Urteil des HessVGH vom 15.07.1993
VGH Kassel: kanal, aufschiebende wirkung, inhaber, rundfunk, programm, verfassungskonforme auslegung, verbreitung, verwaltungsakt, öffentlich, hessen
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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
6. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 TH 1230/93
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 32 Abs 3 S 1 PrivRdFunkG
HE , Präambel Abs 4
RdFunkVtr 1991, § 36 Abs 3
S 2 PrivRdFunkG HE
Leitsatz
Änderungen einer Kabelanlage dürfen nichts daran ändern, daß jeder Inhaber eines
Anschlusses die gesetzlich bestimmten Programme empfangen kann. Maßgeblich sind
die durchweg vorhandenen Empfangsmöglichkeiten. Die Umlegung eines gesetzlich
bestimmten Programms (§ 32 Abs. 1 Nr. 1 HPRG)
auf einen anderen Kabelkanal ist rundfunkrechtlich nur gerechtfertigt, wenn zu
erwartende Empfangsbehinderungen durch überwiegende sachliche Gründe
gerechtfertigt sind.
Bei der Prüfung, ob diese Voraussetzungen für eine Programmumlegung vorliegen, sind
hinsichtlich der Empfangsbehinderungen alle mehr als unwesentlichen
Beeinträchtigungen einschließlich etwaiger Aufwendungen zur Wiederherstelllung der
Empfangsmöglichkeiten zu berücksichtigen. Ob sachliche Gründe überwiegen, ist
aufgrund einer Abwägung aller erheblichen Belange zu beurteilen. Zu diesen
gehören auch die Interessen des Kabelanlagenbetreibers, die Gesichtspunkte, die sich
hinsichtlich der Empfangsbehinderungen ergeben, und die damit korrespondierenden
Interessen des betroffenen Rundfunkveranstalters an der unbehinderten Verbreitung
seines Programms.
Gründe
Die Beschwerden, die sich gegen die Verpflichtung durch das Verwaltungsgericht
richten, der beigeladenen Kabelanlagenbetreiberin (Beigeladene zu 2) vorläufig zu
untersagen, an den Breitbandverteilstellen Frankfurt am Main und Friedberg ihrer
Kabelanlage das Programm der beigeladenen Fernsehgesellschaft (Beigeladene
zu 1) auf Kanal 6 einzuspeisen, führen zwar zu einer Umformulierung des
erstinstanzlichen Entscheidungsausspruchs, haben jedoch in der Sache keinen
Erfolg.
1. Die Beschwerde der Beigeladenen zu 1 ist zwar zulässig, aber unbegründet. Die
Fernsehgesellschaft macht geltend, die Beigeladene zu 2 habe ihr mündlich
zugesichert, den bisher von dem Antragsteller genutzten Kanal 6 nach einer
Übergangsfrist mit ihrem Programm zu belegen. Daraus erwachse ihr ein
Rechtsanspruch auf Zuteilung des Kanals 6, sobald dieser von dem Programm des
Antragstellers freigemacht worden sei. An der Erfüllung ihrer zivilrechtlichen
Zusage sei die Beigeladene zu 2 durch die dem Antragsteller günstige
erstinstanzliche Entscheidung gehindert.
Damit ist eine Beschwer geltend gemacht, wobei allerdings unklar ist, ob die
behauptete "Zusage" der Beigeladenen zu 2 nur eine Absichtserklärung darstellen
oder einen - bedingten - Anspruch der beigeladenen Fernsehgesellschaft
begründen sollte. Jedenfalls besteht die Möglichkeit, daß die gerichtliche
Entscheidung auf rechtliche Interessen der beigeladenen Fernsehgesellschaft
einwirkt (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. September 1981 - 8 C 1 und 2.81 - DVBl.
1982, 73 <74>).
Ob die beigeladene Fernsehgesellschaft letztlich in eigenen subjektiven Rechten
durch die erstinstanzliche Entscheidung verletzt ist (entsprechende Anwendung
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durch die erstinstanzliche Entscheidung verletzt ist (entsprechende Anwendung
des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, vgl. BVerwG, Urteil vom 12. März 1987 - 3 C 2.86 -
BVerwGE 77, 103 <105> = NVwZ 1987, 970 m.w.N.), kann letztlich
offenbleiben. Selbst wenn man davon ausgeht, daß Kanalumbelegungen durch die
beigeladene Kabelbetreiberin keine medienrechtliche
Unbedenklichkeitsfeststellung der Antragsgegnerin voraussetzen, so daß die
aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin insoweit unerheblich
ist, hat das Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend entschieden, daß die
Belegung des Kanals 6 mit dem Programm der beigeladenen Fernsehgesellschaft
medienrechtlich bedenklich ist, wie unter Nr. 2 ausgeführt wird.
2. Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin, der Hessischen Landesanstalt
für privaten Rundfunk, ist unbegründet.
Der Antrag des Antragstellers ist, soweit er noch Gegenstand des
Beschwerdeverfahrens ist, gemäß § 80 a Abs. 3 VwGO zulässig. Die Feststellung
der Antragsgegnerin, die Veränderungen der Kanalbelegung (u.a. Einspeisung von
HR 3 auf Kanal 4 anstatt bisher Kanal 5 oder Kanal 6), stellt einen Verwaltungsakt
mit Doppelwirkung (vgl. zum Begriff § 80 a Abs. 1 und 2 VwGO) dar. Durch ihn wird
zugunsten der Beigeladenen zu 2, auf deren Veranlassung er erlassen wurde, die
öffentlich-rechtliche Unbedenklichkeit der von ihr beabsichtigten
Kanalbelegungsänderungen festgestellt. Er betrifft zugleich den Antragsteller,
denn durch den Verwaltungsakt wird festgestellt, daß der Verbreitung des
Programms HR 3 auf Kanal 4 anstatt Kanal 6 rundfunkrechtliche Bestimmungen
nicht entgegenstehen. Damit wird inhaltlich der rundfunkrechtliche Anspruch des
Antragstellers auf Verbreitung dieses Programms über die Kabelanlage der
Beigeladenen zu 2 geregelt.
Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Antragsteller habe sich nicht gegen
diesen Verwaltungsakt mit Doppelwirkung gewandt, sondern ein eigenständiges
Verwaltungsverfahren einleiten wollen mit dem Ziel, die Antragsgegnerin Vorsorge
dafür treffen zu lassen, daß eine Kanalumbelegung zu Lasten des Antragstellers
unterbleibe, vermag der Senat nicht zu teilen. Die Zielrichtung des Antrags richtet
sich eindeutig gegen die Feststellung der Antragsgegnerin, mit der uno actu die
öffentlich-rechtliche Unbedenklichkeit der Kanalumbelegung durch die
Antragsgegnerin zu Gunsten der Beigeladenen zu 2 und zu Lasten des
Antragstellers festgestellt wurde. Würde diese Feststellung gegenüber dem
Antragsteller bestandskräftig, wäre Ansprüchen, mit denen er sich wie in der Klage
gegen die "Kanalumlegungsentscheidung" der Antragsgegnerin wendete, überdies
die Grundlage entzogen.
Die aufschiebende Wirkung der Klage (§ 80 Abs. 1 VwGO) die auch für
Rechtsbehelfe gegen Verwaltungsakte mit Doppelwirkung gilt, ist nicht Gegenstand
des Beschwerdeverfahrens, denn der Antragsteller hat gegen die seinen Antrag
insoweit ablehnende Entscheidung keine Beschwerde eingelegt. Daher ist allein
über den Antrag zu entscheiden anzuordnen, daß die Antragsgegnerin bis zur
rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache die weitere Verbreitung des
Programms Hessen 3 auf dem Kanal 6 neben dem neuen Kanal 4 in den
Bereichen der Breitbandverteilstellen Frankfurt und Friedberg sicherstellt. Dieser
Antrag ist nach § 123 Abs. 5 VwGO, nicht als Antrag auf Erlaß einer einstweiligen
Anordnung, sondern nur gemäß § 80 a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 VwGO, zulässig,
wonach einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des durch einen
Verwaltungsakt mit Doppelwirkung betroffenen Dritten getroffen werden können.
Da beabsichtigt war, die Verbreitung des Programms HR 3 über den Kanal 6 in den
Bereichen der beiden genannten Breitbandverteilstellen Ende Mai 1993
einzustellen, und da die Antragsgegnerin nicht den Ausgang des Hauptverfahrens
abwarten will, wie sich schon aus ihrer Beschwerde ergibt, hat der Antragsteller ein
Rechtsschutzbedürfnis für diesen Antrag, dem das Verwaltungsgericht sinngemäß
auch stattgegeben hat, indem es die Antragsgegnerin verpflichtete, der
Beigeladenen zu 2 vorläufig zu untersagen, in den Bereichen der beiden
Breitbandverteilstellen Frankfurt am Main und Friedberg ihrer Kabelanlage das
Programm der Beigeladenen zu 1 auf Kanal 6 einzuspeisen. Die Zielrichtung der
Sicherungsmaßnahmen nach § 80 a Abs. 1 Nr. 2 VwGO richtet sich jedoch auf die
Sicherung der Rechte des von dem Verwaltungsakt mit Doppelwirkung Belasteten.
Dementsprechend ändert der Senat den Tenor der verwaltungsgerichtlichen
Entscheidung dahin, daß der Beigeladenen zu 2 bis zur unanfechtbaren
Entscheidung in der Hauptsache aufgegeben wird, die Einspeisung des Programms
HR 3 auf Kanal 6 in den Breitbandverteilstellen Frankfurt und Friedberg
fortzusetzen. Darin ist nach Auffassung des Senat lediglich eine redaktionelle
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fortzusetzen. Darin ist nach Auffassung des Senat lediglich eine redaktionelle
Änderung zu sehen.
Der Antrag des Antragstellers ist insoweit begründet, weil seine Anfechtungsklage
nach dem derzeitigen Stand voraussichtlich Erfolg haben wird. Die angefochtene
Feststellung der Antragsgegnerin erscheint rechtsfehlerhaft (a.), der Antragsteller
wird dadurch in seinen Rechten verletzt (b.) und die Sicherungsmaßnahme ist
zulässig (c.).
a. Der mit Verfügung der Antragsgegnerin an die Beigeladene zu 2 vom 01.
Oktober 1992 in der Fassung des Widerspruchsbescheides an den Antragsteller
vom 18. Februar 1993 erlassene Verwaltungsakt kann verfahrensrechtlich nicht
beanstandet werden. Der Umstand, daß die Feststellung der medienrechtlichen
Unbedenklichkeit durch die Antragsgegnerin in ihrem Schreiben vom 1. Oktober
1992 an die Beigeladene zu 2 ohne Anhörung (§ 28 HVwVfG) des Antragstellers
erfolgte, ist unbeachtlich, weil die Anhörung vor Erlaß des Widerspruchsbescheides
nachgeholt wurde (§ 45 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 HVwVfG). Unschädlich ist auch,
daß die "Bekräftigung" der Feststellung der medienrechtlichen Unbedenklichkeit
mündlich erfolgte (Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 1993 Seite 3 Abs. 3 am
Ende), denn Verwaltungsakte können auch mündlich erlassen werden (§ 37 Abs. 2
Satz 1 HVwVfG).
Wie bei beabsichtigten Kanalumbelegungen zu verfahren ist, ist gesetzlich nicht
ausdrücklich geregelt. Aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz - GG - läßt sich kein
Anspruch einer Rundfunkanstalt herleiten, einmal zugewiesene Frequenzen oder
Kanäle auf Dauer nutzen zu dürfen. Das Gebot in § 32 Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes
über den privaten Rundfunk in Hessen (Hessisches Privatrundfunkgesetz - HPRG-)
vom 30. November 1988 (GVBl. I Seite 385, zuletzt geändert durch Art. 6 des
Gesetzes zum Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland vom
13. Dezember 1991, GVBl. I Seite 368), Kabelanlagen so einzurichten, daß jeder
Inhaber eines Anschlusses in der Lage ist, zunächst die in Abs. 1 Nr. 1 und 2
genannten Programme zu empfangen, zu denen das Programm HR 3 gehört,
begründen jedoch nicht nur eine bevorzugte Stellung dieser Programme, sondern
verbieten auch Maßnahmen in der Kabelanlage, die den Empfang dieser
Programme unangemessen erschweren. Nur eine solche verfassungskonforme
Auslegung wird dem Gebot des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gerecht, das den Staat
verpflichtet, die Grundversorgung der Bevölkerung durch die Gewährleistung der
erforderlichen technischen, organisatorischen, personellen und finanziellen
Voraussetzungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu sichern (vgl. BVerfG,
Urteile vom 4. November 1986 - 1 BvF 1/84 - BVerfGE 73, 118 <158> = DVBl.
1987, 30, und vom 5. Februar 1991 - 1 BvF 1/85, 1/88 - BVerfGE 83, 238 = DVBl.
1991, 310). Dementsprechend enthält auch der Staatsvertrag über den Rundfunk
im vereinten Deutschland (GVBl. 1991, 370), in dessen § 33 geregelt ist, daß die
Länder nach Maßgabe des Staatsvertrages und des jeweiligen Landesrechts über
die Zuordnung und Nutzung der Übertragungskapazitäten entscheiden, in Abs. 4
seiner Präambel das Gebot: "Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sind Bestand
und Entwicklung zu gewährleisten." Darin ist auch das Gebot enthalten, die
Verbreitungsmöglichkeiten zu gewährleisten. Da durch das Gesetz zu dem
Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland vom 13. Dezember
1991 (GVBl. S. 367) § 47 des Hessischen Privatrundfunkgesetzes geändert worden
ist (vgl. Art. 6 des Gesetzes), ist davon auszugehen, daß der Hessische
Landesgesetzgeber zusätzlichen Änderungsbedarf nicht sah, sondern davon
ausging, daß das Hessische Privatrundfunkgesetz im übrigen den Anforderungen
des Staatsvertrages entspreche. Dementsprechend sind die Regelungen des
Hessischen Privatrundfunkgesetzes staatsvertragskonform auszulegen.
In Bezug auf § 32 Abs. 3 Satz 1 HPRG bedeutet das, daß Kabelanlagen nicht nur so
einzurichten sind, daß die Programme des Hessischen Rundfunks von jedem
Inhaber eines Anschlusses empfangen werden können, sondern daß es auch dabei
zu bleiben hat, Änderungen der Kabelanlage also nichts daran ändern dürfen, daß
jeder Inhaber eines Anschlusses die Programme empfangen kann. Das ergibt sich
auch aus dem Sinn der Regelung, die darauf abzielt, eine dauernde
Empfangsmöglichkeit zu sichern und nicht nur eine anfängliche.
Das Gebot, Kabelanlagen so einzurichten, daß jeder Inhaber eines Anschlusses die
Programme empfangen kann, bezieht sich auch nicht auf eine nur abstrakte
Empfangsmöglichkeit, die beispielsweise dadurch geschaffen werden kann, daß
eine nicht allgemein übliche Empfangseinrichtung installiert wird. Maßgeblich sind
vielmehr die durchweg vorhandenen Empfangsmöglichkeiten. Bei der
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vielmehr die durchweg vorhandenen Empfangsmöglichkeiten. Bei der
Neueinrichtung von Kabelanlagen kommt es bei der Kanalbelegung entscheidend
darauf an, daß die Programme, deren bevorzugter Empfang nach § 32 Abs. 3 Satz
1 HPRG zu gewährleisten ist, auf Kanälen übertragen werden, auf denen sie mit
allgemein vorhandenen Geräten empfangen werden können.
Nachdem Kabelanlagen eingerichtet worden sind, sind Kanalumbelegungen
gesetzlich allerdings nicht ausgeschlossen. Wenn insoweit gesetzliche Regelungen
fehlen, insbesondere Kanalumbelegungen in § 32 Abs. 3 HPRG nicht erwähnt
werden, mag das damit zusammenhängen, daß dafür kein Regelungsbedarf
gesehen wurde. Schon im Hinblick auf den technischen Fortschritt kann jedoch
nicht angenommen werden, daß der Gesetzgeber Änderungen generell habe
ausschließen wollen. Vielmehr ist § 32 Abs. 3 Satz 1 HPRG nach dem Sinn des
Gesetzes dahin auszulegen, daß die für die Einrichtung der Kabelanlage
vorgeschriebenen Empfangsmöglichkeiten auf Dauer gewährleistet bleiben
müssen und Empfangsbehinderungen auf das durch überwiegende sachliche
Gründe gerechtfertigte Maß beschränkt sein müssen. Bei der Prüfung, ob diese
Voraussetzungen für eine Programmumlegung vorliegen, sind hinsichtlich der
Empfangsbehinderungen alle mehr als unwesentlichen Beeinträchtigungen
einschließlich etwaiger Aufwendungen zur Wiederherstellung der
Empfangsmöglichkeiten zu berücksichtigen. Ob sachliche Gründe überwiegen, ist
aufgrund einer Abwägung aller erheblichen Belange zu beurteilen. Zu diesen
gehören auch die Interessen des Kabelanlagenbetreibers, die Gesichtspunkte, die
sich hinsichtlich der Empfangsbehinderungen ergeben, und die damit
korrespondierenden Interessen des betroffenen Rundfunkveranstalters an der
unbehinderten Verbreitung seines Programms.
Bei ihrer dem Anliegen der beigeladenen Kabelanlagenbetreiberin Rechnung
tragenden Feststellung hat die Antragsgegnerin zu Unrecht die Belange der
Anschlußinhaber und jener Kunden der Kabelanlagenbetreiberin für unbeachtlich
gehalten, die eine Unterverteilung vornehmen. Dies geschah, obwohl offensichtlich
war, daß diesem Personenkreis infolge der Kanalumbelegung teilweise Kosten
entstehen würden, die der Antragsteller im Bereich der Breitbandverteilstellen
Frankfurt und Friedberg auf etwa 6,4 Millionen DM schätzt. Kosten waren es jedoch
gerade, die die Beigeladene zu 2 zu der Kanalumbelegung bewogen hatten. Sie
wollte durch die Kanalumbelegungen die Voraussetzungen dafür schaffen, daß die
Kapazität ihrer Kabelanlage für sie kostengünstig erweitert wurde, indem sie ein
solches Programm auf Kanal 4 verlegte, das sich von einem terrestrischen Sender
empfangen ließ. Nach ihrer Darstellung hätte die Installation von
Satellitenempfangsanlagen an den einzelnen Verteilerstellen, um von Satelliten
abgestrahlte Programme in Kanal 4 einspeisen zu können, für sie Kosten in Höhe
von 600.000,00 - 800.000,00 DM verursacht. Es ist zwar richtig, daß die
Antragsgegnerin Kabelanlagenbetreiber nicht zu Kapazitätserweiterungen ihrer
Anlagen veranlassen kann, die sie selbst im Interesse einer dem
Programmangebot entsprechenden Rundfunkversorgung für wünschenswert hält.
Dies rechtfertigt es jedoch nicht, bei der Prüfung der Frage, ob eine
Kanalumbelegung im Interesse einer Kapazitätserweiterung dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit entspricht, maßgeblich auf das Interesse des
Kabelanlagenbetreibers abzustellen und Empfangsschwierigkeiten für die
Anschlußinhaber außer Acht zu lassen.
Es war Aufgabe der Antragsgegnerin, bei der rundfunkrechtlichen Überprüfung der
Kanalumbelegung gemäß § 32 Abs. 3 Satz 1 HPRG alle die
Empfangsmöglichkeiten des Programms HR 3 betreffenden Gesichtspunkte zu
ermitteln und inhaltlich aufzuklären. Sie hätte unter anderem auch die Kosten
ermitteln müssen, die anderen als der Beigeladenen zu 2 infolge der
Kanalumbelegung entstehen würden, um die Empfangsmöglichkeit zu
gewährleisten. Dazu gehörte der Aufwand, der nach der überzeugenden
Darstellung des Antragstellers einem gewissen Prozentsatz der Bevölkerung
dadurch entsteht, daß für die Umprogrammierung von Fernsehgeräten und
Videorecordern Fachhandwerker hinzugezogen werden müssen und bei
Kabelunterverteilungen Sperrfilter ausgewechselt werden müssen für
Anschlußinhaber, die aus finanziellen oder anderen Gründen nur einen Teil der ins
Kabelnetz der Beigeladenen zu 2 eingespeisten Programme, darunter aber HR 3,
zu empfangen wünschen. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, daß ein
Kabelfernsehanschlußinhaber seine Empfangseinrichtungen bei dem erstmaligen
Anschluß für den Empfang der von ihm gewünschten Programme einzurichten hat.
Das gleiche gilt für neu hinzukommende Programme, die er zu empfangen
wünscht und die auf bisher nicht von ihm in Anspruch genommenen Kanälen
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wünscht und die auf bisher nicht von ihm in Anspruch genommenen Kanälen
übermittelt werden. Anders verhält es sich, wenn die Einrichtung nicht in seiner
Sphäre liegt, sondern durch Änderungen des Kabelanlagenbetreibers veranlaßt
wird. Der Aufwand für dann etwa nötige Anpassungen wird von dem
Kabelanlagenbetreiber verursacht und ist bei der medienrechtlichen Überprüfung
als Belang des Anschlußinhabers mit zu berücksichtigen.
In die Abwägung einzustellen sind weiter die Nachteile, die dem Antragsteller
infolge der Kanalumbelegung hinsichtlich der Durchführung seines
Grundversorgungsauftrages erwachsen. Weiter erscheint nicht hinreichend geklärt,
ob der Kanal 4 störanfälliger als der Kanal 6 ist. Der Antragsteller hat dazu in
seinem Schreiben vom 26. November 1992 an die Antragsgegnerin vorgetragen,
insbesondere nichtpostalische drahtlose Telefone arbeiteten häufig in diesem
Bereich und verursachten zum Teil starke Moiréstörungen. Dem
Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin läßt sich weder eine substantiierte
eigene Stellungnahme dazu noch eine entsprechende der Beigeladenen zu 2
entnehmen. Soweit die Beigeladene zu 2 in ihrem Schriftsatz vom 5. Juli 1993 auf
Ausführungen des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen in einem
Erlaß vom 27. April 1989 (222-1 A 3885-2.3) verweist, wonach grundsätzlich alle
belegbaren TV-Kanäle im Breitbandverteilnetz gleichrangig seien, wird auf den
speziellen Einwand des Antragstellers gerade nicht eingegangen. Es hätte jedoch
einer ins Einzelne gehenden Stellungnahme zu diesem Punkt bedurft. Nach allem
hat die Antragsgegnerin die gegen die Kanalumbelegung sprechenden
Gesichtspunkte nicht im einzelnen ermittelt, gewichtet und bei ihrer Prüfung
berücksichtigt, so daß ihre Entscheidung schon unter diesem Gesichtspunkt zu
beanstanden ist. Nach dem derzeitigen Stand spricht auch eine überwiegende
Wahrscheinlichkeit dafür, daß sie rechtsfehlerhaft ist.
b. Der Antragsteller ist durch den angefochtenen Verwaltungsakt auch in seiner
eigenen Rechtsstellung betroffen, denn angesichts der Rundfunkfreiheit, die die
Möglichkeit der Verbreitung seiner Programme erfordert, und des Gebots in der
Präambel des Staatsvertrages über den Rundfunk im vereinten Deutschland, daß
für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk Bestand und Entwicklung zu gewährleisten
seien, sind die Rangfolge- und Konfliktregelungen im Rundfunkrecht als
Schutznormen zugunsten der Programmveranstalter anzusehen. Da eine
Kanalumbelegung die Verbreitungsmöglichkeiten modifiziert und insoweit
beschränkt, als sie voraussetzt, daß die Kunden des Kabelanlagenbetreibers (hier
der Beigeladenen zu 2) Vorkehrungen treffen, um ihre Empfangsanlagen so
einzurichten, daß sie das Programm, soweit es auf einem bisher von ihnen nicht in
Anspruch genommenen Kanal gesendet wird, auch künftig empfangen können,
wird der Antragsteller auch tatsächlich betroffen, denn wenn die Anpassung nicht
oder nur teilweise erfolgt, hat eine Kanalumbelegung zur Folge, daß die
Empfangsmöglichkeiten seines Programms eingeschränkt werden.
c. Die einstweilige Maßnahme zur Sicherung der Rechte des Antragstellers (§ 80 a
Abs. 1 Nr. 2) ist in der im Tenor ausgesprochenen Fassung auch rechtlich zulässig
und angemessen, um zu sichern, daß die Kanalumbelegung nicht ebenso wie
schon in den Bereichen anderer Breitbandverteilstellen in Hessen erfolgt.
Die angeordnete Maßnahme hält sich im Rahmen des § 36 Abs. 3 Satz 2 HPRG.
Nach dieser Bestimmung fordert die Antragsgegnerin "bei Verstößen gegen die
Rangfolge nach § 32" den Betreiber der Kabelanlage auf, die Rangfolge zu
beachten. § 32 HPRG ist mit dem Begriff "Rangfolge" überschrieben, was dafür
spricht, daß der Gesetzgeber alle die Kanalbelegung betreffenden Regelungen in §
32 HPRG als Rangfolgeregelungen angesehen hat. Auch der Sinn der Vorschriften
in § 36 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 Satz 2 HPRG spricht dafür, daß der Antragsgegnerin
die Möglichkeit eröffnet werden sollte, in allen Fällen, in denen Programme in
Kabelanlagen nicht entsprechend ihrem Rang eingespeist, sondern in ihrer
Verbreitung unter Verstoß gegen § 32 HPRG beschränkt werden, für die Einhaltung
der Bestimmungen zu sorgen. Infolgedessen ist es rechtlich zulässig, ihr
aufzugeben, die beigeladene Anlagenbetreiberin vorläufig bis zur unanfechtbaren
Entscheidung in der Hauptsache aufzufordern, die Einspeisung des Programms HR
3 auf Kanal 6 in den Breitbandverteilstellen Frankfurt und Friedberg fortzuführen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 159 VwGO, i.V.m. § 100 ZPO.
Die Kosten der Beigeladenen zu 2 sind nicht gemäß § 162 Abs. 3 VwGO,
erstattungsfähig. Die Streitwertentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung
des § 14 i.V.m. §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.