Urteil des HessVGH vom 20.05.1992
VGH Kassel: dienstanweisung, aufschiebende wirkung, vorläufiger rechtsschutz, irreparabler nachteil, sachliche zuständigkeit, leiter, hauptsache, beamtenverhältnis, gemeindeordnung, verwaltungsakt
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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
1. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 TH 633/92
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 70 GemO HE, § 73 GemO
HE
(Dienstanweisung eines Bürgermeisters - Verletzung der
Weisungsbefugnis eines Beigeordneten)
Tatbestand
Der Bürgermeister der Antragsgegnerin erließ unter dem 6.6.1991 aus
gegebenem Anlaß eine Dienstanweisung, in der er unter Hinweis auf seine Stellung
als Dienstvorgesetzter nach § 73 Abs. 2 HGO und unter Erläuterung der Begriffe
"Oberste Dienstbehörde", "Dienstvorgesetzter" und "Vorgesetzter"
zusammenfassend regelte:
"Die Beschäftigten sind also gegenüber dem Bürgermeister weisungsgebunden,
auch wenn Vorgesetzte andere Anordnungen oder Anweisungen etc. erteilt
haben."
Diese Dienstanweisung, die sich an alle Abteilungsleiter im Hause, nachrichtlich an
den Antragsteller und an den Personalrat bei der Antragsgegnerin wandte, sollte
allen Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen der Abteilungen zur Kenntnis gegeben werden,
die Kenntnisnahme sollte bestätigt werden.
Am 2.12.1991 hat der Antragsteller durch seine Prozeßbevollmächtigten
vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO, hilfsweise nach § 123 VwGO, bei
dem Verwaltungsgericht in Darmstadt beantragt.
Das Verwaltungsgericht in Darmstadt hat den Antrag mit Beschluß vom 3.3.1992 -
III/2 H 2162/91 - abgelehnt, weil die Dienstanweisung des Bürgermeisters der
Antragsgegnerin vom 6.6.1991 keinen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 HVwVfG
darstelle, in ihr habe lediglich der Rechtsstandpunkt des Bürgermeisters
gegenüber den Abteilungsleitern der Verwaltung der Antragsgegnerin deutlich
gemacht werden sollen. Von der Dienstanweisung sei folglich keine unmittelbare
Rechtserheblichkeit ausgegangen. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs
des Antragstellers vom 25.6.1991 könne daher nicht festgestellt werden. Der
Hilfsantrag nach § 123 VwGO sei ebenfalls unzulässig, da eine Rechtsmeinung
nicht vollzogen werden könne.
Gegen diesen am 12.3.1992 zugestellten Beschluß richtet sich die Beschwerde
des Antragstellers vom 24.3.1992, mit der er sein erstinstanzliches Begehren
weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet, denn das Verwaltungsgericht
hätte den Antrag des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes
nicht insgesamt ablehnen dürfen.
Unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses ist daher die aus dem Tenor
ersichtliche einstweilige Anordnung zu erlassen, im übrigen ist der Antrag
abzulehnen und die Beschwerde des Antragstellers insoweit zurückzuweisen.
Der erkennende Senat ist als für das "Recht des öffentlichen Dienstes" zuständiger
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Der erkennende Senat ist als für das "Recht des öffentlichen Dienstes" zuständiger
Senat zur Entscheidung über die Beschwerde berufen, soweit nicht dieses
Rechtsgebiet anderen Senaten zugewiesen ist. Das ist nicht der Fall (vgl. zur
Abgrenzung des 1. und 6. Senats - Kommunalrecht -: Beschluß des Präsidiums
des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17.12.1991 für das Geschäftsjahr
1992 unter D).
Ausgangspunkt für die rechtliche Beurteilung des Falles ist § 211 Abs. 1 HBG, nach
dem für Beamte auf Zeit - bei dem Antragsteller handelt es sich um einen
Beamten auf Zeit im Sinne dieser Vorschrift - die Vorschriften für Beamte auf
Lebenszeit entsprechend gelten, soweit nicht gesetzlich etwas anderes bestimmt
ist. Eine derartige andere Bestimmung enthält die Hessische Gemeindeordnung
(HGO) nicht, insbesondere handelt es sich bei dem vorliegenden Verfahren des
Antragstellers, das zunächst gegen den Bürgermeister der Antragsgegnerin
gerichtet war, nicht um einen sog. kommunalverfassungsrechtlichen Organstreit,
in dem um sog. organschaftliche Rechte gestritten wird, die von der
Rechtsordnung bestimmten Organen oder Organteilen zur Wahrung eigener
persönlicher oder "funktionaler" Interessen zuerkannt werden (vgl. hierzu etwa
Kopp, VwGO, 8. Aufl. 1989, § 42 RdNr. 44 mit weiteren Nachweisen). Hiervon zu
unterscheiden sind die sog. kommunalen Dienstrechtsstreitigkeiten, die alle
sonstigen Beziehungen einer amtlich betrauten Person (hier: des Antragstellers)
zu einem Träger öffentlicher Verwaltung als "Dienstherrn" (hier: die
Antragsgegnerin) erfassen, die gerade nicht auf organschaftlichen Funktionen
beruhen, sondern das der Funktionsstellung (Erster Beigeordneter)
zugrundeliegende Rechts- und Anstellungsverhältnis (Wahlbeamter auf Zeit)
betreffen. Diese Streitigkeiten unterfallen nicht dem Begriff der "Organstreitigkeit",
weil sie nicht den organschaftlichen Funktionsablauf betreffen, sondern der
"dienstlichen Sphäre" des Mitglieds des Gemeindevorstands als
Kommunalverwaltungsbehörde im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 HGO zuzurechnen
sind (vgl. hierzu Blentge, Der Kommunalverfassungsstreit, 1970, S. 27 f. unter
Hinweis auf Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 1965, S. 75
ff.). Wenn auch die Verletzung sowohl von organschaftlichen wie auch - zugleich -
von persönlichen, aus dem (Wahl-)Beamtenverhältnis fließenden Rechten für
möglich gehalten wird (vgl. hierzu etwa Hess.VGH, Urteil vom 4.1.1989 - 6 UE
469/87 -; DVBl. 1989, 934 = DÖV 1990, 628), so sind, gemessen an dem
Streitgegenstand "Dienstanweisung des Bürgermeisters der Antragsgegnerin vom
6.6.1991", weder der Antragsteller noch der ursprünglich als Antragsgegner
aufgetretene Bürgermeister der Antragsgegnerin als Organe der Gemeinde, das
sind nur die Gemeindevertretung als oberstes Organ einer Gemeinde und der
(kollegiale) Gemeindevorstand, der die laufende Verwaltung besorgt (vgl. §§ 9, 63
Abs. 2 Satz 3 HGO) bzw. als Organteile von dem genannten Streitgegenstand
betroffen. Vielmehr will der Antragsteller ein persönliches, aus seinem
Wahlbeamtenverhältnis fließendes Recht, nämlich seine Weisungsbefugnis als
Vorgesetzter (vgl. § 70 Sätze 1 und 2 HBG) durchsetzen, d.h. daß seine
Weisungen als Leiter des Dezernats II an seine Mitarbeiter auch von den übrigen
Mitgliedern des Gemeindevorstandes, insbesondere vom Bürgermeister geachtet
und nicht durch die angegriffene Dienstanweisung vom 6.6.1991 von vornherein
außer Kraft gesetzt werden.
Daß es sich bei der angegriffenen Dienstanweisung des Bürgermeisters der
Antragsgegnerin vom 6.6.1991 um eine beamtenrechtliche Weisung handelte,
ergibt sich nicht zuletzt aus ihrem Inhalt selbst. Der Bürgermeister hat seine alle
anderen Anordnungen verdrängende Weisungsbefugnis aus beamtenrechtlichen
Vorschriften der Hessischen Gemeindeordnung, aus Vorschriften des Hessischen
Beamtengesetzes und aus sonstigen dienstrechtlichen Bestimmungen abgeleitet.
Wenn auch der Bürgermeister der Antragsgegnerin gerade nicht
"Dienstvorgesetzter" des Antragstellers ist (vgl. § 73 Abs. 2 Satz 1 HGO), so hat
der Bürgermeister der Antragsgegnerin in seiner Dienstanweisung vom 6.6.1961
ersichtlich eine Weisung erlassen, die sich auf die Erledigung der laufenden
Verwaltungsangelegenheiten bezieht, die in der Regel von dem Antragsteller
selbständig zu erledigen sind (vgl. § 70 Abs. 2 HGO). Sie konnte ihn daher allein als
Glied der Gemeindeverwaltung in seinen beamtenrechtlichen Zuständigkeiten und
Befugnissen treffen. Streitigkeiten aus dem Beamtenverhältnis sind gerichtlich
allein gegen den jeweiligen Dienstherrn durchführbar, dessen hoheitliche Aufgaben
wahrgenommen werden, nicht aber gegen den einzelnen Amtsträger, der sie
auszuführen hat, wie hier der Bürgermeister der Antragsgegnerin, der den
Geschäftsgang der gesamten Verwaltung leitet und beaufsichtigt und für den
geregelten Ablauf der Verwaltungsgeschäfte zu sorgen hat (vgl. § 70 Abs. 1 Satz 2
HGO). Deshalb hat der Antragsteller auf Hinweis des Senats seinen Antrag im
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HGO). Deshalb hat der Antragsteller auf Hinweis des Senats seinen Antrag im
Beschwerdeverfahren zutreffend gegen seinen Dienstherrn (vgl. § 3 HBG)
umgestellt (vgl. hierzu Senatsbeschluß vom 12.8.1988 - 1 TG 682/88 - unter
Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 29.1.1987, BVerwGE 75, 354, 355).
Mit dem Verwaltungsgericht ist auch der angerufene Senat der Auffassung, daß es
sich bei der Dienstanweisung des Bürgermeisters der Antragsgegnerin vom
6.6.1991 nicht um einen Verwaltungsakt handelt, weil sie nur verwaltungsinterne
Wirkung zeitigt. Sie ist eine Maßnahme, die den Antragsteller in seiner
Amtsführung als ein Glied der Verwaltung der Antragsgegnerin betrifft (vgl. zur
Abgrenzung innerdienstlicher Weisungen und justitiable Anordnungen im
Beamtenverhältnis etwa Schütz, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, § 180
RdNrn. 4 bis 7; Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, Komm. zum Bundesbeamtengesetz, §
172 RdNr. 14 bis 16). Als verwaltungsinterne Weisung ohne Außenwirkung könnte
die angegriffene Dienstanweisung vom 6.6.1991 - ab- gesehen von ihrer
allgemeinen Fassung ohne Bezugnahme auf einen Einzelfall - auch dann nicht als
Verwaltungsakt angesehen werden, wenn sie geeignet wäre, eine Handlung oder
Entscheidung des angewiesenen Antragstellers bereits abschließend zu
bestimmen und ihm keinerlei Entscheidungsspielraum mehr lassen würde. Ähnlich
wie bei Organisationsakten wird durch die Verneinung der
Verwaltungsaktseigenschaft der Rechtsschutz des Antragstellers nicht verkürzt,
denn gerichtlicher Rechtsschutz ist auch dann gewährleistet, wenn ein Beamter
durch Maßnahmen, die - nach § 42 Abs. 2 VwGO - unanfechtbare oder
unüberprüfbare Behördeninterna sind, weil sie etwa im Einzelfall keine
Außenwirkung entfalten - § 35 HVwVfG -, in seiner individuellen Rechtssphäre
verletzt wird und mit dieser Begründung die Verwaltungsgerichte anruft (vgl. hierzu
BVerwG, Urteil vom 12.2.1981, DVBl. 1981, 495 unter Hinweis auf sein Urteil vom
22.5.1980, DVBl. 1980, 882).
Vorläufiger Rechtsschutz kann wie in derartigen Fällen im gegebenen
Zusammenhang nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO gewährt werden, denn auch
abtrennbare Teile eines streitigen Rechtsverhältnisses (= Beamtenverhältnis als
Erster Beigeordneter) können Gegenstand einer Regelung eines vorläufigen
Zustandes sein. Dem Antragsteller steht auch ein Anordnungsgrund zur Seite, weil
sich die angegriffene Dienstanweisung vom 6.6.1991 unmittelbare Wirkung beimißt
und der Bürgermeister der Antragsgegnerin nach dem Vortrag des Antragstellers
bereits nach Maßgabe der Dienstanweisung verfahren ist, so daß sich der Konflikt,
wessen Weisung die Bediensteten des dem Antragsteller unterstellten Dezernat II
zu folgen haben, täglich stellt und weiter stellen kann. Das Begehren des
Antragstellers, den Vollzug der Dienstanweisung des Bürgermeisters der
Antragsgegnerin vom 6.6.1991 im Rahmen des vorliegenden Verfahrens bis zu
einer Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen, nimmt auch nicht in
unzulässiger Weise die Hauptsache vorweg. Eine derartige Vorwegnahme der
Hauptsache ist in Fällen der vorliegenden Art bei besonderer Dringlichkeit
ausnahmsweise unschädlich, wenn offensichtlich ist, daß der Antragsteller in der
Hauptsache obsiegt oder zumindest eine überwiegende Wahrscheinlichkeit hierfür
besteht, und außerdem auf Seiten des Antragstellers durch die Verweisung auf
das Hauptsacheverfahren ein unzumutbarer, irreparabler Nachteil entstünde. Das
behauptet der Antragsteller für den Senat nachvollziehbar, denn er erblickt in dem
Vorrang der Weisungen des Bürgermeisters der Antragsgegnerin einen - jedenfalls
mittelbaren - Entzug seiner Kompetenzen und eine Aushöhlung seiner Befugnisse
als Erster Beigeordneter und Leiter des Dezernats II der Antragsgegnerin.
Dem Antragsteller steht auch ein Anordnungsanspruch zur Seite. Nach § 70 Abs. 2
HGO werden die laufenden Verwaltungsangelegenheiten von dem Bürgermeister
und den zuständigen Beigeordneten selbständig erledigt. Diese selbständige
Erledigungsbefugnis wird durch die Dienstanweisung des Bürgermeisters der
Antragsgegnerin vom 6.6.1991 in ungerechtfertigtem Umfange eingeschränkt.
Herrscht im allgemeinen Verwaltungsorganisations- und Dienstrecht unter den
Dienstanweisungen als Einzelanweisung eine sich aus dem hierarchischen "Rang"
des Vorgesetzten ergebende Rangordnung, so daß die Weisungen eines höheren
Vorgesetzten denen eines unteren Vorgesetzten vorgehen (so Rasch, Die
staatliche Verwaltungsorganisation, 1967, S. 125 unter Hinweis auf Rupp,
Grundlagen der heutigen Verwaltungslehre, 1965, S. 72), so kann für das
Verhältnis Bürgermeister/Beigeordneter im gemeindlichen Verwaltungsbereich
Entsprechendes nicht gesagt werden. Das ergibt sich aus den besonderen
Kompetenzregelungen, wie sie in §§ 70, 73 HGO enthalten sind. Danach hat der
Beigeordnete - hier der Antragsteller - gegenüber dem Bürgermeister eine
besondere - selbständige - Stellung. Der Bürgermeister ist - anders als bei allen
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besondere - selbständige - Stellung. Der Bürgermeister ist - anders als bei allen
anderen Beamten, Angestellten und Arbeitern der Gemeinde - nicht
Dienstvorgesetzter der Beigeordneten; er ist auch nicht ihr "höherer Vorgesetzter"
(vgl. zu diesem Begriff: Schütz, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Teil C,
§ 3 RN 17). Dagegen verteilt er die Geschäfte unter die Mitglieder des
Gemeindevorstands, ausgenommen sind die Arbeitsgebiete, für welche
hauptamtliche Beigeordnete von der Gemeindevertretung besonders gewählt sind
(§ 70 Abs. 1 Satz 3 HGO). Zudem leitet und beaufsichtigt der Bürgermeister den
Geschäftsgang der gesamten Verwaltung und sorgt für den geregelten Ablauf der
Verwaltungsgeschäfte (§ 70 Abs. 1 Satz 2 HGO). Demgegenüber werden die
laufenden Verwaltungsangelegenheiten von dem Bürgermeister und dem
zuständigen Beigeordneten selbständig erledigt, soweit nicht auf Grund
gesetzlicher Vorschriften oder Weisung des Bürgermeisters oder wegen der
Bedeutung der Sache der Gemeindevorstand im ganzen zur Entscheidung berufen
ist (§ 70 Abs. 2 HGO). Diese Bestimmung gibt dem Beigeordneten die Befugnis, in
laufenden Verwaltungsangelegenheiten die ihm übertragenen Aufgaben
selbständig zu erledigen. Diese vorrangige Selbständigkeit des Beigeordneten gilt
nur dann nicht, wenn auf Grund gesetzlicher Vorschriften oder Weisung des
Bürgermeisters oder wegen der Bedeutung der Sache der Gemeindevorstand im
ganzen zur Entscheidung über eine Sachfrage berufen ist. Solange eine dieser
Ausnahmeregelungen nicht vorliegt, insbesondere nicht der Bürgermeister eine
Entscheidung des Gemeindevorstandes begehrt, kann jeder Beigeordnete
(Dezernent) - hier: der Antragsteller - eine sein Dezernat allein berührende
Angelegenheit der laufenden Verwaltung selbst entscheiden und ihre Ausführung
durch sein Dezernat sicherstellen. Ein Einzelweisungsrecht in
Sachangelegenheiten, geschweige denn ein generelles Weisungsrecht im Sinne
der Dienstanweisung des Bürgermeisters der Antragsgegnerin vom 6.6.1991
gegenüber den Beigeordneten als Leiter der Dezernate, die nicht vom
Bürgermeister selbst verwaltet werden, gibt es nach hessischem
Gemeindeverfassungsrecht für den Bürgermeister nicht (so ausdrücklich
Meyer/Stolleis, Hessisches Staats- und Verwaltungsrecht, 2. Aufl., 1986, S. 178,
180).
Dieses Ergebnis widerspricht nicht der Befugnis des Bürgermeisters, den
Geschäftsgang der gesamten Verwaltung zu leiten und zu beaufsichtigen und für
den geregelten Ablauf der Verwaltungsgeschäfte zu sorgen (vgl. § 70 Abs. 1 Satz 2
HGO). Zwar ist der Bürgermeister damit "Verwaltungsleiter" und trägt die
Verantwortung für den ordnungsgemäßen Gang der Verwaltung, diese
ausschließliche Kompetenz in der Verwaltungsleitung ermächtigt ihn jedoch nicht
dazu, in Sachentscheidungen der Dezernenten (Beigeordneten) einzugreifen und
deren Entscheidungen inhaltlich zu bestimmen. Seine Befugnisse als
Verwaltungsleiter beschränken sich darauf, allgemeine Dienstanweisungen (z.B.
Geschäftsordnungen, Kanzleiordnungen, Einsatz der Bediensteten und Mittel usw.)
für die Verwaltungsdienststellen zu regeln, wobei er an die allgemeinen
Verwaltungsgrundsätze der Gemeindevertretung gemäß § 51 Nr. 1 HGO gebunden
ist (vgl. hierzu Hess.VGH, Urteil vom 15.1.1980 - II OE 70/78 -; Schneider-Jordan,
Hessische Gemeindeordnung, Komm., § 70 Erl. 2.2; Schlempp, Komm. zur
Hessischen Gemeindeordnung , § 70 Erl. VI). Die Leitungs- und
Aufsichtsbefugnis des Bürgermeisters beschränkt sich demnach gleichsam auf
den personellen und sachlichen "Verwaltungsapparat", nicht jedoch auf die
sachliche Zuständigkeit und Entscheidungsbefugnis der Dezernatsleiter (hier: des
Ersten Beigeordneten der Antragsgegnerin), denen der Bürgermeister bestimmte
Sachgebiete zur selbständigen Erledigung übertragen hat (vgl. § 70 Abs. 1 Satz 3
und Abs. 2 HGO). Unterschiedliche Auffassung in Sachentscheidungen zwischen
dem Bürgermeister und dem Beigeordneten als Dezernenten einer Gemeinde in
einem Sach-/Arbeitsgebiet, das dem Dezernenten übertragen ist, lassen sich
demnach weder durch eine allgemeine Dienstanweisung, wie etwa die
Dienstanweisung des Bürgermeisters der Antragsgegnerin vom 6.6.1991, lösen
noch durch eine Einzelanweisung des Bürgermeisters an den zuständigen
Dezernenten. In derartigen Konfliktfällen muß der Bürgermeister die Entscheidung
des Gemeindevorstandes herbeiführen, anderenfalls ist die vorgeschriebene
selbständige Erledigung durch den zuständigen Beigeordneten nicht mehr
gewährleistet (vgl. § 70 Abs. 2 HGO).
Die Dienstanweisung des Bürgermeisters der Antragsgegnerin vom 6.6.1991
unterscheidet im Rahmen der angeordneten Weisungsgebundenheit der
Abteilungsleiter und ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen an die Anordnungen des
Bürgermeisters nicht zwischen seinen Anordnungen als Verwaltungsleiter im
Rahmen des § 70 Abs. 1 Satz 2 HGO und seinen Anordnungen im Bereich von
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Rahmen des § 70 Abs. 1 Satz 2 HGO und seinen Anordnungen im Bereich von
Sachentscheidungen, die in den einzelnen Dezernaten im Rahmen ihrer
Zuständigkeit im Sinne des § 70 Abs. 1 Satz 3 HGO zu treffen sind. In den zuletzt
genannten Fällen der Sachentscheidungen verletzt daher die Dienstanweisung
vom 6.6.1991 das Recht des Antragstellers aus § 70 Abs. 2 HGO, die laufenden
Verwaltungsangelegenheiten im Rahmen seiner Zuständigkeit als Leiter des
Dezernats II der Antragsgegnerin selbständig zu erledigen. Der angefochtene
Beschluß ist daher abzuändern und eine einstweilige Anordnung in dem aus dem
Tenor ersichtlichen Umfange zu erlassen; im übrigen muß die Beschwerde
zurückgewiesen und der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung abgelehnt
werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.