Urteil des HessVGH vom 07.12.2010

VGH Kassel: zuwendung, unechte rückwirkung, geschäftsführung ohne auftrag, baukosten, verkehrswesen, kostenbeteiligung, erneuerung, ersparnis, behörde, gemeinde

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
11. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
11 A 2758/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 3 Abs 1 GG, § 4 Abs 3
Nr 1 GVFG
Änderung einer Ermessenspraxis bezüglich der Ermittlung
der zuwendungsfähigen Kosten im Rahmen eines
Förderverfahrens nach dem
Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz
Leitsatz
Im Rahmen eines Förderverfahrens nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz
kann eine Behörde sich einer Gemeinde gegenüber nicht mit Erfolg auf eine Änderung
ihrer Verwaltungspraxis dahingehend berufen, dass bei einer gemeinsamen
Durchführung von Straßenbau- und Leitungsarbeiten nunmehr die Hälfte der Kosten
der Aufbruchs- und Wiederherstellungsarbeiten einer Straße nicht als zuwendungsfähig
anerkannt werden, wenn die Gemeinde in schutzwürdiger Weise auf die bisherige
Verwaltungsübung vertraut hat.
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 24. August 2009 wird aufgehoben.
Der Beklagte wird unter entsprechender Abänderung des Bescheides vom 22.
August 2008 verpflichtet, der Klägerin eine weitere Zuwendung in Höhe von
24.580,05 € zu bewilligen.
Der Beklagte hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten
abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher
Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Unter dem 27. Februar 2002 stellte die Klägerin bei dem Beklagten einen Antrag
auf Gewährung einer Landeszuwendung gemäß des
Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes für Maßnahmen zur Verbesserung der
Verkehrsverhältnisse der Gemeinde für den Ausbau der Ortsdurchfahrt
Haddamshausen im Zuge der L 3387 Niederweimar-Weitershausen. Dem Antrag
zufolge sollten von 1.300.000,00 € Gesamtkosten 1.185.000,00 €
zuwendungsfähig sein, so dass sich bei einer Förderquote von 75% Zuwendungen
in Höhe von 888.750,00 € ergeben sollten.
Mit Beschluss vom 21. Mai 2002 stellte das Hessische Ministerium für Wirtschaft,
Verkehr und Landesentwicklung den Plan für die beabsichtigte Baumaßnahme
fest.
Mit Bescheid vom 28. August 2002 bewilligte der Beklagte der Klägerin eine
Zuwendung bis zu 813.700,00 €, der dieser Entscheidung zugrundeliegende
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Zuwendung bis zu 813.700,00 €, der dieser Entscheidung zugrundeliegende
Finanzierungsplan sah bei Gesamtkosten in Höhe von 1.300.000,00 €
zuwendungsfähige Kosten von 1.085.000,00 € und eine Förderquote von 75 % vor.
In dem Bescheid wurde darauf hingewiesen, dass sich bei einer Unterschreitung
der im Finanzierungsplan genannten Kosten die Zuwendung entsprechend
ermäßige. Mit Bescheiden vom 28. Oktober 2002 und 17. November 2004 änderte
der Beklagte die in dem vorgenannten Bescheid vorgesehene Bereitstellung der
Zuwendungsmittel auf die einzelnen Haushaltsjahre entsprechend den
Baufortschritten der Klägerin.
Mit Bescheid vom 6. Oktober 2005 reduzierte der Beklagte auf Antrag der Klägerin
unter Abänderung des Bescheids vom 17. November 2004 die bewilligte
Zuwendung wegen einer Verringerung der Gesamtkosten um 207.000,00 € und
setzte diese auf nunmehr 606.700,00 € fest. Mit Bescheid vom 4. Dezember 2006
änderte der Beklagte die in dem Bescheid vom 6. Oktober 2005 vorgesehene
Jahresaufteilung der Zuwendung.
Das Bauvorhaben wurde im November 2005 fertiggestellt. Die im Zuge der
Baumaßnahmen erfolgte Straßenöffnung wurde von der Klägerin und einem
Versorgungsunternehmen zur Erneuerung verschiedener Ver- und
Entsorgungsleitungen genutzt.
Im Januar 2007 legte die Klägerin den Verwendungsnachweis für die
Baumaßnahme vor.
Mit Prüfmitteilung vom Juni 2007 wies der Hessische Landesrechnungshof darauf
hin, dass die aus der gleichzeitigen Ausführung der Straßenbau- und
Leitungsarbeiten resultierende Kostenersparnis hälftig aufwandsmindernd zu
berücksichtigen sei. Mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2007 teilte das Amt für
Straßen- und Verkehrswesen Darmstadt der Klägerin diese Beanstandung mit und
forderte sie auf, die Kostenersparnis aufgrund der zeitgleichen Leitungsverlegung
zusammenzustellen.
Mit Schreiben vom 11. Januar 2008 gab die Klägerin an, dass die beteiligten Ver-
und Entsorgungsunternehmen Baukosten in Höhe von 56.505,60 € gespart
hätten, bei einer hälftigen Aufteilung dieses Kostenvorteils ergäbe sich für sie eine
Baukostenermäßigung von netto 28.252,80 € (= 32.773,40 € brutto).
Unter dem 11. Februar 2008 übersandte das Amt für Straßen- und Verkehrswesen
Darmstadt der Klägerin den geprüften Verwendungsnachweis.
Mit Bescheid vom 28. Mai 2008 teilte das Amt für Straßen- und Verkehrswesen der
Klägerin mit, dass die Prüfung des Verwendungsnachweises eine Überzahlung in
Höhe von 173.000,00 € ergeben habe und forderte die Klägerin auf, diesen Betrag
bis zum 4. Juli 2008 zurückzuzahlen. Die Klägerin kam dieser Aufforderung am 11.
Juni 2008 nach. Auf Bescheid vom 23. Juni 2008 zahlte die Klägerin zudem Zinsen
in Höhe von 31.837,00 €.
Mit Abschlussbescheid vom 22. August 2008 setzte der Beklagte die zuletzt
bewilligte Zuwendung in Höhe von 606.700,00 € um 183.000,00 € auf 423.700,00
€ herab. Ausweislich des Finanzierungsplanes ging der Beklagte dabei von
Gesamtausgaben in Höhe von 952.528,00 € aus, von denen 564.934,00 €
zuwendungsfähig seien, so dass sich bei einer 75 %-Zuwendung insgesamt
423.700,00 € ergäben.
Dagegen erhob die Klägerin am 18. September 2008 Klage vor dem
Verwaltungsgericht Gießen, zu deren Begründung im Wesentlichen vorgetragen
wurde, der angegriffene Bescheid sei rechtswidrig, soweit er die Kostenersparnis
eines privaten Versorgungsträgers in Höhe von 32.773,40 € bei ihr - der Klägerin -
nachträglich aufwandmindernd in Ansatz gebracht habe. Der Beklagte sei nicht
berechtigt, den Zuwendungsbescheid vom 28. Februar 2002 in diesem Umfang
aufzuheben, da die Voraussetzungen des insoweit einschlägigen § 49 HVwVfG
nicht vorlägen. Der Abzug von Kostenersparnissen privater Versorgungsträger sei
auch der Sache nach nicht gerechtfertigt. Vorliegend hätten die Stadtwerke
Marburg GmbH als selbständiges Privatrechtssubjekt und nicht sie Kosten erspart.
Sie sei rechtlich nicht verpflichtet gewesen, gegenüber den Stadtwerken
Erstattungsansprüche zu begründen.
Die Klägerin hat beantragt,
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den Bescheid des Beklagten vom 22. August 2008 in Höhe eines
Teilminderungsbetrages von 32.773,40 € aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit dem angegriffenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und
zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, zu Recht habe der Beklagte in dem
angefochtenen Bescheid die zuwendungsfähigen Kosten um die Hälfte desjenigen
Betrages gekürzt, den die Träger der Ver- und Entsorgung durch die gleichzeitige
Ausführung von Leitungs- und Straßenbauarbeiten fiktiv erspart hätten. Diese
Kostenaufteilung sei rechtlich nicht zu beanstanden und halte sich im Rahmen des
dem Beklagten eingeräumten Ermessens. Auch wenn der Beklagte im Zeitpunkt
des Beginns und der Beantragung der Förderung diese Aufteilungspraxis noch
nicht eingeführt hatte, so stehe es ihm im Bereich der Leistungsverwaltung frei,
seine Verwaltungspraxis für die Zukunft zu ändern. Dies habe er mit der
Allgemeinverfügung Nr. 15/2008 und dem angefochtenen Bescheid getan. In dem
Erörterungstermin hätten die Vertreter des Beklagten zudem angegeben, die
geänderte Verwaltungspraxis werde durchgängig so gehandhabt. Dem könne die
Klägerin nicht entgegenhalten, eine Kostenersparnis sei nicht in ihrer Person,
sondern bei den rechtlich selbständigen Trägern der Ver- und Entsorgung
eingetreten. Bei der Ersparnis auf Seiten der Träger der Ver- und Entsorgung
handele es sich nämlich dem Grunde nach um Kosten, die ein anderer als der
Träger des Vorhabens zu tragen verpflichtet sei, im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1
GVFG. Es obliege der Klägerin, diese Dritten in die Kostenpflicht einzubinden oder
aber Subventionseinbußen hinzunehmen. Auch könnten die Aufwendungen in
Bezug auf Ver- und Entsorgungsanlagen im Regelfall jedenfalls teilweise auf die
Eigentümer der anliegenden Grundstücke - sei es beitrags- oder gebührenrechtlich
- umgelegt werden. Ließe man den Kostenvorteil der Träger dieser Anlagen außer
Betracht, hieße dies, dass die steuerfinanzierte Zuwendung nach dem GVFG für
eine der Allgemeinheit dienende Landesstraße zumindest teilweise allein den
Straßenanliegern dadurch zu Gute käme, dass diese Erschließungsbeiträge oder
Gebühren ersparten, was aber offensichtlich nicht dem Zweck der Förderung
entspräche. Entgegen der Auffassung der Klägerin stelle sich die Festsetzung in
dem angefochtenen Bescheid vom 22. August 2008 auch nicht als Widerruf oder
Teilwiderruf einer bestandskräftigen Bewilligung dar, sondern vielmehr als die in
den vorangegangenen Bescheiden angekündigte endgültige Festlegung des
Zuwendungsumfangs nach Vorlage und Prüfung des Verwendungsnachweises und
Darlegung der Gesamtkosten und der zuwendungsfähigen Kosten der geförderten
Baumaßnahme. Auf Vertrauens- oder Bestandsschutz könne sich die Klägerin
daher nicht berufen. Das Verwaltungsgericht ließ die Berufung gegen dieses Urteil
zu.
Am 2. Oktober 2009 hat die Klägerin gegen dieses ihren Bevollmächtigten am 5.
September 2009 zugestellte Urteil Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie
auf ihr erstinstanzliches Vorbringen Bezug nimmt und darüber hinaus ausführt,
entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts dürfte in dem angefochtenen
Bescheid ein Widerruf der ursprünglichen Bewilligung zu sehen sein. Maßgeblich
hierfür dürfte der Umstand sein, dass bereits ausbezahlte Beträge zurückgefordert
worden seien. Der von dem Verwaltungsgericht angenommene Vorbehalt greife
gerade nicht, da die ausbezahlten Mittel unstreitig zweckentsprechend verwendet
worden seien und sich auch die tatsächlich angefallenen Kosten nicht reduziert
hätten. Der Beklagte habe die zuwendungsfähigen Kosten vielmehr in der Höhe
reduziert, in der sie sich nach seinem Dafürhalten hätten reduzieren können. Bei
den von dem Beklagten abgezogenen fiktiven Baukosten handelte es sich auch
nicht um solche, die gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 1 GVFG ein anderer als der Träger des
Vorhabens zu tragen verpflichtet sei. Eine rechtliche Verpflichtung der Stadtwerke
Marburg GmbH habe gerade nicht bestanden. Eine solche hätte allenfalls durch
eine vertragliche Vereinbarung begründet werden können, was jedoch vor dem
Hintergrund der jahrelangen Verwaltungspraxis des Beklagten unterblieben sei. Mit
den anderen Versorgungsträgern sei bislang stets vereinbart worden, dass sie -
die Klägerin - die Kosten bis zum Erdplanum übernehme und der jeweilige
Versorgungsträger die Kosten der Maßnahme unterhalb des Erdplanums. Wenn
die Versorgungsträger nicht in den Genuss dieser Ersparnis kommen sollten,
würde es erheblich schwieriger werden, gemeinsame Bauvorhaben zu realisieren
und die Anzahl der Straßenöffnungen möglichst gering zu halten. Die
Versorgungsträger hätten schon signalisiert, dass ihre Bereitschaft zur
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Versorgungsträger hätten schon signalisiert, dass ihre Bereitschaft zur
Durchführung gemeinsamer Bauvorhaben sinken werde, wenn diese nur um den
Preis der Beteiligung an den Kosten der Straßeneröffnung- und -schließung
möglich seien. Jeder Versorgungsträger habe seine eigene strategisch-
wirtschaftliche Planung bezüglich der Instandhaltung und Erneuerung seiner
Leitungen, die er umstellen müsse, wenn sie - die Klägerin - ihm die Durchführung
einer gemeinsamen Baumaßnahme antrage. Ohne eine solche würde er seine
Leitungen regelmäßig zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt erneuern.
Entscheidend dürfte aber sein, dass der Versorgungsträger bei einer alleinigen
Durchführung dann auch Herr über die Auswahl der zu beauftragenden Firmen sei
und nicht an das von ihrer Seite durchgeführte Vergabeverfahren gebunden sei.
Insbesondere die Deutsche Telekom und der Kabelnetzbetreiber Unitymedia
hätten nach ihren Informationen eigene Vertragsunternehmen, die zweifellos zu
günstigeren Konditionen arbeiteten, als die von der Klägerin beauftragten Firmen.
Insoweit habe sie in ihrer bisherigen Verwaltungspraxis mit gutem Grund davon
abgesehen, die anderen Versorgungsträger an den Kosten der Straßenöffnung
und -schließung zu beteiligen, so dass das Gebot der Wirtschaftlichkeit und
Sparsamkeit nicht verletzt worden sei. Der nachträgliche Ansatz fiktiver Baukosten
sei auch nicht im Hinblick auf die Allgemeinverfügung Nr. 15/2008 des Hessischen
Landesamtes für Straßen- und Verkehrswesen gerechtfertigt, da diese erst
deutlich nach der Bewilligung und Verwendung der streitgegenständlichen Mittel in
Kraft getreten sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 24. August 2009 aufzuheben
und den Beklagten zu verpflichten, unter Abänderung des Bescheides vom 22.
August 2008 ihr eine weitere Zuwendung in Höhe von 24.580,05 € zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und führt im Wesentlichen aus,
das Verwaltungsgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass die Reduzierung
des ursprünglichen - vorläufigen - Förderbetrags aufgrund des Eintritts einer
auflösenden Bedingung, nämlich der Reduzierung der zuwendungsfähigen Kosten,
erfolgt sei. Der Versuch der Klägerin, die gegenständlichen ersparten Kosten als
solche darzustellen, die nicht ein anderer als der Träger des Vorhabens zu tragen
verpflichtet sei, könne ebenfalls nicht überzeugen. Dass die betreffenden
Vorhabensträger künftig eher von einer gemeinsamen Durchführung von
Bauvorhaben absehen würden, sei keinesfalls zwingend anzunehmen und könne in
jedem Fall nicht zu der Konsequenz führen, die Aufteilung der Ersparnis
abzulehnen. Dies würde im Ergebnis eine Billigung von quasiparasitärem Verhalten
bedeuten. Die Versorgungsunternehmen nutzten die Situation aus, dass die
Straße aufgerissen werden müsse, und verbuchten die dadurch für sie eintretende
Ersparnis einseitig und ohne sachliche Begründung zu Lasten des Steuerzahlers
für sich. Dass dies evident unrechtmäßig sei, habe das erstinstanzliche Urteil
ebenso aufgezeigt wie die zitierten Aussagen des nordrhein-westfälischen
Oberverwaltungsgerichts und des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf
den Inhalt der Gerichtsakte (2 Bände) sowie der Behördenakten des Beklagten (1
Hefter und 1 Ordner) Bezug genommen, die jeweils beigezogen und zum
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu
Unrecht abgewiesen. Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, dass der Beklagte
bei der Feststellung der zuwendungsfähigen Kosten weitere 32.773,40 €
berücksichtigt und ihr auf der Grundlage der sich aus dem Bescheid vom 28.
August 2002 ergebenden Förderquote von 75 % dementsprechend eine weitere
Zuwendung in Höhe von 24.580,05 € bewilligt.
Der Antrag der Klägerin ist zu Recht auf die Verpflichtung des Beklagten zur
Bewilligung einer weiteren Zuwendung in Höhe von 24.580,05 € gerichtet.
Denn der Beklagte hat mit dem von der Klägerin hinsichtlich des Teilbetrages
beanstandeten Bescheid vom 22. August 2008 eine endgültige Regelung
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beanstandeten Bescheid vom 22. August 2008 eine endgültige Regelung
dahingehend getroffen, dass der Antrag der Klägerin auf Bewilligung einer
Zuwendung in der entsprechenden Höhe abgelehnt wird.
Mit dem Bescheid vom 28. August 2002 hat der Beklagte zwar hinsichtlich der
Bewilligung der Zuwendung selbst und der Berechnungsmodalitäten -
insbesondere des Fördersatzes der Anteilsfinanzierung - eine endgültige Regelung
getroffen, andere Teilfragen der begehrten Zuwendung - die zuwendungsfähigen
Gesamtkosten und infolgedessen die Gesamthöhe der Zuwendung - hat der
Bescheid jedoch einer späteren Entscheidung vorbehalten. Dies folgt daraus, dass
der Beklagte in diesem Bescheid den genauen Zuwendungsbetrag von der Höhe
der sich letztlich ergebenden zuwendungsfähigen Kosten abhängig gemacht („Bei
Unterschreitung der im Finanzierungsplan genannten Kosten ermäßigt sich die
Zuwendung entsprechend“) und die Zuwendung demzufolge in einer Höhe von bis
zu 813.7000,00 € bewilligt hat. Der Zuwendungsbescheid vom 28. August 2002
war damit von Beginn an auf eine Ergänzung durch einen weiteren Verwaltungsakt
angelegt, durch den die Zuwendung nach Abschluss des Vorhabens und Prüfung
der Verwendungsnachweise, auf deren Grundlage erst eine endgültige Festsetzung
der zuwendungsfähigen Kosten möglich ist, hinsichtlich ihrer Höhe abschließend
geregelt werden sollte. Diese Regelung ist mit dem in dem vorliegenden Verfahren
angegriffenen Bescheid vom 28. August 2008 erfolgt, der von dem Beklagten
dementsprechend auch als „Abschlussbescheid“ bezeichnet worden ist. Mit
diesem Bescheid ist die Zuwendung ausgehend von den sich nach der Prüfung des
Verwendungsnachweises ergebenden zuwendungsfähigen Gesamtkosten auf
423.700,00 € festgesetzt worden, insoweit ersetzt dieser Schlussbescheid die
vorherigen Zuwendungsbescheide. Dies ergibt sich zudem auch daraus, dass in
dem Bescheid ausdrücklich vermerkt ist, dass „im Übrigen“ die Bedingungen und
Auflagen der vorherigen Zuwendungsbescheide unverändert fortgelten.
Eine derartige Regelungsweise ist zulässig, wenn eine bestehende Ungewissheit
einen sachlichen Grund dafür darstellt, wie es etwa dann der Fall ist, wenn die
maßgeblichen zuwendungsfähigen Gesamtkosten eines Vorhabens bei Erlass des
Bewilligungsbescheides noch nicht feststehen. Der Regelungsgehalt des
Bewilligungsbescheides besteht dann insoweit darin, dass der Begünstigte die
Zuwendung nur vorläufig bis zum Erlass der endgültigen Entscheidung behalten
darf. Deshalb geht die Bindungswirkung eines solchen Verwaltungsakts nicht
dahin, dass er eine Rechtsgrundlage für das endgültige Behalten der Beihilfe
bildet. Der Anspruch des Begünstigten auf das endgültige Behalten der Beihilfe
hängt vielmehr davon ab, welchen abschließenden Bewilligungsbescheid - oder
Ablehnungsbescheid - die Behörde aufgrund des Ergebnisses der noch
durchzuführenden Verwendungsprüfung erlässt. Das bedeutet, dass es bei der
späteren Entscheidung über das endgültige Behalten der Beihilfe keiner
Aufhebung der unter Vorbehalt ergangenen Bewilligungen bedarf, da deren
andersartiger Regelungsinhalt nicht entgegensteht. Demzufolge kann die Behörde
die vorläufige Regelung im Ausgangsbescheid durch die endgültige Regelung im
Schlussbescheid ersetzen, ohne insoweit an die Einschränkungen der §§ 48, 49
HVwVfG gebunden zu sein (so BVerwG, Urteil vom 19. November 2009 - 3 C 7.09 -
, NVwZ 2010, 643 unter Hinweis auf die Fortführung der Rechtsprechung im Urteil
vom 14. April 1983 - 3 C 8.82 -, BVerwGE 67, 99).
Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, dass der Beklagte bei der Feststellung der
zuwendungsfähigen Gesamtkosten des Vorhabens auch die Kosten in Höhe von
32.773,40 € berücksichtigt, die er als die Hälfte des Betrages, den die Träger der
Ver- und Entsorgung durch die gleichzeitige Durchführung der
Straßenbaumaßnahmen und der Erneuerung der Ver- und Entsorgungsleitungen
nach seiner Auffassung erspart haben, in Abzug gebracht hat.
Dem Anspruch der Klägerin steht es nicht entgegen, dass der Beklagte von ihr mit
Bescheid vom 28. Mai 2008 eine Überzahlung von Zuwendungsmitteln nach dem
GVFG in Höhe von 173.000,00 € zurückgefordert hat. Zwar ist dieser Bescheid
bestandskräftig geworden, da die Klägerin dagegen nicht Klage erhoben hat,
sondern vielmehr der Zahlungsaufforderung nachgekommen ist. Der Beklagte hat
mit diesem Bescheid jedoch nicht abschließend über den Zuwendungsanspruch
der Klägerin für den Ausbau der L 3387 in der Ortsdurchfahrt Haddamshausen
entschieden.
Maßgebend für den Umfang der Bindungswirkung in sachlicher Hinsicht ist der
durch den bekannt gegebenen Inhalt des Verwaltungsaktes bezeichnete, ggf.
durch Auslegung näher festzulegende Entscheidungsgegenstand, also die im
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durch Auslegung näher festzulegende Entscheidungsgegenstand, also die im
Verwaltungsakt verbindlich mit Wirkung nach außen getroffene Regelung (vgl.
Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Auflage, § 43 Rdnr. 56). Der Inhalt des
Verwaltungsaktes ist durch Auslegung nach der im öffentlichen Recht
entsprechend anwendbaren Regelung des § 133 BGB zu ermitteln; maßgebend ist
danach der erklärte Wille, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung
verstehen konnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. September 1999 - 2 C 23.98 -,
NVwZ-RR 2000, 367). Unklarheiten gehen dabei zu Lasten der Verwaltung (vgl.
BVerwG, Urteil vom 18. Juni 1980 - 6 C 55.79 -, BVerwGE 60, 23).
Danach durfte die Klägerin den Bescheid bei objektiver Auslegung dahingehend
verstehen, dass damit - lediglich - die zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides
überzahlten Fördermittel zurückgefordert werden sollten, nicht aber eine
endgültige Abrechnung des Förderverfahrens erfolgen sollte. Dies ergibt sich
bereits daraus, dass der Bescheid mit „Rückforderung von Zuwendungen“ und
nicht etwa mit „Abschlussbescheid“ oder Ähnlichem überschrieben ist. Zudem
trifft der Bescheid selbst keine positive Aussage darüber, in welcher Höhe der
Klägerin endgültig Fördermittel bewilligt werden. Hinzu kommt, dass der
Rückforderungsbescheid vom 28. Mai 2008 auf den Zuwendungsbescheid vom 6.
Oktober 2005 und nicht auf den letzten Zuwendungsbescheid vom 4. Dezember
2006 Bezug nimmt. Mit diesem Bescheid ist der Bescheid vom 6. Oktober 2005
dahingehend geändert worden, dass eine zunächst für das Haushaltsjahr 2006
vorgesehene Zuwendung von 10.000,00 € auf das Haushaltsjahr 2010 verlagert
worden ist. Auch diese Bezugnahme macht deutlich, dass eine das
Förderverfahren abschließende Berechnung mit dem Bescheid vom 28. Mai 2008
noch nicht erfolgen sollte, da es ansonsten nahe gelegen hätte, - wie es dann in
dem in diesem Verfahren angegriffenen Abschlussbescheid vom 22. August 2008
auch erfolgt ist - sich auf den maßgeblichen letzten Zuwendungsbescheid vom 4.
Dezember 2006 zu beziehen. Ferner enthält der Rückforderungsbescheid auch
keine Regelung hinsichtlich der erst für das Jahr 2010 vorgesehenen letzten
Zuwendung von 10.000,00 €, erst aus dem Abschussbescheid vom 22. August
2008 ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, dass dieser Betrag nicht mehr
ausgezahlt werden soll. Schließlich sehen auch die VV-GVFG neben der
Rückforderung von Überzahlungen (vgl. Nr. 15.2) für den Fall der Verminderung
der zuwendungsfähigen Kosten in ihrer Nr. 16.3 die Möglichkeit des Erlasses eines
entsprechenden Änderungsbescheides durch die Bewilligungsbehörde vor. Im
Übrigen ist auch der Beklagte offensichtlich davon ausgegangen, dass nach dem
von dem Amt für Straßen- und Verkehrswesen Darmstadt erlassenen
Rückforderungsbescheid durch das Hessische Landesamt für Straßen- und
Verkehrswesen noch ein das Zuwendungsverfahren abschließender Endbescheid
ergehen sollte (vgl. e-mail vom 4. August 2008 - Bl. 397 der BA).
Einem Anspruch der Klägerin auf Berücksichtigung des Betrages von 32.773,40 €
bei der Ermittlung der zuwendungsfähigen Kosten und damit auf Bewilligung einer
weiteren Zuwendung in Höhe von 24.580,05 € stehen weder die gesetzlichen
Regelungen des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes noch der Umstand
entgegen, dass nach diesem Gesetz die Förderung von Maßnahmen generell in
das Ermessen des Landes gestellt ist.
Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Zuwendung ist das Gesetz über
Finanzhilfen des Bundes zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den
Gemeinden - GVFG - (Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz vom 28. Januar
1988, BGBl. I S. 100, zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 22.
Dezember 2008, BGBl. I S. 2986) i.V.m. den Verwaltungsvorschriften des Landes
Hessen zur Durchführung des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes vom 26.
Januar 1998 (StAnz. 1998 S. 502) - VV-GVFG. Nach § 1 GVFG gewährt der Bund
den Ländern Finanzhilfen für Investitionen zur Verbesserung der
Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden, gemäß § 2 Abs. 1 GVFG können die
Länder verschiedene Vorhaben durch Zuwendungen aus den Finanzhilfen fördern,
u.a. nach Nr. 1 a den Bau oder Ausbau von verkehrswichtigen innerörtlichen
Straßen mit Ausnahme von Anlieger- und Erschließungsstraßen. Von dieser
Ermächtigung hat das Land Hessen Gebrauch gemacht, indem es nach Maßgabe
des VV-GVFG Zuwendungen zur Förderung der in dem Gesetz genannten
Vorhaben gewährt.
Bei dem hier zugrundeliegenden Straßenbauvorhaben handelt es sich unstreitig
um ein förderfähiges Vorhaben im Sinne der §§ 2, 3 GVFG.
Dass die Kosten in Höhe von 32.773,40 €, die der Beklagte als Kostenersparnis der
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Dass die Kosten in Höhe von 32.773,40 €, die der Beklagte als Kostenersparnis der
Träger der Ver- und Entsorgungsleitungen aufgrund der gleichzeitigen Ausführung
von Leitungs- und Straßenbauarbeiten bei der Ermittlung der zuwendungsfähigen
Kosten in Abzug gebracht hat, nicht zuwendungsfähig sind, ergibt sich nicht
unmittelbar aus § 4 Abs. 3 Nr. 1 GVFG.
Nach dieser Vorschrift sind die Kosten, die ein anderer als der Träger des
Vorhabens zu tragen verpflichtet ist, nicht zuwendungsfähig.
Nach den von dem Beklagten übernommenen Berechnungen der Klägerin beträgt
die Kostenersparnis durch die gleichzeitige Durchführung von Straßen- und
Leitungsarbeiten für die beteiligten Ver- bzw. Entsorgungsunternehmen insgesamt
65.546,79 € brutto (= 56.505,86 € netto), von denen der Beklagte die Hälfte - also
32.773,40 € - bei der Ermittlung der zuwendungsfähigen Kosten nicht
berücksichtigt hat.
Von diesen ersparten Baukosten in Höhe von insgesamt 65.548,79 € entfallen den
Angaben der Klägerin in dem Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 28. Juli 2009
zufolge 55.327,51 € auf Erneuerungsarbeiten der Stadtwerke Marburg GmbH an
Wasserversorgungsleitungen. Die übrigen 10.219, 29 € entfallen auf Arbeiten an
den Kanalleitungen, die bis Ende 2006 - und damit auch bei Durchführung der
Baumaßnahme - im Eigentum der Klägerin gestanden haben und nunmehr dem
Eigenbetrieb „DBM“ der Klägerin gehören. Diese Kosten waren ohnehin von der
Klägerin zu tragen; einen Dritten, der diese Kosten zu tragen haben könnte, gibt
es insoweit nicht.
Die Klägerin und die Stadtwerke Marburg GmbH haben nicht vertraglich vereinbart,
dass die Stadtwerke Marburg GmbH sich an den Kosten der Straßenöffnung und -
wiederherstellung beteiligt. Die Klägerin hat der Stadtwerke Marburg GmbH
gegenüber vielmehr - ihrer Verwaltungspraxis entsprechend - von einer
Kostenbeteiligung abgesehen. Eine gesetzliche Verpflichtung der Stadtwerke
Marburg GmbH, sich an diesen Baukosten zu beteiligen, ist ebenfalls nicht
gegeben. Eine etwa §§ 127 ff BauGB vergleichbare Regelung existiert insoweit
nicht.
Die von dem Hessischen Rechnungshof in einem Schreiben vom 18. Februar 2009
an das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung bei
Fallkonstellationen der vorliegenden Art in Betracht gezogenen Ansprüche der
Kommunen gegen die Versorgungsunternehmen aus Geschäftsführung ohne
Auftrag gemäß §§ 677 ff. BGB bzw. ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812
ff. BGB scheiden ebenfalls aus. Auch wenn man davon ausginge, dass die Klägerin
mit den Aufbruchs- und Wiederherstellungsarbeiten an der Straße ein „auch-
fremdes“ Geschäft für die Stadtwerke GmbH besorgt hätte, wäre dies jedenfalls
vor dem Hintergrund einer entsprechenden Vereinbarung und damit nicht ohne
Auftrag oder sonstige Berechtigung geschehen, so dass schon deswegen ein
Anspruch auf Aufwendungsersatz ausscheiden würde. Angesichts dessen, dass die
Klägerin bewusst von einer Kostenbeteiligung der Stadtwerke abgesehen hat,
dürfte zudem auch die Regelung des § 685 BGB, nach der dem Geschäftsführer
ein Anspruch nicht zusteht, wenn er nicht die Absicht hatte, von dem
Geschäftsherrn Ersatz zu verlangen, einem derartigen Anspruch entgegenstehen.
Die nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin zwischen ihr und dem
Versorgungsunternehmen getroffene Vereinbarung, nach der dieses sich nicht an
den Baukosten zu beteiligen hat, stellt auch einen Rechtsgrund im Sinne des § 812
BGB dar, so dass bereits aus diesem Grund auch Ansprüche aus
ungerechtfertigter Bereicherung nicht gegeben sind.
Dass die Klägerin der Stadtwerke Marburg GmbH gegenüber von einer
vertraglichen Heranziehung zur Beteiligung an den Baukosten abgesehen hat, ist
nicht als rechtsmissbräuchlich zu erachten, da nicht davon auszugehen ist, dass
dieses Vorgehen nur der Umgehung des § 4 Abs. 3 Nr. 1 GVFG dienen sollte. Dies
wäre nur dann der Fall, wenn die Tragung der Kosten nach dem Gesetz oder nach
allgemeinen Grundsätzen aufgrund der gegebenen Sach- und Interessenlage an
sich den Stadtwerken oblegen hätte (so dass die Kosten insoweit nicht
zuwendungsfähig gewesen wären) und die Klägerin auf eine Kostenbeteiligung nur
deshalb verzichtet hätte, um die Zuwendungsfähigkeit dieser Kosten zu bewahren
und demzufolge höhere Zuwendungen zu erhalten und dadurch den Stadtwerken
und sich selbst insgesamt einen den Zielen des GVFG widersprechenden
finanziellen Vorteil zu verschaffen, ohne dass sonstige sachliche Gründe für dieses
Vorgehen gegeben wären (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15. Januar
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Vorgehen gegeben wären (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15. Januar
1980 - X 2123/78 -, juris).
Eine Verpflichtung der Klägerin, die Stadtwerke an den Baukosten zu beteiligen,
bestand weder kraft Gesetzes noch nach allgemeinen Grundsätzen. Das Vorgehen
der Klägerin entsprach vielmehr der jahrzehntelang geübten Förderpraxis des
Beklagten und dementsprechend im Übrigen auch der Verwaltungsübung anderer
Kommunen. Auch sind Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin nur deswegen von
einer Kostenbeteiligung des Versorgungsunternehmens abgesehen hat, um die
Zuwendungsfähigkeit dieser Kosten zu erhalten, nicht gegeben. Denn auch
unabhängig von der Frage der Zuwendungsfähigkeit der Kosten gab es
hinreichende Gründe dafür, das Versorgungsunternehmen nicht an den Kosten der
Straßenöffnung- und -wiederherstellung zu beteiligen. Die Klägerin hat ihrem
Vorbringen zufolge nämlich ein erhebliches Interesse an einer gemeinsamen
Baudurchführung, um eine erneute Straßenöffnung und damit einhergehende
Verkehrsbehinderungen und Belastungen für die Anwohner zu vermeiden. Der
Verzicht auf eine Beteiligung an den Kosten dient in diesen Fällen als Anreiz für
das Versorgungsunternehmen, die Erneuerungsmaßnahmen vorzuziehen und
unabhängig von einer aktuellen Notwendigkeit schon zu dem Zeitpunkt der
Straßenbaumaßnahme vorzunehmen.
Dieses Vorgehen widerspricht auch nicht dem Sinn und Zweck des GVFG.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts soll das
Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz durch die Zuweisung von Bundesmitteln an
die Länder diesen die sachgerechte Möglichkeit "einer finanziellen Unterstützung
der Gemeinden" eröffnen (vgl. Amtliche Begründung des Regierungsentwurfs, BT-
Drucks. VI/1117, S. 6). Mit dem Ausschluss der Zuwendungsfähigkeit von Kosten,
die aufgrund von gesetzlichen Bestimmungen wie z.B. der § 127 ff. BBauG von der
Gemeinde abgewälzt werden können, hat der Bundesgesetzgeber danach
erreichen wollen, dass durch Zuwendungen aus Bundesmitteln (anteilig) nur
solche Kosten durch die Länder finanziert werden dürfen, die anderenfalls von der
Gemeinde (endgültig) zu übernehmen wären (so BVerwG, Urteil vom 30. Januar
1987 - 8 C 10.86 -, BVerwGE 75, 356). Eine entsprechende Zweckbestimmung
ergibt sich auch aus den VV-GVFG, nach deren Nr. 5.4.1 Kosten nicht
zuwendungsfähig sind, die ein anderer als der Träger des Vorhabens zu tragen
hat, da in den darin genannten Beispielen ebenfalls auf gesetzliche
Kostentragungspflichten abgestellt wird.
Nach dem Sinn und Zweck des GVFG ist es daher nicht geboten, ein
Versorgungsunternehmer grundsätzlich vertraglich zur Beteiligung an den hier
streitgegenständlichen Kosten zu verpflichten. Dies gilt um so mehr, da die Höhe
einer als angemessen zu beurteilenden Beteiligungsquote nicht allgemein
festgelegt werden könnte. Denn sie dürfte maßgeblich auch davon abhängen, um
welchen Zeitraum das Versorgungsunternehmen die Erneuerungsarbeiten im
Interesse einer gemeinsamen Baudurchführung vorgezogen hat. Eine hälftige
Beteiligung an den Kosten der Aufbruch- und Wiederherstellungsarbeiten wäre
danach jedenfalls dann nicht gerechtfertigt, wenn das Unternehmen an sich noch
längere Zeit mit diesen Arbeiten abgewartet hätte. Zu berücksichtigen ist in
diesem Zusammenhang zudem auch, dass diese Kosten auch dann angefallen
wären, wenn eine Erneuerung der Leitungen nicht erfolgt wäre.
Soweit der Beklagte darauf hinweist, dass nach der abgabenrechtlichen
Rechtsprechung (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 9. Juli 1999 - 5 TZ 4571/98 -, juris;
OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 5. September 1986 - 2 A 963/84 -, juris)
dann, wenn Baumaßnahmen von Kostenträgern aus verschiedenen
Aufgabenbereichen derart miteinander verbunden werden, dass dadurch Kosten
eingespart werden, diese Ersparnis nicht nur bei einer Baumaßnahme
berücksichtigt werden darf, sondern sie vielmehr auf alle Baumaßnahmen verteilt
werden muss, führt dies zu keiner anderen rechtlichen Wertung. Zwar handelt es
sich bei dem darin zum Ausdruck kommenden Gedanken, dass der wirtschaftliche
Erfolg der gemeinsamen Durchführung der Maßnahmen jedem der Kostenträger
zugute kommen muss (so OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 5. September
1986 - 2 A 963.84 -, a.a.O.), - wie der Beklagte zu Recht annimmt - um einen
nachvollziehbaren Grundsatz. Dieser Grundsatz ist jedoch im Hinblick auf die
Heranziehung von Grundstückseigentümern zu Straßenbaubeiträgen entwickelt
worden und bezieht sich damit auf Kosten, die von kraft Gesetzes
Kostenpflichtigen zu tragen sind. Die vorliegende Fallkonstellation, in der es um die
Ermittlung der zuwendungsfähigen Kosten in einem Fördermittelvergabeverfahren
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Ermittlung der zuwendungsfähigen Kosten in einem Fördermittelvergabeverfahren
geht, unterscheidet sich davon deutlich. Dass ein Absehen von einer -
vertraglichen - Kostenbeteiligung der Versorgungsunternehmen gegen Sinn und
Zweck des GVFG verstößt, lässt sich daraus jedenfalls nicht herleiten.
Auch wenn die Zuwendungsfähigkeit der hier streitgegenständlichen Kosten damit
nicht bereits gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 1 GVFG kraft Gesetzes ausgeschlossen ist,
besteht andererseits kein gesetzlicher Anspruch auf Anerkennung dieser Kosten
als zuwendungsfähig. Denn das GVFG gewährt keinen Anspruch auf Förderung,
sondern stellt eine Förderung für die nach §§ 2, 3 GVFG förderfähigen Vorhaben in
das Ermessen des Landes, soweit die Kosten nach § 4 GVFG zuwendungsfähig
sind.
Die Bewilligungsbehörde entscheidet dementsprechend nach pflichtgemäßem
Ermessen über die Gewährung der Zuwendung im Rahmen der verfügbaren
Haushaltsmittel. Dieses Ermessen kann von den Gerichten nur darauf überprüft
werden, ob die Ablehnung der Bewilligung rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen
Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem
Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde (§
114 Satz 1 VwGO); insbesondere darf die Behörde den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs.
1 GG) nicht verletzen. Für die Ermessensausübung sind die genannten
Verwaltungsvorschriften zugrunde zu legen, die eine einheitliche und gleichmäßige
Anwendung des Ermessens im Hinblick auf die Gewährung der Zuwendung
sicherstellen sollen. Da diese ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften nicht
wie Gesetze und Rechtsverordnungen schon durch ihr Vorhandensein Rechte für
den Einzelnen begründen, unterliegen sie auch keiner eigenständigen richterlichen
Auslegung wie Rechtsnormen. Entscheidend ist vielmehr, wie die zuständige
Behörde die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis
gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den
Gleichheitssatz gebunden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Januar 1996 - 11 C 5.95
-, NJW 1996, 1766; Urteil vom 2. Februar 1995 - 2 C 19.94 -, NVwZ-RR 1996, 47;
Urteil vom 26. April 1979 - 3 C 111.79 -, BVerwGE 58, 45; Hess. VGH, Urteil vom
15. Dezember 1995 - 8 UE 1773/94 -, juris und Beschluss vom 17. November 2009
- 10 A 1699/08.Z -).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ergibt sich aus dem Gleichheitssatz des Art. 3
Abs. 1 GG ein Anspruch der Klägerin darauf, dass der Beklagte die hier
streitgegenständlichen Kosten seiner langjährigen Verwaltungspraxis
entsprechend als zuwendungsfähig berücksichtigt.
Zwar hat der Beklagte zwischenzeitlich seine ständige Verwaltungsübung
dahingehend geändert, derartige Kosten nicht mehr als zuwendungsfähig
anzuerkennen. Nach der seit dem 23. Juni 2008 gültigen Allgemeinverfügung des
Hessischen Landesamtes für Straßen- und Verkehrswesen sind bei der
gemeinsamen Durchführung von Straßen- und Leitungsarbeiten nämlich die Hälfte
der Kosten der Aufbruchs- und Wiederherstellungsarbeiten als nicht
zuwendungsfähig abzusetzen, wenn die Erneuerung der Ver- oder
Entsorgungsleitungen keine Folgemaßnahme der Straßenbaumaßnahme im Sinne
des Leitungsrechts ist und vertragliche Regelungen auf einem Gestattungs- oder
Konzessionsvertrag dem nicht entgegenstehen. Diese Regelung soll auch auf alle
Vorhaben angewendet werden, die noch nicht abgerechnet sind. Der Vertreter des
Beklagten hat in dem Erörterungstermin vor dem Verwaltungsgericht am 15. Juni
2009 erklärt, dass seit ein bis zwei Jahren durchgängig auch so verfahren werde.
Gegenüber dem Anspruch der Klägerin kann sich der Beklagte jedoch nicht mit
Erfolg auf diese Änderung seiner Verwaltungspraxis berufen.
Zwar kann ein durch Verwaltungsvorschriften festgelegtes Förderprogramm aus
willkürfreien, d. h. sachlichen Gründen geändert werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 8.
April 1997 - 3 C 6.95 -, a.a.O.). Auch wenn der Verwaltung bei der Änderung einer
Ermessenspraxis danach regelmäßig ein weiter Spielraum zusteht, wird sie bei
Änderungen jedoch nicht im rechtsfreien Raum tätig, sondern ist gemäß Art. 20
Abs. 3 GG an die allgemeinen Rechtsgrundsätze wie etwa an das in Art. 3 Abs. 1
GG verankerte Willkürverbot oder die im Rechtsstaatsprinzip verankerten
Grundsätze der Verhältnismäßigkeit oder des Vertrauensschutzes gebunden.
Diese Bindungen bestehen auch für die Entscheidung, eine gesetzlich nicht
gebotene begünstigende Verwaltungspraxis zu beenden (vgl. BVerwG, Urteil vom
8. April 1997 - 3 C 6.95 -, a.a.O., und Beschluss vom 8. Juni 2009 - 2 B 33.09 -,
juris; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15. Januar 1980 - X 2123/78 -, juris).
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Die geänderte Verwaltungspraxis des Beklagten hinsichtlich der Bestimmung der
zuwendungsfähigen Kosten soll nicht nur bei künftigen
Fördermittelvergabeverfahren zur Anwendung kommen, sondern auch bei bereits
begonnenen, aber noch nicht abgerechneten Verfahren. Da sich diese Änderung
damit auf noch nicht abgeschlossene Sachverhalte bezieht, handelt es sich
insoweit nicht um einen Fall der „echten“ Rückwirkung, die nur dann gegeben ist,
wenn nachträglich in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände
eingegriffen wird, sondern um eine „unechte“ Rückwirkung (vgl. dazu BVerfG,
Beschluss vom 7. Juli 2010 - 2 BvL 1/03 u.a. -, juris). Eine solche unechte
Rückwirkung ist nicht grundsätzlich unzulässig; soweit nicht besondere Momente
der Schutzwürdigkeit hinzutreten, genießt die bloß allgemeine Erwartung, das
geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, keinen besonderen
verfassungsrechtlichen Schutz (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 2010 - 2 BvL
1/03. u.a., a.a.O.).
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Klägerin auf der Grundlage des
verfassungsrechtlich verbürgten Gebots des Vertrauensschutzes einen Anspruch
darauf, dass der Beklagte die hier streitgegenständlichen Kosten in vollem Umfang
als zuwendungsfähig berücksichtigt, da sie in schutzwürdiger Weise auf eine
entsprechende Verwaltungsübung des Beklagten vertraut hat.
Insoweit ist zu berücksichtigen, dass das dem Fördervorgang zugrundeliegende
Straßenbauvorhaben bereits in den Jahren 2002 bis 2005 durchgeführt worden ist.
Die Klägerin hat ihrer damaligen Verwaltungspraxis entsprechend mit dem
Versorgungsunternehmen nicht nur keine vertragliche Vereinbarung über dessen
Beteiligung an den Baukosten getroffen, sondern ausdrücklich und einvernehmlich
davon abgesehen und demzufolge von diesem auch keine Kostenbeteiligung
erhalten. Auch eine nachträgliche Heranziehung der Stadtwerke Marburg GmbH
zur Übernahme eines Teils dieser Baukosten ist der Klägerin nicht möglich. Die
Klägerin hat vielmehr darauf vertraut, dass diese Kosten - wie es von dem
Beklagten in der Vergangenheit nach dessen Angaben in der mündlichen
Verhandlung jahrzehntelang gehandhabt worden war - als zuwendungsfähig
anerkannt würden. Dieses Vertrauen der Klägerin ist auch schutzwürdig gewesen.
An einer solchen Schutzwürdigkeit fehlt es dann, wenn dem Betroffenen Umstände
bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt waren, die eine Änderung
der Förderpraxis rechtfertigen (BVerwG, Urteil vom 8. April 1997 - 3 C 6.95 -,
a.a.O.). Ein solcher Fall ist nicht gegeben. Der Klägerin ist von dem Beklagten
erstmals im Rahmen der Verwendungsnachweisprüfung mit Schreiben vom 24.
Oktober 2007 mitgeteilt worden, dass der Hessische Landesrechnungshof darauf
hingewiesen habe, dass die aus der gleichzeitigen Ausführung von Straßen- und
Leitungsbauarbeiten resultierende Kostenersparnis aufwandsmindernd zu
berücksichtigen sei. Die entsprechende Allgemeinverfügung des Hessischen
Landesamtes für Straßen- und Verkehrswesen datiert sogar erst vom 23. Juni
2008. Es sind auch sonst keine Umstände ersichtlich, die die Klägerin dazu hätten
veranlassen müssen, damit zu rechnen, dass die Kostenersparnis bei einer
gemeinsamen Durchführung von Straßenbau- und Leitungsarbeiten bei den
zuwendungsfähigen Kosten in Abzug gebracht wird. Auch hat sich insoweit weder
der Wortlaut des GVFG noch der der Verwaltungsvorschriften hierzu geändert, so
dass die Klägerin unter diesem Gesichtspunkt ebenfalls keinen Anlass hatte, mit
einer Änderung der Verwaltungspraxis zu rechnen. Gleiches gilt im Hinblick auf die
sowohl von dem Hessischen Landesrechnungshof als auch von dem Beklagten zur
Begründung für die Änderung seiner Verwaltungspraxis in Bezug genommene
abgabenrechtliche Rechtsprechung. Denn angesichts dessen, dass diese
Rechtsprechung viele Jahren existierte (die Ausgangsentscheidung des
Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen ist aus dem Jahre 1986), ohne dass
der Beklagte seine Verwaltungsübung daran ausgerichtet hat, bestand für die
Klägerin keine Veranlassung dazu, in Betracht zu ziehen, dass der Beklagte unter
Berufung auf diese Rechtsprechung seine Ermessenspraxis ändern könnte.
Im Ergebnis erweist sich die auf die Änderung der Verwaltungspraxis gestützte
Nichtberücksichtigung der Kosten als zuwendungsfähig als ermessensfehlerhaft.
Da andere Gesichtspunkte, die einer Berücksichtigung dieser Kosten
entgegenstehen könnten, weder von dem Beklagten dargetan noch sonst
ersichtlich sind, ist sein Ermessen dahingehend reduziert, dass diese Kosten in
Höhe von 32.773,40 € als zuwendungsfähig zu erachten sind. Ausgehend von der
sich aus dem Bewilligungsbescheid vom 28. August 2002 ergebenden Förderquote
von 75 % ergibt sich daraus ein Anspruch der Klägerin auf Bewilligung weiterer
24.580,05 €.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711
ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nrn.
1 bis 3 VwGO nicht vorliegen.
BESCHLUSS
Der Wert des Streitgegenstandes wird unter Abänderung der Streitwertfestsetzung
durch das Verwaltungsgericht für das erstinstanzliche Verfahren sowie für das
Berufungsverfahren auf jeweils 24.580,05 € festgesetzt.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 3 GKG. Die
Abänderung der Streitwertfestsetzung erster Instanz, zu der sich der Senat nach §
63 Abs. 3 Satz 1 GKG befugt sieht, ist darin begründet, dass das Begehren der
Klägerin von Beginn auf die Verpflichtung des Beklagten gerichtet war, die hier
streitgegenständlichen Kosten in Höhe von 32.773,40 € als zuwendungsfähig zu
berücksichtigen und ihr - der bewilligten Förderquote entsprechend - 75 % davon,
mithin 24.580,05 € als weitere Zuwendung zu bewilligen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 68 Abs. 1 S. 5, 66 Abs. 3 S. 3 GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.