Urteil des HessVGH vom 06.02.1998
VGH Kassel: funktionelle zuständigkeit, beförderung, besoldung, ausbildung, polizei, hessen, landwirtschaft, altersgrenze, naturschutz, zugang
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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
1. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 TZ 3469/97
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 18 BBesG, § 8 Abs 1 BG
HE, § 194 BG HE
(Beförderung im Bereich der hessischen Vollzugspolizei:
Zuständigkeit für Dienstpostenbewertung;
Bewerberauswahl; Verbot der Beförderung)
Gründe
Der Antrag des Antragsgegners auf Zulassung der Beschwerde gegen den
Beschluß des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 8. September 1997 hat keinen
Erfolg. Die Voraussetzungen der vom Antragsgegner geltend gemachten
Zulassungsgründe liegen nicht vor. Weder kommt der Rechtssache grundsätzliche
Bedeutung zu, noch hat der Senat ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der
erstinstanzlichen Entscheidung (§§ 146 Abs. 4, 124 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO).
Eine Zulassung der Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der
Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) kommt nicht in Betracht. Die vom
Antragsgegner aufgeworfene Rechtsfrage,
ob der Regierungspräsident in D für die (nicht normative) Bewertung von
Dienstposten im Bereich der Polizei funktionell zuständig war,
erscheint zwar im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung
klärungsbedürftig, da sie in der Rechtsprechung des Senats noch nicht
abschließend geklärt ist und von den Verwaltungsgerichten unterschiedlich
beurteilt wird (vgl. einerseits den angefochtenen Beschluß des Verwaltungsgerichts
Darmstadt vom 8. September 1997, andererseits VG Gießen, Beschluß vom 16.
Dezember 1997 - 5 G 654/97 (1) -). Die Frage der funktionellen Zuständigkeit des
Regierungspräsidenten wäre jedoch in einem Beschwerdeverfahren nicht
entscheidungserheblich; denn die streitgegenständliche, die Vergabe von
insgesamt 55 Beförderungsplanstellen der Besoldungsgruppe A 11 BBesO
betreffende Auswahlentscheidung zu Lasten des Antragstellers erweist sich aus
anderen Gründen als rechtsfehlerhaft, so daß das Verwaltungsgericht dem
Antragsgegner im Ergebnis zu Recht im Wege der einstweiligen Anordnung
untersagt hat, die Beigeladenen vor Durchführung eines erneuten
Auswahlverfahrens bei der Beförderung zum Polizeihauptkommissar dem
Antragsteller vorzuziehen. Die Beschwerde des Antragsgegners wäre daher selbst
dann zurückzuweisen, wenn der Senat entsprechend der vom Verwaltungsgericht
Gießen vertretenen Ansicht von der Zuständigkeit des Regierungspräsidenten für
die mit der Stellenzuweisung verbundene Dienstpostenbewertung ausgehen
würde.
Die zugunsten des Beigeladenen zu 1. getroffene Auswahlentscheidung verletzt
den Antragsteller in seinem von Art. 33 Abs. 2 GG, Art. 134 HV, § 8 Abs. 1
Hessisches Beamtengesetz (HBG) gewährleisteten grundrechtsgleichen Recht auf
(chancen-)gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Maßgabe von
Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung (vgl. zum Inhalt des sogenannten
Bewerbungsverfahrensanspruchs: BVerfG, Beschluß vom 19. September 1989,
DVBl. 1989, 1247; Hess.StGH, Urteil vom 13. Mai 1992, ESVGH 43, 1; Beschluß
des Senats vom 26. Oktober 1993 - 1 TG 1585/93 -, DVBl. 1994, 593, m.w.N.), weil
der Beigeladene zu 1. aus Altersgründen nicht mehr befördert werden darf. Das
Verbot der Beförderung innerhalb eines Jahres vor Erreichen der Altersgrenze (§ 12
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Verbot der Beförderung innerhalb eines Jahres vor Erreichen der Altersgrenze (§ 12
Abs. 4 der Verordnung über die Laufbahnen des Hessischen
Polizeivollzugsdienstes - HPolLVO - vom 18. Juli 1996, GVBl. I S. 326) greift ein, weil
der Beigeladene zu 1. am 30. November 1998 das gemäß § 194 HBG maßgebliche
60. Lebensjahr vollendet. Die Voraussetzungen einer Ausnahmegenehmigung
aufgrund des Erlasses des Hessischen Ministeriums des Innern und für
Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz vom 10. April 1997 (I B 1 - 8 d 05 -
05.3.2/05.3.3, StAnz. 1997, 1298), die kumulativ zu erfüllen sind, liegen in seiner
Person nicht vollständig vor, weil die Frist von einem Jahr bis zum Erreichen der
Altersgrenze im Zeitpunkt des möglichen Wirksamwerdens der Beförderung am 1.
Juli 1997 noch nicht unterschritten war.
Auch die zugunsten des Beigeladenen zu 2. getroffene Entscheidung hält
gerichtlicher Überprüfung nicht stand.
Bedenken bestehen bereits gegen die Verfahrensweise der schematischen
Umrechnung von Leistungs- und Persönlichkeitsmerkmalen der dienstlichen
Beurteilung in eine Gesamtpunktzahl ohne Rücksicht auf ihr inhaltliches Gewicht
(vgl. dazu ausführlich Beschlüsse des Senats vom 29. Oktober 1996 - 1 TG
2729/97 -, IÖD 1997, 125 sowie vom 16. September 1997 - 1 TZ 2551, 2552 und
2609/97 -).
Darüber hinaus hat der Antragsgegner den dienstlichen Werdegang der Bewerber,
soweit dieser für die Auswahlentscheidung bedeutsam ist, nicht erkennbar in seine
Erwägungen einbezogen. Der Antragsteller hat nach Absolvierung einer
mehrjährigen Ausbildung erfolgreich die II. Fachprüfung abgelegt. Er hat die
Befähigung für den gehobenen Dienst seiner Laufbahn erworben und ist nach
Leistungsgesichtspunkten zum Polizeioberkommissar befördert worden, während
die Beförderung des Beigeladenen zu 2. im Wege der Überleitung nicht auf einer
Auswahl nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung, sondern auf einer
Entscheidung des Landesgesetzgebers beruhte (vgl. dazu Beschluß des Senats
vom 28. November 1995 - 1 TG 1633/95 -). Der Senat hat wiederholt entschieden,
daß der Dienstherr verpflichtet ist, in seine Auswahlerwägungen die Tatsache
einzubeziehen, daß ein Beamter des gehobenen Dienstes, der die II. Fachprüfung
abgelegt hat, seine Eignung für Ämter dieser Laufbahn nach umfassender
Ausbildung durch entsprechende Leistungen nachgewiesen hat (vgl. Beschlüsse
des Senats vom 4. September 1996 - 1 TG 1768/96 - und vom 29. Oktober 1996
a.a.O.).
Schließlich hat das Verwaltungsgericht - wenn auch außerhalb der seine
Entscheidung tragenden Gründe - zu Recht darauf hingewiesen, daß die der
Auswahlentscheidung zugrundeliegenden aktuellen dienstlichen Beurteilungen
über den Antragsteller und die Beigeladenen nicht miteinander vergleichbar sind.
Die dem Beigeladenen zu 2. erteilte Beurteilung vom 22. Oktober 1996 enthält im
Gegensatz zu derjenigen des Antragstellers, der im Beurteilungszeitraum als
Dienstgruppenleiter tätig war, zu den Merkmalen der Führungskompetenz (Ziffer
2.3) keine Aussagen, weil eine Bewertung mangels Wahrnehmung entsprechender
Aufgaben nicht möglich war. Damit fehlt es an einem einheitlichen
Bewertungsmaßstab für die von den Beteiligten in den Aufgabenbereichen ihrer
jeweiligen Dienstposten erbrachten dienstlichen Leistungen. Die
Auswahlentscheidung zugunsten des Beigeladenen zu 2. ist aus den dargelegten
Gründen insgesamt nicht nachvollziehbar.
Die angefochtene erstinstanzliche Entscheidung wäre daher in einem
Beschwerdeverfahren jedenfalls im Ergebnis zu bestätigen. Aus diesem Grunde
bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an ihrer Richtigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO).
Aus gegebenem Anlaß weist der Senat im Interesse der Vermeidung eines
möglichen weiteren Verwaltungsstreitverfahrens zur Klärung der vom
Antragsgegner aufgeworfenen Rechtsfrage auf folgendes hin:
Unstreitig dürfte sein, daß die funktionelle Zuständigkeit für die Bewertung von
Dienstposten, d.h. für ihre Zuordnung zu Ämtern einer bestimmten
Besoldungsgruppe, soweit sie nicht normativ geregelt ist, unter der Geltung des
Grundsatzes der funktionsgerechten Besoldung (§ 18 Bundesbesoldungsgesetz -
BBesG -) grundsätzlich bei der obersten Behörde des Dienstherrn liegt, in deren
Dienstbereich der Beamte ein Amt innehat (vgl. § 4 Abs. 1 HBG; vgl. BVerwG,
Urteil vom 28. November 1991, DÖV 1992, 495 = ZBR 1992, 176). Nicht
zweifelhaft ist ferner, daß diese Befugnis im Rahmen der weitreichenden
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zweifelhaft ist ferner, daß diese Befugnis im Rahmen der weitreichenden
organisatorischen Gestaltungsbefugnis des Dienstherrn auf nachgeordnete
Behörden übertragen werden kann (vgl. Beschluß des Senats vom 16. September
1997 - 1 TG 2069/97 -). Die Zuständigkeitsregelung des § 8 a Hessisches
Besoldungsgesetz (HBesG) steht dem schon deshalb nicht entgegen, weil sie sich
ausschließlich auf die in Satz 1 der Vorschrift genannten Befugnisse im
Zusammenhang mit der Besoldung der Richter und Beamten bezieht. Für die
Dienstpostenbewertung besteht im Land Hessen keine ausdrückliche normative
Regelung.
Es kann dahinstehen, ob die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts Gießen
(a.a.O.) zutrifft, nach der eine wirksame Übertragung der Zuständigkeit für die
Dienstpostenbewertung kraft Sachzusammenhangs aus der Regelung über die
Ernennungskompetenz in § 1 Nr. 1 der Anordnung über die Zuständigkeit in
Personalangelegenheiten im Bereich der Polizei vom 22. November 1973 (GVBl. I
S. 459) in der Fassung der Anordnung vom 23. April 1992 (GVBl. I S. 2039)
herzuleiten ist. Nach Auffassung des Senats dürfte das Hessische Ministerium des
Innern und für Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz als oberste Dienstbehörde
den Regierungspräsidenten jedenfalls durch die konkrete Stellenzuweisung, die
nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts mit der ausdrücklichen Maßgabe
versehen war, vorhandene Planstellen der Besoldungsgruppe A 10 im Bereich der
Schutzpolizei in solche der Besoldungsgruppen A 11 umzuwandeln, wirksam dazu
ermächtigt haben, die für eine Anhebung in Betracht kommenden Dienstposten
unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben - insbesondere auch des
Gleichbehandlungsgebotes - auszuwählen. Zugleich wird nirgends erkennbar, daß
das Ministerium sich im Hinblick auf die mit der Zuweisung verbundene
Dienstpostenbewertung ein eigenes Entscheidungsrecht vorbehalten wollte. Davon
zu trennen ist die Frage, ob und in welchem Umfang das Ministerium als oberste
Dienstbehörde verpflichtet ist, Vorgaben zur Gewährleistung einer
landeseinheitlichen Dienstpostenbewertung zu machen.
In Anbetracht des verhältnismäßig weiten Spielraums des Dienstherrn im Bereich
haushaltsrechtlicher und organisatorischer Maßnahmen beschränkt sich die
gerichtliche Überprüfung insoweit grundsätzlich auf eine Mißbrauchskontrolle, also
darauf, ob der Grundsatz der funktionsgerechten Besoldung durch eine verdeckte
Personalentscheidung zu Lasten des antragstellenden Beamten in sachwidriger
Weise verletzt worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Juli 1992, ZBR 1992, 374
m.w.N.; Beschlüsse des Senats vom 10. Dezember 1996 - 1 TG 2817/96 - und
vom 25. Februar 1997 - 1 TG 4061/96 -, IÖD 1997, 219). Der Senat hätte aus den
vom Verwaltungsgericht zutreffend dargelegten Gründen (S. 11 bis 12 des
Beschlußabdrucks) unter Zugrundelegung des durch § 18 BBesG gebotenen
Maßstabs eine Dienstpostenbewertung als sachwidrig beanstandet, die zu dem
Ergebnis führt, daß der stellvertretende Dienstgruppenleiter einer
Polizeiautobahnstation, nicht aber der Dienstgruppenleiter nach
Besoldungsgruppe A 11 befördert wird.
Da der Antrag auf Zulassung der Beschwerde erfolglos bleibt, hat der
Antragsgegner gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Antragsverfahrens zu
tragen. Zu einer Billigkeitsentscheidung hinsichtlich außergerichtlicher Kosten der
Beigeladenen nach § 162 Abs. 3 VwGO bestand kein Anlaß, da die Beigeladenen
keine Anträge gestellt und somit kein Kostenrisiko übernommen haben (vgl. § 154
Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 14 Abs. 1 und 3, 13 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4
Sätze 1 a und 2, 20 Abs. 3 GKG. Nach § 14 Abs. 3 GKG ist der in einem
Rechtsmittelverfahren anzusetzende Streitwert maßgeblich. Der Senat hätte den
Streitwert im Beschwerdeverfahren ebenso berechnet wie das Verwaltungsgericht
in dem angefochtenen Beschluß.
Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.