Urteil des HessVGH vom 06.06.1988

VGH Kassel: numerus clausus, zahnmedizin, studiengebühr, hessen, verordnung, unterhalt, besuch, student, ausführung, staat

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
6. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 TH 2114/88
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1 Abs 1 Nr 1
LernMFrhGAV HE 1983, § 1
Abs 2 Nr 1 LernMFrhGAV
HE 1983, § 1 Abs 1
LernMFrhG HE, § 2 Abs 2
LernMFrhG HE
(Studiengebühr bei Überschreitung der
Förderungshöchstdauer im Falle eines Doppelstudiums)
Gründe
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den
Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des
Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin über die Erhebung von
Studiengebühren für das Sommersemester 1988 zu Recht abgelehnt. Zur
Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Gründe der
angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (Art. 2 § 7 Abs. 1 des Gesetzes
zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit vom 31.
März 1978 in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 4. Juli
1985 ).
Auch das Beschwerdevorbringen bietet keinen Anlaß, die Rechtmäßigkeit des
angefochtenen Verwaltungsaktes ernstlich in Zweifel zu ziehen (§ 80 Abs. 4 Satz 3
VwGO). Es trifft zwar nach dem für das hochschulrechtliche
Mitgliedschaftsverhältnis allein maßgeblichen (vgl. Beschluß des Senats vom 14.
August 1985 - 6 UE 655/85 -) und im übrigen auch mit den Eintragungen im
Stammdatenblatt übereinstimmenden Inhalt des Studentenausweises zu, daß der
Antragsteller sowohl im Studiengang Zahnmedizin als auch im Studiengang
Humanmedizin immatrikuliert ist und die durch § 5 Abs. 1 Nr. 63 der Verordnung
über die Förderungshöchstdauer für den Besuch von Höheren Fachschulen,
Akademien und Hochschulen in der Fassung der Änderungsverordnung vom 23.
März 1987 (BGBl. I S. 1043) für den Studiengang Medizin auf 14 Semester
festgesetzte Förderungshöchstdauer noch nicht um mehr als ein Semester
überschritten hat. Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, daß die
unangemessene Hinauszögerung des Studienabschlusses im Studiengang
Zahnmedizin unschädlich ist und Studiengebühren - jedenfalls für das Studium der
Humanmedizin - erst dann erhoben werden dürfen wenn auch insoweit die
Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung zur Ausführung des
Gesetzes über Unterrichtsgeld- und Lernmittelfreiheit - AVO-GULE - vom 28. Juni
1983 (GVBl. I S. 112) erfüllt sind. Der Senat hat zwar in seinem Urteil vom 19. Juli
1982 - VI OE 23/81 - (Hess.VGRspr. 1983, 3) entschieden, daß beide Studiengänge
eines genehmigten Doppelstudiums als nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes über
Unterrichtsgeld- und Lernmittelfreiheit - GULE - ohne weiteres unterrichtsgeldfreies
Erststudium anzusehen sind. Die Unterrichtsgeldfreiheit für b e i d
e Studiengänge endet jedoch, wenn die Förderungshöchstdauer des z u e r s
t begonnenen Studiums um mehr als ein Semester überschritten wird. Der
gegenteilige Standpunkt des Antragstellers ist mit Wortlaut, Systematik sowie Sinn
und Zweck der einschlägigen Vorschriften nicht vereinbar; denn was der einzelne
vom Staat im Rahmen des Art. 59 der Hessischen Verfassung in Verbindung mit §
1 Abs. 1 GULE vernünftigerweise als Studienförderung erwarten und verlangen
kann, ist eine Unterrichtsgeldfreiheit für die Dauer e i n e s Studiums, das in einer
dem Studienfach angemessenen Zeit abgewickelt wird und das den
Studienabgänger in aller Regel in die Lage versetzt, durch die Aufnahme eines
entsprechenden Berufes seinen Unterhalt angemessen zu bestreiten (vgl.
Senatsurteil vom 20. Dezember 1982 - VI OE 27/81 - ESVGH 33, 164 unter Hinweis
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Senatsurteil vom 20. Dezember 1982 - VI OE 27/81 - ESVGH 33, 164 unter Hinweis
auf das Urteil des Staatsgerichtshofs des Landes Hessen vom 1. Dezember 1976 -
P.St. 812 -, ESVGH 27, 30). Dabei kann es sich nur um das Studium handeln, für
das die Erstimmatrikulation erfolgte (vgl. dazu Urteile des Senats vom 21. Juni
1982 - VI OE 16/81 -, vom 20. Dezember 1982, a.a.O. und vom 18. April 1986 - 6
UE 1265/85 -), denn andernfalls könnte ein Student durch die bloße Einschreibung
in einem weiteren Studiengang vor Ablauf der Förderungshöchstdauer für das
jeweils zuletzt belegte Studienfach auf unbegrenzte Zeit Studiengeldfreiheit
erlangen. Eine zeitlich unbegrenzte Unterrichtsgeldfreiheit wäre aber nicht
vertretbar, weil, wie der Staatsgerichtshof in seinem Urteil vom 1. Dezember 1976
(a.a.O. S. 36) unter Rückgriff auf eine vom Bundesverfassungsgericht in dessen
numerus-clausus-Entscheidung vom 18. Juli 1972 - 1 BvL 32/70 und 25/71 -
(BVerfGE 33, 303, 334 f) verwendete Formulierung ausgeführt hat, "ein
unbegrenztes subjektives Anspruchsdenken auf Kosten der Allgemeinheit mit dem
Sozialstaatsgedanken unvereinbar ist und es dem Gebot sozialer Gerechtigkeit
geradezu zuwiderlaufen würde, die nur begrenzt verfügbaren Mittel unter
Vernachlässigung anderer wichtiger Gemeinschaftsbelange bevorzugt einem
privilegierten Teil der Bevölkerung zugute kommen zu lassen". Rechtliche
Bedeutung hat der Umstand, daß ein Doppelstudium betrieben wird, nur im
Rahmen der Regelung des § 1 Abs. 2 Nr. 1 AVO-GULE: Führt die Belastung durch
ein Parallelstudium nachweislich zu einer von dem Studenten nicht zu
vertretenden Verzögerung des Abschlusses des zuerst begonnenen Studiums,
kann ihm für weitere drei Semester Unterrichtsgeldfreiheit gewährt werden. Ob der
Antragsteller diese Voraussetzungen erfüllt, kann allerdings dahingestellt bleiben,
denn er studiert bereits im 20. Semester Zahnmedizin und hat damit die nach § 1
Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 AVO-GULE mögliche unterrichtsgeldfreie Studienzeit von
15 Semestern längst überschritten.
Der vorliegende Fall gibt keinen Anlaß zu der Frage Stellung zu nehmen, ob es
geboten ist, Doppel- und Zweitstudenten unter den Voraussetzungen des § 2 Abs.
2 Satz 1 GULE im Hinblick auf die insgesamt zur Verfügung stehende
unterrichtsgeldfreie Studienzeit gleichzubehandeln. Denn der Antragsteller hat mit
keinem Wort dargelegt, daß im Hinblick auf ein bestimmtes Berufsziel das Studium
der Humanmedizin eine sinnvolle Ergänzung des Studiums der Zahnmedizin
darstellt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 20 Abs. 3 in Verbindung mit § 13 Abs. 1
Satz 1 und dem entsprechend anzuwendenden § 14 GKG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.