Urteil des HessVGH vom 18.07.2008
VGH Kassel: wiedereinsetzung in den vorigen stand, vertretung, rechtsmittelfrist, verschulden, rechtsmittelbelehrung, zivilprozessrecht, immaterialgüterrecht, verwaltungsrecht, quelle, gerichtsakte
1
2
3
4
5
Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 B 1336/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Tenor
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des
Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 20. Mai 2008 - 1 L 981/08.F - wird als
unzulässig verworfen.
Die Beiordnung eines Notanwalts wird abgelehnt.
Die Antragsteller haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 Euro
festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig, weil die Beschwerdebegründung durch einen i. S. d.
§ 67 Abs. 1 Satz 1 VwGO postulationsfähigen Bevollmächtigten nicht innerhalb der
einmonatigen Begründungsfrist bei dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof
eingegangen ist und die beantragte Beiordnung eines Notanwalts gem. § 173
VwGO i. V. m. § 78b ZPO nicht in Betracht kommt.
Der angegriffene Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 20.
Mai 2008 wurde dem damaligen Bevollmächtigten der Antragsteller ausweislich
des Empfangsbekenntnisses (Bl. 135a der Gerichtsakte) am 26. Mai 2008
zugestellt; die Frist zur Einlegung der Beschwerde lief demzufolge am 9. Juni 2008
und die Frist zur Begründung der Beschwerde am 26. Juni 2008 - einem
Donnerstag - ab (§ 147 Abs. 1 Satz 1 und § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO). Die
Beschwerde ist zwar durch einen postulationsfähigen Bevollmächtigten fristgerecht
am 9. Juni 2008 eingelegt worden. Eine Beschwerdebegründung wurde aber nur
durch den Antragsteller zu 2. persönlich am 25. Juni 2008 eingereicht. Auf das
Erfordernis des Vertretungszwangs i. S. d. § 67 Abs. 1 Satz 1 VwGO sind die
Antragsteller in der Rechtsmittelbelehrung des Verwaltungsgerichts Frankfurt am
Main ordnungsgemäß hingewiesen worden.
Den Antragstellern kann auch nicht - wie von ihnen am 28. Juni 2008 beantragt -
gem. § 173 VwGO i. V. m. § 78b ZPO ein Notanwalt zur Nachholung der
versäumten Beschwerdebegründung beigeordnet werden.
Die Vorschrift des § 78b Abs. 1 ZPO bestimmt, dass das Prozessgericht - soweit
eine Vertretung durch Anwälte geboten ist - einer Partei auf ihren Antrag durch
Beschluss für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung ihrer Rechte
beizuordnen hat, wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht
findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder
aussichtslos erscheint.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss der jeweilige
Antragsteller aber nicht nur darlegen, welche Bemühungen er innerhalb der
Rechtsmittelfrist unternommen hat, um einen Rechtsanwalt zu finden, sondern er
muss bei dem zuständigen Gericht den
Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts stellen (BVerwG, 23.03.1987 - 3 B
6
7
8
9
10
Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts stellen (BVerwG, 23.03.1987 - 3 B
72/86 -, Buchholz 303 § 78b ZPO Nr. 2; zustimmend:
Bader/Funke/Kaiser/Kuntze/von Albedyll, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar,
3. Aufl., 2005, § 124a Rdnr. 69). Dabei weist das Bundesverwaltungsgericht darauf
hin, dass der jeweilige Rechtsmittelführer zwar die in der Rechtsmittelfrist
liegenden Überlegungsfrist voll nutzen dürfe, da ihm aus dem Umstand, dass er
zunächst keinen Anwalt habe finden können, kein Nachteil erwachsen solle.
Andererseits müsse im Interesse des Rechtsmittelgegners aber darauf geachtet
werden, dass der Rechtsmittelführer aus der Schwierigkeit, einen
vertretungsbereiten Anwalt zu finden, keinen Vorteil ziehe, den eine von
vornherein vertretene Partei nicht hätte. Dies wäre weder dem Rechtsmittelgegner
zuzumuten, noch mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit zu vereinbaren
(BVerwG, a.a.O.).
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 60 VwGO kann den Antragstellern
nicht gewährt werden, da sie nicht ohne Verschulden verhindert waren, den Antrag
auf Beiordnung eines Notanwalts noch innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist
zu stellen.
Unabhängig davon, ob die Antragsteller mit Schriftsatz vom 11. Juli 2008 den
Nachweis geführt haben, dass sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt
nicht gefunden haben, haben sie jedenfalls nicht alles getan, um dieses Hindernis
unverzüglich zu beseitigen. Die Antragsteller waren in der Rechtsmittelbelehrung
deutlich auf die Fristgebundenheit des Rechtsmittels und auf den
Vertretungszwang vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof hingewiesen
worden. Wenn sie gleichwohl erst mit Schriftsatz vom 28. Juni 2008 - also nach
Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist - bei dem Hessischen
Verwaltungsgerichtshof die Beiordnung eines Notanwalts gem. § 78b ZPO
beantragten, so haben sie dabei nicht ohne Verschulden i. S. d. § 60 Abs. 1 VwGO
gehandelt. Den Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts hätten sie nämlich
noch innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist einreichen können und müssen,
und zwar ebenso gut wie die vom Antragsteller zu 2. persönlich verfasste
Beschwerdebegründung vom 25. Juni 2008.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und 2, § 53 Abs. 3 Nr.
2 GKG und orientiert sich an der von den Beteiligten nicht angegriffenen
Festsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V.
m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.