Urteil des HessVGH vom 17.09.1992
VGH Kassel: graben, satzung, unterhaltung, räumung, wiederherstellung, grundstück, leistungsklage, öffentlich, eigentum, gewässer
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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
7. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 UE 1791/87
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 1 Abs 2 Nr 1 WasG HE
vom 12.05.1981, § 47 Abs
4 WasG HE vom
12.05.1981, § 47 Abs 5
WasG HE vom 12.05.1981,
§ 50 S 2 WasG HE vom
12.05.1981, § 40 Abs 1
VwGO
(Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs wegen
Aufwendungen für Unterhaltung eines Gewässers;
Wahlrecht zwischen Leistungsbescheid und Leistungsklage
- Rechtsschutzbedürfnis)
Tatbestand
Die Klägerin ist Eigentümerin der ungefähr in Nord-Süd-Richtung verlaufenden
Grabenparzelle in der Gemarkung, Flur, Flurstück. Im Osten grenzt hieran das
landwirtschaftlich genutzte Grundstück Flur, Flurstück, des Beklagten, im Westen
das in gleicher Weise genutzte Grundstück Flur, Flurstück des Landwirts. Sämtliche
Vorgenannten sind Mitglieder des Beigeladenen, in dessen Verbandsgebiet ihre
Grundstücke liegen.
Anläßlich eines Ortstermins am 12. März 1984 wurde festgestellt, daß der Graben
auf dem Grundstück der Klägerin, welcher eine wichtige Entwässerungsfunktion für
den betreffenden Gemarkungsbereich erfüllt, eingeebnet war. Daraufhin
veranlaßte die Klägerin, die im Einklang mit dem Beigeladenen davon ausging, daß
ihr die Unterhaltungspflicht bezüglich des Grabens obliege, das Fräsen der Parzelle
durch einen ihrer Bediensteten. Außerdem beauftragte die Klägerin den
Beigeladenen, den Graben auf ihre Kosten auszubaggern. Nach Wiederherstellung
des Grabens stellte der Beigeladene der Klägerin hierfür 825,75 DM in Rechnung;
die Klägerin wies diesen Betrag unter dem 10. Oktober 1984 zur Zahlung an den
Beigeladenen an.
Entsprechend einer vorherigen Ankündigung stellte die Klägerin mit Schreiben vom
11. Oktober 1984 den vorgenannten Betrag dem Beklagten in Rechnung, weil er
den Graben zugepflügt habe und insofern Verursacher sei; gleichzeitig bat die
Klägerin um Überweisung an sie binnen 14 Tagen. Dem kam der Beklagte
ebensowenig nach wie einer weiteren Zahlungsaufforderung vom 14. Februar
1985.
Mit Schriftsatz vom 23. Juli 1986, der am selben Tage einging, erhob die Klägerin
gegen den Beklagten Klage.
Sie machte geltend, der Beklagte sei zur Erstattung der ihr entstandenen
Aufwendungen gemäß § 50 Satz 2 HWG 1981 verpflichtet. Seitdem er nämlich den
Graben um die Jahreswende 1983/84 eingeebnet habe, sei der Wasserabfluß -
insbesondere die Entwässerung der angrenzenden Grundstücke - vor allem bei
starkem Regen oder Hochwasser des Rheins erheblich gestört.
Die Klägerin beantragte sinngemäß,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 825,75 DM zu zahlen.
Der Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
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Er trug vor: Den Graben, welcher bei Hochwasser auch für die Entwässerung seines
eigenen Grundstücks dringend benötigt werde, habe er nicht zugepflügt. Vielmehr
sei der fragliche Graben, ebenso wie andere seiner Zu- und Ableitung dienende
Gräben, seit jeher vom Beigeladenen nicht ordnungsgemäß geräumt worden.
Infolgedessen habe er - der Beklagte - bereits mehrfach bei Hochwasser
umfangreiche eigene Arbeiten verrichten müssen, um sein Grundstück zu
entwässern. Die nunmehr erfolgte Wiederherstellung des Grabensystems müsse
aus dem Beitragsaufkommen des Beigeladenen bestritten werden.
Das Verwaltungsgericht erhob Beweis darüber, ob der Beklagte den Graben vor
1984 eingeebnet habe, durch uneidliche Vernehmung des Landwirts, des
Bediensteten der Klägerin, des Ortslandwirts L und des damaligen
Verbandsvorstehers des Beigeladenen als Zeugen.
Durch Urteil vom 14. Mai 1987 - zugestellt am 4. Juni 1987 - verurteilte das
Verwaltungsgericht den Beklagten zur Zahlung von 825,75 DM an die Klägerin. Die
von ihr erhobene Klage sei als Leistungsklage zulässig und auch - nämlich nach §
50 HWG 1981 - begründet. Die Beweisaufnahme habe ergeben, daß der Beklagte
den fraglichen Graben dergestalt verfüllt habe, daß dieser seine
Entwässerungsfunktion nicht mehr habe erfüllen können. Die Klägerin als
Unterhaltungspflichtige habe daher gegen den Beklagten Anspruch auf Erstattung
der ihr durch die Wiederherstellung entstandenen Aufwendungen. Es wäre unbillig,
diese Kosten aus dem Beitragsaufkommen des Beigeladenen zu bestreiten, da die
Beiträge für die allgemeine Unterhaltung erhoben würden, nicht jedoch für darüber
hinausgehende Störungen, deren Verursacher bekannt sei.
Hiergegen hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 29. Juni 1987 - eingegangen am 2.
Juli 1987 - Berufung eingelegt.
Zur Begründung vertieft er sein erstinstanzlichen Vorbringen, bestreitet
insbesondere die Glaubhaftigkeit der Bekundungen der Zeugen xxx und die Höhe
des von ihm verlangten Betrages.
Einen ausdrücklichen Antrag zu seiner Berufung stellt der Beklagte nicht.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt mit näherer Begründung das erstinstanzliche Urteil und macht
ergänzend geltend: Der streitbefangene Graben, der in ihrem, der Klägerin,
Eigentum stehe, sei von ihr zu unterhalten, da sich aus der Satzung des
Beigeladenen nichts Abweichendes ergebe. Allerdings werde die normale
Räumung und Reinigung aller Gräben innerhalb des Verbandsgebiets des
Beigeladenen - und zwar ungeachtet der Eigentumsverhältnisse - vom
Beigeladenen auf dessen Kosten durchgeführt; diese Arbeiten umfaßten das
Ausmähen, das Wegräumen des Mähguts und das Beseitigen von Anlandungen.
Für Sonderräumungen wie im vorliegenden Fall werde dagegen vom jeweiligen
Grabeneigentümer Kostenerstattung verlangt. Diese Verfahrensweise stehe auch
mit den Bestimmungen des Gesetzes zur Verbesserung der Wasser- und
Bodenverhältnisse des Rieds im Kreise vom 11. Juni 1923 in Einklang.
Der - erst in der Berufungsinstanz - Beigeladene stellt zu der Berufung keinen
Antrag; in der Sache schließt er sich dem Vorbringen der Klägerin an.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter
anstelle des Senats und ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der
Beteiligten wird auf die von ihnen eingereichten Schriftsätze und auf den von der
Klägerin geführten einschlägigen Verwaltungsvorgang verwiesen, die allesamt
Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
In Anbetracht des Einverständnisses der Beteiligten kann der Berichterstatter
anstelle des Senats und ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§§ 125 Abs. 1
Satz 1 i.V.m. 87a Abs. 2 und 3, 101 Abs. 2 VwGO).
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Die Berufung des Beklagten hat Erfolg.
Sie ist frist- und formgerecht eingelegt und auch sonst zulässig. Insbesondere
genügt die Berufungsschrift vom 29. Juni 1987 den Anforderungen des § 124 Abs.
3 Satz 1 VwGO. Zwar enthält sie Keinen ausdrücklichen Antrag, und ein solcher
wurde auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt. Die Tatsache der
Einlegung des Rechtsmittels läßt aber aus sich heraus das Ziel der Berufung -
nämlich das angegriffenen Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen - deutlich
werden. Dies reicht aus, da an einen hinreichend bestimmten Antrag keine
strengen Anforderungen zu stellen sind (vgl. Kopp, VwGO, 9. Aufl. 1992, § 124,
Rdnr. 5 (m.w.N.), sowie BVerwG, U. v. 21. September 1979 - 7 C 7.78 -, BVerwGE
58, 299, ferner Hess. VGH, U. v. 18. Oktober 1985 - 7 UE 1094/84 -, B. v. 12.
November 1986 - 7 UE 1085/85 - u. U. v. 18. September 1989 - 12 UE 2865/86-).
Die Berufung ist auch begründet, denn das Verwaltungsgericht hat den Beklagten
zu Unrecht zur Zahlung von 825,75 DM an die Klägerin verurteilt. Maßgebend für
die gerichtliche Beurteilung ist, obgleich bei allgemeinen Leistungsklagen
grundsätzlich auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen ist
(vgl. Kopp, a.a.O., Vorb. § 40, Rdnr. 42), das im Jahre 1984 geltende Recht. Denn
hier geht es um die Erstattung von Aufwendungen, die der Klägerin damals
entstanden sind, mithin um die Überprüfung eines seinerzeit abgeschlossenen
Sachverhalts (vgl. Hess. VGH, U. v. 15. November 1991 - 7 UE 3372/88 -, DÖV
1992, 752).
Allerdings ist das Verwaltungsgericht - ohne freilich insoweit nähere Ausführungen
zu machen - zu Recht von der Zulässigkeit der von der Klägerin erhobenen Klage
ausgegangen.
Insbesondere ist nämlich für den von der Klägerin aus § 50 Satz 2 HWG 1981
hergeleiteten Aufwendungserstattungsanspruch gegen den Beklagten der
Verwaltungsrechtsweg gegeben. Denn vorliegend handelt es sich um eine
öffentlich-rechtliche Streitigkeit im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO, weil die von
der Klägerin herangezogene Anspruchsgrundlage dem öffentlichen Wasserrecht
angehört (Feldt/Becker, HWG, 2. Aufl. 1983, § 50, Anm. 4, a.A. Bickel, HWG 1987, §
50, Rdnr. 10). Dies ergibt sich vor allem daraus, daß § 50 Satz 2 HWG 1981 eine
Spezialregelung für die Heranziehung des eigentlich nach § 74 Abs. 3 und 4 HWG
1981 i.V.m. § 12 HSOG 1972 verantwortlichen Störers darstellt. Der von der
Klägerin verfolgte Anspruch ist auch kein Schadensersatzanspruch aus der
Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten und schon deshalb nicht gemäß § 40
Abs. 2 Satz 1 VwGO kraft ausdrücklicher Zuweisung im ordentlichen Rechtsweg zu
verfolgen.
Ebensowenig kann der Klägerin das Rechtsschutzbedürfnis für die von ihr gegen
den Beklagten erhobene allgemeine Leistungsklage abgesprochen werden. Es
mag in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob der Klägerin der grundsätzlich
einfachere Weg des Erlasses eines Leistungsbescheids hier überhaupt eröffnet war
(dagegen Feldt/Becker, a.a.O., weil der Unterhaltungspflichtige und der Störer
nicht notwendig in einem Subordinationsverhältnis zueinander stünden), denn
ungeachtet dessen darf jedenfalls dann - wahlweise - Leistungsklage erhoben
werden, wenn ohnehin mit einer gegen einen Leistungsbescheid gerichteten
Anfechtungsklage gerechnet werden muß, eine gerichtliche Austragung des Streits
also sowieso nicht vermieden werden kann (vgl. Hess. VGH, U. v. 15. November
1991 - 7 UE 3372/88 -, a.a.O., ferner die Nachweise aus der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts bei Kopp, a.a.O., Vorb. § 40, Rdnr. 32a). So verhielt es
sich im vorliegenden Fall, nachdem der Beklagte seit einer mit ihm bereits am 15.
Februar 1984 geführten Unterredung ständig erklärt hatte, daß die
Wiederherstellung des Grabens allein Sache der Klägerin oder des Beigeladenen
sei.
Die Klage ist indessen nicht begründet, weil der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung
von 825,75 DM gegen den Beklagten unter keinem denkbaren rechtlichen
Gesichtspunkt zusteht.
Einen solchen Anspruch kann die Klägerin - entgegen dem Verwaltungsgericht -
insbesondere nicht aus § 50 Satz 2 HWG 1981 herleiten, und zwar weder aus
eigenem noch aus übergegangenem oder abgetretenem Recht.
Nach § 50 Satz 2 HWG 1981 hat der Unterhaltungspflichtige, der ein von einem
anderen verursachtes und den Wasserabfluß beeinträchtigendes Hindernis
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anderen verursachtes und den Wasserabfluß beeinträchtigendes Hindernis
beseitigt hat, Anspruch auf Erstattung der notwendigen Aufwendungen gegenüber
diesem anderen.
Ein derartiger Anspruch kann der Klägerin gegen den Beklagten aus eigenem
Recht schon deshalb nicht zustehen, weil nicht ihr, sondern dem Beigeladenen die
Unterhaltung des in ihrem Eigentum stehenden Grabens obliegt, sie also nicht
Unterhaltungspflichtige im Sinne des § 50 Satz 2 HWG 1981 ist. Bei dem fraglichen
Graben handelt es sich, da in seinem Bett mindestens zeitweilig - nämlich dem im
wesentlichen übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten zufolge nach starken
Regenfällen und bei Hochwasserführung des Rheins - Wasser vorhanden ist, um
ein Gewässer (vgl. § 1 Nr. 1 WHG und Giesecke/Wiedemann/Czychowski, WHG, 6.
Aufl. 1992, § 1, Rdnr. 17); dementsprechend ist der Graben als Gewässer in dem
von der Klägerin vorgelegten Ausschnitt der Topographischen Karte im Maßstab
1:25.000 (Bl. 120 d.A.) eingezeichnet. Der Graben ist auch nicht nach § 1 Abs. 2
Nr. 1 a) oder b) HWG 1981 von den Bestimmungen dieses Gesetzes
ausgenommen, denn er dient der Vorflut der Grundstücke mehrerer Eigentümer -
und zwar mindestens derjenigen des Beklagten und des Zeugen R. - und darüber
hinaus der Ent- und nicht der Bewässerung. Da in Anbetracht des künstlichen
Bettes des Grabens darüber hinaus nach § 2 Abs. 1 Satz 1 HWG 1981 ein
künstliches Gewässer anzunehmen ist, haben die Klägerin, der Beigeladene und
auch das Verwaltungsgericht offenbar aus § 47 Abs. 4 HWG 1981 entnommen, daß
die Unterhaltung des fraglichen Grabens der Klägerin als der Eigentümerin der
betreffenden Grabenparzelle obliege. Dabei wurde indessen außer Betracht
gelassen, daß nach § 47 Abs. 5 HWG 1981 besondere Verpflichtungen zur
Unterhaltung von Gewässern unberührt bleiben. Diese Vorschrift trägt § 29 Abs. 1
Satz 3 WHG Rechnung und stellt klar, daß noch aus früherer Zeit herrührende
Unterhaltungspflichten fortgelten, soweit sie nicht durch allgemeines Gesetz
begründet worden sind, sondern auf einer besonderen Rechtsgrundlage beruhen
(vgl. Hess. VGH, U. v. 11. Oktober 1963 - OS IV 160/60 -, DVBl. 1965, 38;
Feldt/Becker, a.a.O., § 47, Anm. 5; Bickel, a.a.O., § 47, Rdnr. 12;
Giesecke/Wiedemann/ Czychowski, a.a.O., § 29, Rdnrn. 19 f.). Besondere
Rechtsgrundlage im vorstehenden Sinne kann auch die Satzung eines Wasser-
und Bodenverbandes aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des
Wasserhaushaltsgesetzes und des Hessischen Wassergesetzes sein (vgl. OVG
Lüneburg, U. v. 10. August 1972 - III A 55/71 -, OVGE 29 (1976), 378;
Giesecke/Wiedemann/Czychowski, a.a.O., § 29, Rdnr. 19; Bickel, a.a.O., § 47, Rdnr.
12), im vorliegenden Fall also die Satzung des Beigeladenen vom 26. September
1941, die dessen und der Klägerin Angaben zufolge bis zum Erlaß der neuen
Satzung des Beigeladenen vom Februar 1990 unverändert gültig war. Nach § 3
Satzung 1941 hat der Beigeladene zur Aufgabe, Grundstücke zu entwässern, und
nach § 4 Abs. 1 Satzung 1941 hat er zur Durchführung seiner Aufgaben die
nötigen Arbeiten an den Entwässerungsanlagen vorzunehmen, Gräben,
Pumpwerke, Stauanlagen zu erhalten und zu betreiben sowie Brücken zu erhalten;
das so definierte Verbandunternehmen ergibt sich nach § 4 Abs. 2 Satzung 1941
"aus dem Plane des Wasserwirtschaftsamtes in Darmstadt vom Januar 1941". Eine
sachgerechte Auslegung dieser Satzungsbestimmungen, in denen per
Klammerzusatz auf §§ 2 und 17 WVVO hingewiesen ist, ergibt, daß dem
Beigeladenen die Unterhaltung aller im Verbandsgebiet gelegenen Gräben
jedenfalls bis zum Inkrafttreten der neuen Satzung oblag. Denn die Pflicht zum
Erhalten und Betreiben der Gräben im Sinne des § 4 Abs. 1 Satzung 1941 kann
mit Blick auf § 28 Abs. 1 Satz 1 WHG - danach umfaßt die Unterhaltung eines
Gewässers u.a. die Erhaltung eines ordnungsgemäßen Zustands für den
Wasserabfluß - und mit Blick auf § 46 Abs. 1 Satz 2 HWG 1981 - danach gehören
zur Unterhaltung u.a. die Reinigung, Räumung und Festlegung des
Gewässerbettes - nur so verstanden werden, daß die Gräben in ordnungsgemäßen
Zustand zu halten, d.h. zu unterhalten sind. Eine inhaltliche Beschränkung dieser
Unterhaltungspflicht des Beigeladenen (vgl. dessen Schreiben an die Klägerin vom
7. Mai 1992, Bl. 121 d.A.) auf "die normale Räumung und Reinigung", während
"Sonderräumungen" dem jeweiligen Eigentümer obliegen sollen, vermag der Senat
den hier einschlägigen Satzungsbestimmungen von 1941 nicht zu entnehmen.
Ebensowenig nahmen diese Vorschriften diejenigen Gräben, die nicht im Eigentum
des Beigeladenen standen, ganz oder teilweise von dessen Unterhaltungspflicht
aus. Hierfür spricht zunächst, daß § 4 Abs. 1 Satzung 1941 den Beigeladenen zur
Vornahme der "nötigen Arbeiten an den Entwässerungsanlagen" verpflichtete,
nicht lediglich - wie jetzt § 5 Abs. 1 Satz 1 Satzung 1990 - "an den
verbandseigenen Entwässerungsanlagen". Auch dem von der Klägerin vorgelegten
Übersichtsplan des Wasserwirtschaftsamts Darmstadt vom 14. Mai 1958 (Hülle Bl.
124 d.A.) ist nicht zweifelsfrei zu entnehmen, daß nur die dort blau markierten
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124 d.A.) ist nicht zweifelsfrei zu entnehmen, daß nur die dort blau markierten
Gräben seinerzeit Gegenstand des Verbandunternehmens des Beigeladenen
waren. Abgesehen davon, daß nicht ohne weiteres erkennbar ist, daß es sich bei
dem vorgelegten Übersichtsplan überhaupt um den Plan im Sinne des § 4 Abs. 2
und 3 Satzung 1941 handelt, geht aus der beigegebenen Zeichenerklärung die
Bedeutung der blauen Markierung von einigen der in dem Plan enthaltenen
Gräben nämlich nicht hervor. Dies gilt um so mehr, als die übrigen
Entwässerungsanlagen nicht in gleicher Weise gekennzeichnet sind und als mit
den in der Topographischen Karte im Maßstab 1:50.000 (Hülle Bl. 124 d.A.) als
verbandseigene markierten Gräben nicht in jeder Hinsicht Übereinstimmung
besteht. Hinzu kommt noch, daß der Beigeladene mit Schreiben an die Klägerin
vom 29. November 1991 (Bl. 119 d.A.) und vom 7. Mai 1992 (Bl. 122 d.A.)
ausdrücklich erklärt hat, daß "auch die im Verbandsgebiet liegenden Gräben der
Gemeinden Bestandteil der Verbandsanlagen" seien und daß "die normale
Räumung und Reinigung aller Gräben innerhalb des Verbandsgebiets" -
unbeschadet der Eigentumsverhältnisse - von ihm vorgenommen werde. Gegen
die demnach durch § 4 Abs. 1 Satzung 1941 begründete Unterhaltungspflicht des
Beigeladenen auch für die hier interessierende Grabenparzelle der Klägerin läßt
sich aus dem Gesetz zur Verbesserung der Wasser- und Bodenverhältnisse des
Rieds im Kreise vom 11. Juni 1923 im übrigen schon deshalb nichts herleiten, weil
dieses Gesetz gemäß § 191 Abs. 1 Satz 1 WVVO bereits am 1. Januar 1938 außer
Kraft getreten ist.
Kann mithin der Klägerin aus eigenem Recht ein Aufwendungserstattungsanspruch
gegen den Beklagten gemäß § 50 Abs. 2 HWG 1981 schon deshalb nicht zustehen,
weil nicht sie, sondern der Beigeladene Unterhaltungspflichtiger im Sinne dieser
Vorschrift ist, so steht ihr ein derartiger Anspruch auch nicht aus übergegangenem
oder abgetretenem Recht zu, denn weder ist ein gesetzlicher Forderungsübergang
noch eine Abtretung erfolgt. In diesem Zusammenhang kann unentschieden
bleiben, ob die Klägerin, indem sie unter dem 10. Oktober 1984 den für das
Ausbaggern in Rechnung gestellten Betrag zur Zahlung an den Beigeladenen
anwies, analog § 267 Abs. 1 Satz 1 BGB als Dritter für den Beklagten eine von
diesem dem Beigeladenen geschuldete Leistung bewirkte. Denn selbst wenn dies
der Fall gewesen sein sollte, hätte es keinen gesetzlichen Forderungsübergang zur
Folge gehabt, weil ein solcher für diesen Fall gerade nicht normiert ist (Palandt-
Heinrichs, BGB, 50. Aufl. 1991, § 267, Rdnr. 7). Es ist auch nichts dafür
vorgetragen oder ersichtlich, daß der Beigeladene einen ihm gegen den Beklagten
möglicherweise zustehenden Aufwendungserstattungsanspruch gemäß § 50 Satz
2 HWG 1981 an die Klägerin abgetreten hat. Zwar können grundsätzlich auch
öffentlichrechtliche Forderungen abgetreten werden, und hierfür gelten, soweit
Sonderbestimmungen fehlen, die §§ 398 ff. BGB analog (Palandt-Heinrichs, a.a.O.,
§ 398, Rdnr. 2). Indessen fehlt es hier an der für den Abtretungsvertrag
notwendigen Einigung hinsichtlich der Übertragung der Gläubigerstellung (vgl.
Palandt- Heinrichs, a.a.O., § 398, Rdnr. 6) vom Beigeladenen auf die Klägerin.
Beide gingen und gehen vielmehr davon aus, daß der - nach ihrer Auffassung
unterhaltungspflichtigen - Klägerin bereits aus eigenem Recht ein Anspruch gegen
den Beklagten gemäß § 50 Satz 2 HWG 1981 zusteht. Die zwischen ihnen
getroffenen Vereinbarungen beschränkten sich deshalb darauf, daß der
Beigeladene die Ausbaggerung des Grabens für die Klägerin auf deren Kosten
vornehmen sollte; und anläßlich der Zahlungsanweisung vom 10. Oktober 1984
ging es der Klägerin ersichtlich allein darum, eine eigene Verpflichtung gegenüber
dem Beigeladenen zu erfüllen. Bei dieser Gelegenheit wurde ebensowenig wie zu
einem späteren Zeitpunkt eine Abtretung vereinbart, obgleich der Berichterstatter
des Senats mit gerichtlichen Verfügungen vom 10. Januar und 9. Juni 1992 darauf
hingewiesen hatte, daß fraglich sei, ob der Klägerin oder dem Beigeladenen die
Unterhaltungspflicht obliege und infolgedessen ein eventueller Anspruch nach § 50
Satz 2 HWG 1981 zustehe.
Steht demnach jedenfalls der Klägerin weder aus eigenem noch aus
übergegangenem oder abgetretenem Recht ein Anspruch gegen den Beklagten
aus § 50 Satz 2 HWG 1981 zu, so mag dahinstehen, ob die (übrigen)
tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift im vorliegenden Fall erfüllt
sind. Insbesondere bedarf keiner Entscheidung, ob - wie das Verwaltungsgericht
angenommen hat - aufgrund der erstinstanzlichen Beweisaufnahme feststeht, daß
der Beklagte den Graben seinerzeit zugepflügt und dadurch ein den Wasserabfluß
beeinträchtigendes Hindernis verursacht hat, oder ob - wie der Beklagte geltend
macht und wofür die Aussage des Zeugen R. sprechen könnte - der Graben über
mehrere Jahre hin allmählich zugewachsen ist, nachdem der Beigeladene ihn nicht
ordnungsgemäß geräumt und gereinigt hat. Eine eingehende Beweiswürdigung ist
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ordnungsgemäß geräumt und gereinigt hat. Eine eingehende Beweiswürdigung ist
daher ebenso entbehrlich wie eine ansonsten möglicherweise erforderliche erneute
Beweiserhebung.
Die Klägerin kann den eingeklagten Betrag vom Beklagten auch nicht unter dem
Gesichtspunkt eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs verlangen.
Kennzeichnend für einen solchen Anspruch ist - ungeachtet seiner rechtlichen
Fundierung - ein Vermögenszustand, der ohne rechtfertigenden Grund eingetreten
ist und durch die Erstattung wieder rückgängig gemacht werden soll (Ossenbühl,
Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch, NVwZ 1991, 513). Indessen hat der
Beklagte dadurch, daß die Klägerin den streitigen Betrag an den Beigeladenen zur
Zahlung angewiesen hat, gar nichts erlangt. Insbesondere ist der Beklagte
dadurch nicht von einer etwaigen Verbindlichkeit gegenüber dem Beigeladenen
befreit worden. Die Klägerin wollte nämlich ausschließlich eine eigene Schuld
gegenüber dem Beigeladenen erfüllen, weil sie irrtümlich annahm, selbst
unterhaltungspflichtig zu sein. Zwischen der Klägerin und dem Beklagten kommt
daher in Ermangelung einer Vermögensverschiebung ein Ausgleich von vornherein
nicht in Betracht (vgl. Palandt-Thomas, a.a.O., § 812, Rdnr. 62). Ob der Klägerin
das Recht einzuräumen ist, noch nachträglich zu erklären, sie wolle ihre damalige
Zahlung für den Beklagten erbracht haben, mit der Folge, daß dadurch die
(mögliche) Schuld des Beklagten gegenüber dem Beigeladenen erfüllt und
infolgedessen ein Erstattungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten
begründet würde (vgl. hierzu BGH, U. v. 15. Mai 1986 - VII ZR 274/85 -, NJW 1986,
2700, u. Palandt- Thomas, a.a.O., § 812, Rdnr. 62), bedarf vorliegend keiner
Entscheidung. Eine solche nachträgliche Tilgungsbestimmung hat die Klägerin
nämlich bis heute nicht erklärt, und zwar auch nicht nach den bereits erwähnten
Hinweisen des Berichterstatters auf die Problematik hinsichtlich der Person des
Unterhaltungspflichtigen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.