Urteil des HessVGH vom 12.08.1988
VGH Kassel: hauptsache, vorläufiger rechtsschutz, unterlassen, landrat, obsiegen, veröffentlichung, ausnahme, wahrscheinlichkeit, presse, vorverfahren
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
1. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 TG 682/88
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 69 S 3 BG HE, § 70 S 1
BG HE, § 70 S 2 BG HE, §
123 VwGO, § 46 Abs 1 S 1
LKreisO HE
(Einstweilige Anordnung auf Unterlassung von
ehrenrührigen Äußerungen)
Tatbestand
I. Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat in seinem Beschluß vom 9.
Dezember 1987 - III/1 G 2664/87 - den Antrag des Antragstellers abgelehnt, dem
Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, im einzelnen
aufgeführte Behauptungen zu unterlassen, und zwar
a) der Antragsteller habe begünstigenden Einfluß auf die Angelegenheit der
Schwester seines "Duzfreundes, des Hessischen Ministers W." nehmen wollen,
b) der Antragsteller schaffe dienstliche Vorgänge beiseite, u.a. Stechkarten des
Leiters des Jugendamtes W.,
c) der Antragsteller habe klärende Gespräche mit der Androhung von
Repressalien verknüpft,
d) der Antragsteller habe mit übergeordneten Behörden einen
Besprechungstermin vereinbart, ohne seinen Vorgesetzten hiervon in Kenntnis zu
setzen; der Antragsteller schrecke nicht davor zurück, die Unwahrheit zu
verbreiten,
e) der Antragsteller störe mit unklaren dienstlichen Vorgängen oder Maßnahmen
den Betriebsfrieden,
f) der Antragsteller habe anläßlich der Teilnahme an dem Dienstjubiläum des
Rektors D. für das Amt 40 im Rahmen dieser Veranstaltung Grußworte überbracht,
g) der Antragsteller habe behördeninterne Dienstvermerke an seinen
Vorgesetzten unter Umgehung des Dienstweges dem Landrat und dem
Geschäftsführer der Main-Taunus-Verkehrsgesellschaft zur Kenntnis gebracht,
h) der Antragsteller habe im Zusammenhang mit der Vorbereitung der
Unterbringung von Besuchern des Kirchentages den anstehenden Konflikt nicht
früher erkannt bzw. eine Lösung erst kurzfristig vor dem Kirchentag angestrebt,
i) der Antragsteller könne als untergebener Mitarbeiter trotz seiner Funktion als
Amtsleiter seinen Vorgesetzten nicht beleidigen.
In den Gründen hat das Verwaltungsgericht das Vorliegen einer Ausnahme von
dem grundsätzlichen Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache verneint, weil
durch den Erlaß einer einstweiligen Anordnung mit dem begehrten Inhalt der
geltend gemachte Anspruch nicht lediglich vorläufig gesichert, sondern - wenn
auch möglicherweise nur bis zur rechtskräftigen Entscheidung im
Hauptsacheverfahren - voll befriedigt würde. Ziel des Hauptsacheverfahrens könne
ebenfalls lediglich die Unterlassung der von dem Antragsteller gerügten
Behauptungen sein. Bei der im Eilverfahren allein gebotenen und möglichen
summarischen Überprüfung könne eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das
12
13
14
15
16
17
18
19
20
summarischen Überprüfung könne eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das
Obsiegen des Antragstellers in einem Klageverfahren nicht erkannt werden,
vielmehr stünden sich die Aussage des Antragstellers und die seines Vorgesetzten
gegenüber. Die Frage, ob der Vorgesetzte des Antragstellers tatsächlich
ehrenrührige Äußerungen gegenüber dem Antragsteller mit dem behaupteten
Inhalt abgegeben habe, bedürfe weiterer Ermittlungen, ggfs. durch Anhörung von
Zeugen, die dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben müßten.
Zudem sei auch nicht erkennbar, daß dem Antragsteller durch das Abwarten einer
Entscheidung im Hauptsacheverfahren ein unzumutbarer, irreparabeler Nachteil
entstehe. Die vom Antragsteller gerügten Äußerungen seines Vorgesetzten
beträfen interne Vorgänge, sie seien nicht an die Öffentlichkeit gedrungen, so daß
ein unzumutbarer Ansehensverlust des Antragstellers nicht zu erwarten sei.
Gegen diesen seinen Bevollmächtigten am 15. Dezember 1987 zugestellten
Beschluß hat der Antragsteller mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 28.
Dezember 1987, bei dem Verwaltungsgericht in Frankfurt am Main eingegangen
am selben Tage, Beschwerde eingelegt und darin behauptet, der Antragsgegner
habe den Inhalt des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 9. Dezember 1987
postwendend der Redaktion des "H. Kreisblattes" bekannt gegeben, so daß die
Redaktion in die Lage versetzt gewesen sei, in der Ausgabe der Zeitung vom
19.12.1987 ausführlich, teilweise unter wörtlicher Wiedergabe, den Inhalt des
Beschlusses zu veröffentlichen.
Der Antragsgegner ist dieser Behauptung entgegengetreten.
Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat mit Beschluß vom 21. Januar 1988 -
III/1 G 2664/87 - auf die Beschwerde des Antragstellers hin seinen Beschluß vom 9.
Dezember 1987 bezüglich der Nr. 2. und 3. abgeändert und dem Antragsgegner
aufgegeben, es zu unterlassen, zu behaupten, der Antragsteller habe mit
übergeordneten Behörden einen Besprechungstermin vereinbart, ohne seinen
Vorgesetzten hiervon in Kenntnis zu setzen; der Antragsteller schrecke nicht davor
zurück, die Unwahrheit zu verbreiten. Im übrigen hat es den Antrag abgelehnt und
die Kosten des Verfahrens zu 4/5 dem Antragsteller und zu 1/5 dem
Antragsgegner auferlegt; der weitergehenden Beschwerde des Antragstellers hat
das Verwaltungsgericht nicht abgeholfen.
Seine Abhilfeentscheidung hat das Verwaltungsgericht damit begründet, daß
gegenüber dem Zeitpunkt seines Beschlusses vom 9. Dezember 1987 eine
Änderung der Sachlage eingetreten sei, weil durch die Presseveröffentlichung im
"H. Kreisblatt" vom 19.12.1987 drei Vorwürfe, die Gegenstand des Antrags des
Antragstellers seien, wiedergegeben und dadurch einer breiten Öffentlichkeit
bekannt gemacht worden seien. Hierbei handele es sich um die angeblichen
Behauptungen,
- der Antragsteller schaffe dienstliche Vorgänge beiseite, u.a. Stechkarten des
Leiters des Jugendamtes W. (Buchst. b ) des Antrags auf Erlaß einer einstweiligen
Anordnung),
- der Antragsteller störe mit unklaren dienstlichen Vorgängen oder Maßnahmen
den Betriebsfrieden (Buchst. e) des Antrags auf Erlaß einer einstweiligen
Anordnung),
- der Antragsteller schrecke nicht davor zurück, die Unwahrheit zu verbreiten (
Buchst. d) des Antrags auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung).
Mit dieser Veröffentlichung sei eine Ansehensschädigung des Antragstellers
eingetreten und damit zugleich ein möglicherweise irreparabeler, unzumutbarer
Nachteil für ihn entstanden. Dennoch könnte hinsichtlich des ersten Punktes der
Presseveröffentlichung (Beiseiteschaffen dienstlicher Vorgänge durch den
Antragsteller) der Beschwerde nicht abgeholfen werden, weil insoweit ein Obsiegen
in der Hauptsache nicht wahrscheinlich sei; der Antragsteller habe insoweit eine
Rechtsverletzung nicht glaubhaft gemacht, zumal er selbst vorgetragen habe, daß
sein Vorgesetzter die gerügte schriftliche Äußerung nicht selbst abgegeben habe,
sondern diese vielmehr durchgestrichen habe. Auch hinsichtlich des weiteren
veröffentlichten Vorwurfs, der Antragsteller störe mit unklaren dienstlichen
Vorgängen oder Maßnahmen den Betriebsfrieden, könne der Beschwerde nicht
abgeholfen werden, weil hierzu im Hauptsacheverfahren die vom Antragsgegner
benannten Zeugen gehört werden müßten, um die Richtigkeit dieses Vorwurfs zu
belegen. Im summarischen Verfahren müsse er als offen angesehen werden.
21
22
23
24
25
26
27
belegen. Im summarischen Verfahren müsse er als offen angesehen werden.
Demgegenüber sei hinsichtlich des weiteren von der Presse aufgegriffenen
Punktes ( der Antragsteller schrecke nicht davor zurück, die Unwahrheit zu
verbreiten ) der Beschwerde abzuhelfen. Hier ergebe die summarische
Überprüfung, daß der Vorgesetzte des Antragstellers diesen Vorwurf ihm
gegenüber zu Unrecht erhoben habe. Der Vorgesetzte habe in seinem Schriftsatz
an das Gericht vom 15.10.1987 selbst zugegeben, daß die bisherigen
Überprüfungsergebnisse durch den Landrat des Antragsgegners vermuten ließen,
daß der Antragsteller von ihm, dem Vorgesetzten, in dem genannten
Zusammenhang zu Unrecht einer dienstlichen Verfehlung bezichtigt worden sei.
Es sei daher von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit auszugehen, daß der
Antragsteller in einem Hauptsacheverfahren in diesem Punkt obsiegen werde.
Gegen diesen dem Antragsgegner am 27. Januar 1988 zugestellten Beschluß hat
der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 7. Februar 1988, bei dem
Verwaltungsgericht in Frankfurt am Main eingegangen am 8. Februar 1988,
Beschwerde eingelegt.
Der Antragsteller ist ihr entgegengetreten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der
Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen, die
Gegenstand der Senatsberatung waren.
Entscheidungsgründe
II. Die nach §§ 146, 147 VwGO zulässigen Beschwerden haben lediglich in dem aus
dem Tenor ersichtlichen Umfange teilweise Erfolg; im übrigen sind sie
zurückzuweisen, weil das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers zu
Recht abgelehnt und seiner Beschwerde nur insoweit zu Recht abgeholfen hat, als
dem Antragsgegner aufgegeben wird, die Behauptung zu unterlassen, "der
Antragsteller schrecke nicht davor zurück, die Unwahrheit zu verbreiten"; im
übrigen waren die Beschwerden daher zurückzuweisen.
Der Verwaltungsrechtsweg ist für Streitigkeiten der vorliegenden Art gegeben (vgl.
BVerwG, U. v. 29.1.1987, BVerwGE 75, 354 und BGH, U. v. 19.12.1960, BGHZ 34,
99, 106).
Zu Recht ist das Verwaltungsgericht in den angefochtenen Beschlüssen auch
davon ausgegangen, daß der Antragsgegner der richtige Beteiligte ist. Wie das
Bundesverwaltungsgericht in dem Urteil vom 29.1.1987 (a.a.O.) ausgeführt hat,
hat ein Beamter keinen Anspruch gegen seinen Vorgesetzten persönlich auf
Widerruf einer ehrenrührigen dienstlichen Beanstandung. Der Widerrufsanspruch
öffentlich-rechtlicher Art kann sich nur gegen den Dienstherrn des Beamten
richten, wenn die streitige Äußerung im Rahmen der Aufgaben des
Dienstvorgesetzten für den Dienstherrn und in Bezug auf das zwischen diesem
und dem Beamten bestehende Beamtenverhältnis abgegeben worden ist.
Entsprechendes gilt nach Auffassung des erkennenden Senats auch für die hier
begehrte Unterlassung von - nach Auffassung des Antragstellers - ehrenrührigen
dienstlichen Äußerungen seines Vorgesetzten. Dienstherr des Antragstellers ist
nach § 46 Abs. 1 Satz 1 HKO der Antragsgegner.
Entgegen der Auffassung des Antragsgegners kann auch ein
Rechtsschutzbedürfnis für den vorliegenden Antrag auf Erlaß einer einstweiligen
Anordnung nicht verneint werden. Ein Vorverfahren (vgl. § 182 Abs. 3 HBG) ist nur
für "Klagen", d.h. für ein etwaiges Hauptsacheverfahren, erforderlich, abgesehen
davon, daß es sich bei dem Vorverfahren nach der ständigen Rechtsprechung des
erkennenden Senats um eine - nachholbare - Sachurteilsvoraussetzung handelt.
Der Abschluß des Dienstaufsichtsbeschwerdeverfahrens, das durch Bescheid des
Regierungspräsidenten in Darmstadt vom 16. Oktober 1987 auf die
Dienstaufsichtsbeschwerde des Antragstellers vom 27.4./7.9. 1987 durch ihre
Zurückweisung beendet worden ist, steht dem Rechtsschutzbedürfnis des
Antragstellers ebenfalls nicht entgegen. In seinem Bescheid vom 16. Oktober 1987
hat der Regierungspräsident in Darmstadt lediglich mitgeteilt, daß er nach
Überprüfung der Dienstaufsichtsbeschwerde keine Veranlassung sehe, ein
Dienststrafverfahren gegen den Vorgesetzten des Antragstellers einzuleiten.
Unter Darlegung der Gründe im einzelnen hat er darauf hingewiesen, daß von
jedem Beamten erwartet werden könne, daß er nicht einen anderen unbedacht
und ohne begründeten Anlaß der Verletzung seiner Dienstpflichten beschuldige,
wobei allerdings bei Beamten mit Vorgesetzteneigenschaft eine besondere
28
29
wobei allerdings bei Beamten mit Vorgesetzteneigenschaft eine besondere
Sorgfaltspflicht vonnöten sei. Mit der Verneinung einer Dienstpflichtverletzung muß
nicht notwendig auch die Auffassung verbunden sein, daß die Äußerung eines
Vorgesetzter keine ehrenrührige Behauptung beinhalten kann. Auch das sog.
Selbstreinigungsverfahren nach § 30 HDO (= § 34 BDO) steht der Anerkennung
eines Rechtsschutzbedürfnisses für den Antragsteller nicht entgegen. In jenem
Verfahren kann sich der Beamte selbst allein von dem Verdacht eines
Dienstvergehens reinigen lassen. Geschieht das, ist ebenfalls noch nichts über die
Ehrenrührigkeit einer entsprechender Behauptung gesagt. Schließlich nimmt auch
die Möglichkeit, Gegenvorstellungen nach § 71 Abs. 2 HBG zu erheben, dem
Antragsteller nicht das Rechtsschutzinteresse für das vorliegende Verfahren.
Gegenvorstellungen der genannten Art beziehen sich nur auf die Rechtmäßigkeit
dienstlicher Anordnungen, nicht aber auch auf ihre Ehrenrührigkeit.
Zu Recht ist das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung
des erkennenden Senats (B. v. 19.2.1986 - 1 TG 2489/85 - m.w.N.) davon
ausgegangen, daß auch in Fällen der vorliegenden Art nur bei besonderer
Dringlichkeit die Hauptsache ausnahmsweise vorweggenommen werden darf,
wenn nämlich offensichtlich ist, daß der Antragsteller in der Hauptsache obsiegt
oder zumindest eine überwiegende Wahrscheinlichkeit hierfür besteht, und
außerdem auf Seiten des Antragstellers durch die Verweisung auf das
Hauptsacheverfahren ein unzumutbarer, irreparabeler Nachteil entstünde. Als eine
Vorwegnahme in diesem Sinne kann auch die vorzeitige Befriedigung von
Unterlassungsansprüchen in Betracht kommen (so Finkelnburg/ Janck, Vorläufiger
Rechtsschutz in Verwaltungsstreitverfahren, 3. Aufl., 1986, Rdnr. 233). Zu Recht
hat der Antragsteller in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß
Unterlassungsansprüche der vorliegenden Art häufig so zeitgebunden sind, daß
bereits durch Zeitablauf bzw. - wie hier - durch Veröffentlichung in der Presse
vollendete Tatsachen geschaffen werden. Dennoch neigt der erkennende Senat
auch unter diesen Umständen dazu, von dem grundsätzlichen Verbot der
Vorwegnahme der Hauptsache im Rahmen einer einstweiligen Anordnung
auszugehen und seine Durchbrechung nur in Ausnahmefällen zuzulassen. Als
Abgrenzungskriterium erscheint es dem Senat sachgerecht, nach dem Grundsatz
der Güter- und Pflichtenabwägung (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BGH, U. v.
18.12.1962, NJW 1963, 484 ff. und OLG Stuttgart, U.v.12.9.1963, NJW 1964, 48) die
Frage zu beurteilen, ob und inwieweit bei einem Widerstreit von Schutzinteressen
Beeinträchtigungen hingenommen werden müssen oder als rechtswidriger Eingriff
abgewehrt werden können. Im Rahmen eines Beamtenverhältnisses ist dabei
davon auszugehen, daß der Beamte seine Vorgesetzten zu beraten und zu
unterstützen hat und verpflichtet ist, die von ihnen erlassenen Anordnungen aus
zuführen und ihre allgemeinen Richtlinien zu befolgen (vgl. § 70 Sätze 1 und 2
HBG). Zudem muß sein Verhalten, auch das des vorgesetzten Beamten, innerhalb
und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die
sein Beruf erfordern (vgl. § 69 Satz 3 HBG). Das bedeutet, daß der Beamte ein
gewisses Maß an Vorhaltungen und Rügen von Seiten seines Vorgesetzten
ertragen muß, daß aber auch der Vorgesetzte seine Äußerungen dem ihm
unterstellten Beamten gegenüber oder seinem eigenem Vorgesetzten gegenüber
in angemessener Form zum Ausdruck bringen muß. Überschreitet der
Vorgesetzte diesen Rahmen und sind seine Äußerungen geeignet, den
untergebenen Beamten in seiner persönlichen und beruflichen Ehre zu verletzen,
so wird von der Rechtsprechung ein öffentlich-rechtlicher Anspruch auf Beseitigung
(bzw. Unterlassung) ehrverletzender amtlicher Äußerungen im Bereich der
hoheitlichen Verwaltung heute grundsätzlich anerkannt (so BVerwG, U. v.
17.1.10.80, BVerwGE 59, 319, 325 m.w.N.).
Bei der demnach gebotenen Abwägung des Schutzbedürfnisses des Beamten vor
ehrenrührigen Behauptungen eines Vorgesetzten auf der einen Seite und der -
letztlich im öffentlichen Interesse stehenden - Durchsetzungsfähigkeit des
Vorgesetzten im hierarchische Gefüge einer staatlichen Verwaltung gegenüber
seinem Untergebenen außerhalb der Möglichkeit disziplinarrechtlicher Maßnahmen
ist weiter zu berücksichtigen, ob die umstrittenen Äußerungen lediglich intern
(mündlich, in Vermerken oder in Vorlagen an - weitere - Vorgesetzte) getätigt
worden sind oder ob sie einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich geworden sind
(etwa - wie geschehen - durch Presseveröffentlichungen über behördeninterne
Vorgänge bzw. über verwaltungsgerichtliche Entscheidungen). Darüber hinaus wird
bei bloß internen Äußerungen zu berücksichtigen sein, ob sie jeglicher sachlicher
Grundlage entbehren und gleichsam verallgemeinernd oder " aus der Luft
gegriffen" einen ehrenrührigen Inhalt aufweisen (sog. überschießende
Beleidigungstendenz) . Allein bei diesen - wenn auch internen - Beispielen kann
30
31
Beleidigungstendenz) . Allein bei diesen - wenn auch internen - Beispielen kann
nach Auffassung des erkennenden Senats eine Ausnahme von dem Verbot der
Vorwegnahme der Hauptsache in Fällen der vorliegenden Art in Betracht gezogen
werden.
Mißt man die hier in Rede stehenden Äußerungen des Vorgesetzten des
Antragstellers an diesen Kriterien, so ist eine Vorwegnahme der Hauptsache durch
Erlaß einer einstweiligen Anordnung mit dem begehrten Inhalt in dem Umfange
nicht gerechtfertigt, in dem die Äußerungen des Vorgesetzten des Antragstellers
"verwaltungsintern" geblieben sind. Das trifft auf die Äußerungen zu Buchst. a), f)
bis i) zu, desgleichen auf den Anfang der Behauptung zu Buchst. d), der
Antragsteller habe mit übergeordneten Behörden einen Besprechungstermin
vereinbart, ohne seinen Vorgesetzten hiervon in Kenntnis zu setzen.
Demgegenüber sind die Behauptungen zu Buchst. b) und e) sowie zu Buchst. d),
soweit darin ausgeführt wird, der Antragsteller schrecke nicht davor zurück, die
Unwahrheit zu verbreiten, durch die Veröffentlichung im "H. Kreisblatt" vom
19.12.1987 einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden, so daß diese
Behauptungen nicht von vornherein als interne Verwaltungsvorgänge unter das
Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache im vorliegenden Verfahren fallen.
Davon ist auch das Verwaltungsgericht in seinem Abhilfebeschluß vom 21.1.1988
zu Recht ausgegangen. Des weiteren hat es zu Recht der Beschwerde insoweit
abgeholfen, als es dem Antragsgegner aufgegeben hat, die Behauptung zu
unterlassen, der Antragsteller schrecke nicht davor zurück, die Unwahrheit zu
verbreiten. Diese Äußerung ist in einer Vorlage des Vorgesetzten des
Antragstellers vom 2.7.1987 an den Landrat des Antragsgegners enthalten, in der
der Vorgesetzte zu einem Schreiben des Antragstellers vom 25.6. 1987 Stellung
genommen hat. Sie verletzt nach Auffassung des erkennenden Senats den
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Wie das Bundesverwaltungsgericht in seinem
Urteil vom 2. Juni 1978 - 7 C 55.75 - (n.v.) ausgeführt hat, liegt eine ehrverletzende
amtliche Äußerung vor, wenn eine Behörde nicht im Rahmen ihrer Zuständigkeit
gehandelt hat, ihr Handeln den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt oder
aus sonstigen Gründen rechtswidrig ist. Nach dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit ist diese Äußerung des Vorgesetzten des Antragstellers daran
zu messen, ob mit ihr ein berechtigter Zweck verfolgt worden ist, ob sie ein
taugliches und erforderliches Mittel war, um diesen Zweck zu erreichen und ob die
Abwägung zwischen der mit ihr bewirkten Persönlichkeitsverletzung und dem
verfolgten Zweck nicht zu einer unangemessenen und unzumutbaren
Beeinträchtigung der Person des Antragstellers geführt hat. Nachdem der
Vorgesetzte in der erwähnten Vorlage zur Sache Stellung genommen hatte, folgt -
gleichsam als allgemeine Zusammenfassung - der Satz: "Auch ständige
Wiederholungen (vom Antragsteller) ändern nichts daran, daß seine Darstellungen
nicht dem Sachverhalt entsprechen und er auch nicht davor zurückschreckt, die
Unwahrheit zu verbreiten". Dieser letzte Satz war als pauschaler Vorwurf nicht
geeignet, den Landrat sachlich zu unterrichten und zu einer gedeihlichen
Zusammenarbeit zwischen dem Antragsteller und seinem Vorgesetzten
beizutragen. Im Rahmen einer Stellungnahme zu der Inhalt eines bestimmten
Schreibens kann er weder als ein taugliches noch als ein erforderliches Mittel
angesehen werden, um zur Klärung des Sachverhaltes beizutragen. Ein derartiger
Vorwurf hätte substantiiert vorgetragen werden müssen, d.h., es hätten im
gegebenen Zusammenhang die Fälle im einzelnen aufgeführt werden müssen, in
denen der Antragsteller die Unwahrheit verbreitet hat. Mangels derartiger
Angaben enthält die Behauptung allein ein die Persönlichkeit des Antragstellers
abwertendes Urteil, das über den Rahmen dessen hinausgeht , wozu ein
Vorgesetzter bei der Beurteilung seines untergebenen Beamten berechtigt ist. Der
Senat hält es daher mit dem Verwaltungsgericht für geboten, dem Antragsgegner
aufzugeben, die Behauptung zu unterlassen, der Antragsteller schrecke nicht
davor zurück, die Unwahrheit zu verbreiten.
Soweit das Verwaltungsgericht allerdings in dem Abhilfebeschluß vom 21. Januar
1988 dem Antragsgegner auch die weitergehende Behauptung aus dem Begehren
zu Buchst. d) zu unterlassen aufgegeben hat, der Antragsteller habe mit
übergeordneten Behörden einen Besprechungstermin vereinbart, ohne seinen
Vorgesetzten hiervon in Kenntnis zu setzen, ist dieser Teil der Behauptung in der
Veröffentlichung des "H. Kreisblattes" vom 19. Dezember 1987 nicht enthalten, so
daß der Senat diese Äußerung dem internen Bereich zuordnet mit der Folge, daß
insoweit eine Ausnahme vom Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache nicht in
Betracht kommt, weil der Ausgang des Hauptsacheverfahrens als offen zu
bezeichnen ist.
32
33
34
35
36
Im übrigen nimmt der Senat nach Art. 2 § 7 Abs. 1 des Entlastungsgesetzes auf
die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts in den angefochtenen
Beschlüssen vom 7. Dezember 1987 und vom 21. Januar 1988 Bezug. Das
Beschwerdevorbringen der Beschwerdeführer führt insoweit zu keiner anderen
Beurteilung der Sach- und Rechtslage.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Der Senat hält die Quotelung des Verwaltungsgerichts auch für das
Beschwerdeverfahren für angemessen, weil sie dem jeweiligen Obsiegen der
Beteiligten entspricht, wobei sich die Abänderung des erstinstanzlichen
Beschlusses nicht wesentlich auswirkt.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 14 Abs. 1 -
entsprechend -, 20 Abs. 3 GKG. Auch der Senat legt den verwaltungsgerichtlichen
Regelstreitwert zugrunde und halbiert ihn wegen der Vorläufigkeit der begehrten
Entscheidung, wobei er berücksichtigt, daß die umstrittenen Äußerungen nur zu
einem geringen Teil in der Öffentlichkeit bekannt geworden sind (vgl. hierzu und
zur Festsetzung eines einheitlichen Streitwertes auch Drischler/
Oestreich/Heun/Haupt, Gerichtskostengesetz , Kommentar - Streitwert - Stichwort:
"Beleidigung" m.w.N.).
Dieser Beschluß ist unanfechtbar § 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG ).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.