Urteil des HessVGH vom 13.08.1992
VGH Kassel: beförderung, vergleich, quelle, dokumentation, zivilprozessrecht, immaterialgüterrecht, verwaltungsrecht, begriff, stillstand, mitbestimmung
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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
1. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 TG 924/92
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 73 Abs 1 S 1 GemO HE, §
8 Abs 1 BG HE
(Übertragung eines höherbewerteten Dienstpostens an
Gemeindebediensteten als Vorentscheidung für eine
künftige Beförderung - Zuständigkeit des
Gemeindevorstands)
Gründe
Die gemäß §§ 146, 147 VwGO zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das
Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung im
Ergebnis zu Recht abgelehnt.
Allerdings folgt der Senat dem Verwaltungsgericht nicht in der Begründung des mit
der Beschwerde angegriffenen Beschlusses. Das Verwaltungsgericht verkennt den
Begriff der aktuellen Leistungsbewertung. Bei dem Leistungs- und
Entwicklungsvergleich der Antragsgegnerin vom 12. November 1991 handelt es
sich um einen aktuellen Leistungsvergleich, wie ihn der Senat in ständiger
Rechtsprechung vor der Entscheidung über die Besetzung eines höherwertigen
Dienstposten fordert (vgl. u.a. Hess. VGH, NVwZ 1990, 284 = ZBR 1990, 185). In
dem Leistungs- und Entwicklungsvergleich vom 12. November 1991 werden der
berufliche Werdegang sowie die Leistungsentwicklung der Bewerber bis zur letzten
dienstlichen Beurteilung dargestellt und wiedergegeben. Auf dieser Grundlage hat
die Antragsgegnerin sodann die Auswahlentscheidung getroffen. Entgegen der
Auffassung des Verwaltungsgerichts ist es der Antragsgegnerin nicht verwehrt, in
die Auswahlerwägungen neben den letzten, aktuellen Beurteilungen auch
vorangegangene Beurteilungen einzubeziehen. So ist es rechtlich nicht zu
beanstanden, wenn die Antragsgegnerin dem Umstand, daß in der Beurteilung
des Antragstellers vom 23. Januar 1986, betreffend die Zeit vom 1. August 1977
bis 31. August 1981, ausgeführt wird, beim Antragsteller sei im Hinblick auf die
Umstellung auf EDV ein Stillstand in der Weiterentwicklung eingetreten, eine
gewisse Bedeutung für die Besetzung des streitigen Dienstpostens beimißt, zumal
sich auch nicht aus später ergangenen Beurteilungen ergibt, daß der Antragsteller
nunmehr den Umgang mit der EDV beherrscht. Ebensowenig war die
Antragsgegnerin im Rahmen des aktuellen Leistungsvergleichs vom 12. November
1991 gehindert zu berücksichtigen, daß dem Antragsteller in einer früheren
Beurteilung vorgehalten wurde, er vertrete gelegentlich
Unveränderlichkeitstandpunkte. Mit anderen Worten: Durch das Erfordernis
aktueller Beurteilungen im Rahmen eines Leistungsvergleichs wird nicht auch - wie
das Verwaltungsgericht meint - die Berücksichtigung vorangegangener
Beurteilungen und Umstände ausgeschlossen, obwohl der neueren Beurteilung
regelmäßig ein größeres Gewicht beizumessen ist als einer früheren.
Der Senat kann auch nicht der Ansicht des Verwaltungsgerichts folgen, daß die
Aussage der Antragsgegnerin, der Beigeladene sei besser beurteilt, nicht
nachvollziehbar sei. Vielmehr ergibt sich aus einem Vergleich zwischen der
Beurteilung des Antragstellers vom 7. November 1991 und der des Beigeladenen
vom 31. Oktober 1991, daß der Beigeladene jedenfalls im Gesamturteil besser
beurteilt ist als der Antragsteller. Während dem Beigeladenen bescheinigt wird, er
habe die gestellten Anforderungen voll erfüllt und sich für höherwertige Aufgaben
empfohlen, fehlt es an einer solchen Aussage im Gesamturteil über den
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empfohlen, fehlt es an einer solchen Aussage im Gesamturteil über den
Antragsteller. Ihm wird lediglich bestätigt, er habe sich ein erhebliches Fachwissen
in der Bauleitplanung angeeignet und bewältige die ihm gestellten Aufgaben
schnell und selbständig. Letztlich bedarf es aber keiner abschließenden
Entscheidung des Senats, ob die Auswahlentscheidung in der Sache
rechtsfehlerfrei erfolgt ist, da der Beschwerde aus einem anderen Grund der Erfolg
versagt bleiben muß.
Die Entscheidung der Antragsgegnerin, den für Antragsteller und Beigeladenen
höherwertigen Dienstposten eines Kassenverwalters bei der Stadtkasse B mit dem
Beigeladenen zu besetzen, ist deshalb rechtswidrig, weil sie durch den
Bürgermeister ohne Beteiligung des Magistrats der Antragsgegnerin getroffen
worden ist. Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 HGO stellt der Gemeindevorstand die
Gemeindebediensteten an, er befördert und entläßt sie. Vorliegend ist zwar mit
der Besetzung des höherwertigen Dienstpostens noch nicht unmittelbar eine
Beförderung verbunden; eine solche wird aber sozusagen "automatisch" folgen,
wenn sich der Dienstposteninhaber auf dem Dienstposten bewährt hat. Daraus
ergibt sich, daß das eigentliche Auswahlermessen schon bei der Besetzung des
höherwertigen Dienstpostens betätigt wird. Angesichts dessen, daß mit der
Auswahlentscheidung für die Dienstpostenbesetzung praktisch schon die
Beförderungsentscheidung getroffen wird, ist der Gemeindevorstand gemäß § 73
Abs. 1 Satz 1 HGO nicht erst beim tatsächlichen Beförderungsakt zu beteiligen,
sondern bereits bei der für die spätere Beförderung maßgeblichen
Dienstpostenbesetzung (vgl. auch Schlempp, Kommentar zur Hessischen
Gemeindeordnung, § 73 Anm. I, wonach nicht nur bei
Beförderungsentscheidungen, sondern auch bei wichtigen Personalfällen die
Entscheidung beim Gemeindevorstand liegt). Der Senat hat in einem Beschluß
vom 15. Dezember 1987 - 1 TG 3667/87 -, dem ebenfalls ein Streit um die
Besetzung eines höherwertigen Dienstpostens ohne gleichzeitige Beförderung
zugrunde lag, ausgeführt, daß eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über die
Übertragung eines höherwertigen Dienstpostens voraussetze, daß das für die
Personalentscheidung zuständige Organ in die Lage versetzt werden müsse, in
materieller Hinsicht eine selbständige Eignungsbeurteilung hinsichtlich der
Besetzung des höherwertigen Dienstpostens vornehmen zu können. Dies
bedeute, so der Senat, daß in der Beschlußvorlage zumindest sämtliche Bewerber
aufgeführt werden müßten. Grundsätzlich dürfte es auch geboten sein, hinsichtlich
aller Bewerber eine Übersicht über ihre Schul- und Berufsausbildung sowie ihren
beruflichen Werdegang beizufügen. Hinsichtlich der Bewerber, die in die nähere
Wahl kommen, sei zusammenfassend der wesentliche Inhalt zeitnaher dienstlicher
Beurteilungen wiederzugeben, um eine sachgerechte Beurteilung von Eignung,
Befähigung und fachlicher Leistung durch die Mitglieder des zuständigen Organs
zu ermöglichen (vgl. auch Hess. VGH, B. v. 9. August 1990 - 1 TG 2270/90 - u. B. v.
23. Oktober 1987 - 1 TG 2626/87 - jeweils zu der Übertragung von Dienstposten
mit gleichzeitiger Beförderungsentscheidung). Das trifft in vollem Umfang auch im
vorliegenden Fall zu.
Die Richtigkeit der Auffassung, daß die Regelung des § 73 Abs. 1 Satz 1 HGO
bereits für die einer Beförderung vorgeschaltete Übertragung eines höherwertigen
Dienstpostens zu beachten ist mit der Folge, daß der Gemeindevorstand und nicht
der Bürgermeister als Dienstvorgesetzter (vgl. § 73 Abs. 2 Satz 1 HGO) die
Auswahlentscheidung hinsichtlich der Dienstpostenbesetzung zu treffen hat, ergibt
sich auch aus einem Vergleich mit dem Personalvertretungsrecht. Nach § 77 Abs.
1 Nr. 1c HessPersVG (= § 76 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG) bestimmt der Personalrat bei
der Übertragung u.a. einer höher zu bewertenden Tätigkeit an einen Beamten mit.
Der Sinn dieser Regelung ist darin zu sehen, daß mit der Übertragung einer höher
zu bewertenden Tätigkeit bereits eine typische Vorentscheidung für Beförderungen
getroffen wird, die nach § 77 Abs. 1 Nr. 1b HessPersVG (= § 76 Abs. 1 Nr. 2
BPersVG) der Mitbestimmung des Personalrats unterworfen sind (vgl.
Lorenzen/Haas/Schmitt, Bundespersonalvertretungsgesetz, § 76 Rdnr. 37 unter
Hinweis auf BVerwGE 13, 291 sowie BVerwG, PersV 1967, 275). Das
Bundesverwaltungsgericht geht in diesem Zusammenhang davon aus, daß eine
wirksame Ausübung der Rechte der Personalvertretung nur gewährleistet ist, wenn
schon der maßgebliche erste Schritt zu einer Beförderung durch entsprechende
Aufgabenübertragung in gleicher Weise der Beteiligung unterliegt, wie die spätere
Maßnahme selbst (vgl. BVerwG, PersV 1967, 275 f.). Übertragen auf den hier zu
entscheidenden Fall bedeutet dies, daß die alleinige Entscheidungsbefugnis des
Gemeindevorstandes für Beförderungen nach § 73 Abs. 1 Satz 1 HGO nur gewahrt
bleibt, wenn der Gemeindevorstand auch schon bei der Übertragung des
höherwertigen Dienstpostens eingeschaltet wird, selbst wenn die Beförderung erst
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höherwertigen Dienstpostens eingeschaltet wird, selbst wenn die Beförderung erst
nach Ablauf einer Bewährungszeit ausgesprochen werden soll.
Bei Zugrundelegung der zuvor dargelegten Grundsätze ist die
Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin, dem Beigeladenen den Dienstposten
des Kassenleiters der Stadtkasse der Antragsgegnerin zu übertragen, nicht
ordnungsgemäß zustande gekommen, da sie allein vom Bürgermeister der
Antragsgegnerin getroffen wurde. Er allein hat in dem Leistungs- und
Entwicklungsvergleich "festgelegt", den Beigeladenen in die Stadtkasse
umzusetzen, um ihn zum Kassenverwalter zu bestellen. Der Gemeindevorstand ist
mit der Angelegenheit überhaupt nicht befaßt worden. Daraus folgt, daß die
Auswahlentscheidung zugunsten des Beigeladenen rechtswidrig ist, so daß die
Beschwerde der Antragsgegnerin im Ergebnis keinen Erfolg haben kann.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.