Urteil des HessVGH vom 03.11.2009
VGH Kassel: beamtenverhältnis, beamter, zukunft, unterricht, gerichtsakte, anerkennung, privatschule, rechtsgrundlage, lehrer, abrechnungsstelle
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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
1. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 A 1443/09.Z
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 3 BeamtStG
Keine Versorgungsansprüche als "faktischer" Beamter
wegen Tätigkeit als Lehrer an einer kirchlichen Privatschule
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des
Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 12. März 2009 - 1 K 2111/07.DA (3) - wird
abgelehnt.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Zulassungsverfahren auf
5.000,00 € festgesetzt.
Gründe
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Es
bestehen weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen
Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch weist die Rechtssache besondere
rechtliche Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) oder hat grundsätzliche
Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Das Verwaltungsgericht ist zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass der
Kläger keinen Anspruch auf die von ihm begehrte Beamtenversorgung aus einem
faktischen Beamtenverhältnis während seiner nebenberuflichen Tätigkeit als
Physiklehrer an dem ...-Gymnasium in ... hat. Denn selbst wenn man davon
ausgeht, dass es in Anlehnung an die arbeitsrechtlichen Grundsätze über das
faktische Arbeitsverhältnis auch im Beamtenrecht ein Bedürfnis für das Institut des
"faktischen Beamtenverhältnisses" als Rechtsgrundlage für gewährte Leistungen
geben kann (vgl. zum Meinungsstand nur: Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz -
alt -, Rdnr. 12 zu § 14 BBG und Fürst, Gesamtkommentar Öffentliches Dienstrecht,
Teil 2 a, Rdnr. 10 ff. zu § 14 BBG sowie aus der Rechtsprechung OVG Magdeburg,
Beschluss vom 18.12.1996 - 3 L 156/96 - juris, Rdnr. 76 ff.), so setzt eine derartige
Rechtsfigur jedenfalls voraus, dass der Wille aller Beteiligten dahin ging, ein
Beamtenverhältnis zu begründen. Einen derartigen Willen haben jedoch die
Beklagten - wie das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat - zu keinem
Zeitpunkt besessen. Vielmehr verweist der Beklagte zu 2. zu Recht darauf, dass
die Begründung eines derartigen - ihm gegenüber kirchenrechtlichen -
Beamtenverhältnisses bereits an dem evangelischen Glauben des Klägers
gescheitert wäre. Auch die Beklagte zu 1. hat nachvollziehbar betont, dass sie
lediglich als Abrechnungsstelle fungiert hat und die Beauftragung des Klägers mit
den Unterrichtsstunden durch den Verwaltungsrat der Schule erfolgt ist, der zu
ihren Lasten kein Beamtenverhältnis hätte begründen können. Vielmehr war
dieser nach Ziffer 7c des Vertrags über die Errichtung einer höheren Privatschule
in ... vom September 1945 (vgl. Bl. 167 f. Gerichtsakte) lediglich berechtigt, nach
Bedarf nebenamtliche Lehrkräfte für den Unterricht hinzuzuziehen, und genau dies
ist auch im Fall des Klägers durch die von ihm als "Handschlag" bezeichnete
Vereinbarung mit dem damaligen Prälaten Dr. ... und dem Oberstudiendirektor ...
geschehen. Ebenso lassen die von der Schulleitung des Gymnasiums an die
Beklagte zu 1. weitergeleiteten Stundenbelege (B. 55 ff GA) deutlich erkennen,
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Beklagte zu 1. weitergeleiteten Stundenbelege (B. 55 ff GA) deutlich erkennen,
dass nebenberuflich übernommener Physikunterricht auf Stundenbasis, nicht aber
eine Tätigkeit als Beamter auf Teilzeitbasis vergütet werden sollte. Das
Verwaltungsgericht hat also nicht u n t e r s t e l l t , dass den Beteiligten der Wille
zur Begründung eines Beamtenverhältnisses gefehlt hat, sondern diese
Einschätzung folgt aus objektivierbaren Umständen bei Beauftragung und
Abwicklung der Unterrichtstätigkeit des Klägers.
Allein die in einzelnen Abrechnungsbelegen benutzte formularmäßige Überschrift
"Abrechnung für Beamte" vermag diesen fehlenden Willen nicht zu ersetzen. Wenn
der Kläger sich gleichwohl aufgrund der langjährigen Unterrichtstätigkeit an der
Schule "wie ein Beamter gefühlt" hat, beruht dies auf seiner persönlichen
Wahrnehmung und kann kein Beleg dafür sein, dass die Beklagten ein
Beamtenverhältnis mit ihm hätten begründen wollen.
Es trifft auch nicht zu, dass das Verwaltungsgericht den sozialversicherungsfreien
Charakter der Unterrichtstätigkeit des Klägers als Kriterium herangezogen hat, um
seinen Beamtenstatus oder ein faktisches Beamtenverhältnis zu verneinen.
Vielmehr hat das Verwaltungsgericht lediglich erläutert, dass der Kläger zwar -
insoweit wie ein Beamter - keine Sozialabgaben von seiner Vergütung für die
Lehrtätigkeit abführen musste. Grund für diese Sozialversicherungsfreiheit war
jedoch nicht ein etwaiger Beamtenstatus des Klägers, sondern der durch eine
entsprechende Bescheinigung des Hauptarbeitgebers nachgewiesene Umstand,
dass schon die Einnahmen des Klägers aus seinem Hauptberuf über der
Beitragsbemessungsgrenze zur Sozialversicherung lagen und die Sozialabgaben
ausschließlich vom Hauptarbeitgeber abgeführt wurden, da dieser die Lehrtätigkeit
des Klägers als auch in seinem Interesse liegend eingestuft hat (vgl. Schreiben der
Freudenberg Anlagen- und Werkzeugtechnik KG vom 04.09.2001, Bl. 70
Gerichtsakte).
Soweit der Kläger sich darauf beruft, dass entgegen der Auffassung des
Verwaltungsgerichtes eine sachliche Notwendigkeit für die Annahme eines
faktischen Beamtenverhältnisses und die Zahlung entsprechender
Versorgungsbezüge bestehe, weil er ansonsten jeglicher Anerkennung für 34 Jahre
Unterricht beraubt würde, richten sich seine Einwände schon nicht gegen einen
tragenden Rechtssatz der erstinstanzlichen Entscheidung. Denn das
Verwaltungsgericht hat lediglich "ergänzend" angemerkt, das auch keine sachliche
Notwendigkeit für die Zahlung von Versorgungsbezügen an den Kläger bestehe,
weil er für die ausgeübte Nebentätigkeit entlohnt worden sei und keine
Sozialabgaben abgeführt habe, die ihm jetzt verloren gingen. Im Übrigen ist für
den Senat auch inhaltlich nicht nachvollziehbar, weshalb dem Kläger im
Nachhinein die Anerkennung für seinen Unterricht vorenthalten würde, wenn er
kein Ruhegehalt erhält.
Ebenso ist der Gesichtspunkt, dass aus einem faktischen Beamtenverhältnis -
selbst wenn man es zu Gunsten des Klägers annehmen würde - jedenfalls kein
Anspruch auf die Zahlung von Versorgungsbezügen für die Zukunft hergeleitet
werden kann, vom Verwaltungsgericht nur ergänzend dargelegt worden. Wenn der
Kläger dem Verwaltungsgericht insoweit den Vorwurf macht, dessen Rechtsansicht
sei "nicht konsequent", so setzt er sich damit ebenfalls nur mit einer ergänzenden,
nicht aber einer tragenden Begründungserwägung auseinander. Im Übrigen trifft
es in der Sache zu, dass das Rechtsinstitut des faktischen Beamtenverhältnisses -
so es überhaupt zur Begründung von beamtenrechtlichen Ansprüchen eine Rolle
spielt - allenfalls als Rechtsgrundlage für das Behaltendürfen von
Besoldungsbezügen herangezogen worden ist, die ansonsten mangels wirksamer
Ernennung von den betroffenen Beschäftigten hätten zurückgefordert werden
müssen (vgl. nur Bay. VGH, Beschluss vom 15.11.2007 - 3 ZB 06.2448 - juris).
Darüber hinausgehende Versorgungsansprüche für die Zukunft hat die
Rechtsprechung dagegen ausdrücklich verneint (vgl. nur OVG Mecklenburg-
Vorpommern, Beschluss vom 28.11.2000 - 2 L 243/99 - juris = NVwZ-RR 2001,
523 f.).
Die Rechtssache weist auch keine besonderen Schwierigkeiten in rechtlicher
Hinsicht auf, insbesondere nicht deshalb, weil der Kläger sich zur Begründung
seines Anspruchs auf ein Rechtsinstitut beruft, das von der Rechtsprechung
entwickelt worden ist. Weder lässt das Abstellen auf ein gesetzlich nicht
verankertes Rechtsinstitut die Rechtsstreitigkeit aus dem Kreis der ansonsten zu
bearbeitenden beamtenrechtlichen Streitverfahren hinausragen noch sind die
Voraussetzungen für die Annahme eines faktischen Beamtenverhältnisses
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Voraussetzungen für die Annahme eines faktischen Beamtenverhältnisses
überhaupt erfüllt, so dass es auf Umfang und Wirkung dieses Instituts ohnehin
nicht entscheidungserheblich ankommt.
Erst Recht kann die vom Verwaltungsgericht offen gelassene Frage, ob die Klage
bereits mangels Vorverfahrens unzulässig ist (vgl. § 182 Abs. 3 HBG in der bis
31.03.2009 geltenden Fassung) keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher Art
begründen. Denn auf dieses Kriterium hat das Verwaltungsgericht gerade nicht
entscheidungserheblich abgestellt, sondern - zu Gunsten des Klägers - die
Zulässigkeit der Klage unterstellt und erst die Begründetheit verneint.
Schließlich hat die Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne
von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, weil mit ihr geklärt werden könnte,
Denn selbst wenn man diese nicht eindeutig formulierte Frage dahingehend
interpretiert, dass dem Kläger grundsätzlich klärungsbedürftig erscheint, inwieweit
aus einem faktischen Beamtenverhältnis auch Ansprüche für die Zukunft und nicht
nur für die Vergangenheit hergeleitet werden können, so stellt sich diese Frage
anhand des vorliegenden Sachverhaltes nicht. Denn der Kläger befand sich
während seiner Lehrtätigkeit an der ...-Schule nicht in einem faktischen
Beamtenverhältnis, sondern war als Angestellter auf der Grundlage eines
Stundenhonorars tätig.
Da der Antrag auf Zulassung der Berufung ohne Erfolg bleibt, hat der Kläger die
Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG.
Mangels sonstiger Anhaltspunkte legt auch der Senat ebenso wie das
Verwaltungsgericht den Auffangstreitwert zu Grunde, da es dem Kläger vorrangig
nur um die Klärung der Frage geht, ob ihm überhaupt Versorgungsbezüge
aufgrund seiner langjährigen Unterrichtstätigkeit zustehen, nicht aber um deren
konkrete Höhe.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.