Urteil des HessVGH vom 09.12.1999
VGH Kassel: eugh, sicherheit, quelle, zivilprozessrecht, immaterialgüterrecht, beschwerdeinstanz, verwaltungsrecht, versicherungsrecht, erhaltung, erfüllung
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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
12. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 TZ 1615/99
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
Art 3 EWGAssRBes 3/80
(EWGAssRBes 3/80 Art 3 Abs 1 vermittelt kein
Aufenthaltsrecht)
Gründe
Der Antrag ist zulässig (§ 146 Abs. 5 VwGO), aber nicht begründet; denn mit ihm
ist ein Grund, der gemäß § 146 Abs. 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 VwGO die Zulassung der
Beschwerde rechtfertigen kann, nicht dargetan.
Der Rechtssache kommt die ihr mit dem Zulassungsantrag beigelegte
grundsätzliche Bedeutung nicht zu. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 146
Abs. 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat eine Rechtsstreitigkeit nur dann, wenn
sie eine rechtliche oder eine tatsächliche Frage aufwirft, die für die
Beschwerdeinstanz entscheidungserheblich ist und über den Einzelfall hinaus im
Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung einer Klärung bedarf (ebenso für
das Asylverfahren BVerwG, 31.07.1984 -- 9 C 46.84 --, BVerwGE 70, 24 = EZAR
633 Nr. 9; Hess. VGH, 27.12.1982 -- X TE 29/82 --, EZAR 633 Nr. 4 = NVwZ 1983,
237; Hess. VGH, 14.10.1987 -- 12 TE 1770/84 --, EZAR 633 Nr. 13). Die Rechts-
oder Tatsachenfrage muss allgemein klärungsbedürftig sein und nach Zulassung
der Beschwerde anhand des zugrundeliegenden Falls mittels
verallgemeinerungsfähiger Aussagen geklärt werden können.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers bedarf es zur Klärung der Frage, ob
sich aus der Inländergleichbehandlungsklausel der Art. 3 Abs. 1, Art. 15 ARB Nr.
3/80 i. V. m. Art. 52 ff. EWG -- VO Nr. 1408/71 ein Aufenthaltsrecht für einen
türkischen Staatsangehörigen ableiten lässt, nicht der Durchführung eines
Beschwerdeverfahrens. Diese Frage lässt sich nämlich anhand der einschlägigen
Bestimmungen bereits beantworten. Schon aus dem Wortlaut des Art. 3 Abs. 1
ARB Nr. 3/80 ergibt sich, dass sich daraus ein Aufenthaltsrecht nicht ableiten lässt.
Diese Norm, die unmittelbar zu Gunsten türkischer Staatsangehöriger anwendbar
ist (vgl. EuGH, 04.05.1999 -- C -- 262/96 --, EZAR 816 Nr. 2 = InfAuslR 1999, 324),
stellt das Verbot auf, Personen, die im Gebiet eines Mitgliedstaates wohnen und
für die dieser Beschluss gilt, aus Gründen der Staatsangehörigkeit zu
diskriminieren. Wenn aber schon als Tatbestandsvoraussetzung des Art. 3 Abs. 1
ARB Nr. 3/80 das Wohnen im Gebiet eines Mitgliedstaates verlangt wird, kann auf
der anderen Seite aufgrund der Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen nicht ein
entsprechendes Aufenthaltsrecht erst abgeleitet werden, d. h., Art. 3 Abs. 1 ARB
Nr. 3/80 setzt damit ein entsprechendes Aufenthaltsrecht des türkischen
Staatsangehörigen, das zum Wohnen im Gebiet eines Mitgliedsstaates berechtigt,
voraus. Der türkische Staatsangehörige muss sich daher rechtmäßig im
Mitgliedsstaat aufhalten (EuGH, 04.05.1999, a.a.O., Rdnr. 98). Dies unterscheidet
diese Norm von Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 für den anerkannt ist, dass er beim
Vorliegen der Voraussetzungen ein Aufenthaltsrecht vermittelt. Von dem sich aus
Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 ergebenden Recht auf Beschäftigung kann der türkische
Staatsangehörige unter anderem nur dann Gebrauch machen, wenn er über das
entsprechende Aufenthaltsrecht, das nicht Voraussetzung dieser Norm ist,
verfügt.
Hinzu kommt, dass der ARB Nr. 3/80 für alle Rechtsvorschriften über Zweige der
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Hinzu kommt, dass der ARB Nr. 3/80 für alle Rechtsvorschriften über Zweige der
sozialen Sicherheit gilt und die Sozialrechtsansprüche türkischer
Staatsangehöriger koordiniert (Sievering, Soziale Rechte von Türken nach dem
ARB Nr. 3/80 in Barwig u.a., Sozialer Schutz von Ausländern in Deutschland, S.
113, 116). Er bezweckt damit, die Gewährung der Leistungen der sozialen
Sicherheit für die türkischen Wanderarbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft
sicherzustellen (EuGH, 04.05.1999, a. a. O., Rdnr. 71), d. h., es geht mit diesem
Beschluss um die Erhaltung der sozialen Sicherung türkischer Arbeitnehmer, wobei
dies durch entsprechende Geldzahlungen erfolgt. Darüber hinaus ergibt sich aus
Art. 6 ARB Nr. 3/80, dass für bestimmte Geldleistungen, etwa der hier relevanten
Unfallrente, die Wohnortklausel unter bestimmten Voraussetzungen aufgehoben
ist, so dass es insoweit zur Wahrung der Rechte aus diesem Beschluss nicht
erforderlich ist, im Bundesgebiet ein Aufenthaltsrecht zu haben.
Aus alledem ergibt sich, dass sich entgegen der Auffassung des Antragstellers aus
der Nichtberücksichtigung des Umstandes, dass der Antragsteller eine Unfallrente
bezieht, keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen
Entscheidung ableiten lassen.
Aus welchem Grund die vom Antragsteller für geboten gehaltene Vorlage gemäß
Art. 77 des EG-Vertrages an den EuGH die Zulassung der Beschwerde wegen
grundsätzlicher Bedeutung rechtfertigen soll, ist nicht dargelegt worden.
Die Entscheidungen über die Kosten und den Streitwert des Antragsverfahrens
beruhen auf § 154 Abs. 1 VwGO und §§ 13 Abs. 1, 14 Abs. 3 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.