Urteil des HessVGH vom 06.07.1995
VGH Kassel: wohnung, mitbestimmungsrecht, behörde, anhörung, vorschlag, absicht, beschwerdefrist, zustellung, kreis, dokumentation
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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
Fachsenat für
Personalvertretungssachen
(Bund)
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
21 TK 864/95
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 75 Abs 2 Nr 2 BPersVG
(Mitbestimmung des Personalrates bei der Zuweisung
einer Wohnung)
Tatbestand
I.
Der Antragsteller begehrt festzustellen, daß ihm ein Mitbestimmungsrecht
zusteht, wenn die Beteiligte die Gelegenheit wahrnimmt, Bedienstete ihrer
Dienststelle für die Zuweisung von Wohnungen in solchen Fällen vorzuschlagen, in
denen ihr die Auswahl überlassen wird.
Die Beteiligte ging früher von einem Mitbestimmungsrecht des Antragstellers nach
§ 75 Abs. 2 Nr. 2 Bundespersonalvertretungsgesetz - BPersVG - aus, wenn sie
dem Bundesvermögensamt Frankfurt Bedienstete vorschlug, denen Wohnungen
zugewiesen werden sollten. So erbat sie zuletzt unter dem 5. Januar 1994 die
Zustimmung für ihre Absicht, eine Wohnung in Bad Homburg ... "zuweisen zu
lassen". Nachdem der Personalrat die Zustimmung verweigert hatte, stellte sie
sich auf den Standpunkt, daß kein Mitbestimmungsrecht vorliege, weil das
Bundesvermögensamt über die zuzuweisenden Wohnungen verfüge und nicht sie.
Daraufhin hat der Antragsteller am 28. November 1994 bei dem
Verwaltungsgericht Frankfurt am Main zunächst die Feststellung begehrt, daß die
in verschiedenen Fällen erfolgte Vergabe von Wohnungen an Bedienstete der
Dienststelle, die ohne seine Zustimmung erfolgt sei, sein Mitbestimmungsrecht
verletzt habe. Die Beteiligte "verfüge" im Sinne von § 75 Abs. 2 Nr. 2 BPersVG über
diese Wohnungen. Es komme nicht darauf an, ob sie allein die Zuteilung
vornehme. Ein Verfügen "sei auch in anderen" Maßnahmen in bezug auf
Wohnungen zu sehen. Das Bundesvermögensamt habe die von der Beteiligten
festgelegte Reihenfolge von Bewerbern stets beachtet.
Der Antragsteller hat zuletzt beantragt
festzustellen, daß der Antragsteller nach § 75 Abs. 2 Nr. 2 BPersVG
mitzubestimmen hat, wenn und soweit die Beteiligte eine Auswahl unter
Bewerbern zu treffen hat, die für die Besetzung einer Bundeswohnung durch das
Bundesvermögensamt in Betracht kommen.
Die Beteiligte hat beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, die Befugnis zur Wohnungszuweisung liege allein beim
Bundesvermögensamt. Von ihrer Behörde übermittelte Vorschläge seien nicht
verbindlich.
Das Verwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des für die
Wohnungsvergabe zuständigen Sachbearbeiters beim Bundesvermögensamt
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Wohnungsvergabe zuständigen Sachbearbeiters beim Bundesvermögensamt
Frankfurt. Der Zeuge hat unter anderem erklärt, das Bundesvermögensamt
Frankfurt überlasse in gewissem Umfang den einzelnen Beschäftigungsbehörden
die Vorauswahl derjenigen, an die eine Wohnung vergeben werden solle. Sofern
eine Wohnung für mehrere wohnungssuchende Beschäftigte einer Behörde in
Betracht komme, könne die jeweilige Beschäftigungsbehörde die Auswahl treffen,
die das Bundesvermögensamt akzeptiere. Hinsichtlich der Einzelheiten der
Vernehmung wird auf die Verhandlungsniederschrift des Verwaltungsgerichts vom
6. Februar 1995 verwiesen.
Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluß vom 6. Februar 1995 dem Antrag
stattgegeben und die Ansicht vertreten, wenn das Bundesvermögensamt anderen
Behörden in der Sache ein Vorschlags- oder Beteiligungsrecht einräume, seien
deren Auswahlentscheidungen mitbestimmungspflichtig.
Die Beteiligte hat nach der nach ihren Angaben am 24. Februar 1995 erfolgten
Zustellung am 22. März 1995 Beschwerde eingelegt, die sie nach Verlängerung
der Beschwerdefrist bis zum 2. Mai 1995 am 26. April 1995 begründet hat. Sie
trägt vor, das Bundesvermögensamt teile ihr entweder mit, daß eine bestimmte
Wohnung zur Vergabe in Aussicht gestellt werde oder für die Vergabe an
Beschäftigte ihrer Behörde vorgesehen sei. Verschiedentlich seien Bediensteten
sogar Wohnungen zugewiesen worden, ohne daß sie gehört worden sei, weil sich
die Bewerber unmittelbar an das Bundesvermögensamt gewandt hätten. In
keinem der Fälle stehe ihr eine Entscheidung zu, wem die Wohnung letztlich
zugewiesen werde. Fehle danach ihre Verfügungsbefugnis, bestehe auch kein
Mitbestimmungsrecht des Personalrats. Alle Wohnungen würden zentral vom
Bundesvermögensamt vergeben. Es sei auch zu berücksichtigen, daß die der
Wohnungsfürsorge des Bundes unterliegenden Wohnungen nicht auf die einzelnen
Dienststellen aufgeteilt seien, sondern alle Wohnungen der Deckung des
Wohnungsbedarfs der Bundesdienststellen dienten. Das Bundesvermögensamt sei
den Vorschlägen auch keineswegs immer gefolgt. Von einer Delegation der
Auswahl auf sie könne keine Rede sein.
Die Beteiligte beantragt,
den Beschluß des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 6. Februar 1995
aufzuheben und den Antrag abzulehnen.
Der Antragsteller tritt der Beschwerde mit der Maßgabe entgegen, daß er nur noch
beantragt,
festzustellen, daß dem Antragsteller gemäß § 75 Abs. 2 Nr. 2
Bundespersonalvertretungsgesetz ein Mitbestimmungsrecht zusteht, wenn das
Bundesvermögensamt Frankfurt am Main der Beteiligten das Recht einräumt,
verbindlich darüber zu entscheiden, welchem ihrer Bediensteten eine Wohnung
zugewiesen werden soll, und die Beteiligte daraufhin einen verbindlichen Vorschlag
macht.
Den weitergehenden Antrag hat der Antragsteller mit Zustimmung der Beteiligten
zurückgenommen.
Er bestreitet, daß die Beteiligte keine Vorschläge mehr mache, und hat
Verfügungen der Beteiligten vom 2. Mai und 14. Juni 1995 vorgelegt, in denen dem
Bundesvermögensamt Personen für die Wohnungszuweisung benannt
beziehungsweise vorgeschlagen wurden. Im Hinblick darauf bestehe weiterhin ein
Rechtsschutzbedürfnis für seinen Antrag, denn es sei davon auszugehen, daß das
Bundesvermögensamt in manchen Fällen Wohnungen nur der Dienststelle der
Beteiligten anbiete und deren Auswahl respektiere.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die von den
Beteiligten vorgelegten Unterlagen sowie die Niederschrift über die mündliche
Anhörung verwiesen.
Entscheidungsgründe
II.
Soweit der Antragsteller seinen Antrag zurückgenommen hat, ist das Verfahren
einzustellen (§ 83 Abs. 2 BPersVG i. V. m. §§ 87 Abs. 2 Satz 3, 81 Abs. 2 Satz 2
ArbGG).
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Die Beschwerde, die sich gegen den eingeschränkten Teil des Antrags richtet, ist
zulässig, hat aber keinen Erfolg. Der Antrag ist in dem noch aufrechterhaltenen
Umfang zulässig und begründet, so daß die Beschwerde mit der Maßgabe
zurückzuweisen ist, daß die verwaltungsgerichtliche Entscheidung dem
eingeschränkten Antrag entsprechend neu gefaßt wird.
Der Antrag ist zulässig, insbesondere fehlt weder das Rechtsschutzbedürfnis noch
das Feststellungsinteresse. Die strittige Rechtsfrage im Umfang des zuletzt
gestellten Antrags kann sich auch in Zukunft mit mehr als geringfügiger
Wahrscheinlichkeit erneut stellen. Zwar hat die Beteiligte bei der mündlichen
Anhörung vor dem Senat erklären lassen, sie sehe seit Ergehen der
verwaltungsgerichtlichen Entscheidung davon ab, überhaupt noch Vorschläge zu
machen. Diese Darstellung wird jedoch durch die bei der mündlichen Anhörung
von dem Antragsteller vorgelegten Vermerke vom 2. Mai und 14. Juni 1995
widerlegt, wonach die Beteiligte bestimmte Personen für die Wohnungszuweisung
vorgeschlagen hat.
Der Einwand der Beteiligten, es habe sich dabei nicht um einen Vorschlag
aufgrund einer Auswahl gehandelt, ist rechtlich unerheblich, denn ein "Verfügen"
setzt keine Auswahl voraus. Im übrigen deutet der Wortlaut der Verfügungen vom
2. Mai und 14. Juni 1995 hinsichtlich der nicht vorgeschlagenen jeweils unter Nr. 2
aufgeführten Wohnungsbewerberin, diese sei wegen Krankheit, "bei der Vergabe
nicht berücksichtigt" worden, darauf hin, daß sie wegen ihrer Erkrankung nicht
vorgeschlagen werden sollte. Ob sie überhaupt befragt wurde, ist zwischen dem
Antragsteller und der Beteiligten streitig. Aus den Vermerken ergibt sich jedenfalls,
daß das Bundesvermögensamt die Dienststelle der Beteiligten weiterhin bei der
Auswahl von Bediensteten, denen Wohnungen zugewiesen werden sollen,
Gelegenheit zur Stellungnahme gibt und die Beteiligte Personen für die Zuweisung
von Wohnungen benennt.
Es läßt sich auch davon ausgehen, daß das Bundesvermögensamt
Auswahlentscheidungen der Beteiligten seiner bisherigen Praxis entsprechend
respektiert bzw. akzeptiert, wenn nur Bedienstete dieser Behörde für eine
bestimmte Wohnung vorgesehen sind. Nach der Darstellung des Sachbearbeiters
des Bundesvermögensamts bei seiner Vernehmung vor dem Verwaltungsgericht
als Zeugen hat er erklärt, daß er nach Wohnungsvergabekriterien eine Vorauswahl
unter den ihm bekannten Interessenten der Beschäftigungsbehörde trifft und dem
jeweiligen Wohnungsbeauftragten der Dienststelle dann die für freie Wohnungen in
Betracht kommenden Bediensteten nennt. Weiter hat er erklärt:
"Innerhalb dieses Personenkreises kann dann die jeweilige Beschäftigungsbehörde,
so auch die Bundesschuldenverwaltung, eine eigene Auswahl treffen, sofern
mehrere Bewerber mit entsprechendem Familienstatus tatsächlich vorhanden
sind."
Sei nur ein Bewerber mit entsprechendem Familienstatus vorhanden, so werde die
Wohnung sofort nur für diesen Beschäftigten vorgesehen, so daß der
entsprechende Wohnungsbeauftragte der Behörde von ihm aufgefordert werde,
diesem Beschäftigung die Wohnung anzubieten und nachzufragen, ob tatsächlich
Interesse bestehe.
Nur wenn kein Interesse bestehe, entscheide er darüber, ob die Wohnung
derselben Behörde oder einer anderen Behörde angeboten werde. Soweit die
jeweiligen Beschäftigungsbehörden unter mehreren in Betracht kommenden
Bewerbern auswählen könnten, akzeptiere das Bundesvermögensamt die
entsprechende Auswahlentscheidung der jeweiligen Beschäftigungsbehörde. Das
gelte selbst dann, wenn nachträglich ein Bewerber auftrete, bei dem ein sozialer
Dringlichkeitsfall vorliege.
Danach gibt das Bundesvermögensamt - zumindest in manchen Fällen - Behörden
Gelegenheit, aus einem von ihm vorgegebenen Interessentenkreis eine Person
auszuwählen, an die die Wohnungszuweisung sodann erfolgt. Dafür, daß sich diese
Praxis des Bundesvermögensamtes geändert hat, ist nichts vorgetragen oder
ersichtlich. Infolgedessen kann sich auch künftig die Fallgestaltung ergeben, die
der zu entscheidenden Rechtsfrage zugrundeliegt, so daß das
Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen ist (vgl. Bundesverwaltungsgericht Beschluß
vom 2. Juni 1993 - 6 P 3.92 - PersR 1993, 450 = PersV 1994, 126 = NVwZ 1994,
1220). Die bloße Möglichkeit, daß entweder das Bundesvermögensamt seine
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1220). Die bloße Möglichkeit, daß entweder das Bundesvermögensamt seine
Verfahrensweise ändert oder die Beteiligte ihre Absicht, künftig keine Vorschläge
mehr zu machen, tatsächlich durchführt, ändert daran für den hier maßgeblichen
Zeitpunkt der Entscheidung nichts.
Der Antrag ist auch begründet. Ein Mitbestimmungsrecht bei der Zuweisung von
Wohnungen nach § 75 Abs. 2 Nr. 2 BPersVG besteht zwar nicht schon dann, wenn
eine Dienststelle von der Wohnungsfürsorgebehörde bei der Auswahl der Bewerber
in irgendeiner Weise beteiligt wird. Die Entscheidung des Fachsenats vom 16.
November 1959 - BPV 1/59 - zu dem früheren § 66 Abs. 1d PersVG (PersV 1960,
159), in der diese Ansicht vertreten wurde, ist seinerzeit vom
Bundesverwaltungsgericht (Beschluß vom 23. Februar 1962 - VII P 2.60 - PersV
1992 230) aufgehoben worden. Die Auffassung des Fachsenats wurde später in
der Rechtsprechung soweit ersichtlich nicht mehr vertreten.
Das Mitbestimmungsrecht nach § 75 Abs. 2 Nr. 2 BPersVG bei der Zuweisung von
Wohnungen, über die die Dienststelle verfügt, setzt nicht voraus, daß die
Dienststelle das alleinige und unmittelbare Verfügungsrecht hat und ausübt. Es
reicht vielmehr aus, daß die rechtliche oder tatsächliche Möglichkeit für die
Dienststelle besteht, den Mieter einer Wohnung verbindlich auszuwählen
beziehungsweise verbindlich vorzuschlagen (Bundesverwaltungsgericht, Beschluß
vom 25. September 1984 - 6 P 25.83 - ZPR 1985, 60 = PersV 1987, 516). Ein
Mitbestimmungsrecht des Personalrats besteht daher auch dann, wenn einer
Dienststelle von der Wohnungsfürsorgebehörde, die eine Wohnung allein für die
betreffende Dienststelle vorgesehen hat, die Möglichkeit eingeräumt wird, unter
einem Kreis ihrer Bediensteten diejenige Person auszuwählen, der die Wohnung
durch die Wohnungsbehörde zugewiesen werden soll.
Soweit die Beteiligte einwendet, für sie sei gar nicht erkennbar, ob das
Bundesvermögensamt eine Wohnung allein für ihre Dienststelle oder auch für
andere vorgesehen habe und ihr die verbindliche Auswahlmöglichkeit einräumen
wolle, handelt es sich um eine tatsächliche Unklarheit, die, weil für das
Mitbestimmungsrecht wesentlich, durch eine Rückfrage bei der
Wohnungsfürsorgebehörde zu klären ist. Die Ungewißheit darüber, ob die
tatsächlichen Voraussetzungen für ein Mitbestimmungsrecht vorliegen, ändert
nichts daran, daß Beteiligungsrechte unter den jeweils im Gesetz vorgesehenen
Voraussetzungen bestehen, über deren Vorliegen sich die gegebenenfalls zur
Beteiligung verpflichtete Stelle Klarheit zu verschaffen hat.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Entscheidung keine
ungeklärten rechtsgrundsätzlichen Fragen behandelt (§ 83 Abs. 2 BPersVG i. V. m.
§ 92 Abs. 1 und § 72 Abs. 2 ArbGG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.