Urteil des HessVGH vom 09.12.1993

VGH Kassel: verfügung, gemeinde, hessen, naturschutz, anfechtungsklage, jagdrecht, anweisung, nacheile, interessenkollision, abrundung

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
3. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 UE 86/90
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 5 Abs 1 BJagdG, § 8 Abs 1
BJagdG
(Zur Veränderung von Jagdbezirksgrenzen - hier:
angemessene Beachtung jagdlicher Belange)
Leitsatz
Altangliederungen an Eigenjagdbezirke entfallen nicht automatisch mit der Änderung
von Gemeindegebietsgrenzen. In Betracht kommt eine Abrundung nach § 5 BJG unter
Beachtung der Erfordernisse der Jagdpflege und Jagdausübung wie Aspekten der
Sicherheit, der Länge und Begradigung von Reviergrenzen, des Zusammenhangs von
Einstands- und Äsungsflächen und Problemen der Grenzschinderei und Nacheile.
Tatbestand
Die Klägerin ist eine im Zuge der kommunalen Gebietsreform vom 11.08.1972 in
den Grenzen der ehemals selbständigen Gemeinden St. Ottilien und Eschenstruth
durch Teilung vom 04.07.1973 gebildete Jagdgenossenschaft, die im Bereich der
neuen Großgemeinde Helsa ansässig ist. Sie streitet mit dem Beklagten um eine
gut 11 ha große landwirtschaftliche, die an ihren Jagdbezirk im Süden der
Gemarkung von Eschenstruth angrenzt (Bl. 38 der Gerichtsakte - GA -) und als
Exklave zur Gemarkung von St. Ottilien gehörte. Die Grundflächen der früher
selbständigen Gemeinde St. Ottilien bildeten ursprünglich einen
gemeinschaftlichen Jagdbezirk. Die betreffenden Grundflächen dieses früheren
Jagdbezirks konnten wegen fehlender Mindestgröße nach § 9 Abs. 1 des
Hessischen Jagdgesetzes vom 29.09.1950 (GVBl. S. 197) keinen selbständigen
Jagdbezirk mehr bilden, was auch nach Inkrafttreten des Bundesjagdgesetzes
(BJG) von 1952 und des Hessischen Ausführungsgesetzes zum Bundesjagdgesetz
(AGBJG) so blieb. Dies war der Grund für die Abrundungsverfügung vom
29.09.1956 (Bl. 39 der Behördenakte I - BA I -), der den Jagdbezirk St. Ottilien an
den gemeinschaftlichen Jagdbezirk Quentel angliederte.
Durch Verfügung vom 26.02.1963 (Bl. 4 BA II) wurden wesentliche Teile der
streitbefangenen Flächen dem forstfiskalischen Eigenjagdbezirk
"Koppe/Königsberg" des Hessischen Forstamts Hessisch Lichtenau angegliedert,
weil die Flächen auch keine Verbindung zum gemeinschaftlichen Jagdbezirk
Quentel/St. Ottilien besaßen und für sich allein nicht bejagbar waren.
Nach der Gebietsreform und der Aufteilung des Großjagdbezirks Helsa beantragte
die Klägerin im Februar 1975, die Jagdgrenzen zu überprüfen und die nun von ihr
bejagbaren Streitflächen unter Aufhebung der Angliederungsverfügung vom
26.02.1963 ihrem gemeinschaftlichen Jagdbezirk zuzulegen. Dieses Begehren
wurde von der unteren Jagdbehörde mit Bescheid vom 15.04.1975 (Bl. 20 BA IV)
und der oberen Jagdbehörde mit Widerspruchsbescheid vom 30.12.1975 (Bl. 28 BA
IV) bestandskräftig abgelehnt. Der Regierungspräsident vertrat als obere
Jagdbehörde die Ansicht, die begehrte Rückgliederung sei nach § 5 BJG zu
beurteilen, die Voraussetzungen lägen dafür aber nicht vor. Die Gebietsreform und
die dadurch eröffneten neuen Bejagungsmöglichkeiten berührten die
Angliederungsverfügung vom 26.02.1963 in ihrem Bestand nicht.
Im Dezember 1986 beantragte die Klägerin erneut die Abänderung der
Jagdgrenzen zu ihren Gunsten. Mit Schreiben vom 19.03.1987 (Bl. 13 BA IV) erhob
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Jagdgrenzen zu ihren Gunsten. Mit Schreiben vom 19.03.1987 (Bl. 13 BA IV) erhob
das Hessische Forstamt Hessisch Lichtenau dagegen erhebliche Bedenken wegen
der Verlängerung der Jagdgrenze, der Trennung von Einstands- und Äsungsflächen
und Problemen der Nacheile. Gleichwohl gab die untere Jagdbehörde dem
klägerischen Begehren mit Verfügung vom 25.03.1987 (Bl. 23 BA IV) nach zwei
Stellungnahme des Kreisjagdberaters K. (Bl. 6, 9 BA IV) statt. Dagegen legte das
zuständige Forstamt mit Schreiben vom 10.04.1987 (Bl. 30 BA IV) Widerspruch
ein. Auf Anweisung der nach § 2 Abs. 6 AGBJG eingeschalteten oberen
Jagdbehörde vom 28.10.1987 (Bl. 45 BA IV) hob die untere Jagdbehörde ihre
Angliederungsverfügung vom 25.03.1987 mit Verfügung vom 03.11.1987 (Bl. 48
BA IV) auf und bestimmte, daß die dort im einzelnen aufgeführten streitigen
Flächen unter Ergänzung der Angliederungsverfügung vom 26.02.1963 dem
staatlichen Eigenjagdbezirk "Koppe/Königsberg" angegliedert bleiben.
Den klägerischen Widerspruch gegen die Verfügung vom 03.11.1987 wies der
Regierungspräsident in Kassel - Abteilung Forsten und Naturschutz - mit
Widerspruchsbescheid vom 28.12.1988 (Bl. 12 GA) zurück.
Mit der am 06.02.1989 erhobenen Anfechtungsklage hat die Klägerin geltend
gemacht, die Angliederung der streitigen Flächen an den staatlichen
Eigenjagdbezirk habe sich durch die kommunale Gebietsreform überholt. Nunmehr
hätten die betreffenden Flächen auf einer Breite von etwa 300 m eine räumliche
Verbindung zu ihrem Jagdbezirk und seien von dort aus bejagbar. Es müsse daher
dem Grundsatz des § 8 Abs. 1 BJG Rechnung getragen werden, wonach die
Gemeinde- und Jagdbezirksgrenzen eine Einheit bildeten.
Die Klägerin hat im ersten Rechtszug beantragt,
die Verfügung des Landrats des Landkreises Kassel - Untere Jagdbehörde -
vom 3. November 1987 sowie den Widerspruchsbescheid des
Regierungspräsidenten in Kassel vom 28. Dezember 1988 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die obere Jagdbehörde, die den Rechtsstreit gemäß der Anordnung über die
Vertretung des Landes Hessen im Geschäftsbereich des Ministeriums für
Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz vom 11.04.1988 (StAnz. S. 999) an sich
gezogen hat, hat erwidert, die Angliederungsverfügung vom 26.02.1963 könne aus
Rechtsgründen nicht aufgehoben werden. Das erneute Angliederungsverlangen
der Klägerin sei im übrigen durch die Verfügung der unteren Jagdbehörde vom
15.04.1975 bestandskräftig abgelehnt worden. Mangels neuer Sach- oder
Rechtslage habe kein Grund für einen Zweitbescheid oder eine Wiederaufnahme
nach § 51 HVwVfG bestanden. Der unteren Jagdbehörde sei bereits bei ihrer
Ablehnung vom April 1975 bekannt gewesen, daß die kommunale Gebietsreform
nunmehr eine Verbindung der Streitfläche mit dem gemeinschaftlichen Jagdbezirk
der Klägerin hergestellt habe.
Auf § 8 Abs. 1 BJG könne sich die Klägerin nach der Zweiteilung des
gemeinschaftlichen Jagdbezirks Helsa nicht mit Erfolg stützen. Die "Anwachsregel"
des § 8 Abs. 1 BJG greife nur dann ein, wenn innerhalb der Gemeindegrenzen
lediglich ein gemeinschaftlicher Jagdbezirk bestehe. Eine Zulegung der
streitbefangenen Flächen zum Jagdbezirk der Klägerin komme nur unter den
strengen Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 BJG in Betracht, dessen
Voraussetzungen nicht vorlägen.
Das Verwaltungsgericht hat der Anfechtungsklage mit Urteil vom 20.11.1989 mit
der Begründung stattgegeben, durch die Entstehung der Großgemeinde und des
Großjagdbezirks Helsa sei die frühere Angliederung an den forstfiskalischen
Eigenjagdbezirk im Hinblick auf § 8 Abs. 1 BJG "ipso jure" gegenstandslos
geworden. Im Jahre 1986/1987 habe die untere Jagdbehörde die Rechtslage erneut
überprüfen können, zumal der Ablehnungsbescheid von 1975 in Verkennung der
Auswirkungen der Gebietsreform rechtswidrig gewesen sei.
Der Beklagte hat gegen das ihm am 14.12.1989 zugestellte
verwaltungsgerichtliche Urteil am 22.12.1989 Berufung eingelegt. Er geht nicht
davon aus, daß die Angliederungsverfügung von 1963 "ipso jure" gegenstandslos
geworden sei. Angliederungsverfügungen strebten ohne zeitliche Beschränkungen
Dauerlösungen an. Eine veränderte Sach- und Rechtslage liege hier nicht vor. Der
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Dauerlösungen an. Eine veränderte Sach- und Rechtslage liege hier nicht vor. Der
forstfiskalische Eigenjagdbezirk sei hier von den kommunal- und jagdrechtlichen
Veränderungen im gemeindlichen Bereich unberührt geblieben. Von einer
stillschweigenden auflösenden Bedingung oder Befristung der
Altangliederungsverfügung von 1963 sei nicht auszugehen. Schließlich verweist der
Beklagte zu dem von der Klägerin gerügten Insichverfahren darauf, daß die
Aufgaben der oberen Jagdbehörde und der oberen Forstbehörde in den
Dezernaten 70 a und 64 getrennt seien, wie es in allen Bundesländern
durchgeführt sei. Für den zuständigen Sachbearbeiter, der den
Widerspruchsbescheid vom 28.12.1988 erlassen und das Land Hessen in dem
Rechtsstreit vertrete, bestehe keine Interessenkollision im Verhältnis zur oberen
Forstbehörde mit ihren forstfiskalischen Interessen an der ungeschmälerten
Erhaltung des staatlichen Eigenjagdbezirks.
Der Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Kassel vom 20.
November 1989 - 2/V E 240/89 - die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil und die Angliederungsverfügung
der unteren Jagdbehörde vom 25.03.1987. Es sei unzulässig gewesen, die untere
Jagdbehörde anzuweisen, diese Verfügung aufzuheben. Die Klägerin sieht insoweit
eine unzulässige Interessenkollision, d. h. eine Identität von oberer Jagd- und
Forstbehörde. Die Angliederungsverfügung vom 26.02.1963 sei zum Nachteil des
Landes Hessen frei widerruflich gewesen. Die Grundsätze über den Widerruf
begünstigender Verwaltungsakte griffen hier nicht ein.
Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
Dem Berichterstatter im Berufungsverfahren ist die Örtlichkeit bekannt, was den
Beteiligten in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt worden ist. Die Beteiligten
haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter im schriftlichen
Verfahren einverstanden erklärt.
Dem Gericht liegen sechs Hefter Unterlagen des Beklagten vor. Sie sind
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Auf ihren Inhalt wird ebenso
wie auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten ergänzend Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
Die Entscheidung kann gemäß § 87 a Abs. 2 und 3 VwGO durch den
Berichterstatter und gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne weitere mündliche
Verhandlung ergehen. Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Das
Verwaltungsgericht hätte der auf die rechtliche Wirksamkeit und Aufrechterhaltung
der Verfügung vom 25.03.1987 gerichteten Anfechtungsklage nicht stattgeben
dürfen. Die auf den Widerspruch des Forstamts Hessisch Lichtenau und auf
Anweisung der oberen Jagdbehörde erfolgte Aufhebung der
Angliederungsverfügung der unteren Jagdbehörde vom 25.03.1987 durch die
Verfügung vom 03.11.1987 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren
Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die gemäß § 5 Abs. 1 WG erfolgte Angliederungsverfügung vom 25.03.1987 ist
wegen fehlender Zuständigkeit der unteren Jagdbehörde für ihren Erlaß
rechtswidrig gewesen und zu Recht aufgehoben worden. Zwar kann die untere
Jagdbehörde gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 AGBJG auf Antrag oder von Amts wegen
Abrundungen von Jagdbezirken vornehmen, wozu gemäß § 5 Abs. 1 BJG auch eine
Abtrennung oder Angliederung gehört. Gemäß § 2 Abs. 6 AGBJG war jedoch zu
beachten, daß bei Abrundungen von staatseigenen Jagden, wie hier der
Abtrennung vom staatlichen Eigenjagdbezirk "Koppe/Königsberg", bei fehlendem
Einvernehmen zwischen unterer Jagd- und zuständiger Forstbehörde (§ 37 Abs. 7
AGBJG) die obere Jagdbehörde entscheidet. Im vorliegenden Fall hatte das
zuständige Hessische Forstamt Hessisch Lichtenau mit Schreiben vom 19.03.1987
ausdrücklich im einzelnen näher ausgeführte und jagdrechtlich begründete
Einwendungen gegen die Abtrennung der Streitfläche vom staatlichen
Eigenjagdbetrieb erhoben, so daß die untere Jagdbehörde zum Erlaß ihrer
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Eigenjagdbetrieb erhoben, so daß die untere Jagdbehörde zum Erlaß ihrer
Angliederungsverfügung vom 25.03.1987 nicht mehr zuständig war. Die untere
Jagdbehörde hätte vielmehr gemäß § 2 Abs. 6 AGBJG eine verwaltungsinterne
Entscheidung der oberen Jagdbehörde einholen müssen.
Die in der Aufhebungsverfügung der unteren Jagdbehörde vom 03.11.1987
anschließend umgesetzte Anweisung dazu durch die obere Jagdbehörde, die
frühere Bezirksdirektion für Forsten und Naturschutz in Kassel, vom 28.10.1987 ist
rechtlich nicht zu beanstanden. In bezug auf das Tätigwerden des Sachbearbeiters
der oberen Jagdbehörde und späteren Prozeßvertreters des Beklagten, des
Regierungsdirektors W., legt weder ein unzulässiges Tätigwerden im Sinne des § 20
Abs. 1 HVwVfG noch sonst eine unzulässige Interessenkollision im Hinblick auf den
Arbeits-, Zuständigkeits- und Interessenbereich der oberen Jagd- und der oberen
Forstbehörde vor, selbst wenn beide Behörden unter dem Dach der früheren
Bezirksdirektion für Forsten und Naturschutz, des späteren Regierungspräsidenten
und des jetzigen Regierungspräsidiums angesiedelt sind. Der Beklagte hat
zutreffend dargelegt, daß es angesichts der getrennten Aufgabenübertragung auf
die Dezernate 70 a und 64 mit verschiedenen Dezernenten keine Identität von
oberer Jagd- und oberer Forstbehörde gibt. Die jagdbezogenen Aufgaben der
oberen Forstbehörde sind zudem normativ abschließend aufgezählt und begrenzt
(vgl. § 37 Abs. 7 AGBJG i.V.m. § 29 DVO vom 16.07.1999 - GVBl. I S. 57 - zu § 37,
abgedruckt in Kopp, Das Jagdrecht im Lande Hessen, 7. Aufl. 1991, S. 119).
Ein mit der gebietlichen Neugliederung im Bereich der jetzigen Gemeinde Helsa
verbundener automatischer Wegfall der Angliederung vom 26.02.1963 (ipso jure)
ist nicht zu bejahen. Soweit teilweise die Kommentarliteratur in diesem
Zusammenhang auf das Rechtsinstitut der stillschweigenden Befristung
(Mitzschke/Schäfer, BJG, Kommentar, 4. Aufl. 1982, § 8 Rdnr. 16) bzw. der
stillschweigenden auflösenden Bedingung (Meyer/Ravenstein, Jagdrecht in
Niedersachsen, 1989, S. 73) verweist, ist dem nicht zu folgen (Hess. VGH, Urteil
vom 31.08.1993 - 3 UE 3554/89 -). Das diesen Auffassungen zugrundeliegende
Territorialprinzip ist vom Gesetzgeber jagdrechtlich weder im Bundes - noch im
hessischen Landesrecht - vorherrschend ausgeprägt. So weisen zwar die §§ 3 Abs.
1 und 8 Abs. 1 BJG besonders auf die Eigentums- und
Gemeindegebietsbezogenheit des Jagdrechts und der Jagdausübung hin, die in
diesem Zusammenhang bedeutsame Vorschrift des § 5 Abs. 1 BJG macht aber
deutlich, daß insoweit mindestens ein Spannungsverhältnis mit den Erfordernissen
der Jagdpflege und Jagdausübung besteht.
Soweit aus § 8 Abs. 1 BJG hergeleitet worden ist, daß sich durch Änderung der
Gemeindegrenzen automatisch die Grenzen eines gemeinschaftlichen Jagdbezirks
und damit des Bezirks der Jagdgenossenschaft ändern (BVerwG, Beschluß vom
03.03.1983 - 3 B 78.82 - NuR 1984, 21; vgl. auch Hess. VGH, Urteil vom
18.04.1974 - III OE 3/73 -), greift dieser Grundsatz nur für die Grundflächen einer
Gemeinde ein, die nicht zu einem Eigenjagdbezirk gehören. Damit zeigt die
gesetzliche Regelung des § 8 Abs. 1 BJG gerade, daß die Eigenjagdbezirke vor
automatischen Gebietsänderungen aufgrund gemeindlicher Neugliederungen
geschützt werden sollen, wie überhaupt das Vertrauen der Bürger in die
Beständigkeit staatlicher Organisationsmaßnahmen ein wichtiges Rechtsgut ist
(vgl. BVerfG, Beschluß vom 12.05.1992 - 2 BvR 470 u. a./90 UPR 1992, 318 - L -).
Landesrechtlich ist von Bedeutung, daß im Hessischen Ausführungsgesetz zum
Bundesjagdgesetz eine dem § 3 Abs. 4 Satz 1 LJG NW vergleichbare Bestimmung
fehlt, wonach Abrundungen von Jagdbezirken auf Antrag eines Beteiligten
aufgehoben oder geändert werden können, soweit ihre Voraussetzungen
nachträglich entfallen sind. Selbst diese Vorschrift läßt erkennen, daß auch das
nordrhein-westfälische Landesjagdrecht nicht von einem automatischen Wegfall
früherer Angliederungen ausgeht, sondern eine solche Maßnahme lediglich einer
an öffentlichen und privaten Interessen ausgerichteten Behördenentscheidung
unterstellt. Ein mit kommunalen Gebietsveränderungen verbundener
Automatismus mit einem unmittelbaren und zwangsläufigen Durchgriff auf
Jagdbezirksgrenzen, auch von Eigenjagdbezirken, könnte in nicht wenigen Fällen
die angemessene Beachtung jagdlicher Belange bei der Veränderung von
Jagdbezirksgrenzen entgegen dem Rechtsgedanken des § 5 Abs. 1 BJG
zurücktreten lassen. Dies spricht dafür, die jeweiligen Grenzänderungsbegehren im
Zusammenhang mit gebietlichen Neugliederungen dem bundes- und
landesrechtlichen Abrundungsrecht zu unterwerfen, das in § 2 Abs. 1 Satz 2 und 3
HAG BJG zusätzliche Anforderungen enthält (vgl. Hess. VGH, Urteil vom
31.08.1993 - 3 UE 3554/89 -).
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Wie eine automatische Angliederung der streitigen Flächen zugunsten der Klägerin
und zu Lasten des forstfiskalischen Eigenjagdbezirks nicht in Betracht kommt, fehlt
es im Rahmen einer Abrundungsentscheidung nach § 5 Abs. 1 BJG i.V.m. § 2 Abs.
1 AGBJG auch an einer entsprechenden Ermessensreduzierung auf Null, die
voraussetzte, daß keine andere behördliche Entscheidung richtig wäre, als die
streitbefangenen Flurstücke dem gemeinschaftlichen Jagdbezirk der Klägerin
anzugliedern.
Der derzeitige Zuschnitt der beiderseitigen Jagdbezirke stellt unter jagdlichen
Gesichtspunkten keinen abrundungsbedürftigen Zustand dar, vielmehr würde ein
solcher bei einem Erfolg des klägerischen Begehrens erst geschaffen. Nach
Gestalt und Beschaffenheit sind beide Jagdbezirke für eine ordnungsgemäße
Ausübung des Jagdrechts nicht ungeeignet. Eine Veränderung der
Grenzgestaltung ist hier nicht geboten. Hierzu hat bereits der Kreisjagdberater K.
für die Stadt und den Kreisteil Kassel in seinem Schreiben vom 27.02.1987 (Bl. 9
BA IV) ausgeführt, daß die streitigen Flächen unabhängig davon, welchem
Jagdbezirk sie angegliedert seien, ohne außergewöhnliche Schwierigkeiten bejagt
werden könnten so daß sich die Rückgliederung mit Erfordernissen der Jagdpflege
und Jagdausübung im engeren Sinne nicht begründen lassen. Angesichts der Lage
und des Zuschnitts der streitbefangenen Flächen und der beiden angrenzenden
Jagdbezirke zueinander ist hier sogar davon auszugehen, daß es unter Beachtung
der Ziele des § 5 Abs. 1 BJG in besonderem Maße angemessen, wenn nicht
erforderlich ist, die Streitflächen beim Eigenjagdbezirk "Koppe/Königsberg" zu
belassen. Hierzu sind insbesondere in dem Schreiben des Hessischen Forstamts
Hessisch Lichtenau vom 19.03.1987 und dem früheren Widerspruchsbescheid vom
30.12.1975 zutreffende Begründungen gegeben worden, auf die verwiesen wer den
kann. Die von der Klägerin gewünschte neue Flächenzuordnung würde hier zu einer
an drei Seiten von Wald bzw. Buschwerk des Eigenjagdbezirks umrandeten
sackartigen Ausbuchtung des klägerischen Jagdbezirks über den die derzeitige
Grenzlinie darstellen den Verbindungsweg Flurstück ... hinaus führen. Die
derzeitige gemeinsame Grenzlinie beider Jagdbezirke in diesem Bereich von etwa
300 m würde nicht unwesentlich auf etwa 1000 m verlängert. Statt einer
begradigten Reviergrenze entlang der Wegeparzelle ... würde die Überbetonung
der eigentumsmäßigen gegenüber der jagdrechtlichen Situation ein Zustand
herbeigeführt, der typischerweise wegen Verspringens der Grenzlinien eine
Abrundung geboten erscheinen ließe (vgl. die zeichnerisch dargestellten Beispiele
bei Leonhardt, Hrsg., Jagdrecht, Kommentar, Stand: 8/1992, § 5 BJG Nr. 11.05, S. 3
oben und S. 4). In dem streitbefangenen Wald-, Feld- und Wiesenbereich würden
bei einer Grenzänderung Einstand- und Äsungsflächen auseinanderfallen und die
waidmännisch unerwünschte Grenzschinderei gefördert. Da durch die Kugel
verletztes Wild dazu neigt, im Wald wieder Schutz zu suchen, entstünden auch
vermeidbare Probleme bei der Nacheile. Angesicht der eingefriedeten
Teichanlagen im Osten entstünden die zuletzt genannten Nachteile allerdings nur
an zwei Waldkanten.
Welche Probleme bei einer Angliederung der Streitflächen an den
gemeinschaftlichen Jagdbezirk der Klägerin zusätzlich entstehen, hat der
Jagdvorsteher B. der Klägerin in seinem Schreiben vom 22.05.1975 (Bl. 22 BA IV)
selbst offengelegt. Er schreibt dort, bei einer Rückgliederung der Streitflächen
könnten klare und begradigte Grenzverhältnisse durch Anpachtung des dann
vorspringenden Streifens des Fichtenhochwaldes geschaffen werden. Diese
Anregung zeigt, daß der Jagdvorsteher selbst die Erfordernisse der Jagdpflege und
Jagdausübung im Sinne des § 5 Abs. 1 WG bei einer bloßen Rückgliederung nicht
als erfüllt ansieht. Darüber hinaus bekundet er in dem genannten Schreiben, es
sei aus Gründen der Jagdpflege sinnvoll, wenn Äsungs- und Einstandsflächen in
einem Jagdbezirk liegen, wenn diese ideale Voraussetzung auch höchst selten in
einem Feldrevier vorhanden sei. Nach alledem entspricht die begehrte
Angliederung nicht den Erfordernissen der Jagdpflege und Jagdausübung im Sinne
des § 5 Abs. 1 BJG, was auch von dem Kreisjagdberater W. in seinem Schreiben
vom 01.04.1975 (Bl. 18 BA IV) bestätigt wird.
Schließlich ist auch des Gebot des § 2 Abs. 1 Satz 2 AGBJG von Bedeutung,
wonach die Gesamtgröße der Jagdbezirke möglichst wenig verändert werden soll.
Eine zu Lasten des forstfiskalischen Eigenjagdbezirks erfolgende Rückgliederung
wäre mit dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift nicht vereinbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO Die
Billigkeit gebietet es nicht, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen für
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Billigkeit gebietet es nicht, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen für
erstattungsfähig zu erklären, zumal er keinen Antrag gestellt und damit gemäß §
154 Abs. 3 VwGO kein Kostenrisiko auf sich genommen hat.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m.
den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO entsprechend.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO
liegen nicht vor.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.