
S. 11 ff. bezeichnet) auszugsweise dargestellte historische Entwicklung der
christlichen Siedlungsgemeinschaften im Nahen Osten zugrunde.
Die Anhänger der syrischen Kirchen siedelten ursprünglich im mesopotamischen
Raum, und zwar im Bergland des Tur'Abdin mit dem Zentrum Midyat, im weiter
östlich gelegenen Bergland von Bohtan, im alpenähnlichen Hochgebirge Hakkari
und weiter südlich in der Mosul-Ebene sowie in der Urmia-Ebene. Nachdem im 7.
Jahrhundert im Zuge der Arabisierung die Mehrheit dieser Christen zum Islam
übergetreten war und dann mongolische Eindringlinge Ende des 14. Jahrhunderts
die syrischen Kirchen bis auf wenige Überreste vernichtet hatten, erlebten sowohl
die syrisch-orthodoxen als auch die anderen im Osmanischen Reich lebenden
Christen vom Ende des 15. Jahrhunderts an eine vergleichweise friedliche und
gesicherte Periode, in der sie als nichtmuslimische Völkerschaften - als millat -
auch ihr Personal- und Familienrecht nach eigenem Rechtsstatut regeln konnten.
Während der im 19. Jahrhundert zur Bewahrung des Osmanischen Reichs
eingeleiteten Reformbewegungen kam es sodann etwa nach der Seeschlacht von
Navarino 1827 zu einer Verfolgung der Armenier und 1843 zu einem Massaker der
Kurden unter den nestorianischen Bergstämmen im Hakkari. Die abseits in ihren
Siedlungsräumen in Ostanatolien lebenden syrischen Christen blieben von
derartigen Ereignissen aber weitgehend verschont. Sie waren ähnlich wie die
ebenfalls in dieser Region siedelnden Kurden stammesmäßig organisiert und
erhielten sich Unabhängigkeit und Schutz durch Selbstverteidigung und durch
Tributzahlungen an den Sultan. Nachdem seit der ersten Hälfte des 19.
Jahrhunderts eine rege Missionstätigkeit christlicher Religionsgesellschaften aus
Amerika, England und Frankreich dazu beigetragen hatte, die kulturelle und
gesellschaftliche Bedeutung der Christen im Nahen Osten zu heben und
gleichzeitig deren politisches Bewußtsein zu fördern, reagierte das Osmanische
Reich im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts auf Unabhängigkeitsbestrebungen
der Christen mit dem Einsatz kurdischer Söldnertruppen, und dabei kam es dann
häufig zu Morden, Plünderungen und Hungersnöten (1., S. 17 ff.). Schließlich
fanden während des Ersten Weltkriegs unter den Christen zahlreiche Massaker
statt, die insgesamt über drei Millionen Tote gefordert haben sollen (1., S. 28; 5.,
S. 14); für sie werden zumindest auch die Allianz der Christen mit England und
Rußland und die Kriegserklärung des damaligen Patriarchen Benjamin XXI. an die
Türkei im Mai 1915 verantwortlich gemacht. So wurden etwa bis März 1915 im
Urmia- und im Salamas-Gebiet über 70 Dörfer von türkischen Truppen und
kurdischen Freiwilligen zerstört und geplündert und die christliche Bevölkerung
massakriert, und im selben Jahr folgten weitere Massenmorde in der armenischen
Stadt Van und im Bohtan-Gebiet (1., S. 29 f.). Bei der Flucht der Bergassyrer nach
Salamas und der Urmia-Assyrer nach Hamadan sollen jeweils mehr als 10.000
Menschen umgekommen sein (1., S. 30 ff.). Schließlich siedelten syrische Christen
in den Jahren 1922 und 1924 in zwei großen Fluchtbewegungen aus der Türkei in
das benachbarte Syrien über (1., S. 110), und im Gefolge des Ersten Weltkriegs
und des Friedensvertrags von Lausanne vom 24. Juli 1923 verließen mehr als zwei
Millionen Griechen die Türkei (3., S. 41). Damals verlegte der syrisch-orthodoxe
Patriarch seinen Sitz vom Kloster Dair Za'faran bei Mardin nach Homes im
heutigen Syrien, wo er seit 1954 in Damaskus residiert (5., S. 21; 8., S. 2; 9., S. 2).
Es mag im einzelnen Streit darüber herrschen, welche Bedeutung das christliche
Bekenntnis der verschiedenen Gruppen der Christen für ihr jeweiliges Schicksal in
der Vergangenheit im einzelnen hatte, welche Rolle politische und militärische
Interessen fremder Großmächte gespielt haben und ob und in welchem Maße sich
etwa bei Armeniern, Griechen oder Syrisch-Orthodoxen ein eigenes
106
etwa bei Armeniern, Griechen oder Syrisch-Orthodoxen ein eigenes
Nationalbewußtsein entwickeln konnte (vgl. dazu: 1., S. 12 ff.; 5., S. 1 ff.; 18., S. 6
ff.). Die Situation der Christen in der Türkei ist jedenfalls seit langem geprägt von
ihrer bis in die Anfänge des Christentums zurückreichenden religiösen und
kirchlichen Tradition, von den ethnischen und sprachlichen Besonderheiten der
einzelnen Gruppen und von einem mehr und mehr hoffnungslos erscheinenden
Überlebenskampf in einer mehrheitlich türkischen/muslimischen Umwelt, der
angesichts der leidvollen historischen Erfahrungen als besonders bedrückend
empfunden wird. Während die Christen Ende des 19. Jahrhunderts noch etwa 30 %
der Untertanen des Osmanischen Reichs ausmachten, stellen sie nunmehr in der
Türkei mit schätzungsweise kaum noch 100.000 Menschen nur eine äußerst kleine
Minderheit der Gesamtbevölkerung von 43 Millionen (zu den Zahlenangaben und
im übrigen vgl.: 2.; 5., S. 5; 6., S. 5; 7.; 18., S. 8; 44.). Außer den Armeniern und
den Griechen sind zahlenmäßig vor allem die Syrer von Bedeutung, denen aber im
Unterschied zu den Armeniern, Griechen und Juden ein Schutz als
nichtmuslimische Minderheit aufgrund des Lausanner Vertrags von 1923 nicht
zugestanden wird. Die syrischen Christen bestehen in der Türkei im wesentlichen
aus Syrisch-Katholischen und Nestorianern sowie aus Syrisch-Orthodoxen
(Jakobiten) unter dem Patriarchat von Antiochia und dem gesamten Osten, deren
Patriarch Mar Ignazius Yakup III. seinen Sitz jetzt in Damaskus hat. Die Syrisch-
Orthodoxen berufen sich auf eine Abstammung von Noah und eine Bekehrung in
unmittelbarer Beziehung zu Christus, bedienen sich einer altsyrischen
Liturgiesprache und heben sich durch verschiedene Dialekte der neuaramäischen
Umgangssprache (im Tur'Abdin: turoyo) von den muslimischen Türken und Kurden
sowie von den Yeziden ab. Während bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts im
Gebiet der heutigen Türkei noch etwa eine Million Jakobiten und Nestorianer gelebt
haben sollen und 1927 immerhin noch insgesamt 257.000 (1., S. 46, 110), beträgt
die Zahl der Syrisch-Orthodoxen in der Türkei neueren Schätzungen zufolge nur
noch etwa 45.000 (1., S. 111; 5., S. 20), 35.000 (1., S. 46), 20.000 bis 35.000 (6.,
S. 17), 20.000 (8., S. 2) oder sogar nur 10.000 bis 15.000 (2.). Im Gebiet des
Tur'Abdin (Berg der Gottesknechte), wo vor 25 Jahren noch 70.000 Syrisch-
Orthodoxe lebten, sollen es 1967/68 noch 20.000 gewesen sein (4., S. 2) und 1980
noch 25.000 (5., S. 29) oder zumindest annähernd 40.000 (27., S. 18; 37., S. 17),
während ihre Zahl in Istanbul im selben Zeitraum von einigen Hundert auf 15.000
oder gar auf 17.000 angestiegen sein soll (5., S. 46; 9., S. 7; 21.; 26.; 29.; für die
Zeit nach 1982 vgl. auch 40. und 42., S. 11). In der Kreisstadt Midyat sollen im Jahr
1978 von den ursprünglich 3.000 syrischen Familien infolge einer seit 1960
anhaltenden starken Abwanderung in türkische Großstädte und ins Ausland noch
1.000 Familien gewohnt haben (1., S. 117). Aus dem Dorf Kefrezi sind die Christen,
die 1970 dort noch 90 Familien zählten, inzwischen vollständig vertrieben (8.). Das
Dorf Arbey war vor 20 Jahren von 100 christlichen Familien bewohnt; schon 1979
waren davon 65 dem Druck der umliegenden muslimischen Dörfer gewichen und
geflohen (22., S. 15).
b) Vor dem Hintergrund dieser geschichtlichen Entwicklung kann nicht festgestellt
werden, daß die christliche Bevölkerung in der Türkei und insbesondere im Gebiet
des Tur'Abdin in dem hier maßgeblichen Zeitraum bis zur Ausreise des Klägers
aus der Türkei im Januar 1980 unter einer religiös motivierten Gruppenverfolgung
zu leiden hatte; dies gilt sowohl hinsichtlich einer unmittelbaren staatlichen
Verfolgung als auch hinsichtlich einer vom türkischen Staat gebilligten oder
geduldeten Verfolgung durch andere Bevölkerungsgruppen (ebenso schon der
früher für Asylverfahren allein zuständige 10. Senat des Hess. VGH in st. Rspr.,
zuletzt 30.05.1985 - 10 OE 35/83 -, und jetzt der 12. Senat, 22.02.1988 - 12 UE
1071/84 -, NVwZ-RR 1988, 48, - 1587/84 und 2585/85 -, 16.05.1988 - 12 UE
2571/85 -, 30.05.1988 - 12 UE 2500/85 u. 2514/85 -, 13.06.1988 - 12 OE 94/83 -,
27.06.1988 - 12 UE 2438/85 -, 04.07.1988 - 12 UE 2573/85 u. 12 UE 25/86 -,
17.10.1988 - 12 UE 2601/84, 12 UE 767/85, 12 UE 2497/85 u. 12 UE 2813/86 -
sowie 05.12.1988 - 12 UE 2487/85 u. 12 UE 2569/85 -; ähnlich VGH Baden-
Württemberg, 25.07.1985 - A 12 S 573/81 -, und OVG Lüneburg, 25.08.1986 - 11
OVG A 263/85 -; a.A. Bay. VGH, 19.03.1981 - 12.B/5047/79 -, InfAuslR 1981, 219,
VGH Baden-Württemberg, 09.02.1987 - A 13 S 709/86 -, und OVG Nordrhein-
Westfalen, 23.04.1985 - 18 A 10237/84 -, sowie OVG Rheinland- Pfalz, 10.12.1986 -
11 A 131/86 -). Bei der Frage nach einer religiösen oder religiös motivierten
Gruppenverfolgung ist allgemein zu beachten, daß eine aus Gründen der Religion
stattfindende Verfolgung nur dann asylerheblich ist, wenn die Beeinträchtigungen
der Freiheit der religiösen Betätigung nach Intensität und Schwere die
Menschenwürde verletzen (BVerfG, 02.07.1980 - 1 BvR 147/80 u.a. -, BVerfGE 54,
341 <357> = EZAR 200 Nr. 1). Es muß sich um Maßnahmen handeln, die den
Gläubigen als religiös geprägte Persönlichkeit ähnlich schwer treffen wie bei
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Gläubigen als religiös geprägte Persönlichkeit ähnlich schwer treffen wie bei
Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit oder die physische Freiheit (BVerwG,
18.02.1986 - 9 C 16.85 -, BVerwGE 74, 31 = EZAR 202 Nr. 7), indem sie ihn
physisch vernichten, mit vergleichbar schweren Sanktionen bedrohen, seiner
religiösen Identität berauben oder daran hindern, seinen Glauben im privaten
Bereich und durch Gebet und Gottesdienst zu bekennen (BVerfG, 01.07.1987 -
BvR 472/86 u.a. -, BVerfGE 76, 143 = EZAR 200 Nr. 20).
aa) Aus den in das Verfahren eingeführten Gutachten, Auskünften und anderen
Erkenntnismitteln ergeben sich keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür, daß der
türkische Staat die syrisch-orthodoxen Christen in diesem Sinne in dem hier
maßgeblichen Zeitraum unmittelbar aus religiösen Gründen verfolgt hat.
Die syrisch-orthodoxen Christen waren - und sind - von Verfassungs wegen ebenso
wie die Angehörigen anderer muslimischer und nichtmuslimischer
Glaubensgemeinschaften gegen Eingriffe in die Religionsfreiheit und gegen
Diskriminierungen aus religiösen Gründen geschützt (Art. 19 d. türk. Verf. v. 1961,
Art. 24 Abs. 1 d. Verf. vom 07.11.1982; 1., S. 2; 18., S. 23). Sie sind in den durch
Art. 14 der Verfassung von 1982 gezogenen Grenzen frei, Gottesdienste, religiöse
Zeremonien und Feiern abzuhalten (Art. 24 Abs. 2 dieser Verfassung). Sie werden
jedoch seit jeher anders als die Armenier, Griechen und Juden in der Staatspraxis
nicht zu den nichtmuslimischen Minderheiten gerechnet, denen aufgrund der Art.
38 ff. des Friedensvertrags von Lausanne vom 24. Juli 1923 besondere
Minderheitenrechte gewährleistet sind, so u.a. gemäß Art. 40 das Recht, auf
eigene Kosten jegliche karitative, religiöse und soziale Institutionen, Schulen und
andere Einrichtungen für Lehre und Erziehung mit dem Recht auf Gebrauch ihrer
eigenen Sprache und freie Religionsausübung zu errichten, zu betreiben und zu
kontrollieren (1., S. 112; 5., S. 57 f.; 8., S. 3 f.; 9., S. 15 f.; 13.; 45.). Während die in
Istanbul lebenden etwa 80.000 Armenier dazu imstande sind, ungefähr 40 Kirchen
und 30 Schulen, mindestens ein Krankenhaus und 12 Jugendclubs zu unterhalten
(12., 53.), verfügen die etwa 15.000 Syrisch-Orthodoxen in Istanbul lediglich über
ein eigenes Kirchenzentrum und sind in fünf weiteren Kirchen zu Gast (26., 29.), sie
dürfen aber keine Schulen und keine Sozialeinrichtungen betreiben. Die syrisch-
orthodoxen Christen werden allerdings ebensowenig wie andere christliche
Glaubensgemeinschaften staatlicherseits unmittelbar an der Ausübung ihrer
Religion gehindert. Sie können sowohl im Gebiet des Tur'Abdin als auch in Istanbul
in den ihnen verbliebenen Kirchen Gottesdienst nach ihrer Liturgie feiern und ihren
Glauben praktizieren.
Obwohl die Religionsausübung nach außen hin - weder in der Vergangenheit noch
jetzt - offen behindert oder gar untersagt ist, sind dennoch zahlreiche
administrative Schwierigkeiten festzustellen, die die Syrisch-Orthodoxen bei der
Ausübung ihres Glaubens und der Pflege ihres Brauchtums empfindlich stören und
auf Dauer gesehen das kirchliche und religiöse Leben beeinträchtigen und
schließlich zum Erliegen bringen können. So ist beispielsweise die Ausbildung der
Priester zwar von Staats wegen nicht verboten und auch nicht erkennbar restriktiv
reglementiert. Tatsächlich gibt es aber seit geraumer Zeit in der Türkei weder
einen syrisch-orthodoxen Bischof noch Priesterseminare (8., S. 4; 19., S. 16), und
deshalb können neue Priester, die die türkische Staatsangehörigkeit besitzen
müssen, nur im Ausland ausgebildet und geweiht werden (9., S. 5). Die
seelsorgerische Betreuung der noch in den ehemals syrisch-orthodoxen
Siedlungsgebieten verbliebenen Gläubigen ist auch dadurch erschwert, daß viele
Priester ihre Gemeinden gegen den Willen der Kirchenleitung verlassen haben und
im Zuge der Anwerbung von Arbeitnehmern durch die Bundesrepublik
Deutschland und andere westeuropäische Staaten ins Ausland abgewandert sind
(44., S. 3; 51., S. 3). Die ehemals zahlreichen Klöster im Tur'Abdin sind jetzt nur
noch von wenigen Mönchen oder Nonnen bewohnt und im übrigen verlassen (5., S.
21). Die Klosterschule in Dair Za'faran wurde zudem mehrmals zumindest
zeitweilig geschlossen, weil der türkische Staat das Schulprogramm mit syrisch-
aramäischem Sprachunterricht und christlichem Religionsunterricht für illegal
erachtete (5., S. 28; 6., S. 18; 37., S. 18; 51., S. 5). Der Bau und die Errichtung von
Kirchen sind, nachdem das Eigentum an dem Besitz der "frommen Stiftungen" im
Jahre 1965 auf den Staat übertragen worden ist, nur noch mit vorheriger
staatlichen Genehmigung zulässig (9., S. 17). Die Tatsache, daß in den
vergangenen Jahren keine neue syrisch-orthodoxe Kirche gebaut worden ist,
während in der ganzen Türkei zahlreiche neue Moscheen entstanden sind (47., S.
3 f.; 50., S. 3; 51., S. 4), kann allerdings darauf zurückzuführen sein, daß Geld für
einen derartigen Kirchenbau nicht vorhanden war (30.). Trotz dieser faktischen
Behinderungen im administrativen Bereich läßt sich daraus eine unmittelbare
110
Behinderungen im administrativen Bereich läßt sich daraus eine unmittelbare
staatliche Beeinträchtigung der Religionsfreiheit für die Zeit bis zur Ausreise des
Klägers aus der Türkei nicht herleiten.
Ebenso verhält es sich mit der Gestaltung des Religionsunterrichts an den
staatlichen Schulen (vgl. 64.). Insoweit neigt der Senat allerdings grundsätzlich zu
einer anderen Betrachtung als das Bundesverwaltungsgericht, das annimmt, ein
islamischer Pflichtunterricht beeinträchtige die Religionsfreiheit andersgläubiger
Kinder nicht (BVerwG, 14.05.1987 - 9 B 149.87 -, EZAR 202 Nr. 9 = DVBl. 1987,
1113). Religionsunterricht, der gegen den Willen der Kinder oder der insoweit
erziehungsberechtigten Eltern erteilt wird, kann den Beginn einer
Zwangsbekehrung bedeuten, stellt doch die religiöse Unterweisung von Kindern,
Jugendlichen und Erwachsenen einen unverzichtbaren, weil lebenswichtigen Teil der
Religionsfreiheit dar. Denn ohne die Weitergabe religiösen Wissens und religiöser
Überzeugungen vermag weder der einzelne Gläubige noch die
Glaubensgemeinschaft auf Dauer zu bestehen. Neben der Verkündigung des
Glaubens während des kirchlichen Gottesdienstes spielt hierbei vor allem der
Religionsunterricht für Kinder eine ausschlaggebende Rolle. In diesem
Zusammenhang ist es von Bedeutung, daß die Vorschriften des Art. 24 der
türkischen Verfassung von 1982 vorsehen, daß niemand gezwungen werden darf,
an Gottesdiensten, religiösen Zeremonien und Feiern teilzunehmen oder seine
religiöse Anschauung und seine religiösen Überzeugungen zu offenbaren (Abs. 3),
und daß die Religions- und Sittenerziehung und -lehre unter der Aufsicht und
Kontrolle des Staats durchgeführt wird und religiöse Kultur und Sittenlehre in den
Grund- und Mittelschulanstalten zu den Pflichtfächern gehören (Abs. 4). Auf der
Grundlage dieser Verfassungsbestimmung ist in den letzten Jahren der
Religionsunterricht als Pflichtfach an türkischen Schulen eingeführt worden (64.);
ob und in welcher Weise daraufhin christliche Schüler zur Teilnahme am
islamischen Religionsunterricht gezwungen worden sind, war anfangs zweifelhaft,
ist aber inzwischen aufgeklärt. Das Auswärtige Amt hat zunächst berichtet,
christliche Schüler nähmen nicht am islamischen Religionsunterricht teil, sondern
erhielten eine christliche Unterweisung; in Einzelfällen hätten Schulleiter allerdings
gegen einen entsprechenden Runderlaß des Erziehungsministeriums verstoßen
(39.). Nunmehr hat das Auswärtige Amt unter Bezugnahme auf einen Erlaß des
Ministeriums für nationale Erziehung, Jugend und Sport vom 20. Oktober 1986 Nr.
2219 die Auskunft erteilt, daß christliche Schüler im Fach "Religionslehre und
Grundsätze der Ethik" nicht dazu verpflichtet seien, das islamische
Glaubensbekenntnis, die islamische Einleitungsformel Amentü, die Koranverse und
das islamische Ritualgebet Namaz zu lernen und Kenntnisse über Namaz,
Ramadan, die Regeln der islamischen Jahresspenden und das Pilgern nach Mekka
zu erwerben; allerdings habe man Kenntnis erlangt von Diskriminierungen in der
Praxis und davon, daß manche Schüler lieber an den islamischen Gebeten
teilnähmen, bevor sie dauernd einer demütigenden Behandlung ausgesetzt seien
(57.; ähnlich 66.). Anderen Auskünften zufolge soll der sog. Ethik- und
Moralunterricht in den früheren 70er Jahren weitgehend laizistisch und wertneutral
gewesen sein, inzwischen aber immer mehr islamisiert und zu einem Neben-
Religionsunterricht ausgebaut worden sein (40.). Die jetzige Ausgestaltung des
staatlichen Religions- und Ethikunterrichts führe insofern zu einer Benachteiligung
der christlichen Minderheiten, als ein Äquivalent für die nichtmuslimischen Schüler
nicht angeboten werde (50.). Die Annahme, es sei nunmehr ein islamischer
Religionsunterricht als Pflichtfach eingeführt und damit auch für christliche Schüler
verbindlich (50., 51.), erscheint indes nicht gerechtfertigt. Die in deutscher
Übersetzung vorliegenden Richtlinien (Anlage zu 57.) bestimmen eindeutig, daß
der Grundsatz des Laizismus während des Ausbildungsprogramms "Religionslehre
und Grundsätze der Ethik" immer zu beachten und zu schützen ist und niemand
zu religiösen Handlungen gezwungen werden darf. Außerdem ist bestimmt, daß,
wenn den Kindern die "nationale Moral gelehrt wird", nicht unter den Religionen
unterschieden wird, um den Kindern später die Anpassung an die Gesellschaft zu
erleichtern. Insgesamt kommt zwar in den Richtlinien deutlich zum Ausdruck, daß
der Islam die Religion der Türkei und Mohammed ein Vorbild für die Türken sein
soll. Die nach dem Verfassungsgrundsatz des Laizismus (vgl. hierzu 64.) gebotene
Distanz des türkischen Staats gegenüber der islamischen Religion äußert sich
allerdings darin, daß Namaz, Suren und Gebete im staatlichen Unterricht nicht in
arabischer Sprache gelehrt werden dürfen. Nach alledem bieten die gesetzlichen
und die verwaltungsinternen Vorschriften für den Religionsunterricht an staatlichen
Schulen keine Veranlassung für die Annahme, der türkische Staat greife
unmittelbar in die Freiheit der religiösen Betätigung der Syrisch-Orthodoxen in
einer Art und Weise ein, die die Menschenwürde oder das sogenannte religiöse
Existenzminimum antastet. Dies gilt auch und erst recht für die Zeit vor
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Existenzminimum antastet. Dies gilt auch und erst recht für die Zeit vor
Inkrafttreten der Verfassung von 1982 und vor der Machtübernahme durch das
Militär im September 1980. Auch wenn berücksichtigt ist, daß ein christlicher
Religionsunterricht an staatlichen Schulen nicht angeboten wird und es bei der
praktischen Handhabung der Unterscheidung zwischen ethischen und allgemein-
religiösen Lehrinhalten einerseits und islamischen Glaubenslehren andererseits im
Unterricht leicht zu Benachteiligungen und Beeinträchtigungen der
Glaubensüberzeugungen christlicher Schüler kommen könnte (66.), kann darin
insgesamt ein asylrelevanter Eingriff nicht gesehen werden. Denn abgesehen von
der fehlenden Intensität mangelt es insoweit auch an der erforderlichen staatlichen
Motivation und an der Zurechenbarkeit. Die Einführung des staatlichen
Pflichtunterrichts in Ethik und Religion verfolgt das Ziel einer Eindämmung des
Einflusses der privaten Koranschulen (20.; 66.) und läßt deshalb für sich noch
keinen Rückschluß auf eine im Jahre 1986 oder schon früher vorhandene Neigung
staatlicher Stellen zur gezielten Beeinträchtigung nichtmuslimischer Religionen zu.
Schließlich wären gelegentliche Übergriffe einzelner Lehrer, die die Anweisungen
zur Achtung der Religion nichtmuslimischer Schüler mißachten, dem türkischen
Staat asylrechtlich schwerlich zuzurechnen, weil Anhaltspunkte dafür, daß die
Verantwortlichen derartige dienstliche Verfehlungen förderten oder zumindest
duldeten, nicht bekannt sind.
Schließlich können Anzeichen für eine gegen Christen gerichtete
Gruppenverfolgung auch nicht in der Art und Weise festgestellt werden, wie
christliche Wehrpflichtige in der türkischen Armee behandelt werden. Insoweit
liegen allerdings unterschiedliche Auskünfte und Stellungnahmen vor. So hat das
Auswärtige Amt im Juni und November 1984 berichtet, Christen hätten in der
türkischen Armee nach allen bisherigen Erkenntnissen in aller Regel weder seitens
ihrer Vorgesetzten noch seitens ihrer Kameraden mit diskriminierenden
Handlungen zu rechnen; wenn ein Christ allerdings die Tatsache seines Glaubens
demonstrativ deutlich mache, seien Sticheleien und gelegentliche Übergriffe
seiner Kameraden nicht auszuschließen (38., 41.). Im Oktober 1985 hat das
Auswärtige Amt darüber hinausgehend berichtet, daß zuverlässigen Angaben
zufolge regelmäßig beim ersten Gesundheitsappell nach der Einberufung von
Vorgesetzten im Unteroffiziersrang hämische Bemerkungen über die "dreckigen
Christenschweine" gemacht würden, die noch nicht einmal eine so elementare
hygienische Maßnahme wie die Beschneidung durchführen ließen; einfache
Rekruten in normalen Einheiten sähen sich leicht infolge der Schikanen der
Unteroffiziere und der Kameraden einem zumindest subjektiv als unwiderstehlich
empfundenen Druck ausgesetzt, der viele veranlasse, den geforderten Eingriff
"freiwillig" vornehmen zu lassen (48.). Im Dezember 1987 hat das Auswärtige Amt
wiederum die Auskunft gegeben, es sei von gezielten Schikanen gegen Christen
während des Wehrdienstes nichts bekannt geworden; außerdem hat es berichtet,
es seien keine Fälle von Zwangsbeschneidungen mehr bekannt geworden (61.).
Dagegen sprechen andere Quellen teilweise in pauschaler Form, teilweise aber
auch sehr dezidiert von Zwangsbeschneidungen christlicher Wehrpflichtiger in der
Türkei. Die Sachverständige Dr. Hofmann (43.) berichtet aufgrund zahlreicher
Gespräche mit Betroffenen, die Diskriminierungen reichten von der verbalen
Beleidigung ("schmutziges Christenschwein", "Gavur") bis hin zur schweren
Körperverletzung, an denen Kameraden und Vorgesetzte beteiligt seien; bis in die
Gegenwart (Februar 1985) würden christlichen Soldaten Gewalt und
Zwangsbeschneidung zumindest angedroht, die Androhung der
Zwangsbeschneidung begleite die männlichen Christen durch alle
Lebensabschnitte, sei aber während des Militärdienstes besonders virulent. Dem
Sachverständigen Prof. Wiesner (44.) sind Versuche der zwangsweisen Bekehrung
und der Zwangsbeschneidung während des Militärdienstes dagegen nicht bekannt
geworden; er hält derartige Angaben von Asylbewerbern für Greuelmärchen und
begründet im einzelnen seine Bedenken gegen die Wahrheit entsprechender
Erzählungen. Auch der Sachverständige Dr. Binswanger (45.; ähnlich 68.) gibt an,
Fälle von Zwangsbeschneidungen christlicher Soldaten während ihrer
Militärdienstzeit seien unbekannt, ein offenes Geheimnis sei hingegen die
körperliche Mißhandlung durch sadistische Unteroffiziere, deren Haltung in
seltenen Fällen auch muslimische Wehrpflichtige treffe; diskriminiert würden die
Christen insofern, als Wehrpflichtige mit Abitur nicht wie sonst in der Regel als
Offiziersanwärter rekrutiert würden. Der Sachverständige Dr. Oehring (46.) hat
noch im Frühjahr 1985 erfahren, daß christliche Soldaten generell mit den
unangenehmsten Aufgaben betraut werden und Pöbeleien an der Tagesordnung
und Übergriffe nicht ausgeschlossen seien; Zwangsbeschneidungen oder
zumindest entsprechende Drohungen kämen vor, allerdings "nicht überall und
nicht immer". Demgegenüber hat ein Zeuge in einem Verfahren vor dem
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nicht immer". Demgegenüber hat ein Zeuge in einem Verfahren vor dem
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen nähere Angaben über einzelne Fälle von
Zwangsbeschneidungen gemacht (54.). Er ist 16 Monate lang bis Juli 1985
Militärarzt in der Osttürkei gewesen und hat während seiner Dienstzeit etwa 90
christliche Rekruten kennengelernt. Seinen Angaben zufolge kann er nicht als
Augenzeuge bestätigen, daß jemand beim Militär einer gewaltsamen
Zwangsbeschneidung unterzogen worden ist; er hat allerdings glaubhaft bezeugt,
daß man auf andere Weise Personen gezwungen hat, sich beschneiden zu lassen.
Er selbst habe die Beschneidung einiger Soldaten, die zu ihm zur
Zwangsbeschneidung geschickt worden seien, abgelehnt. Er habe aber mit
eigenen Augen gesehen, daß man in dem Militärkrankenhaus von Agri einen
christlichen Soldaten beschnitten habe, der bei einem späteren Gespräch
offenbart habe, daß er nur unter Zwang die Beschneidung habe vornehmen
lassen; er sei nämlich nach seiner anfänglichen Weigerung "vom Schreibdienst
zum Toilettenplatz degradiert" und dann auch noch wiederholt geschlagen worden.
Er wisse, daß 30 bis 40 christliche Soldaten der Beschneidung im Krankenhaus
unterzogen worden seien; er habe diese Soldaten aus den üblichen
Generaluntersuchungen, die alle drei Monate stattfänden, gekannt, und alle hätten
ihm unter vier Augen bedeutet, sie seien auf keinen Fall zur Beschneidung bereit
gewesen. Wenn nach alledem auch nicht auszuschließen ist, daß christliche
Wehrpflichtige von Kameraden und auch von Vorgesetzten mit mehr oder weniger
Druck gezwungen worden sind - und weiterhin gezwungen werden -, sich
beschneiden zu lassen, so kann doch andererseits nicht festgestellt werden, daß
christliche Wehrpflichtige allgemein mit einer derartigen Behandlung im Militär in
dem Sinne zu rechnen hatten oder haben, daß daraus auf eine direkte
Kollektivverfolgung aller Christen oder zumindest aller christlichen Wehrpflichtigen
geschlossen werden kann. Anhaltspunkte dafür, daß die militärische Führung
derartige Übergriffe duldet oder gar fördert, bestehen nämlich nicht (vgl. aber 65.;
68.). Selbst wenn angesichts der straffen Disziplin in den türkischen Streitkräften
unterstellt wird, daß die Beschwerde eines Soldaten zumindest in den unteren
Rängen nicht akzeptiert würde und die Folgen für den Soldaten eher negativ
wären, besteht schon im Hinblick auf die geringe Anzahl nachgewiesener Fälle
wirklicher Zwangsbeschneidungen und die fehlende Förderung oder zumindest
Duldung durch nicht nur untergeordnete Stellen im türkischen Militär kein
genügender Anhalt für eine asylrechtliche Zurechenbarkeit derartiger Vorfälle (vgl.
Hess. VGH, 14.10.1987 - 12 TE 1770/84 -, EZAR 633 Nr. 13; ähnlich auch VGH
Baden-Württemberg, 23.07.1984 - A 13 S 267/84 -, bestätigt durch BVerwG,
22.04.1986 - 9 C 318.85 u.a. -, BVerwGE 74, 160 = EZAR 202 Nr. 8), geschweige
denn für eine unmittelbare Verantwortlichkeit des türkischen Staats.
bb) Darüber hinaus waren die Christen in der Türkei, insbesondere in der
Südosttürkei in dem hier maßgeblichen Zeitraum auch keiner mittelbaren
staatlichen Kollektivverfolgung in der Weise ausgesetzt, daß sie von anderen
Bevölkerungsgruppen ihrer Religion und ihres christlichen Bekenntnisses wegen
verfolgt wurden und hiergegen staatlichen Schutz nicht erhalten konnten.
In diesem Zusammenhang ist es nicht erforderlich, die Ursachen der oben (unter
II. 2. a) dargestellten Abwanderungsbewegungen aus den ursprünglich
ausschließlich oder zumindest überwiegend christlichen Dörfern nach Mardin und
Midyat und vor allem nach Istanbul und von dort aus ins Ausland im einzelnen zu
ermitteln. Tatsächlich sind die Christen den Anwerbeaktionen der
westeuropäischen Wirtschaft seit Beginn der 60er Jahre wohl dank ihrer besseren
Ausbildung und ihrer größeren Flexibilität eher gefolgt als die in der Südosttürkei
lebenden Kurden und haben dann nach und nach ihre Familien in die
Bundesrepublik Deutschland und andere westeuropäische Länder nachgeholt. Eine
gewisse Rolle mag anfangs auch die allgemein in der Türkei zu beobachtende
Landflucht gespielt haben, die die Einwohnerzahl von Istanbul auf jetzt acht bis
zehn Millionen hat anwachsen lassen (1., S. 111; 18., S. 20). Wie bereits oben
(unter II. 2. b aa) festgestellt, haben zudem viele Priester im Zuge der
Gastarbeiterwanderung ihre syrisch-orthodoxen Gemeinden im Tur'Abdin
verlassen und sind gegen den Willen der Kirchenleitung nach Europa und nach
Übersee ausgewandert (50., S. 3), was zusätzlich zu einer Destabilisierung der
gewachsenen Siedlungsstrukturen der Christen in der Südosttürkei beigetragen
hat. Schließlich haben auch die Ereignisse um Zypern, im Libanon und im Iran
sowie allenthalben feststellbare Islamisierungstendenzen zu einer Verhärtung des
Verhältnisses zwischen Christen und muslimischen Kurden im Tur'Abdin
beigetragen. Ungeachtet der im einzelnen maßgeblichen Gründe für die
Bevölkerungsbewegungen, die durchaus umstritten sein mögen, wurde aber seit
Mitte der 70er Jahre aus dem Gebiet um Midyat über eine auffällige Zunahme
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Mitte der 70er Jahre aus dem Gebiet um Midyat über eine auffällige Zunahme
schwerer Übergriffe der muslimischen Mehrheit (meist Kurden) gegen Christen
berichtet, und zwar über Morde, Mordversuche, Entführungen,
Zwangsbeschneidungen, Viehdiebstähle, Landnahme, Sachbeschädigungen und
Plünderungen (vgl. dazu etwa: Schreiben eines syrisch-orthodoxen Ortsvorstehers
an den türkischen Staatspräsidenten vom März 1976, zitiert in 1., S. 112 f.; 3., S.
46 f.; Schilderungen in der Zeitschrift "Egartho", zitiert in 1., S. 115 f.; 5., S. 32 ff.
und 106 ff.; 8., S. 5; 14.; 16.; 37., S. 17 ff.). Gleichzeitig wurde allgemein
beanstandet, daß staatliche Stellen, wenn sie um Hilfe angegangen wurden,
entweder überhaupt nicht tätig geworden sind oder aber sogar offen zum
Ausdruck gebracht haben, sie lehnten es ab, Christen Schutz zu gewähren (vgl.
etwa: 4., S. 3, 5; 5., S. 34; 15.). Außerdem wurde betont, ähnliche Gewalttaten
Syrisch-Orthodoxer seien, wenn sie vereinzelt vorgekommen seien, auch verfolgt
worden (9., S. 21). Für die zahlreichen Übergriffe gegenüber syrisch-orthodoxen
Christen seien beispielhaft folgende Ereignisse erwähnt: Raubüberfall auf einen
Priester auf der Fahrt zwischen Ado und Midyat Anfang 1978 (1., S. 115); Überfall
auf einen Pfarrer in Gölgöze am 30. April 1978, dabei zwei Verwandte erschossen
(1., S. 116); Entführung eines christlichen Mädchens einen Tag vor der Hochzeit,
Anrufung der Gerichte blieb ohne Erfolg (5., S. 34 f.); Entführung eines 13jährigen
Mädchens am 19. Februar 1979 durch drei Kurden, trotz Gerichtsentscheidung
keine polizeilichen Maßnahmen wie Festnahme der Entführer und Vorführung des
Mädchens bei Gericht (5., S. 36; ähnliche Fälle in 11., S. 7, 9); Landwegnahme
1948, vor Gericht erfolgreicher Christ anschließend ermordet, 1958 Mord an zehn
Christen, die ebenfalls gerichtliche Verfahren zur Wiedererlangung ihres Besitzes
angestrengt hatten (5., S. 37 f.); Mord an dem letzten in Kerburan verbliebenen
Christenführer am 29. Oktober 1978 nach Ermordung und allmählicher
Verdrängung der ursprünglich mehrheitlich christlichen Bevölkerung (3., S. 50; 5.,
S. 40; vgl. dazu auch 11., S. 5).
Bei der Frage nach den Ursachen für die danach seit Mitte der 70er Jahre vermehrt
feststellbaren Beeinträchtigungen der Christen durch die muslimische Bevölkerung
im Tur'Abdin werden teils die Auswirkungen der Verfolgung weniger schwerwiegend
dargestellt, teils die religionsbezogene Motivation der Verfolger bezweifelt und teils
die Einstellung der staatlichen Stellen zu diesen Maßnahmen der andersgläubigen
Mitbürger nicht so gewertet und eingeschätzt, daß den Christen der erforderliche
staatliche Schutz gegen private Übergriffe ihrer Religion wegen verwehrt wurde. So
bestätigen etwa auch andere als die bereits erwähnten Quellen gewalttätige
Auseinandersetzungen und existenzbedrohende Übergriffe im Südosten der Türkei
(2., S. 2; 17.) und die Gefahr administrativer Schikanen sowie die Schutzlosigkeit
gegenüber gesetzlosen Zuständen vor der Machtübernahme durch das Militär im
September 1980 (15.). Andererseits wird aber darauf hingewiesen, daß unter
schwierigen Lebensverhältnissen und der gesetzlosen Lage vor September 1980
auch die übrige Bevölkerung zu leiden gehabt habe, die Abwanderung aus dem
Tur'Abdin vorwiegend wirtschaftliche und soziale Gründe habe und die
Wanderungsbewegung bei den Christen nicht stärker sei als bei der übrigen
Bevölkerung (vgl. vor allem 18., S. 23 ff., 31. ff.). Während das Auswärtige Amt als
Ursachen für die Abwanderung neben religiösen Spannungen sowohl
wirtschaftliche Schwierigkeiten als auch die in Gewalttätigkeiten ausufernden
Streitigkeiten aus sprachlichen, sozialen und ethnischen Motiven nennt, räumt es
doch gleichzeitig ein, Christen hätten teilweise existenzbedrohende
Benachteiligungen erlitten und seien gewalttätigen Übergriffen ausgesetzt
gewesen, gegen die ausreichender staatlicher Schutz besonders in schwer
zugänglichen ländlichen Gebieten häufig nicht habe gewährt werden können, so
daß praktisch die christliche Minderheit oftmals gewalttätigen Übergriffen schutzlos
preisgegeben gewesen sei (2., S. 2). Wenn Wiskandt bezweifelt, daß Christen aus
dem Tur'Abdin in wesentlich größerem Ausmaß als Kurden abgewandert sind (18.,
S. 23 ff., besonders S. 28), so fällt auf, daß er die Anzahl der in der Provinz Mardin
lebenden Syrisch-Orthodoxen aus einer offiziellen Einwohnerstatistik und eigenen
Berechnungen ableitet, während die oben (unter II. 2. a) erwähnten
Zahlenangaben anderer Autoren zwar vorwiegend auf Schätzungen beruhen, aber
insgesamt zutreffender erscheinen, weil dort der Bevölkerungsrückgang bei den
Christen zum größten Teil durch die Nennung von Ortsnamen und exakten
Einwohnerzahlen belegt ist. Es mag zutreffen, daß die historischen Fakten in den
epd-Dokumentationen (5. und 37.) nicht immer neutral dargestellt sind und die
religiösen Bezüge dort ebenso einseitig in den Vordergrund gestellt werden wie
von Yonan (1.) der Prozeß der Entwicklung einer assyrischen Nation. Abgesehen
aber davon, daß Wiskandt seine Befragungen offenbar ohne die in solchen
Situationen wichtige Vertrauensbasis zu den befragten Personen und ohne
Bekanntgabe seines Auftrags durchgeführt hat, ist in seinem Gutachten an
115
116
Bekanntgabe seines Auftrags durchgeführt hat, ist in seinem Gutachten an
zahlreichen Stellen nachzuweisen, daß seine Ausführungen nicht völlig frei sind von
Vorverständnissen und festliegenden persönlichen Positionen, die die
Beantwortung der ihm gestellten Fragen teilweise beeinflußt haben könnten (vgl.
dazu im einzelnen 23., 24., 25.). So wirft er der ersten epd-Dokumentation offen
bewußte Zahlenmanipulation vor (S. 27, 29), polemisiert gegen die "hiesige Lobby
der Sürjannis" (S. 65) und beschreibt die "Erfolge" der Militärregierung ohne jede
Einschränkung (S. 20 ff.), obwohl Vorbehalte gegen die Politik der Militärregierung
angesichts zahlreicher Proteste gegen Menschenrechtsverletzungen in der Türkei
zumindest erwähnenswert gewesen wären.
Nach alledem vermag der Senat nicht festzustellen, daß die Christen in der Türkei
- und zwar auch im Tur'Abdin - in ihrer Gesamtheit im Zeitraum von etwa 1973 bis
etwa 1980 in der Weise mittelbar aus religiösen Gründen verfolgt worden sind, daß
sie als Angehörige der christlichen Minderheit gewalttätigen Übergriffen mit
Gefahren für Leib und Leben und die persönliche Freiheit durch die muslimische
Bevölkerung ausgesetzt waren und der türkische Staat diese
Verfolgungsmaßnahmen entweder gebilligt oder zumindest tatenlos
hingenommen und damit den Christen den erforderlichen staatlichen Schutz
versagt hat. Die dargelegten Verhältnisse stellen sich allerdings so dar, daß in
zahlreichen Einzelfällen tatsächlich syrisch-orthodoxe Bewohner des Tur'Abdin von
muslimischen Mitbürgern umgebracht, verletzt, entführt oder beraubt worden sind,
ohne daß die zuständigen staatlichen Behörden hiergegen eingeschritten sind,
obwohl ihnen dies möglich gewesen wäre (vgl. z.B. die Fälle in den vom 10. Senat
des Hess. VGH entschiedenen Verfahren X OE 847/81 und X OE 1131/81).
Wenn das Verwaltungsgericht demgegenüber in dem angegriffenen Urteil
angenommen hat, der Kläger sei von einer mittelbaren Gruppenverfolgung aller
Syrisch-Orthodoxen in der Türkei betroffen worden, die allerdings nach dem
Militärputsch vom September 1980 nicht mehr andauere, dann beruht dies auf
einer nicht gerechtfertigten Auswertung des Inhalts der in diesem Urteil zitierten
Gerichtsentscheidungen und Erkenntnisquellen. So beruft sich das
Verwaltungsgericht zu Unrecht zum Nachweis dafür, daß die Syrisch-Orthodoxen
zumindest vor September 1980 im Tur'Abdin wegen ihres Glaubens verfolgt
worden seien, u.a. auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. August
1983 - 9 C 599.81 - (BVerwGE 67, 314 = EZAR 203 Nr. 1). In dieser Entscheidung
mußte das Bundesverwaltungsgericht wie auch in anderen Verfahren aufgrund
seiner Bindung an Tatsachenfeststellungen in dem zugrundeliegenden Urteil des
Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO) davon ausgehen,
daß existenzbedrohende Benachteiligungen und gewalttätige Übergriffe um das
Jahr 1976 so zugenommen hatten, daß die Auswanderung der Christen aus dieser
Region zunehmend Fluchtcharakter annahm und ihre Zahl von ursprünglich 70.000
auf einen Bruchteil dessen absank und daß die Sachwalter des türkischen Staats
das Vorgehen der Muslime aufgrund der weitgehend von feudalen Stammes- und
Religionsführern bestimmten Machtstrukturen in der Region nicht oder völlig
unzureichend ahndeten. Wenn das Revisionsgericht daraufhin ausgeführt hat, das
Berufungsgericht habe diesen Sachverhalt zu Recht dahin gewürdigt, daß zu der in
dem dortigen Verfahren maßgeblichen Zeit die syrisch-orthodoxen Christen in
einer dem türkischen Staat zuzurechnenden Weise als Gruppe asylrechtlich
verfolgt worden sind, dann bedeutete dies nicht, daß diese Frage seitdem
letztverbindlich entschieden war. Deshalb blieb auch die Revision eines syrisch-
orthodoxen Christen erfolglos, in dessen Verfahren der 10. Senat des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofs eine dem türkischen Staat zurechenbare allgemeine
Gruppenverfolgung syrisch-orthodoxer Christen im Tur'Abdin verneint hatte
(27.05.1982 - X OE 727/81 -); das Bundesverwaltungsgericht hat dazu ausdrücklich
ausgeführt, ein Asylbewerber könne tatsächliche Feststellungen der
Tatsachengerichte zur Gruppenverfolgung im Revisionsverfahren nicht erfolgreich
damit angreifen, daß andere Tatsachengerichte dieselbe Situation anders
beurteilten (BVerwG, 08.05.1984 - 9 C 141.83 -, EZAR 630 Nr. 13 = NVwZ 1985,
36). Dieselben Überlegungen gelten im übrigen für die Frage, ob politisch
motivierte Übergriffe von Vorgesetzten und Kameraden auf syrisch-orthodoxe
Wehrpflichtige in der Türkei asylerheblich sind oder zumindest als Indiz für eine
Kollektivverfolgung gewertet werden können. Insoweit hat das
Bundesverwaltungsgericht zwar aufgrund entsprechender bindender
Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg
entschieden, daß derartige Übergriffe dem türkischen Staat nicht zuzurechnen
sind, weil die Militärführung eine religiös motivierte Verfolgung von Christen in der
Armee nicht nur mißbilligt, sondern auch nach Kräften zu verhindern trachtet
(BVerwG, 22.04.1986 - 9 C 318.85 u.a. -, BVerwGE 74, 160 = EZAR 202 Nr. 8);
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(BVerwG, 22.04.1986 - 9 C 318.85 u.a. -, BVerwGE 74, 160 = EZAR 202 Nr. 8);
damit ist aber noch nicht ausgeschlossen, daß ein Gericht aufgrund anderer
tatsächlicher Erkenntnisse zu anderen Schlußfolgerungen gelangt. Schließlich gibt
es auch keine verbindliche Revisionsentscheidung über die asylrechtliche
Bedeutung der Pflicht christlicher Schüler zur Teilnahme am staatlichen
Religionsunterricht in der Türkei. Insoweit hat das Bundesverwaltungsgericht
anläßlich der Zurückweisung einer Nichtzulassungsbeschwerde ausgeführt, die
Pflicht zur Teilnahme am islamischen Religionsunterricht in staatlichen Schulen der
Türkei stelle für Angehörige anderer Religionsgemeinschaften für sich allein keine
asylerhebliche Beeinträchtigung der Religionsausübung dar (BVerwG, 14.05.1987 -
9 B 149.87 -, EZAR 202 Nr. 9 = DVBl. 1987, 1113). Es können durchaus Bedenken
bestehen gegen die Meinung, es sei offensichtlich, daß durch die "bloße
Teilnahmepflicht am islamischen Religionsunterricht" das religiöse
Existenzminimum unberührt bleibe, und die Pflicht zur Teilnahme am islamischen
Religionsunterricht könne keinesfalls mit der Pflicht, sich zum Islam zu bekennen,
gleichgesetzt werden. Zudem ist zu berücksichtigen, daß die Verpflichtung zur
Teilnahme an diesem Religionsunterricht in tatsächlicher Hinsicht bereits
differenzierter gesehen werden muß, als dies das Oberverwaltungsgericht
Nordrhein-Westfalen in dem der Beschwerdeentscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts zugrundeliegenden Urteil angenommen hat, und
gerade nicht die Pflicht zum Erlernen islamischer Gebete und islamischer
Glaubenssätze mitumfaßt (vgl. dazu oben
S. 24 ff.).
3. Es kann auch nicht festgestellt werden, daß der Kläger persönlich bereits vor
seiner Ausreise aus der Türkei in seinem Heimatdorf (a bzw. c) oder in Istanbul (b)
von religiös motivierten Übergriffen muslimischer Mitbürger betroffen war und
dagegen staatlichen Schutz nicht in Anspruch nehmen konnte. Ebensowenig kann
angenommen werden, daß der Kläger damals schon in seiner persönlichen
Freiheit, in seiner körperlichen Unversehrtheit oder in seiner Religionsfreiheit so
konkret bedroht war, daß ein asylrelevanter Eingriff unmittelbar bevorstand und er
deshalb als vorverfolgt anzusehen ist. Seine Angaben zu seinem Lebensschicksal
und zu den Gründen und Umständen seiner Ausreise sind allerdings im
wesentlichen glaubhaft.
Danach steht fest, daß der Kläger in dem 18 km südöstlich von Midyat gelegenen
Dorf Ü. - das seinen Angaben bei der Vernehmung durch den Berichterstatter des
Senats am 25. November 1988 zufolge früher H. hieß (vgl. zu weiteren
Bezeichnungen 1., S. 118 , sowie Anschütz, Die syrischen Christen
vom Tur'Abdin, Würzburg 1985, S. 78) - geboren wurde. Dies ergibt sich aus der
anläßlich der Vorprüfungsanhörung erfolgten Ergänzung der Niederschrift zu
seinem Asylbegehren (BI. 30 i.V.m. 4 der Bundesamtsakte Tür-S-45571) und
insbesondere aus den insoweit eindeutigen und zweifelfreien Bekundungen des
Klägers bei seiner Vernehmung am 25. November 1985. Den hiervon
abweichenden Eintragungen in den Personalpapieren des Klägers, in denen
"Mardin" bzw. "Nusaybin" als Geburtsort angeführt sind, kommt demgegenüber
keine maßgebende Bedeutung zu, weil es sich hierbei um die Provinz- bzw.
Bezirkshauptstadt handelt und weil dem Senat aus seiner Praxis bekannt ist, daß
die türkischen Behörden häufig derartige Städte als Geburtsort in die
Personalpapiere eintragen. Der Senat geht ferner davon aus, daß Ü. ein rein
christliches Dorf mit eigener Kirche ("Mar Afrem") war und ist, in dem - gemäß der
Erinnerung des Klägers - zunächst etwa 60 Familien wohnten, deren Zahl sich bis
zum Jahre 1978 auf ungefähr 150 - so der Kläger bei seiner Vernehmung am 25.
November 1988 - erhöhte und alsdann durch Abwanderung über etwa 100 im
Jahre 1980 (Anschütz, a.a.O.; S. 78; vgl. auch 1., S. 118 : 130) auf heute ca. 30
zurückging. Hinzu kommen derzeit den Angaben des Klägers zufolge ungefähr 200
im Dorf stationierte muslimische Gendarmen (vgl. schon die im wesentlichen
übereinstimmenden Feststellungen zu demselben Dorf im Urteil des 10. Senats
vom 30.05.1985 - 10 OE 35/83 -, Abdruck S. 2 u. 22 f.). Der Senat ist des weiteren
zu der Überzeugung gelangt, daß der Kläger in Ü. aufgewachsen ist, alsdann von
1966 bis Anfang 1969 in den Provinzen Erzincan und Erzurum seinen Militärdienst
abgeleistet hat und anschließend in sein Heimatdorf zurückgekehrt ist, wo er sich
etwa ein Jahr lang aufgehalten hat, um danach für ca. fünf Jahre in Istanbul
Wohnung zu nehmen und schließlich erneut - bis zu seiner Ausreise aus der Türkei
- ins Dorf zurückzukehren.
a) Vor seiner Übersiedlung nach Istanbul hat der Kläger asylerhebliche
Verfolgungen in Ü. nicht erlitten. Für die Zeit vor Ableistung seines Militärdienstes
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Verfolgungen in Ü. nicht erlitten. Für die Zeit vor Ableistung seines Militärdienstes
hat er hierzu ohnehin nichts vorgetragen. Soweit er bei seiner Anhörung durch die
Ausländerbehörde am 14. April 1980 und bei seiner Vernehmung am 25.
November 1988 angegeben hat, sein Freund I. C. sei wegen seines Glaubens beim
Viehhüten umgebracht worden, während er, der Kläger, seinen Militärdienst
abgeleistet habe, hat er weder konkrete Anhaltspunkte für die religiöse Motivation
der Täter mitgeteilt, noch hat er auf Befragen darlegen können, inwiefern dieser
Vorfall für ihn persönlich von asylerheblicher Bedeutung gewesen sei. Ansonsten
hat der Kläger für die kurze, nur ca. ein Jahr währende damalige Zeit seines
Aufenthalts im Dorf bei seiner Vernehmung am 25. November 1988 lediglich
angegeben, daß die Muslime Vieh und Erntegut gestohlen hätten; er hat aber
versäumt, hierbei deutlich zu machen, ob und in welchem Umfang er und seine
Familie von solchen Diebstählen betroffen waren, woraus sich ggfs. eine politische
- und nicht nur kriminelle - Motivation der Diebe entnehmen ließ und ob überhaupt
der Versuch unternommen wurde, staatliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.
b) Der Senat vermag auch nicht festzustellen, daß der Kläger während seines
Aufenthalts in Istanbul politisch verfolgt worden ist. Wie aus seinen Bekundungen
und denjenigen seiner Ehefrau in deren Asylverfahren (Bl. 41 der Bundesamtsakte
163/73713/80) hervorgeht, ist der Kläger im Jahre 1970 nach Istanbul
übergesiedelt, hat dort innerhalb etwa eines Monats Arbeit in einer Kabelfabrik
gefunden und alsdann (es mag noch im Jahre 1970 oder schon im Jahre 1971
gewesen sein) seine Familie nachziehen lassen. Der Kläger lebte dort in
wirtschaftlich gesicherten Verhältnissen und verdiente zuletzt 6.000,-- TL
monatlich, so daß er erhebliche Beträge sparen konnte, die er später zum Kauf
eines Traktors und zum Bau eines Hauses in Ü. verwendete. Von asylerheblichen
Beeinträchtigungen in bezug auf seine eigene Person und seine Familie während
der Zeit ihres Aufenthalts in Istanbul hat der Kläger nichts berichtet. Soweit er aus
der Entführung seiner Nichte im Frühjahr 1975 einen eigenen Asylgrund
herzuleiten versucht, vermag ihm der Senat nicht zu folgen. Allerdings kann dem
Kläger - auch unter Berücksichtigung der Angaben seines Bruders M. in dessen
Asylverfahren (vgl. Bl. 11 der in Kopie vorliegenden Bundesamtsakte 163/
10802/85) - geglaubt werden, daß die damals zwischen 14 und 17 Jahre alte
Tochter Y. des Bruders seinerzeit bei ihm in Istanbul in seinem Haushalt lebte, daß
er sie jeweils morgens zu ihrer Arbeitsstelle begleitete, daß sie bei dieser
Gelegenheit eines Tages von Muslimen entführt worden ist und daß auch die
Einschaltung der Polizei letztlich erfolglos blieb. Indessen stellt sich die Entführung
der Nichte nicht als asylerheblicher Eingriff in ein Rechtsgut des Klägers selbst dar;
insbesondere hat er bei der Entführung als solcher - da ihm seine Nichte von
mehreren Männern entrissen wurde - am eigenen Körper keine Verletzungen
davongetragen. Auch soweit der Kläger geltend macht, es sei einige Monate
später zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen ihm und den Entführern
gekommen, bei der ihm zwei Zähne ausgeschlagen worden seien, kann der Senat
eine politische Verfolgung nicht feststellen. Gewisse Zweifel bestehen schon
hinsichtlich der Glaubhaftigkeit des diesbezüglichen Vorbringens, denn bei der
Ausländerbehörde hatte der Kläger hiervon nichts gesagt, und bei der
Vorprüfungsanhörung und bei seiner Vernehmung am 25. November 1988 hat er
insoweit keine in sich geschlossene Darstellung gegeben und Widersprüche nicht
gänzlich ausräumen können. So hat er bei der Vernehmung erst auf
nachdrückliches Befragen und auf Vorhalt seiner Angaben vor dem Bundesamt die
handgreifliche Auseinandersetzung überhaupt erwähnt; und einmal hat er den
Vorfall in seinem eigenen Wohnbezirk Istanbul-Tarlabasi, das andere Mal in
demjenigen der Entführer angesiedelt. Einer abschließenden Stellungnahme zur
Glaubhaftigkeit bedarf es indessen ebensowenig wie dazu, ob die Körperverletzung
des Klägers seitens der Entführer - sofern sie tatsächlich erfolgte - und deren
angebliche Todesdrohungen gegenüber dem Kläger für den Fall, daß er Istanbul
nicht unverzüglich verlasse, deshalb als religiös motiviert anzusehen sind, weil sie
zur Aufrechterhaltung der ihrerseits religiös motivierten Entführung seiner Nichte
dienten; denn jedenfalls wären die betreffenden Übergriffe dem türkischen Staat
nicht im asylrechtlichen Sinne zurechenbar. Zwar hat der Kläger angegeben, auch
nach der Schlägerei nochmals bei der Polizei gewesen zu sein, die (wieder) nichts
unternommen habe. Er konnte jedoch - wie er bei seiner Vernehmung am 25.
November 1988 eingeräumt hat - die Namen der Täter nicht angeben, so daß das
Untätigbleiben der Polizei darin begründet sein dürfte, daß Ermittlungen keine
sonderliche Aussicht auf Erfolg versprachen.
c) Schließlich kann der Senat nicht feststellen, daß der Kläger nach seiner
Rückkehr aus Istanbul in Ü. asylerheblicher Verfolgung ausgesetzt war. Soweit er
von einer Vielzahl von Überfällen auf sich und sein Geschäft berichtet hat, ist sein
von einer Vielzahl von Überfällen auf sich und sein Geschäft berichtet hat, ist sein
Vorbringen nicht in jeder Hinsicht stimmig und deshalb nicht ohne weiteres
glaubhaft. Das gilt insbesondere bezüglich der Gesamtzahl der angeblichen
Überfälle, bezüglich des jeweiligen Tatortes und bezüglich des Umfangs der jeweils
erzielten Beute. So war vor der Ausländerbehörde von derartigen Überfällen
überhaupt nicht die Rede, sondern nur davon, daß Teile seines Traktors demontiert
und gestohlen worden seien. Bei der Vorprüfungsanhörung sprach der Kläger dann
von fast zehn Überfällen auf ihn selbst während Fahrten mit seinem Traktor und
auf sein Haus, derentwegen er insgesamt mindestens fünfzigmal bei der örtlichen
Gendarmeriewache gewesen sei; außerdem habe er dort zweimal im
Zusammenhang mit dem Diebstahl von Traktorersatzteilen vorgesprochen. Bei
der Vernehmung am 25. November 1988 gab der Kläger, der nachdrücklich und
durch substantiierte Fragestellungen um Konkretisierung gebeten worden war,
lediglich an, insgesamt etwa zwanzigmal überfallen worden zu sein, wobei
möglicherweise einige Tiere, insbesondere aber vor dem Haus befindliche Teile des
Traktors mitgenommen worden seien. Der Senat hält die diesbezüglichen
Bekundungen nur hinsichtlich der Art, nicht aber hinsichtlich des Umfangs der
erfolgten Übergriffe für glaubhaft und geht im übrigen davon aus, daß der Kläger -
bewußt oder (infolge der zwischenzeitlich vergangenen Zeit) möglicherweise auch
unbewußt - die betreffenden Vorfälle als solche und nach ihrer Anzahl
aufgebauscht hat. Indessen kommt es hierauf nicht entscheidend an, weil
jedenfalls nichts dafür ersichtlich ist, daß die jeweiligen Übergriffe seitens der Täter
religiös motiviert waren; vielmehr hat der Kläger bei der Vorprüfungsanhörung
selbst ausgeführt, die Leute seien wohl vor allem wegen seiner guten
wirtschaftlichen Verhältnisse auf ihn neidisch gewesen. Gleiches gilt hinsichtlich der
vom Kläger geschilderten und bis zur Ausreise immer häufigeren Erpressungen
von Geldern durch Muslime, mit denen er sich seinen Angaben zufolge erkaufen
mußte, nicht getötet zu werden und in Ruhe arbeiten zu können, sowie hinsichtlich
der erstmals bei der Vernehmung am 25. November 1988 mitgeteilten
Raubüberfälle beim Verlassen eines Bankgebäudes (angebliche Beute: 45.000,--
TL) und auf dem Weg nach Nusaybin (angebliche Beute : 18.000,-- TL) und auch
hinsichtlich des - vom Kläger selbst nicht, wohl aber von seiner Ehefrau berichteten
(vgl. Bl. 41 der Bundesamtsakte 163/73713/80) weiteren Raubüberfalls, als sich
der Kläger mit einem in fremder Landwirtschaft erworbenen Verdienst von mehr
als zwei Monaten auf dem Nachhauseweg befunden haben soll. Kann in allen
diesen Fällen mithin die asylrechtlich erforderliche Motivation der Täter nicht
festgestellt werden, so kann offenbleiben, ob die betreffenden Übergriffe jeweils
dem türkischen Staat zugerechnet werden könnten. Hieran bestehen deshalb
erhebliche Zweifel, weil der Kläger die Täter zwar häufig gekannt haben will, sie
aber im Einzelfall der Polizei seinen Angaben zufolge aus Angst meist - abgesehen
von dem Raubüberfall auf dem Weg nach Nusaybin - nicht namhaft gemacht hat,
so daß erfolgversprechende Ermittlungen in aller Regel kaum möglich gewesen
sein dürften, und weil es im übrigen auf Beschwerden des Klägers immerhin zur
Versetzung eines Gendarmerieunteroffiziers gekommen sein soll, die türkischen
Behörden also durchaus zugunsten des Klägers tätig geworden sind. Soweit der
Kläger schließlich bei der Ausländerbehörde einen Bücherdiebstahl durch Muslime
in der christlichen Dorfkirche am Tag seiner Abreise erwähnt hat, scheitert eine
asylrechtliche Zurechenbarkeit jedenfalls daran, daß der Polizei die Namen der
Täter offenbar nicht bekannt waren; außerdem dürfte der Kläger selbst allein aus
dem Diebstahl nicht näher bezeichneter kirchlicher Bücher noch keinen
asylrechtlich bedeutsamen Eingriff in seine Religionsfreiheit herleiten können.
Letzteres gilt auch für die bei der Vernehmung am 25. November 1988 erstmals
mitgeteilte Polizeirazzia während des Gottesdienstes, zumal dieser nach den
Angaben des Klägers keine religiösen Motive zugrunde lagen, sondern die Absicht,
versteckte Waffen aufzuspüren. Was Vorfälle angeht, die der Familie des Klägers
erst nach seiner Ausreise widerfahren sein sollen, so sind sie jedenfalls im
vorliegenden Zusammenhang ohne rechtliche Bedeutung, denn ein
Vorfluchttatbestand politischer Verfolgung des Klägers ergibt sich hieraus - wie
regelmäßig - nicht. Es bestehen ferner keine Anhaltspunkte dafür, daß die
muslimischen Einwohner der umliegenden Dörfer sich die zwangsweise Bekehrung
der Einwohner des Dorfes Ü. zum Ziel gesetzt hatten. Eine Erklärung dafür, daß
die Mehrzahl der christlichen Familien den Ort zwischenzeitlich verlassen hat, kann
ebensogut darin gefunden werden, daß es früher zu Übergriffen gekommen ist und
es sich dabei um gewöhnliche Straftaten handelte, bei denen es die Täter in der
Hauptsache auf den Besitz der Christen, insbesondere auf deren Viehherden und
Erntegut sowie unter Umständen auch auf deren Felder und Weinberge abgesehen
hatten. Die Vorfälle, die die christlichen Bewohner von Ü. zur allmählichen
Abwanderung bewogen haben, stehen demnach zwar in Beziehung zu ihrer
Religionszugehörigkeit und zu ihrer Eigenschaft als Bewohner eines christlichen
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Religionszugehörigkeit und zu ihrer Eigenschaft als Bewohner eines christlichen
Dorfes in einer weitgehend muslimischen Umgebung. Sie erlauben damit aber
noch nicht - weder für sich genommen noch im Zusammenhang gesehen - den
Schluß, daß der Kläger zu den Christen gehörte, in deren Person sich der oben
beschriebene Zustand einer latenten allgemeinen Gefährdung und Verdrängung
der Christen aus der Osttürkei zu einer individuellen Verfolgung oder unmittelbaren
Verfolgungsgefahr verdichtet hatte.
4. War demnach der Kläger vor seiner Ausreise aus der Türkei nicht politisch
verfolgt und legt man demzufolge den "normalen" Wahrscheinlichkeitsmaßstab an
(vgl. BVerwG, 31.03.1981 - 9 C 286.80 -, EZAR 200 Nr. 3 = DVBl. 1981, 1096;
BVerwG, 25.09.1984 - 9 C 17.84 -, BVerwGE 70, 169 = EZAR 200 Nr. 12; BVerwG,
03.12.1985 - 9 C 22.85 -, EZAR 202 Nr. 6 = NVwZ 1986, 760), so kann auch nicht
festgestellt werden, daß ihm bei einer Rückkehr im jetzigen Zeitpunkt als
Angehörigen einer kollektiv verfolgten Gruppe politische Verfolgungsmaßnahmen
drohen.
Für die Frage, ob der Kläger bei einer Rückkehr in die Türkei mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit politisch motivierte Verfolgungsmaßnahmen zu erwarten hat,
ist zu unterstellen, daß er allein dorthin zurückkehrt. Insoweit kann nur fiktiv auf
eine Rückkehr und außerdem auf die tatsächlichen Umstände im Zeitpunkt der
Prognose und in einer absehbaren Zeit danach abgestellt werden und nicht darauf,
daß der Kläger - der im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis ist - aus
asylverfahrensunabhängigen Gründen zum weiteren Verbleib im Bundesgebiet
berechtigt ist und ob etwa einer seiner Verwandten dazu bereit oder
familienrechtlich verpflichtet wäre, ihm bei einer Rückkehr in die Heimat zu folgen.
Ebensowenig wie ihm ein Rechtsschutzbedürfnis an der Weiterverfolgung seiner
Asylverpflichtungsklage mit dem Hinweis auf die Asylanerkennung von Verwandten
abgesprochen werden kann (vgl. BVerwG, 13.01.1987 - 9 C 50.86 -, EZAR 204 Nr.
3; Hess. VGH, st. Rspr., vgl. etwa 13.11.1986 - 10 OE 108/83 - m.w.N.), kann
umgekehrt bei der Verfolgungsprognose auf die Schutz- und
Aufnahmebereitschaft von Verwandten abgestellt werden, die sich im
Entscheidungszeitpunkt außerhalb des gemeinsamen Heimatlands aufhalten und
nicht bereit sind, dorthin zurückzukehren.
Die Gefahr einer Gruppenverfolgung Syrisch-Orthodoxer in der Türkei vermag der
Senat auch für die Zukunft nicht festzustellen. Wie schon oben (unter II. 2. b)
ausgeführt, hatten die syrisch-orthodoxen Christen bis zur Ausreise des Klägers
aus der Türkei allgemein in der Türkei und insbesondere auch in Istanbul eine
derartige politische Verfolgung nicht zu befürchten. Inzwischen hat sich die
Sicherheitslage nach der Machtübernahme durch die Militärs im September 1980
allgemein erheblich verbessert, und dies hat sich nach allgemeiner Einschätzung
auch zugunsten der syrisch-orthodoxen Christen in Istanbul wie in anderen
Landesteilen ausgewirkt (vgl. dazu etwa: 18., S. 34; 21.; 26.; 29.; 30.; 38.; 40.; 42.).
Das Auswärtige Amt hat dazu nach eingehenden Gesprächen mit syrisch-
orthodoxen Geistlichen unter Bezugnahme auf einen deutschsprachigen Bericht in
dem Organ der Erzdiözese der syrisch-orthodoxen Kirche von Antiochien in Europa
vom Dezember 1982/Januar 1983 einen zunehmenden staatlichen Schutz für die
syrisch-orthodoxen Christen nach der Machtübernahme durch die Militärs
festgestellt (38.). Die Evangelische Gemeinde deutscher Sprache in der Türkei
berichtet davon, daß von der Geistlichkeit und von einzelnen Gemeindemitgliedern
immer wieder festgestellt werde, daß sich die Verhältnisse nach dem 12.
September 1980 gebessert hätten (26.). Die Sürjanni Kadim berichtet, ihre
Mitglieder befänden sich wie jeder anderer türkische Bürger nach dem 12.
September 1980 "in Ruhe und in Sicherheit" (29.). Nach Auskunft der
Sachverständigen Dr. Harb-Anschütz hat sich nach dem 12. September 1980
auch in Istanbul die Lage der syrisch-orthodoxen Christen wesentlich verbessert
(30.). Zu demselben Ergebnis gelangten die Teilnehmer einer von der
Evangelischen Akademie Bad Boll im Mai 1983 veranstalteten Studienfahrt in die
Türkei (34., S. 7, 18). Soweit - wie vom Verwaltungsgericht in dem angefochtenen
Urteil - eine Verbesserung der Sicherheitslage mit den entsprechenden
Auswirkungen auf die Situation der Syrisch-Orthodoxen in Istanbul bezweifelt wird
(37., S. 17 ff.), fehlt es an konkreten Hinweisen darauf, daß sich tatsächlich
entgegen der allgemeinen Lebenserfahrung die in der Türkei in den letzten Jahren
zu beobachtende Verbesserung der Sicherheitslage nicht auch zugunsten der
christlichen Bevölkerung ausgewirkt haben könnte (so auch: Bay. VGH, 29.11.1985
- 11 B 85 C 35 -; VGH Baden-Württemberg, 20.06.1985 - A 13 S 221/84 -, bestätigt
durch BVerwG, 16.10.1986 - 9 C 320.85 -; VGH Baden-Württemberg, 09.02.1987 -
A 13 S 709/86 -; OVG Bremen, 14.04.1987 - 2 BA 28/85 u. 32/85 -; OVG Hamburg,
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A 13 S 709/86 -; OVG Bremen, 14.04.1987 - 2 BA 28/85 u. 32/85 -; OVG Hamburg,
10.06.1987 - Bf V 21/86 -; OVG Nordrhein-Westfalen, 19.02.1987 - 18 A 10315/86 -
; Hess. VGH, 30.08.1984 - X OE 306/82 -, 22.02.1988 - 12 UE 1071/84, 1587/84 u.
2585/85 -, 16.05.1988 - 12 UE 2571/88 -, 30.05.1988 - 12 UE 2500/85 u. 2514/85 -,
13.06.1988 - 12 OE 94/83 -, 27.06.1988 - 12 UE 2438/85 -, 04.07.1988 - 12 UE
2573/85 u. 12 UE 25/86 -, 17.10.1988 - 12 UE 2601/84, 12 UE 767/85, 12 UE
2497/85 u. 12 UE 2813/86 - sowie 05.12.1988 - 12 UE 2487/85 u. 12 UE 2569/85 -;
a.A. OVG Rheinland-Pfalz, 10.12.1986 - 11 A 131/86 -, aufgehoben durch BVerwG,
06.10.1987 - 9 C 13.87 -, EZAR 203 Nr. 4 = InfAuslR 1988, 57). Die demgegenüber
in dem angegriffenen Urteil geäußerten Zweifel an der Dauerhaftigkeit der nach
dem Militärputsch erreichten Stabilisierung der Sicherheitslage haben sich nicht
bewahrheitet. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, auf dessen Urteil
vom 23. April 1983 - 18 A 10237/84 - sich das Verwaltungsgericht insoweit beruft,
ohne die zugrundeliegenden Prognosetatsachen zu nennen, hält an seiner damals
geäußerten Auffassung ersichtlich nicht mehr fest (vgl. 19.02.1987 - 18 A
10315/86 -).
5. Ferner kann für den Kläger - mangels einer Änderung der hierfür in Betracht zu
ziehenden Prognosetatsachen - nicht zur Überzeugung des Senats festgestellt
werden, daß gerade ihm bei einer Rückkehr in seine Heimat im derzeitigen
Zeitpunkt politisch motivierte (Einzel-)Verfolgung droht.
Ob ein Asylbewerber in seinen Heimatstaat zurückkehren kann, ohne dort mit
beachtlicher Wahrscheinlichkeit asylrechtlich relevanten Verfolgungsmaßnahmen
ausgesetzt zu sein, ist für das gesamte Territorium des Heimatstaats zu
beantworten; eine Beschränkung auf etwa den Geburtsort oder den letzten
Aufenthaltsort ist weder geboten noch statthaft. Droht einem Asylbewerber
nämlich eine Verfolgung in Teilen seines Heimatlandes erstmals oder wiederholt,
dann kann er darauf verwiesen werden, dort Aufenthalt zu nehmen, wo er
innerhalb seines Heimatstaats ohne Furcht vor politischer Verfolgung leben kann
(sog. interne Fluchtalternative; vgl. BVerfG, 02.07.1980 - 1 BvR 147/80 u.a. -,
BVerfGE 54, 341 <359 ff.> = EZAR 200 Nr. 1, sowie BVerwG, 02.08.1983 - 9 C
599.81 -, BVerwGE 67, 314 = EZAR 203 Nr. 1, 15.02.1984 - 9 CB 191.83 -, EZAR
203 Nr. 2 = DVBl. 1984, 570, 02.07.1985 - 9 C 58.84 -, EZAR 203 Nr. 3 = NVwZ
1986, 485, 06.10.1987 - 9 C 13.87 -, EZAR 203 Nr. 4 = InfAuslR 1988, 57,
09.02.1988 - 9 C 55.87 - u. 16.06.1988 - 9 C 1.88 -).
Es spricht viel dafür, daß sich der Kläger wieder in Ü. niederlassen kann, wo er
geboren ist und wo er den größten Teil seines Lebens verbracht hat. Dort wohnen
den Angaben des Klägers bei seiner Vernehmung am 25. November 1988 zufolge
immer noch etwa 30 christliche Familien und - abgesehen von den Gendarmen -
keine Muslime. Durch die große Zahl der dort stationierten Gendarme dürfte die
Sicherheitslage sich übrigens im Vergleich zu anderen Gegenden überproportional
verbessert haben. Da die Mutter des Klägers nach wie vor in dem von ihm nach
der Rückkehr aus Istanbul erbauten Haus lebt und auch der Grundbesitz der
Familie noch vorhanden ist und teilweise gegen Abgabe eines Teils des Ernteguts
von Dritten bewirtschaftet wird, dürfte für den Kläger eine ausreichende
Lebensgrundlage in Ü. vorhanden sein, die er in Anspruch nehmen könnte. Weitere
familiäre Anknüpfpunkte würde er in Gestalt der beiden Onkel L. und M. K. seiner
Ehefrau vorfinden, die nach Wissen des Klägers ebenfalls noch im Dorf leben, sowie
möglicherweise in Gestalt einer in dem - eine Autostunde entfernt gelegenen Dorf
Gundek Sikro verheirateten Schwester seiner Ehefrau. Soweit der Kläger und seine
Ehefrau in deren Asylverfahren (Bl. 7 u. 42 der Bundesamtsakte 163/73713/80)
über Vorfälle berichtet haben, die der Familie und weiteren Verwandten nach der
Ausreise des Klägers widerfahren sind - u.a. Überfälle auf das Haus in der Zeit von
Januar bis September 1980, wobei der Onkel E. Ö. und der Cousin S. Ö. sowie die
Schwägerin B. K. getötet bzw. schwer verletzt wurden -, liegen diese weit zurück.
Sie ereigneten sich in der Zeit unmittelbar vor dem Militärputsch, als die
Sicherheitslage desolat war; im Rückkehrfall hätte der Kläger daher - zumal bei der
gegenwärtigen Präsenz von Gendarmen in Ü. - nichts dergleichen mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit zu befürchten. Soweit der Kläger geltend macht und dies von
seinem Bruder M. in dessen Asylverfahren bestätigt worden ist (Bl. 9 der in Kopie
vorliegenden Bundesamtsakte 163/10802/85), daß die gesamte Ernte von Kurden
verbrannt worden sei, muß dies 1985 oder früher geschehen sein und ist für eine
dem zugrundeliegende religiöse Motivation der Täter und eine asylrechtliche
Verantwortlichkeit des türkischen Staats nichts dargetan. Außerdem kann nicht
festgestellt werden, daß dem Kläger im Rückkehrfalle mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit ähnliches drohte.
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Unabhängig hiervon kann der Kläger jedenfalls in Istanbul, wo er - was der
Bundesbeauftragte übersehen zu haben scheint (vgl. S. 3, vorl. Abs., der
Berufungsbegründung) - etwa fünf Jahre lang mit seiner Familie gewohnt und
gearbeitet hat, ohne Furcht vor politischer Verfolgung leben. Denn wie oben (unter
II. 4.) dargelegt, hat sich die Verbesserung der Sicherheitslage nach der
Machtübernahme durch die Militärs im September 1980 auch zugunsten der
syrisch-orthodoxen Christen in Istanbul in der Weise ausgewirkt, daß nicht
angenommen werden kann, dort seien Männer im Alter des Klägers von religiös
motivierten Übergriffen muslimischer Türken betroffen und diesen
Verfolgungsmaßnahmen schutzlos ausgesetzt. Der Kläger hat zwar in Istanbul
keinen verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkt mehr, nachdem ein früher dort
lebender Bruder seiner Ehefrau nach Norwegen ausgereist ist. Er verfügt aber - wie
sich seinerzeit gezeigt hat - jedenfalls über ausreichende türkische
Sprachkenntnisse, um sich in Istanbul zurechtzufinden. Außerdem ist er nach
seinem Alter und seinem Gesundheitszustand arbeitsfähig und - mangels
gegenteiliger Anhaltspunkte - offenbar auch arbeitswillig. Es ist überdies nicht
auszuschließen, daß er erneut in der Kabelfabrik wird Arbeit finden können, in der
er bereits von 1970 bis 1975 beschäftigt war, zumal er damals offenbar auf
eigenen Wunsch ausgeschieden ist und zumal er ersichtlich guten Kontakt zu
seinem armenischen Arbeitgeber hatte, der ihm anläßlich der seinerzeitigen
Entführung seiner Nichte Unterstützung zuteil werden ließ. Selbst wenn der Kläger
nicht an seiner früheren Arbeitsstelle sollte unterkommen können, fehlen
Anzeichen dafür, daß es ihm nicht wie anderen Rückkehrern oder Zuwanderern
aus dem Tur'Abdin gelingen sollte, sich vor möglichen Übergriffen Andersgläubiger
in Istanbul hinreichend zu schützen und insbesondere auch eine Beschäftigung zu
finden, die es ihm ermöglicht, seinen Unterhaltsbedarf zu befriedigen. Er hat
schließlich schon einmal über lange Zeit in Istanbul gelebt und gearbeitet und
kann deshalb nicht als so unerfahren und ortsunkundig angesehen werden wie
andere Christen, die unmittelbar aus dem Tur'Abdin nach Istanbul ziehen. Offenbar
gibt es aus jüngerer Zeit keine Bezugsfälle, in denen männliche Christen in
Istanbul ernsthaft an der Ausübung ihrer Religion gehindert worden sind oder aber
eine ausreichende materielle Lebensgrundlage nicht erlangen konnten; jedenfalls
sind die unsicheren Verhältnisse vor September 1980, die den Kläger letztlich zum
Verlassen der Türkei bewogen haben, inzwischen so weit verbessert, daß für ihn
nicht nur ein Leben "am Rande des Verderbens" (vgl. dazu BVerwG, 06.10.1987 - 9
C 13.87 -, EZAR 203 Nr. 4 = InfAuslR 1988, 57, u. Hess. VGH, 16.05.1988
- 12 UE 2571/85 -) gewährleistet ist. Den in Aussicht gestellten Bericht einer
deutschen Reisegruppe, aus dem sich hiervon abweichende Erfahrungen ergeben
sollten, hat der Kläger bis heute nicht vorgelegt. Anhaltspunkte dafür, daß der
Kläger etwa jetzt noch Nachstellungen der Entführer seiner Nichte zu erwarten
hätte, gegen die er staatlichen Schutz nicht in Anspruch nehmen könnte, sind
nicht ersichtlich, zumal die Entführung nunmehr ca. 14 Jahre zurückliegt und die
Nichte zwischenzeitlich ein Kind geboren und sich offenbar mit ihrem Schicksal
abgefunden hat.
III.
Die Entscheidungen über die Kosten des Verfahrens und über die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 154 Abs. 1, 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11 und
711 Satz 1 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor;
insbesondere rechtfertigt es nicht die Zulassung der Revision, daß der Senat von
den Entscheidungen anderer Oberverwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtshöfe)
abweicht, soweit er keine kollektive Verfolgung der christlichen Minderheit im
Tur'Abdin für die Zeit vor 1980 verneint.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde innerhalb eines Monats
nach Zustellung dieser Entscheidung angefochten werden. Die Beschwerde ist
durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule
einzulegen. In der Beschwerdeschrift muß die grundsätzliche Bedeutung der
Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts
oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von der
die Entscheidung abweicht, oder ein Verfahrensmangel bezeichnet werden, auf
dem das Urteil beruhen kann (vgl. § 132 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -
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dem das Urteil beruhen kann (vgl. § 132 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -
und § 18 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der
obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Juni 1968
- BGBl. I S. 661).
Die Revision ist auch ohne Zulassung statthaft, wenn einer der in § 133 VwGO
genannten Verfahrensmängel gerügt wird. In diesem Fall ist die Revision innerhalb
eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung durch einen Rechtsanwalt oder
einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule schriftlich einzulegen und
spätestens innerhalb eines weiteren Monats zu begründen. Die Revision muß die
angefochtene Entscheidung bezeichnen. Die Revisionsbegründung oder die
Revision muß einen bestimmten Antrag enthalten, ferner die verletzte Rechtsnorm
und die Tatsachen bezeichnen, die den gerügten Verfahrensmangel ergeben.
Beschwerde und Revision sind einzulegen bei dem
Hessischen Verwaltungsgerichtshof
Brüder-Grimm-Platz 1
3500 Kassel
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.