Urteil des HessVGH vom 23.12.1987
VGH Kassel: unwirksamkeit der kündigung, anfechtungsklage, arbeitsgericht, zivilprozessrecht, immaterialgüterrecht, verwaltungsrecht, versicherungsrecht, quelle, vorfrage, dokumentation
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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
9. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 TE 3288/86
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 13 Abs 1 S 1 GKG, § 15
SchwbG, § 12 Abs 7 ArbGG,
§ 8 Abs 1 S 1 BRAGebO
(Gegenstandswert bei Anfechtungsklage gegen
Zustimmung der Hauptfürsorgestelle zur Kündigung eines
Schwerbehinderten)
Gründe
I.
Der Bevollmächtigte des Klägers wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die
Festsetzung des Gegenstandswertes in einem Klageverfahren, in dem der Kläger
die Zustimmung des Beklagten als Hauptfürsorgestelle im Sinne des
Schwerbehindertengesetzes zur Kündigung seines Arbeitsverhältnisses durch den
Beigeladenen angefochten hatte.
Mit Beschluß vom 24. November 1986 hatte das Verwaltungsgericht Darmstadt
den Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit auf 4.000,-- DM festgesetzt.
Zur Begründung hatte das Gericht ausgeführt, die Bedeutung der Sache für den
Kläger lasse sich ziffernmäßig nicht konkret bestimmen, so daß der Auffangwert
nach § 13 Abs. 1 Satz 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) anzusetzen sei.
Gegen diesen Beschluß hat der Bevollmächtigte des Klägers am 3. Dezember
1986 schriftlich Beschwerde eingelegt und ausgeführt, als Gegenstandswert sei im
Hinblick auf § 12 Abs. 7 des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG) der Betrag von drei
Monatsgehältern, der sich auf 15.960,-- DM belaufe, festzusetzen.
Das Verwaltungsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Der Kläger ist der
Beschwerde entgegengetreten.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen
auf die Schriftsätze der Beteiligten und den angefochtenen Beschluß des
Verwaltungsgerichts.
II .
Die zulässige Beschwerde des Bevollmächtigten des Klägers ist begründet.
Anstelle des von dem Verwaltungsgericht angenommenen Gegenstandswertes
von 4.000,-- DM ist ein Gegenstandswert in Höhe von 15.960,-- DM festzusetzen.
Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist der Wert des
Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit nach § 10 i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 der
Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) festzusetzen. Nach § 8 Abs.
1 Satz 1 BRAGO bestimmt sich der Gegenstandswert nach den für die
Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften. Die maßgebende Vorschrift ist hier
§ 13 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Danach ist der Wert nach der sich
aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach
Ermessen zu bestimmen.
Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts erschöpft sich das Interesse eines
Schwerbehinderten, der - wie hier - die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle zur
Kündigung seines Arbeitsverhältnisses anficht, nicht darin, daß er eine "soziale
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Kündigung seines Arbeitsverhältnisses anficht, nicht darin, daß er eine "soziale
Komponente" der Kündigung oder eine Vorfrage für einen arbeitsgerichtlichen
Kündigungsschutzprozeß geklärt sehen will; vielmehr will der Schwerbehinderte
erreichen, daß die Zustimmung aufgehoben wird und damit die Kündigung
unwirksam wird.
Hebt das Gericht die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle auf, so wirkt dies auf
den Zeitpunkt des Erlasses des zustimmenden Bescheides zurück. Dies führt
dazu, daß die von dem Arbeitgeber aufgrund des Zustimmungsbescheides
ausgesprochene Kündigung von Anfang an unwirksam ist. Diese Unwirksamkeit
besteht, ohne daß sie in einem arbeitsgerichtlichem Kündigungsschutzprozeß
festgestellt sein muß (vgl. Gröninger/Thomas, Schwerbehindertengesetz, Komm.,
Stand Februar 1987, Rdnr. 24 zu § 15 SchwbG).
Auch dann, wenn der Arbeitgeber trotz der Aufhebung des
Zustimmungsbescheids meint, das Arbeitsverhältnis sei durch die Kündigung
aufgelöst, ist der Schwerbehinderte nicht gezwungen, bei dem Arbeitsgericht die
Feststellung zu beantragen, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht
aufgelöst ist; vielmehr kann der Schwerbehinderte ohne einen solchen
Kündigungsschutzprozeß unmittelbar die sich aus der Unwirksamkeit der
Kündigung ergebenden Ansprüche vor dem Arbeitsgericht geltend machen.
Da mit der verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsklage gegen die Zustimmung der
Hauptfürsorgestelle zur Kündigung eine Entscheidung des Gerichts begehrt wird,
die unmittelbar dazu führt, daß die Kündigung des Arbeitsverhältnisses des
Schwerbehinderten unwirksam ist, ist die Bedeutung dieser Klage für den Kläger
ebenso zu bewerten, wie die einer Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht.
Für die arbeitsgerichtliche Kündigungsschutzklage ist als Streitwert nach § 12 Abs.
7 ArbGG höchstens der Betrag des für die Dauer eines Vierteljahres zu leistenden
Arbeitsentgeltes maßgebend. Da eine solche Bewertung auch hier geboten ist, ist
lediglich zu prüfen, ob Gründe dafür bestehen, einen Wert anzunehmen, der unter
dem Höchstbetrag nach § 12 Abs. 7 ArbGG liegt. Solche Gründe sind hier nicht
ersichtlich, zumal die Kündigung, die der Arbeitgeber mit einem Schreiben vom
12. Oktober 1984 ausgesprochen hatte, bei der Klageerhebung schon etwa sechs
Monate zurücklag. Danach ist es hier angezeigt, einen Wert in Höhe des
Arbeitsentgeltes des Klägers für ein Vierteljahr anzusetzen. Da dieses nach den
glaubhaften Angaben des Bevollmächtigten des Klägers die Summe von 15.960,--
DM erreichte, ist dieser Betrag hier als Gegenstandswert festzusetzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 188 Satz 2 VwGO und § 25 Abs. 3 Satz 2
GKG in entsprechender Anwendung.
Dieser Beschluß ist nach § 10 Abs. 3 Satz 2 BRAGO unanfechtbar.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.