Urteil des HessVGH vom 17.02.1987
VGH Kassel: aufschiebende wirkung, einheit, vollziehung, parkplatz, aussetzung, veranlagung, bestandteil, abgrenzung, unterliegen, kreis
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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
5. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 TH 2557/85
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Leitsatz
Fall eines nach Straßenbeitragsrecht abzurechnenden Straßenausbaus durch Anlegung
einer Parkfläche auf einer zwischen den Fahrstreifen befindlichen "Straßeninsel".
Gründe
Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Verwaltungsgericht dem Antrag der
Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die
Heranziehung zu Straßenbeiträgen für die am Platz der deutschen Einheit
gelegenen Bahnhofsgrundstücke in dem in der schriftlichen
Widerspruchsbegründung vom 19. Juli 1985 bezeichneten Umfang anzuordnen,
uneingeschränkt entsprochen. Die hiergegen von der Antragsgegnerin erhobene
Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache zum Teil Erfolg. Dem Grunde
nach bestehen gegen die Veranlagung der beiden Grundstücke zum
Straßenbeitrag für die Anlegung eines Parkplatzes auf dem Gelände des
ehemaligen Löschwasserteichs vor dem Hauptbahnhof Darmstadt keine
Bedenken. Soweit dagegen Zweifel an der Richtigkeit der Berechnung der auf die
Grundstücke der Antragstellerin entfallenden Straßenbeiträge bestehen,
rechtfertigen diese Zweifel nicht eine Aussetzung in vollem Umfang, sondern
lediglich eine Teilaussetzung.
Wie das Verwaltungsgericht nimmt auch der Senat an, daß die Anlegung des
Parkplatzes auf dem Gelände des ehemaligen Löschwasserteichs eine bauliche
Maßnahme darstellt, für die die Antragsgegnerin gem. § 11 Abs. 1 und 3 KAG i. V.
m. den Bestimmungen ihrer Straßenbeitragssatzung vom 15. Dezember 1971 in
der Fassung der ersten Änderungssatzung vom 14. Dezember 1978 (im
folgenden: StrBS) Straßenbeiträge erheben darf. Straßenbeitragsfähig ist dieser
Parkplatz allerdings nicht als selbständige Verkehrsanlage, die im Sinne des § 2
Abs. 4 b StrBS "nach städtebaulichen Grundsätzen innerhalb der Baugebiete zu
deren Erschließung notwendig" ist, sondern als "Bestandteil" gem. § 2 Abs. 4 a
StrBS, um den die Straßen- und Platzanlage "Platz der deutschen Einheit" vor dem
Hauptbahnhof in Darmstadt nachträglich ergänzt worden ist. Wäre der fragliche
Parkplatz als selbständige Verkehrsanlage hergestellt worden, so ließe er sich - da
es sich dann um eine erstmalige Herstellung handeln würde - nach § 127 Abs. 2
Nr. 3 2. Alternative BBauG nur nach Erschließungsbeitragsrecht abrechnen. Das
äußere Erscheinungsbild des Parkplatzes, insbesondere seine Anlegung auf einer
Fläche, die früher als "Straßeninsel" die verschiedenen Fahrbahnen einer
Verkehrsanlage trennte, deutet aber darauf hin, daß es sich hier um eine
unselbständige Teileinrichtung jener Anlage handelt. Jedenfalls muß davon -
vorbehaltlich einer genaueren Überprüfung im Hauptsacheverfahren - im Rahmen
des vorliegenden Eilverfahrens ausgegangen werden. Durch Anlegung des
Parkplatzes hat folglich der als Erschließungsanlage vorhandene "Platz der
deutschen Einheit" eine weitere Teileinrichtung erhalten; er ist damit im Sinne des
§ 11 Abs. 3 KAG "ausgebaut" worden. Dies begründet nach § 11 Abs. 1 und 3 KAG
i. V. m. § 1 StrBS die Straßenbeitragspflicht für die von der ausgebauten Anlage
erschlossenen Grundstücke.
Hierdurch ist zugleich der Kreis der zu belastenden Grundstücke in der Weise
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Hierdurch ist zugleich der Kreis der zu belastenden Grundstücke in der Weise
festgelegt, daß es allein auf das Erschlossensein durch die ausgebaute Straßen-
und Platzanlage ankommen kann, nicht aber - wie das Verwaltungsgericht auf
Grund seiner Auffassung, der Parkplatz sei als selbständige Verkehrsanlage
angelegt worden, angenommen hat - auf einen in Anlehnung an die
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Erhebung von
Erschließungsbeiträgen für Grünanlagen zu bildenden "Einzugsbereich". Für die
Grundstücke der Antragstellerin hat das zur Folge, daß sowohl die Parzelle 274/2
als auch die Parzelle 337/2 der Beitragspflicht unterliegen, weil beide Parzellen
durch den "Platz der deutschen Einheit" erschlossen sind; für die letztgenannte
Parzelle stellt sich lediglich die Frage, inwieweit die vom Platz der deutschen Einheit
ausgehende Erschließungswirkung dadurch beschränkt ist, daß Teilflächen jener
Parzelle ihrerseits - etwa als Schienenwegfläche oder "Schienenwegzubehörfläche"
- Erschließungsfunktion zukommt. Auch die anderen in die Verteilung
einzubeziehenden Grundstücke sind nach dem Kriterium des Erschlossenseins
durch die ausgebaute Straßen- und Platzanlage zu bestimmen. Bei der Frage,
welche Straßenteile dieser Anlage zuzurechnen sind, kann im Eilverfahren nur auf
das bei den Verwaltungsvorgängen der Antragsgegnerin befindliche Profilblatt aus
dem Jahre 1948 abgestellt werden. Die durch Anlegung des Parkplatzes
ausgebaute Erschließungsanlage wird danach im Süden durch die Rheinstraße zu
begrenzen sein. Was die Abgrenzung im Norden angeht, so neigt der Senat dazu,
das mit "Poststraße" bezeichnete kurze Straßenstück noch der ausgebauten
Erschließungsanlage zuzurechnen; denn das hier befindliche Postgebäude
(Poststraße ...) wirkt als baulicher Abschluß der Anlage. Der ausgebauten
Erschließungsanlage nicht mehr zuzurechnen ist dagegen die im Osten
verlaufende Goebelstraße. Geht man von dieser Grenzziehung aus, so hat die
Antragsgegnerin bei ihrer Verteilung zu Unrecht die Grundstücke Goebelstraße ...
und ... einbezogen. Diese Grundstücke müssen unberücksichtigt bleiben. An der
Verteilung des Aufwandes zu beteiligen ist andererseits die im
Einmündungsbereich zur Rheinstraße gelegene Parzelle ...; denn dieses
Grundstück wird nach der obigen Abgrenzung durch die ausgebaute
Erschließungsanlage erschlossen.
Die oben genannten Korrekturen bei der Bestimmung der beitragspflichtigen
Grundstücke dürften sich per saldo als Entlastung für die Antragstellerin auswirken;
denn die Fläche der zusätzlich einzubeziehenden Parzelle ... ist wesentlich größer
als die Flächen der nicht zu beteiligenden Grundstücke Goebelstraße ... und ...
zusammengenommen. Die Höhe der Belastung der Antragstellerin hängt
weiterhin von der bereits angesprochenen Frage ab, ob der in die Veranlagung
einzubeziehende Teil der Parzelle ... wirklich in vollem Umfang als "erschlossen"
angesehen werden kann. Zweifel ergeben sich hier einmal hinsichtlich der im
Lageplan der Antragstellerin braungefärbten Parkplatzfläche vor dem
Bahnhofsbüro. Diese Fläche ist in dem Profilblatt aus dem Jahre 1948 zumindest
teilweise als Bestandteil der öffentlichen Straßen- und Platzanlagen vor dem
Hauptbahnhof ausgewiesen. Im Hauptsacheverfahren wird zu klären sein, ob dies
bedeutet, daß die fragliche Fläche - auch heute noch - als Parkfläche dem
allgemeinen öffentlichen Verkehr gewidmet ist und damit nicht nur einem die
Einrichtungen der Deutschen Bundesbahn nutzenden - beschränkten -
Personenkreis zur Verfügung steht. Der Klärung im Hauptsacheverfahren bedarf
ferner die Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die als "Bahnsteig 1
a" und als "Postbahnstation" bezeichneten Flächen - im Lageplan der
Antragstellerin grün gefärbt - als beitragsfreies "Schienenwegzubehör" anzusehen
sind. Der Senat verweist insoweit auf die in seinem Beschluß vom 05. Juni 1986 - 5
TH 996/86 -, HSGZ 1986 S. 411, genannten Abgrenzungskriterien.
Die Notwendigkeit weiterer Aufklärung im Hauptsacheverfahren und einer hierauf
gestützten Vergleichsberechnung zur Ermittlung der tatsächlich auf die
Grundstücke der Antragstellerin entfallenden Straßenbeiträge rechtfertigen nicht
eine Aussetzung der Vollziehung in vollem Umfang. Soweit wegen fehlender
tatsächlicher Feststellungen die Anfertigung einer Vergleichsberechnung nicht
schon im Eilverfahren möglich bzw. zweckmäßig ist, muß unter prognostischer
Einschätzung der voraussichtlich verbleibenden Beitragsschuld ein Anteil bestimmt
werden, in dessen Höhe die Vollziehung auszusetzen ist. Dabei kann zugunsten
des die Aussetzung begehrenden Beitragsschuldners durchaus ein großzügiger
Maßstab angelegt werden. Im vorliegenden Fall erscheint es dem Senat
angemessen, die Vollziehung jeweils in Höhe eines Viertels der
Beitragsforderungen der Antragsgegnerin auszusetzen. Daraus ergibt sich der aus
dem Beschlußtenor ersichtliche Umfang der Teilaussetzung für die beiden
Grundstücke der Antragstellerin. Die Kosten des Verfahrens hat der Senat gem. §§
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Grundstücke der Antragstellerin. Die Kosten des Verfahrens hat der Senat gem. §§
154, 155 Abs. 1 VwGO beiden Beteiligten je zur Hälfte auferlegt. Da die
Antragstellerin ihr Aussetzungsbegehren für die Parzelle ... von vornherein auf
einen Teilbetrag in Höhe von 21.727,77 DM beschränkt hatte, war insgesamt ein
Betrag von 24.040,04 DM streitig; hieran gemessen hat die Antragstellerin in etwa
zur Hälfte mit ihrem Aussetzungsbegehren Erfolg gehabt. Die Festsetzung des
Streitwerts beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13, 14 GKG.
Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 Satz 1 VwGO, 25 Abs. 2 Satz 2
GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.