Urteil des HessVGH vom 26.01.1988

VGH Kassel: juristische person, öffentliche sicherheit, geschäftsführender gesellschafter, lebensmittel, verordnung, teigwaren, bekanntmachung, verkehrsauffassung, soja, erzeugnis

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
11. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
11 UE 1204/85
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 4 Abs 2 Anl 2 Nr 6 FlV, § 1
SOG HE, § 6 SOG HE
(Sojazusatz für Fleischfüllung von Teigwaren)
Tatbestand
Der Kläger ist geschäftsführender Gesellschafter der Firma R. GmbH, die sich mit
der Herstellung und dem Vertrieb von Teigwaren aller Art befaßt. Sie stellt u.a.
"Lasagne" und "Canneloni" her, deren Fleischfüllung sie Sojamehl zusetzt, und
vertreibt diese Produkte.
Mit einer an den Kläger gerichteten Verfügung vom 2. Mai 1983 untersagte der
Landrat des Kreises Offenbach diesem unter Bezugnahme auf die Anlage 2 Nr. 6
zu § 4 Abs. 2 der Fleischverordnung vom 21. Januar 1982 (FleischVO) in
Verbindung mit den §§ 1, 6, 14 des Hessischen Gesetzes über die öffentliche
Sicherheit und Ordnung (HSOG), Sojamehl oder Sojaerzeugnisse für die
Herstellung der Fleischfüllung von "Canneloni" und "Lasagne" zu verwenden, da
eine solche Zusammensetzung nicht der bestehenden Verkehrsauffassung
entspräche.
Gegen diese Verfügung legte der Kläger am 13. Mai 1983 Widerspruch ein, den der
Regierungspräsident in Darmstadt mit Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember
1983 mit der Maßgabe zurückwies, daß das ausgesprochene Herstellungsverbot
als Verkehrsverbot zu verstehen sei. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt: Nach
§ 4 Abs. 1 Nr. 5 FleischVO sei es verboten, Fleischerzeugnisse gewerbsmäßig in
den Verkehr zu bringen, wenn bei ihrer Herstellung eiweißhaltige Stoffe pflanzlicher
Herkunft verwendet worden seien. Dazu zähle Sojamehl, das nach dem
ausdrücklichen Wortlaut der Anlage 2 zu § 4 Abs. 2 FleischVO auch nicht zu den
Stoffen zu rechnen sei, deren Verwendung von dem generellen Verbot des § 4
Abs. 1 FleischVO ausgenommen sei. In welchen Mengen Sojamehl zugesetzt
werde, sei dabei unerheblich. Auch komme es bei dem Verkehrsverbot des § 4
FleischVO - entgegen den Ausführungen in dem Erstbescheid - nicht auf eine
bestehende Verkehrsauffassung an. Die Anwendung von § 4 FleischVO sei auch
nicht deshalb ausgeschlossen, weil dort nur von Fleischerzeugnissen die Rede sei,
während es sich hier wohl um Lebensmittel mit einem Zusatz von
Fleischerzeugnissen handele. § 4 FleischVO sei aber so auszulegen, daß er für alle
Fleischerzeugnisse gelte, auch wenn sie an oder in ein anderes Lebensmittel an-
oder eingebunden gewerbsmäßig in den Verkehr gebracht würden. Die in den §§ 2
und 3 FleischVO getroffene Differenzierung zwischen Fleisch, Fleischerzeugnissen
und Lebensmitteln mit einem Zusatz von Fleisch oder Fleischerzeugnissen sei
nach Sinn und Zweck des § 4 FleischVO nicht maßgebend.
Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger zu Händen seiner Bevollmächtigten
am 14. Dezember 1983 zugestellt.
Am 13. Januar 1984 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben, mit der er die
Aufhebung der Verfügung vom 2. Mai 1983 in der Fassung des dazu ergangenen
Widerspruchsbescheides erstrebt.
Zur Begründung trug er u.a. vor, es würden lediglich geringfügige Mengen an
Sojamehl verwendet, um das Erzeugnis "sämig" zu machen. Die Abnehmer
wüßten exakt, was in dem Erzeugnis enthalten sei. Im übrigen sei er bereit, die
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wüßten exakt, was in dem Erzeugnis enthalten sei. Im übrigen sei er bereit, die
Verwendung von Soja in der Füllung entsprechend zu kennzeichnen, womit jede
Notwendigkeit, eine Untersagungsverfügung zu erlassen, entfalle. Im übrigen sei §
4 FleischVO in diesem Falle auch nicht einschlägig, da ein "Fleischerzeugnis" nach
herkömmlicher Auffassung ein Erzeugnis sei, welches überwiegend aus Fleisch
bestehe. § 4 FleischVO müsse schließlich verfassungskonform dahin ausgelegt
werden, daß die Verwendung der sehr gesunden und dem Erzeugnis sehr
zuträglichen Zutat (Soja) jedenfalls dann nicht verboten werden könne, wenn diese
Zutat gekennzeichnet werde. Sonst sei diese Vorschrift nicht mit der Verfassung
vereinbar.
Der Kläger beantragte,
den Bescheid des Landrates des Kreises Offenbach vom z. Mai 1983 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidenten in Darmstadt
vom 12. Dezember 1983 aufzuheben.
Der Beklagte beantragte im wesentlichen unter Bezugnahme auf die
Ausführungen im Widerspruchsbescheid,
die Klage abzuweisen.
Das Verwaltungsgericht Darmstadt hob die angefochtenen Bescheide durch
Gerichtsbescheid vom 8. Mai 1985 auf, nachdem die Beteiligten zuvor zu dieser
Verfahrensweise gehört worden waren. Zur Begründung führte das Gericht im
wesentlichen aus: Die angegriffenen Bescheide seien rechtswidrig und verletzten
den Kläger in seinen Rechten. Dahinstehen könne, ob das mit den Bescheiden
ausgesprochene Verkehrsverbot schon deshalb rechtswidrig sei, weil es an den
Kläger und nicht an die R. GmbH gerichtet sei, die als rechtlich eigenständiges
Unternehmen die fraglichen Teigwaren in den Verkehr bringe, so daß an sich ein
Verkehrsverbot auch an sie hätte gerichtet werden müssen. Sollte der Kläger
unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt nicht der richtige Adressat des
Verkehrsverbotes sein, wäre es schon deshalb aufzuheben gewesen. Sollte der
Kläger jedoch zutreffend als Adressat in Anspruch genommen worden sein, wäre
das Verkehrsverbot jedenfalls deswegen rechtswidrig, weil es ihm an der für einen
hoheitlichen Eingriffsakt notwendigen rechtlichen Grundlage fehle. Das
ausgesprochene Verkehrsverbot könnte überhaupt nur auf § 4 Abs. 1 FleischVO
gestützt werden. Das sei unstreitig und auch im Widerspruchsbescheid sei allein
auf diese Vorschrift abgestellt worden, die das Verkehrsverbot indessen nicht
trage. Nach § 4 Abs. 1 FleischVO dürften "Fleischerzeugnisse" gewerbsmäßig nicht
in den Verkehr gebracht werden, wenn sie unter Verwendung von Soja hergestellt
worden seien. Canneloni und Lasagne seien jedoch keine "Fleischerzeugnisse" im
Sinne des § 4 Abs. 1 FleischVO. Die durchgängige Terminologie der
Fleischverordnung unterscheide eindeutig zwischen "Fleisch",
"Fleischerzeugnissen" und "Lebensmitteln mit einem Zusatz von Fleisch oder
Fleischerzeugnissen". Im Sinne dieses Sprachgebrauchs seien Canneloni und
Lasagne "Lebensmittel mit einem Zusatz von Fleisch oder Fleischerzeugnissen".
Das könne bei dem geringen Fleischanteil, den diese Teigwaren aufwiesen, keinem
Zweifel unterliegen. Fleischerzeugnisse könnten begrifflich nur Erzeugnisse sein,
die jedenfalls überwiegend aus Fleisch hergestellt seien. Somit verbiete schon der
Wortlaut der Fleischverordnung, aus ihrem § 4 Abs. 1 ein Verkehrsverbot für
Canneloni und Lasagne, deren Fleischfüllung Soja enthalte, abzuleiten. Ein solches
Verkehrsverbot lasse sich auch nicht über eine ausdehnende Auslegung dieser
Vorschrift erreichen, denn eine solche Auslegung sei angesichts der klaren
Terminologie der Fleischverordnung ausgeschlossen. Daß trotz der in §§ 2 und 3
FleischVO vorgenommenen Differenzierung der § 4 Abs. 1 FleischVO auf
"Fleischerzeugnisse" beschränkt worden sei, belege gerade, daß die Verordnung
hier "Lebensmittel mit einem Zusatz von Fleisch oder Fleischerzeugnissen" bewußt
nicht habe einbeziehen wollen, so daß von einer Regelungslücke keine Rede sein
könne. Auch Sinn und Zweck des § 4 Abs. 1 FleischVO legten eine ausdehnende
Auslegung nicht nahe.
Da das Lebensmittel mit einem Zusatz von Fleischerzeugnissen im Gegensatz
zum - reinen - Fleischerzeugnis durch den Fleischanteil allein weder qualitativ noch
quantitativ vorrangig geprägt werde, sei eine differenzierende Regelung, wie sie § 4
Abs. 1 FleischVO seinem Wortlaut nach enthalte, auch sachlich durchaus
vertretbar. Daß ein Verkehrsverstoß hier auch nicht auf § 17 Abs. 1 Nr. 2 b des
Lebensmittelgesetzes wegen von der Verkehrsauffassung abweichender
Beschaffenheit gestützt werden könnte, sei zwischen den Beteiligten unstreitig, da
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Beschaffenheit gestützt werden könnte, sei zwischen den Beteiligten unstreitig, da
der Kläger zu einer Kenntlichmachung des Sojaanteils bereit sei und damit die
Voraussetzung für ein Verkehrsverbot nach § 17 Abs. 1 des Lebensmittelgesetzes
nicht gegeben wäre, sofern tatsächlich Sojazusätze bei Lasagne und Canneloni
von der Verkehrsauffassung abweichen sollten.
Am 21. Juni 1985 hat der Beklagte gegen den ihm am 21. Mai 1985 zugestellten
Gerichtsbescheid Berufung eingelegt, zu deren Begründung er u.a. vorträgt: Die
vom Kläger hergestellten italienischen Teigwaren unterlägen durchaus dem
Verkehrsverbot des § 4 FleischVO. Bei der Füllung der Canneloni und von Lasagne
handele es sich um ein Fleischerzeugnis. Dieses werde auch von ihm in den
Verkehr gebracht, wenn auch in der Umhüllung durch ein anderes Lebensmittel.
Das spiele im Zusammenhang mit der Anwendung des § 4 FleischVO keine Rolle,
denn nach dem Verordnungszweck sollten jegliche Fleischerzeugnisse, die
bestimmte Stoffe enthielten, dem Markt fern bleiben, ganz gleich in welcher Form
sie in den Verkehr gebracht würden. Anders als in den §§ 2, 3 FleischVO sei es
nicht notwendig erschienen, bei dem in § 4 ausgesprochenen Verkehrsverbot
zwischen Fleischerzeugnissen und Lebensmitteln mit einem Zusatz von
Fleischerzeugnissen zu differenzieren. In den zuerst genannten Vorschriften gehe
es um die Kennzeichnung des fertigen Produktes. Zur umfassenden Regelung der
Kennzeichnungspflicht bei denkbaren fertigen Produkten sei es erforderlich
gewesen, Fleisch und Fleischerzeugnisse nochmals in Lebensmittel mit einem
Zusatz von Fleisch oder Fleischerzeugnissen zu unterteilen. Es sei vom Zweck der
Verordnung her nicht zulässig, diese Unterteilung bei der Anwendung des § 4
fortzusetzen, nach dessen Sinn und Wortlaut auch Lebensmittel mit einem Zusatz
von Fleischerzeugnissen grundsätzlich dem dortigen Verkehrsverbot unterlägen.
Diese Auffassung werde durch den genauen Wortlaut der Verordnung bestätigt,
die "Verordnung über Fleisch und Fleischerzeugnisse" heiße, und damit
verdeutliche, daß die in den §§ 2, 3 erwähnten Lebensmittel mit einem Zusatz von
Fleisch oder Fleischerzeugnissen grundsätzlich unter die beiden in der Überschrift
genannten Begriffe fielen. Die Verwendung von Soja oder Sojaprodukten bei den in
Rede stehenden Teigwaren entspreche im übrigen nicht der
Verbrauchererwartung, zumal bei in der Literatur aufgezählten Rezepturen über
italienische Produkte bei der Herstellung von Canneloni und Lasagne in keinem Fall
der Zusatz von Sojaerzeugnissen erwähnt werde. Bei der vom Kläger angebotenen
Kenntlichmachung erfahre schließlich nur der Einkäufer der Großküche oder
allenfalls noch der Koch, was in dem angebotenen Produkt verarbeitet worden sei,
während der Konsument als Endverbraucher ein Produkt serviert erhalte, das unter
einer ihm geläufigen Bezeichnung angeboten werde, aber nicht der im Ausland
üblichen Herstellungsweise entspreche.
Der Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom B. Mai 1985
abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Gerichtsbescheid und meint, bei der von ihm für
rechtsfehlerhaft erachteten extensiven Auslegung des § 4 Abs. 1 FleischVO, wie sie
der Beklagte vornehme, bestünden gegen die Regelung verfassungsrechtliche
Bedenken, da ohne zwingenden Grund Verkehrsverbote ausgesprochen würden. Er
meint im übrigen, Sojaerzeugnisse seien gesund. Es liege auch keine Irreführung
der Abnehmer (Kantinenköche und Gastwirte) vor, weil diese genau wüßten, was in
dem Erzeugnis enthalten sei. Im übrigen werde auch in Italien Sojamehl bei diesen
Produkten verwendet, weil dieses die Sämigkeit der Soße entscheidend
verbessere. Im übrigen habe der Hersteller, wenn er die Ware ordnungsgemäß
kennzeichne und bei seinem Abnehmer keine Irreführung hervorrufe, keinerlei
Einfluß mehr auf die Weiterverwendung der Ware. Für den Hersteller des
Lebensmittels komme es aber schließlich darauf an, ob die Abnehmer mit
einwandfrei gekennzeichneter Ware beliefert würden und ob bei den Abnehmern
irgendeine Irreführung über Konsistenz, Herkunft oder sonstige wesentliche
wertbestimmende Eigenschaften hervorgerufen würde. Daran fehle es hier. Daß es
sich bei Canneloni und Lasagneerzeugnissen um Teigwaren handele, könne man
im übrigen problemlos in jeder Pizzeria feststellen. Niemals werde man dort
Canneloni oder Lasagne bei "Fleischgerichten" finden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakten und auf die einschlägigen Behördenakten (2 Hefte) Bezug
genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Beklagten ist nicht begründet.
Das Verwaltungsgericht hat die angefochtenen Bescheide zu Recht aufgehoben,
denn diese sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113
Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der Umstand, daß der Kläger die beanstandeten und mit dem Verkehrsverbot
belegten Produkte nicht selbst herstellt und vertreibt, sondern die Firma R. GmbH
als eigenständige juristische Person, steht der Zulässigkeit der Klage unter dem
Gesichtspunkt der Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) bzw. des allgemeinen
Rechtsschutzbedürfnisses nicht entgegen. Denn der Kläger ist jedenfalls Adressat
der vorstehend näher bezeichneten belastenden Verwaltungsakte und damit ohne
weiteres klagebefugt. Auf die Frage, ob er (persönlich) mit einem derartigen
Verkehrsverbot überhaupt überzogen werden durfte, kommt es in diesem
Zusammenhang nicht an.
Die Klage ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat ihr zu Recht mit der
Erwägung stattgegeben, daß es den angefochtenen Verfügungen an der für einen
hoheitlichen Eingriffsakt notwendigen rechtlichen Grundlage fehle.
Das Verwaltungsgericht hat es dahinstehen lassen, ob das durch die Bescheide
ausgesprochene Verkehrsverbot schon deshalb rechtswidrig sei, weil es an den
Kläger und nicht an die R. GmbH gerichtet sei, die als rechtlich eigenständiges
Unternehmen die fraglichen Teigwaren in den Verkehr bringe, "so daß an sich ein
Verkehrsverbot auch an sie hätte gerichtet werden müssen". Zu der hiermit
angesprochenen Frage der Polizeipflichtigkeit des Klägers bemerkt der Senat, daß
eine solche durchaus gegeben sein kann und daher die Inanspruchnahme ,des
Klägers als Störer von der Beklagten bei Erlaß der streitbefangenen
Verwaltungsverfügungen grundsätzlich durchaus in Betracht gezogen werden
durfte. Zwar unterliegen nicht nur natürliche Personen, sondern auch juristische
Personen des Privatrechts der Polizeipflicht (vgl. Drews/Wacke/Vogel/Martens,
Gefahrenabwehr, 9. Auflage., Seite 294; Meixner, Hessisches Gesetz über die
öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG), Anm. 1 zu § 11, jeweils mit weiteren
Nachweisen). Demzufolge hätte - bei Vorliegen der übrigen gesetzlichen
Voraussetzungen - ein behördlich angeordnetes Verkehrsverbot der hier in Rede
stehen den Art unmittelbar der Firma R. GmbH gegenüber er lassen werden
können bzw. dürfen, die als juristische Person des Privatrechts unstreitig die mit
dem Verkehrsverbot belegten Produkte herstellt und vertreibt. Ungeachtet dessen
dürfte aber in solchen Fällen - bei Vorliegen der sonstigen gesetzlichen
Voraussetzungen - auch der geschäftsführende Gesellschafter einer derartigen
GmbH nach § 13 Abs. 2 HSOG polizeipflichtig sein und daher als Adressat einer
ordnungsbehördlichen Verfügung der hier in Rede stehenden Art in Betracht
kommen. Nach § 13 Abs. 2 HSOG ist nämlich dann, wenn jemand, der zu einer
Verrichtung bestellt ist, die Störung oder Gefahr in Ausführung dieser Verrichtung
verursacht, auch derjenige verantwortlich, der den anderen zu der Verrichtung
bestellt hat. § 13 HSOG begründet insoweit also eine Zusatzhaftung des
Geschäftsherrn für das Verhalten eines Dritten im weitesten Sinne mit der Folge,
daß ein solcher "Geschäftsherr" polizeirechtlich jedenfalls neben dem
(unmittelbaren) Störer haftet (vgl. dazu Bernet/Groß, Polizeirecht in Hessen,
Stand: 01.09.1987, Anm. 1 und 3 zu § 13 HSOG; Meixner, a. a. O., Anm. 4 bis 7 zu
§ 13 HSOG). Zu diesem der polizeirechtlichen Zusatzhaftung unterfallenden
Personenkreis dürfte auch der Kläger als geschäftsführender Gesellschafter der R.
GmbH zu zählen sein; denn ihm steht in dieser Eigenschaft das Direktionsrecht in
dem Betrieb zu. Er könnte also durch eine entsprechende Weisung an das
Betriebspersonal das Herstellen bzw. das Inverkehrbringen der beanstandeten
Produkte bzw. die Verwendung von Sojamehl als Zusatzstoff bei der Herstellung
dieser Produkte verhindern. Einer abschließenden Erörterung bzw. Entscheidung
dieser Frage bedarf es allerdings an dieser Stelle nicht; denn die Aufhebung der
angefochtenen Verfügungen ist hier schon deshalb geboten, weil es dafür - wie das
Verwaltungsgericht bereits zutreffend angenommen hat - an einer ausreichenden
Rechtsgrundlage fehlt.
Der insoweit von der Behörde allein herangezogene § 4 FleischVO vermag
jedenfalls ein derartiges Verkehrsverbot, wie es hier in Rede steht, nicht zu
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jedenfalls ein derartiges Verkehrsverbot, wie es hier in Rede steht, nicht zu
rechtfertigen. Andere Rechtsvorschriften, die als Rechtsgrundlage für das
angegriffene Verkehrsverbot in Betracht kommen könnten, hat der Beklagte weder
benannt, noch sind solche ersichtlich.
Nach § 4 der Verordnung über Fleisch und Fleischerzeugnisse (Fleischverordnung)
in der Fassung der Bekanntmachung vom 21.01.1982 (BGBl. I Seite 89), zuletzt
geändert durch Verordnung vom 10.07.1984 (BGBl. I Seite 897) - FleischVO -,
dürfen vorbehaltlich des Absatzes 2 und des § 5 "Fleischerzeugnisse"
gewerbsmäßig nicht in den Verkehr gebracht werden, wenn bei ihrer Herstellung u.
a. eiweiß-, stärke- oder dextrinhaltige Stoffe pflanzlicher Herkunft verwendet
worden sind (§ 4 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 FleischVO i. V. m. den in der Anlage 2 zu § 4
Abs. 2 näher aufgeführten "erlaubten" Stoffen). Die mit dem Verkehrsverbot
belegten Produkte "Canneloni" und "Lasagne" sind indessen - wie das
Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat - keine Fleischerzeugnisse im
Sinne des § 4 Abs. 1 FleischVO. Die Regelungen der Fleischverordnung
unterscheiden vielmehr zwischen "Fleisch", "Fleischerzeugnissen" und
"Lebensmitteln mit einem Zusatz von Fleisch oder Fleischerzeugnissen". Die
Fleischverordnung selbst enthält keine Definition dieser Begriffe. Ihr
Bedeutungsinhalt ist daher unter Berücksichtigung der allgemeinen
Verkehrsauffassung nach dem Sinn und Zweck der Verordnung auszulegen, wobei
diese Auslegung aus systematischen und methodischen Gründen für alle
Bestimmungen der Fleischverordnung, in denen diese Begriffe verwendet werden,
notwendig, nur einheitlich ausfallen kann. Es erscheint daher von vorne herein
ausgeschlossen, den Bedeutungsgehalt des Begriffes "Fleischerzeugnisse" in § 2
FleischVO anders zu bestimmen als etwa in § 4 derselben Verordnung. Nach der
allgemeinen Verkehrsauffassung umfaßt der Begriff "Fleischerzeugnisse" alle
ausschließlich oder überwiegend aus Fleisch hergestellten Erzeugnisse. Die
verwendeten Zutaten dienen dabei im wesentlichen nur geschmacklichen oder
technologischen Zwecken (vgl. Zipfel, Lebensmittelrecht, Stand: 01.06.1987, Band
2, C 235 Vorbemerkung 14). Diese Begriffsdefinition geht letztlich zurück auf die
Leitsätze der Kommission zur Schaffung eines deutschen Lebensmittelbuches
vom 20.06.1975 (hier: Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse), Beilage zum
Bundesanzeiger Nr. 134 vom 25.07.1975. Darin heißt es unter I 2:
"Fleischerzeugnisse" sind Erzeugnisse, die ausschließlich oder überwiegend aus
Fleisch ....bestehen ... Erzeugnisse mit einem Zusatz von Fleisch oder
Fleischerzeugnissen sowie fleischlose Erzeugnisse unterscheiden sich in
Bezeichnung und Aufmachung eindeutig von Fleischerzeugnissen".
In einer Anmerkung dazu (laufende Nr. 15) heißt es, diese Definition entspreche
auch dem, was in der Fleischverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom
06.06.1973, zuletzt geändert durch Art. 10 der Verordnung vom 16.05.1975, und
in der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung vom 25.01.1972, zuletzt geändert
durch Art. 6 der Verordnung vom 16.05.1975, unter "Fleischerzeugnis" erfaßt sein
solle. Anerkannt ist weiter, daß dem Begriff "Fleischerzeugnis" etwa im Sinne des
Fleischhygienegesetzes (FlHG) in der Fassung der Bekanntmachung vom
24.02.1987 (BGBl. I Seite 649) eine weitergehende Bedeutung zukommt, als der
Verwendung des Begriffes "Fleischerzeugnisse" in der hier einschlägigen
Fleischverordnung und daß dieser weitergehende Begriffsinhalt jedenfalls auf die
Fleischverordnung angesichts der dort getroffenen Differenzierung zwischen
Fleisch, Fleischerzeugnissen und Lebensmitteln mit einem Zusatz von Fleisch oder
Fleischerzeugnissen nicht übertragen werden kann (vgl. dazu Zipfel, a. a. O., C
235, Vorbemerkung 24). Sind nach alledem als Fleischerzeugnisse im Sinne der
Fleischverordnung begrifflich nur solche Erzeugnisse anzusehen, die jedenfalls
überwiegend aus Fleisch hergestellt sind, so zählen zu diesen Erzeugnissen die
hier in Rede stehenden Teigwarenprodukte mit einem geringen Fleischanteil von
45 bzw. 70 g bei 400 bzw. 500 g Gesamtgewicht der jeweiligen Packung
offenkundig nicht. Diese Produkte können vielmehr, wie das Verwaltungsgericht
zutreffend angenommen hat, angesichts der begrifflichen Differenzierung in der
Fleischverordnung nur als "Lebensmittel mit einem Zusatz von Fleisch oder
Fleischerzeugnissen" angesehen werden, worunter alle Erzeugnisse fallen, die aus
einem anderen Grundstoff als Fleisch oder jedenfalls überwiegend aus anderen
Bestandteilen zusammengesetzt sind (vgl. Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche
Nebengesetze, Stand: Oktober 1987, Band 1, F 125 a Vorbemerkung 1 c). Nach
alledem verbietet bereits der Wortlaut des § 4 Abs. 1 FleischVO, daraus ein
Verkehrsverbot für Teigwaren wie Canneloni und Lasagne abzuleiten, deren
Fleischfüllung Soja enthält. Ein solches Verkehrsverbot kann entgegen der
Auffassung des Beklagten auch nicht im Wege einer ausdehnenden Auslegung
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Auffassung des Beklagten auch nicht im Wege einer ausdehnenden Auslegung
dieser Vorschrift erreicht werden. Eine solche Auslegung, wonach unter den Begriff
"Fleischerzeugnisse" alle Produkte mit einem irgendwie gearteten geringfügigen
Fleischanteil fallen würden, erscheint angesichts der klaren und durchgängig in der
Fleischverordnung verwendeten Terminologie ausgeschlossen. In Anbetracht
dessen muß umgekehrt vielmehr davon ausgegangen werden, daß dem
Verordnungsgeber der zuvor näher beschriebene Unterschied zwischen Fleisch,
Fleischerzeugnissen und Lebensmitteln mit einem Zusatz von Fleisch oder
Fleischerzeugnissen durchaus geläufig war und es sich mithin keineswegs um ein
"Redaktionsversehen" gehandelt hat, wenn in § 4 FleischVO lediglich auf
"Fleischerzeugnisse" abgestellt wird, während von anderen Bestimmungen (vgl.
etwa §§ 2, 3, 6 Abs. 2, 13 Abs. 2 und 5) FleischVO auch Lebensmittel mit einem
Zusatz von Fleisch oder Fleischerzeugnissen ausdrücklich erfaßt werden. Hätte der
Verordnungsgeber also auch in § 4 Abs. 1 FleischVO Lebensmittel mit einem
Zusatz von Fleisch oder Fleischerzeugnissen erfassen wollen, hätte er dies
ausdrücklich in den Wortlaut der Vorschrift aufgenommen. Daß er dies nicht getan
hat, zeigt mithin eindeutig, daß er in den Geltungsbereich dieser Vorschrift
Lebensmittel mit einem Zusatz von Fleisch oder Fleischerzeugnissen bewußt nicht
einbeziehen wollte. Dies wird noch deutlicher, wenn man bedenkt, daß eine
Differenzierung, wie sie der Neufassung der Fleischverordnung vom 21.01.1982
zugrundeliegt, für den Gesetz- und Verordnungsgeber keineswegs "neu" war bzw.
daß eine solche Differenzierung nicht erstmals in dieser Neufassung
vorgenommen worden ist. Vielmehr enthält bereits die Bekanntmachung der
Neufassung der Fleischverordnung vom 06.06.1973 (BGBl. I, 553) eine derartige
Differenzierung (vgl. §§ 1, 3, 4a). Ähnlich verhält es sich mit der Bekanntmachung
der Neufassung der Fleischverordnung vom 04.07.1978 (BGBl. I, 1003 [vgl. §§ 4,
5]). Schließlich ist eine solche Differenzierung seit langem Bestandteil der
Verordnung über die äußere Kennzeichnung von Lebensmitteln -
Lebensmittelkennzeichnungsverordnung - (vgl. bereits die Bekanntmachung der
Neufassung der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung vom 25.01.1972, BGBl. I,
85, § 1 Abs. 1 Nr. 1). Von einer Regelungslücke, die die Möglichkeit einer
ausdehnenden Auslegung des Begriffes "Fleischerzeugnisse" in § 4 Abs. 1
FleischVO ermöglichen würde, kann mithin keine Rede sein. Auch Sinn und Zweck
des § 4 Abs. 1 FleischVO erfordern eine solche ausdehnende Auslegung nicht und
legen sie auch nicht nahe. Da Lebensmittel mit einem Zusatz von Fleisch oder
Fleischerzeugnissen - anders als Fleischerzeugnisse selbst - durch den
Fleischanteil weder qualitativ noch quantitativ vorrangig geprägt werden, erscheint
eine differenzierende und auf Fleischerzeugnisse beschränkte Regelung, wie sie § 4
FleischVO enthält, durchaus verständlich und sachlich nachvollziehbar. Schließlich
steht einer ausdehnenden Auslegung des Begriffes "Fleischerzeugnisse" in § 4
FleischVO entsprechend der von dem Beklagten vertretenen Auffassung auch der
Gesichtspunkt der Rechtssicherheit entgegen. Die Differenzierung zwischen
Fleisch, Fleischerzeugnissen und Lebensmitteln mit einem Zusatz von Fleisch oder
Fleischerzeugnissen findet sich auch in der Strafvorschrift des § 13 FleischVO. Bei
einer ausdehnenden Auslegung des Begriffes "Fleischerzeugnisse" in der von dem
Beklagten für zutreffend gehaltenen Weise drohte den Vertreibern von Produkten
der hier in Rede stehenden Art die Gefahr, strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt
zu sein bzw. mit strafrechtlichen Ermittlungsverfahren überzogen zu werden und
sich dagegen zur Wehr setzen zu müssen. Das kann angesichts des klaren und
eindeutigen Wortlauts der in der Fleischverordnung verwendeten Bezeichnungen
aus Gründen der Rechtssicherheit nicht hingenommen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO,
708 Nr. 10, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).
Rechtsmittelbelehrung
Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde innerhalb eines Monats
nach Zustellung dieser Entscheidung angefochten werden. Die Beschwerde ist bei
dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel, Brüder-Grimm-Platz 1, durch
einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule
einzulegen. In der Beschwerdeschrift muß die grundsätzliche Bedeutung der
Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts
oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von der
die Entscheidung abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden - vgl. §
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die Entscheidung abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden - vgl. §
132 der Verwaltungsgerichtsordnung vom 21. Januar 1960 (BGBl. I S. 17) und § 18
des Gesetzes vom 19. Juni 1968 (BGBl. I. S. 661).
Die Revision ist auch ohne Zulassung statthaft, wenn einer der in § 133 VwGO
genannten Verfahrensmängel gerügt wird. In diesem Fall ist die Revision innerhalb
eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung durch einen Rechtsanwalt oder
einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule schriftlich beim Hessischen
Verwaltungsgerichtshof in Kassel, Brüder-Grimm-Platz 1, einzulegen und
spätestens innerhalb eines weiteren Monats zu begründen. Die Revision muß die
angefochtene Entscheidung bezeichnen. Die Revisionsbegründung oder die
Revision muß einen bestimmten Antrag enthalten, ferner die verletzte Rechtsnorm
und die Tatsachen bezeichnen, die den gerügten Verfahrensmangel »ergeben.
Vermerk: Streitwert 4.000,-- DM
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.