Urteil des HessVGH vom 06.05.1993

VGH Kassel: landesverwaltung, landrat, erfüllung, verwaltungsbehörde, kreis, verfügung, sachliche zuständigkeit, ausnahme, anforderung, hessen

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
6. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 UE 1871/90
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 104a GG, § 57 S 3
LKreisO HE, § 79 Nr 4 SOG
HE, Art 137 Abs 5 S 1 Verf
HE, § 1 Abs 1 FinAusglG HE
1977
(Heranziehung von Kreisbediensteten zur Wahrnehmung
von Aufgaben des Landrates als Behörde der
Landesverwaltung - Kostenerstattung)
Tatbestand
Am 13. März 1985 erließ der Landrat des Kreises in seiner Eigenschaft als Behörde
der allgemeinen Landesverwaltung - nach Anhörung des Klägers - einen
Anforderungsbescheid, mit dem er einen Verwaltungsangestellten des
Kreisausschusses mit Wirkung vom 1. Mai 1985 für das Sachgebiet "Kfz.-
Zulassung" in der Verkehrsabteilung zur Erfüllung seiner Aufgaben als Behörde der
Landesverwaltung heranzog. Der Anforderungsbescheid ist gestützt auf § 56 Abs.
1 Satz 2 und Abs. 2 der Hessischen Landkreisordnung (HKO) in Verbindung mit § 1
Abs. 1 und 2 der dazu erlassenen Durchführungsverordnung. Die Heranziehung sei
deshalb erforderlich, weil durch das Ausscheiden von Frau W. die Erledigung der
Aufgaben, die dem Landrat als Behörde der Landesverwaltung oblägen, nicht
mehr gewährleistet sei. Aufgrund des Anforderungsbescheides wurde eine
Kreisbedienstete für die Kfz.- Zulassungsbehörde in abgestellt, welche die besagte
Position immer noch innehat.
Gegen den mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheid vom 13. März
1985 legte der Kläger am 22. März 1985 beim Regierungspräsidenten in
Widerspruch ein, den er wie folgt begründete: Gemäß § 56 Abs. 1 HKO sei das
Land verpflichtet, für die Wahrnehmung der Aufgaben, die dem Landrat als
Behörde der Landesverwaltung oblägen, diesem die erforderlichen Kräfte
beizugeben. Trotz wiederholter Anforderung habe das Land Hessen jedoch seit
vielen Jahren kein ausreichendes Personal zur Verfügung gestellt. Zur Zeit stünden
dem M -Kreis insgesamt 32 Planstellen des Landes zur Verfügung. Dem stünden
43 Planstellen gegenüber, die vom Kreistag des M -Kreises bereitgestellt worden
seien. Dies bedeute, daß zur Erfüllung der Aufgaben des Landes Hessen 57 % der
Mitarbeiter bzw. der Personalkosten derzeit vom Kläger übernommen würden. Das
Regel-Ausnahme-Verhältnis, von dem § 56 HKO und die dazu erlassene
Durchführungsverordnung ausgingen, werde damit nicht gewahrt. Der Kläger sei
schließlich auch wegen der Haltung des Landes Hessen in einem Prozeß wegen
Amtspflichtverletzung, in dem die Passivlegitimation des beklagten Landes
erfolgreich bestritten worden sei, zu Zugeständnissen nicht mehr bereit.
Der Regierungspräsident in wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom
13. Juni 1985, zugestellt am 19. Juni 1985, zurück. Zur Begründung führte er aus:
Satz 1 und Satz 2 des § 56 Abs. 1 HKO stünden nicht im Verhältnis von Regel und
Ausnahme. Beide Grundsätze beträfen vielmehr unterschiedliche Sachverhalte
und stünden deshalb gleichberechtigt nebeneinander. Nach § 1
Durchführungsverordnung (DVO) zu § 56 HKO könne der Landrat Angestellte des
Kreises in unbegrenztem Umfang heranziehen, soweit dies zur Erfüllung seiner
Aufgaben als Behörde der Landesverwaltung erforderlich sei. Die Notwendigkeit
der Heranziehung eines Kreisbediensteten habe der Landrat im vorliegenden Fall
ausreichend begründet, indem er darauf hingewiesen habe, daß durch das
Ausscheiden einer Mitarbeiterin die Erledigung der in der Verkehrsabteilung H
wahrgenommenen staatlichen Aufgaben nicht mehr gewährleistet sei. Mit Bericht
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wahrgenommenen staatlichen Aufgaben nicht mehr gewährleistet sei. Mit Bericht
vom 30. Mai 1985 habe der Landrat ergänzend mitgeteilt, daß er nicht in der Lage
sei, aus anderen Bereichen der Landesverwaltung Kreisbedienstete im Wege der
Umsetzung für die Kfz.-Zulassungsstelle zur Verfügung zu stellen. Dies habe zur
Folge, daß wichtige und unaufschiebbare Maßnahmen nicht rechtzeitig
durchgeführt werden könnten und dadurch möglicherweise
Amtshaftungsansprüche in Millionenhöhe entstünden. Um so mehr sei der Landrat
gehalten, Bedienstete des Kreises heranzuziehen. Schließlich bestehe zwischen
der Haltung des Landes in dem vom Kläger in Bezug genommenen
Amtshaftungsprozeß und der hier zu entscheidenden Frage kein rechtlich
relevanter Zusammenhang.
Der Kläger hat daraufhin am 19. Juli 1985 Klage erhoben und diese wie folgt
begründet: Der angefochtene Bescheid sei in mehrfacher Hinsicht rechtswidrig.
Zunächst fehle ihm bereits die notwendige Bestimmtheit, weil weder die in der
Zulassungsstelle zu besetzende Planstelle noch der Name des heranzuziehenden
Kreisangestellten genannt seien. Außerdem habe der Beklagte den ihm durch § 56
Abs. 1 Satz 2 HKO eingeräumten Ermessensspielraum erkennbar nicht genutzt.
Insbesondere sei offenkundig nicht geprüft worden, ob der Beklagte in der Lage
gewesen sei, durch die Bereitstellung von Landesbediensteten dem Landrat die
Wahrnehmung seiner gesetzlichen Aufgaben zu ermöglichen. Der
Anforderungsbescheid sei ferner deshalb rechtswidrig, weil das Regel- Ausnahme-
Verhältnis in § 56 HKO verkannt werde. Aufbau und Wortlaut des § 56 HKO
sprächen dafür, daß in erster Linie der Beklagte dem Landrat die erforderlichen
Kräfte beizugeben habe. Lediglich ausnahmsweise und in Notfällen könne der
Landrat Angestellte des Landkreises vorübergehend heranziehen. Entgegen dieser
klaren gesetzlichen Regelung habe sich in der Praxis ergeben, daß der Beklagte
praktisch nur die Beamten und die Landkreise die Angestellten stellten. Die
derzeitige Aufteilung der Planstellen (63,4 % Kreis; 36,6 % Land) führe zu einer
nicht im Einklang mit dem Gesetz stehenden Verschiebung der Kostenbelastung
zuungunsten der Kreise. Die entstehenden Personalkosten seien auch nicht in der
allgemeinen Schlüsselzuweisung nach §§ 16 ff. des Finanzausgleichsgesetzes
(FAG) enthalten. Das beklagte Land wälze jedoch nicht nur die Kosten der
landrätlichen (Landes-) Verwaltung auf die Kreise ab, sondern bestreite neuerdings
auch die Haftung in Schadensfällen, die von Kreisbediensteten bei der
Wahrnehmung von Aufgaben der allgemeinen Landesverwaltung verursacht
worden seien. Insoweit bestehe durchaus ein Zusammenhang mit dem in Bezug
genommenen Amtshaftungsprozeß. Der Beklagte könne für den Bereich der
allgemeinen Landesverwaltung auf Kreisebene nicht lediglich ein Drittel der
Beschäftigten stellen und für zwei Drittel der Beschäftigten dann noch die Haftung
ablehnen. Damit werde der Beklagte seiner zwingenden gesetzlichen Verpflichtung
aus § 56 Abs. 1 Satz 1 HKO nicht gerecht.
Der Kläger hat beantragt,
den Anforderungsbescheid vom 13. März 1985 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 1985 aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat er im wesentlichen ausgeführt: Dem angefochtenen Bescheid
mangele es nicht an der erforderlichen Bestimmtheit, weil er sowohl das zu
besetzende Sachgebiet als auch indirekt - durch Nennung des Namens der
ausscheidenden Angestellten - die zu besetzende Planstelle bezeichne. Die
Benennung eines bestimmten Kreisangestellten unterliege der Organisations- und
Dispositionsfreiheit des Kreises. Auch habe der Beklagte den ihm eingeräumten
Ermessensspielraum ausgenutzt. Es sei geprüft worden, ob durch die
Bereitstellung von Stellen aus dem Geschäftsbereich des Regierungspräsidenten
die landrätliche Personalausstattung verstärkt werden könne. Dies sei jedoch an
der generell knappen Personalausstattung im Bereich der hessischen
Landesverwaltung gescheitert. Die knappe Personalausstattung der
Hauptabteilung "Allgemeine Landesverwaltung" beim Kläger werde nicht bestritten.
Die derzeitige Besetzung und Aufteilung (21 Planstellen mit Landesbeamten, 39
Planstellen mit Kreisbediensteten, 5 weitere Planstellen gegen Kostenerstattung
mit Kreisbediensteten besetzt) stehe nicht im Widerspruch zur Gesetzeslage und
bedeute auch keinen unzulässigen Eingriff in das kommunale
Selbstverwaltungsrecht. Zwar sei in den einschlägigen Vorschriften des FAG keine
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Selbstverwaltungsrecht. Zwar sei in den einschlägigen Vorschriften des FAG keine
spezielle Deckung für die den Kreisen durch die Heranziehung ihrer Bediensteten
zu Aufgaben der allgemeinen Landesverwaltung entstehenden Kosten
vorgesehen, diese würden jedoch durch die Schlüsselzuweisungen nach §§ 16 ff.
FAG und durch die Überlassung der anfallenden Verwaltungsgebühren abgegolten.
Schließlich hat der Beklagte unter ausdrücklicher Bezugnahme auf seine
entsprechenden Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid die Auffassung
bekräftigt, daß die Sätze 1 und 2 des § 56 Abs. 1 HKO nicht in einem Verhältnis
von Regel und Ausnahme stünden.
Durch Urteil vom 23. Februar 1990 hat das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main
der Klage stattgegeben und den Anforderungsbescheid vom 13. März 1985 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 1985 aufgehoben. Zur
Begründung hat das Gericht ausgeführt: Die angefochtenen Bescheide seien
aufzuheben, weil sie rechtswidrig seien und den Kläger in seinen Rechten
verletzten.
Rechtsgrundlage für die Heranziehung eines Kreisbediensteten sei § 56 HKO i.V.m.
der hierzu erlassenen Verordnung über die Heranziehung von Bediensteten und
die Bereitstellung von Einrichtungen des Landkreises für die Aufgaben des
Landrats als Behörde der Landesverwaltung vom 25. Februar 1954 - DVO zu § 56
HKO - (GVBl. S. 29). Nach § 1 der genannten Verordnung könne der Landrat die
zur Erfüllung seiner Aufgaben als Behörde der Landesverwaltung notwendigen
Angestellten des Landkreises heranziehen. Das gelte allerdings nicht für die
Landespolizei.Eine Heranziehung von Kreisbediensteten für das Aufgabengebiet
"Kfz.-Zulassung" sei nach der DVO zu § 56 HKO zulässig, weil nach dem
Rechtszustand im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung unter dem Begriff
"Landespolizei" nur die Polizeibehörden und Beamten des Polizeivollzugsdienstes
zu verstehen gewesen seien. Die DVO zu § 56 HKO biete damit grundsätzlich eine
Handhabe, zur Erfüllung von Aufgaben im Bereich der Kfz.-Zulassung
Kreisangestellte heranzuziehen. Es bestünden jedoch bereits Bedenken
hinsichtlich der inhaltlichen Bestimmtheit des angefochtenen Verwaltungsaktes.
Zwar sei es entgegen der Auffassung des Klägers nicht zwingend erforderlich, den
Namen des heranzuziehenden Kreisangestellten zu nennen. Es sei jedoch
zweifelhaft, ob die im Anforderungsbescheid genannten Kriterien ausreichten,
einen für die konkrete Tätigkeit qualifizierten Mitarbeiter des Landkreises zu
bestimmen und zur Verfügung zu stellen. Im Bescheid sei nur der Name der
ausscheidenden Mitarbeiterin genannt. Es fehlten jegliche Angaben über die zu
besetzende Stelle und damit für den Landkreis auch die Möglichkeit, einen der
Besoldungsgruppe entsprechenden Verwaltungsangestellten auszuwählen.
Einer abschließenden Klärung dieser Frage bedürfe es indessen nicht, denn die
Ermessensentscheidung des Beklagten genüge nicht den gesetzlichen
Erfordernissen. Der Beklagte habe bei seiner Ermessensentscheidung wesentliche
Gesichtspunkte unberücksichtigt gelassen. So sei nicht geprüft worden, ob die frei
gewordene Stelle in der Kfz.-Zulassungsbehörde des Main-Taunus-Kreises mit
Landesbediensteten und damit mit eigenen Kräften des Beklagten habe besetzt
werden können. Der Ausgangsbescheid enthalte hierzu keinerlei Angaben. Der
Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 1985 verweise lediglich auf einen Bericht des
Landrats vom 30. Mai 1985, wonach dieser nicht in der Lage sei, aus anderen
Bereichen der Landesverwaltung Kreisbedienstete zur Verfügung zu stellen. Wenn
im Widerspruchsbescheid davon die Rede sei, daß die prekäre personelle Situation
im Bereich der Landesverwaltung beim Landrat des -Kreises auch dem
Regierungspräsidenten aus eigener Anschauung bekannt sei, der Landrat um so
mehr gehalten sei, Bedienstete des Kreises heranzuziehen, so offenbare dies ein
Verständnis des § 56 HKO, das dem Gesetz nicht gerecht werde. § 56 HKO gehe
von dem Grundsatz aus, daß das Land für die Wahrnehmung der Aufgaben, die
dem Landrat als Behörde der Landesverwaltung oblägen, diesem die
erforderlichen Kräfte beizugeben habe. Satz 2 dieser Vorschrift eröffne die
Möglichkeit, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, daß der Landrat zur Erfüllung
dieser Aufgaben Bedienstete des Landkreises heranziehen könne. Daß dies nicht
die Regel sein könne, werde durch den mit Änderungsgesetz vom 20. Juli 1977 neu
angefügten Satz 4 des § 56 HKO deutlich, wonach Kreisbedienstete mit
Zustimmung des Kreisausschusses und der Landesbehörde auch beim Landrat als
Behörde der Landesverwaltung beschäftigt werden könnten. Diese an die
Zustimmung des Kreisausschusses gebundene Verfahrensweise müsse im
wesentlichen leerlaufen, wenn § 56 Abs. 1 Satz 2 HKO eine Heranziehung und
Beschäftigung von Kreisbediensteten in der staatlichen Verwaltung regelmäßig
ermögliche. Wenn die Heranziehung von Kreisbediensteten für staatliche Aufgaben
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ermögliche. Wenn die Heranziehung von Kreisbediensteten für staatliche Aufgaben
also nicht die Regel sein könne, dann sei dieser Umstand bei der
Ermessensentscheidung zu berücksichtigen gewesen. Die angefochtenen
Entscheidungen ließen jedoch Überlegungen dahingehend, daß die Heranziehung
von Kreisangestellten nur vorübergehend zur Überbrückung einer bestehenden
Mangellage in Betracht zu ziehen sei, vermissen. Eine zeitliche Begrenzung der
getroffenen Regelung sei offensichtlich nicht ins Auge gefaßt und wohl auch nicht
gewollt worden.
Der Beklagte hat gegen das ihm am 21. Mai 1990 zugestellte Urteil fristgerecht
Berufung eingelegt und diese wie folgt begründet: Entgegen den Zweifeln, die das
Verwaltungsgericht geäußert habe, sei der angefochtene Anforderungsbescheid
vom 13. März 1985 inhaltlich hinreichend bestimmt. Maßgebend sei, wie der
Betroffene die Erklärung unter Berücksichtigung der ihm bekannten oder
erkennbaren Umstände bei objektiver Auslegung habe verstehen müssen. Durch
die Nennung des Namens der in der Verkehrsabteilung, Sachgebiet "Kfz.-
Zulassung", zu ersetzenden Mitarbeiterin sei erkennbar gewesen, welche
Tätigkeitsmerkmale die heranzuziehende Kreisangestellte erfüllen und welcher
Vergütungsgruppe sie angehören müsse. Dabei sei zu berücksichtigen, daß der
Landrat in seiner Eigenschaft als Behörde der allgemeinen Landesverwaltung den
Anforderungsbescheid erlassen habe und gleichzeitig in seiner Funktion als
Vorsitzender des Kreisausschusses Adressat dieses Bescheides gewesen sei. Dem
Landrat aber seien die genauen Umstände der zu besetzenden Stelle bekannt
gewesen.
Der angefochtene Bescheid sei auch ermessensfehlerfrei ergangen. Entgegen der
Auffassung des Verwaltungsgerichts sei durchaus geprüft worden, ob die frei
gewordene Position in der Kraftfahrzeugzulassungsstelle mit Landesbediensteten
und damit mit eigenen Kräften des Beklagten besetzt werden könne. Zwar
enthalte der Anforderungsbescheid hierzu keine Angaben, die Tatsache einer
solchen Prüfung ergebe sich jedoch indirekt aus dem im Widerspruchsbescheid
zitierten Bericht des Landrates vom 30. Mai 1985. Auch der Regierungspräsident in
habe untersucht, ob der frei gewordene Arbeitsplatz mit einem
Landesbediensteten besetzt werden könne. Laut eines Vermerks des
Regierungspräsidenten vom 7. März 1985 habe die bündige Antwort des
Personaldezernenten gelautet: "Nein". Auf diesen Vermerk habe der Beklagte zwar
erst in der Klageerwiderung vom 24. April 1986 hingewiesen. Da es sich aber
insoweit nur um eine die Begründung in dem Anforderungsbescheid präzisierende
Ausführung gehandelt habe, seien diese Angaben nicht etwa verspätet. Die
Regelung des § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 HVwVfG sei nur anwendbar, wenn der
fragliche Verwaltungsakt keine Begründung enthalte.
Der Anforderungsbescheid entspreche schließlich auch dem Zweck des § 56 HKO
i.V.m. § 1 DVO zu § 56 HKO. Denn der Grundsatz des § 56 Abs. 1 Satz 1 HKO
werde durch § 56 Abs. 1 Satz 2 HKO i.V.m. § 1 DVO zu § 56 HKO dahingehend
eingeschränkt, daß der Landrat zur Erfüllung seiner Aufgaben als Behörde der
Landesverwaltung Angestellte des Kreises in unbeschränktem Umfang
heranziehen könne. Die Regelungen der Sätze 1 und 2 des § 56 Abs. 1 HKO
stünden sich gleichberechtigt gegenüber; von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis
könne nicht ausgegangen werden. Dies ergebe sich aus § 1 Abs. 3 DVO zu § 56
HKO, in dem geregelt sei, daß der Landkreis die angeforderten Bediensteten zur
Verfügung zu stellen habe, er also dem Ersuchen des Landrates nachkommen
müsse. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei weder § 56 HKO
noch § 1 DVO zu § 56 HKO zu entnehmen, daß die Heranziehung der
Kreisbediensteten von vornherein nur vorübergehend, also zeitlich begrenzt,
erfolgen dürfe.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 23. Februar 1990
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verweist im wesentlichen auf sein Vorbringen erster Instanz und auf die
nach seiner Auffassung zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts in
dem angefochtenen Urteil. Die Berufungsbegründung mache noch einmal die
Grundhaltung des Beklagten deutlich, die dahin gehe, keine Stellen zu schaffen,
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Grundhaltung des Beklagten deutlich, die dahin gehe, keine Stellen zu schaffen,
kein Personal zu stellen und darauf zu hoffen, daß der Landrat für das notwendige
Personal Sorge trage. Der Kläger vertritt auch weiterhin die Auffassung, daß der
angefochtene Bescheid inhaltlich nicht bestimmt genug sei. Die Tatsache, daß der
Landrat nach hessischem Kommunalrecht einerseits Behörde der allgemeinen
Landesverwaltung und andererseits Vorsitzender des Kreisausschusses sei und
deshalb auch die Verhältnisse in der Landesverwaltung genau kenne, könne den
Bestimmtheitsgrundsatz nicht außer Kraft setzen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der
gewechselten Schriftsätze, die erstinstanzliche Entscheidung und die vorgelegten
Verwaltungsvorgänge (1 Hefter), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft sowie form- und
fristgerecht eingelegt (§ 124 VwGO). Die Berufung ist jedoch nicht begründet, weil
die Klage, wie das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht entschieden hat,
sowohl zulässig als auch begründet ist.
Die Klage ist als Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 VwGO zulässig. Der Kläger
begehrt die Aufhebung eines Verwaltungsaktes im Sinne des § 35 HessVwVfG.
Denn sein Begehren ist gerichtet auf die Aufhebung des Anforderungsbescheides
des Beklagten vom 13. März 1985 in der Gestalt, die dieser durch den
Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 1985 gefunden hat (vgl. § 79 Abs. 1 Nr. 1
VwGO). Der angefochtene Verwaltungsakt hat sich bis heute nicht erledigt, weil die
Anforderung fortbesteht und die zum 1. Mai 1985 abgestellte Kreisbedienstete ihre
Stelle bei der Verkehrsabteilung in Hofheim immer noch innehat. Eine Erledigung
ist auch nicht dadurch eingetreten, daß der Kläger den Anforderungsbescheid
befolgt hat, indem er eine Verwaltungsangestellte des Kreises in die staatliche
Abteilung versetzt hat. Die "freiwillige" Befolgung eines Verwaltungsaktes führt
jedenfalls dann nicht zu seiner Erledigung, wenn eine Rückgängigmachung in
Betracht kommt und bei objektiver Betrachtung auch sinnvoll erscheint (Schmitt
Glaeser, Verwaltungsprozeßrecht, 11. Aufl. 1992, Rdnr. 145; Kopp, VwGO, 9. Aufl.
1992, § 113 Rdnrn. 52, 44). Die fragliche Verwaltungsangestellte könnte jederzeit
zurückversetzt werden.
Die Klage ist auch begründet, weil der Anforderungsbescheid des Beklagten
rechtswidrig und der Kläger durch ihn in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1
Satz 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat den Anforderungsbescheid vom 13.
März 1985 und den Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 1985 deshalb zu Recht
aufgehoben.
Rechtsgrundlage für die Heranziehung von Kreisbediensteten ist die Verordnung
über die Heranziehung von Bediensteten und die Bereitstellung von Einrichtungen
des Landkreises für die Aufgaben des Landrats als Behörde der Landesverwaltung
(DVO zu § 56 HKO) vom 25. Februar 1954. § 1 Satz 1 dieser Verordnung
bestimmt, daß der Landrat die zur Erfüllung seiner Aufgaben als Behörde der
Landesverwaltung notwendigen Angestellten des Landkreises (und die für die
Aufsicht über die Gemeindefinanzen im Rahmen der Aufsicht über die
kreisangehörigen Gemeinden notwendigen Beamten) heranziehen kann. Nach
Satz 2 gilt das nicht für die Landespolizei. Die Heranziehung erfolgt durch einen
Anforderungsbescheid an den Landkreis (Abs. 2). Der Landkreis hat die
angeforderten Bediensteten zur Verfügung zu stellen (Abs. 3).
§ 1 DVO zu § 56 HKO verfügt in § 56 Abs. 1 Satz 2 HKO über eine wirksame
Ermächtigungsgrundlage. Danach können der Minister des Innern und der Minister
der Finanzen durch Verordnung bestimmen, daß der Landrat zur Erfüllung seiner
Aufgaben, die ihm als Behörde der Landesverwaltung obliegen, Bedienstete des
Landkreises heranziehen kann. § 56 Abs. 1 Satz 2 HKO ermächtigt indes - wie
unten im einzelnen auszuführen ist - nicht zur Heranziehung von Bediensteten des
Kreises in unbegrenztem Umfang ohne entsprechende Kostenerstattung. In
solcher Auslegung wäre § 1 DVO zu § 56 HKO nicht von der
Ermächtigungsgrundlage der HKO gedeckt.
Der Anforderungsbescheid vom 13. März 1985 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 1985 ist formell rechtmäßig. Die
Zuständigkeit des Landrats zum Erlaß von Anforderungsbescheiden ergibt sich
unmittelbar aus § 1 DVO zu § 56 HKO. Die gem. § 28 HessVwVfG erforderliche
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unmittelbar aus § 1 DVO zu § 56 HKO. Die gem. § 28 HessVwVfG erforderliche
Anhörung des Klägers hat stattgefunden. Der Anforderungsbescheid vom 13. März
1985 läßt allerdings nicht erkennen, von welchen Gesichtspunkten der Beklagte bei
seiner Ermessensentscheidung ausgegangen ist. Der bloße Hinweis, daß die
Heranziehung erforderlich sei, da durch das Ausscheiden von Frau W. die
Erledigung der dem Landrat als Behörde der Landesverwaltung obliegenden
Aufgaben nicht mehr gewährleistet sei, genügt den Anforderungen des § 39 Abs. 1
Satz 3 HessVwVfG an die ordnungsgemäße Begründung einer
Ermessensentscheidung nicht. Dieser formelle Mangel des ursprünglichen
Verwaltungsaktes wird jedoch durch die näheren Ausführungen zur Begründung
der Anforderungsentscheidung in dem Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 1985
geheilt (§ 45 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 HessVwVfG).
Bedenken in Bezug auf die hinreichende inhaltliche Bestimmtheit des
Anforderungsbescheides (§ 37 Abs. 1 HessVwVfG) bestehen nicht. Der Bescheid
läßt klar und eindeutig erkennen, was verlangt wird. Das Verwaltungsgericht hat zu
Unrecht die inhaltliche Bestimmtheit des Anforderungsbescheides im Hinblick auf
§ 1 Abs. 3 Satz 2 DVO zu § 56 HKO in Zweifel gezogen. Nach dieser Vorschrift
müssen die Bediensteten, die der Landkreis zur Verfügung stellt, für die
Verwendung in der Behörde der Landesverwaltung voll geeignet sein; Angestellte
müssen die Tätigkeitsmerkmale ihrer Vergütungsgruppe erfüllen. Das
Bestimmtheitsgebot des § 37 Abs. 1 HessVwVfG verlangt, "daß für die am
Verwaltungsverfahren Beteiligten, insbesondere für den Adressaten des
Verwaltungsaktes, aber auch für sonstige hiervon Betroffene, der Gegenstand der
getroffenen Regelung so vollständig und unzweideutig erkennbar sein muß, daß sie
ihr Verhalten danach einrichten können" (Hess.VGH, Urteil vom 26. April 1988 - 11
UE 219/84, NVwZ 1989, 165; Bay.VGH, Urteil vom 16. Dezember 1981 - Nr. 15 B
81 A. 896, BayVBl. 1982, 435, 436; Kopp, VwVfG, 5. Aufl. 1991, § 37 Rdnr. 4). "Es
genügt dabei, wenn sich die getroffene Regelung aus dem Inhalt des Bescheides
einschließlich der von der Behörde gegebenen Begründung und den den
Beteiligten bekannten Umständen des Erlasses des Verwaltungsaktes hinreichend
klar ermitteln läßt" (Hess.VGH, a.a.O; ebenso Bay.VGH, a.a.O.; Obermayer, VwVfG,
2. Aufl. 1990, § 37 Rdnr. 19). Unter Berücksichtigung der näheren Umstände des
Falles konnte der Kläger aber klar erkennen, was von ihm verlangt wurde,
insbesondere welche fachliche Qualifikation der zu versetzende Bedienstete
mitbringen mußte und welcher Vergütungsgruppe er anzugehören hatte. Denn
Vorsitzender des Kreisausschusses, der die laufende Verwaltung des Klägers
besorgt und diesen vertritt, ist gem. § 36 Abs. 1 Satz 1 HKO der Landrat, derselbe
also, der als Behörde der Landesverwaltung den Anforderungsbescheid an den
Kläger erlassen hatte. Wenn der Landrat aber als die den Bescheid erlassende
Behörde genau wußte, welche Planstelle die in dem Verwaltungsakt genannte
ausscheidende Angestellte (Frau) innehatte, dann besaß er diese Kenntnis auch
als Vorsitzender des für den Kläger handelnden Kreisausschusses.
Der fragliche Anforderungsbescheid ist jedoch materiell rechtswidrig. Der Beklagte
hat ermessensfehlerhaft gehandelt, als er einen weiteren Kreisbediensteten ohne
Kostenerstattung an den Kreis zur Wahrnehmung von Aufgaben des Landrats als
Behörde der Landesverwaltung anforderte.
Dabei sind die in der einschlägigen Rechtsgrundlage vorgesehenen
Voraussetzungen für die heranziehung von Kreisbediensteten erfüllt. Der Beklagte
hat einen zur Erfüllung seiner Aufgaben als Behörde der Landesverwaltung
notwendigen Angestellten des Landkreises herangezogen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 DVO
zu § 56 HKO); denn die "Kfz-Zulassung" ist eine Aufgabe des Landrats als Behörde
der Landesverwaltung. Der Landrat als Behörde der Landesverwaltung gehörte
nach § 57 Abs. 1 Nr. 3 HSOG (in der hier anwendbaren, bis zum 1.1.1991
geltenden Fassung) als Kreispolizeibehörde zu den allgemeinen Polizeibehörden.
Diese hatten gem. § 1 Nr. 4 der Verordnung über die Zuweisung von Aufgaben der
Gefahrenabwehr an die allgemeinen Polizeibehörden (Zuweisungsverordnung)
vom 18.7.1972 (GVBl. I, S. 255) die Aufgabe der "Zulassung von Personen und
Fahrzeugen zum Straßenverkehr" wahrzunehmen. Die sachliche Zuständigkeit auf
der Kreisstufe ergab sich schließlich aus § 62 Abs. 2 Satz 1 HSOG a.F. i.V.m. § 68
Abs. 1 Satz 1 StVZO.
Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 DVO zu § 56 HKO gilt die Befugnis des Landrats, die
notwendigen Bediensteten des Landkreises heranzuziehen, nicht für die
"Landespolizei". Der Landrat als Behörde der Landesverwaltung war zwar gem. §
57 Abs. 1 Nr. 3 HSOG a.F. allgemeine Polizeibehörde; die allgemeinen
Polizeibehörden fallen aber nicht unter den Begriff "Landespolizei" i.S. des § 1 Abs.
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Polizeibehörden fallen aber nicht unter den Begriff "Landespolizei" i.S. des § 1 Abs.
1 Satz 2 DVO zu § 56 HKO. Der Polizeibegriff war nämlich nach 1945 in der
amerikanischen Zone durch Besatzungsrecht stark eingeengt worden (Meixner,
HSOG, 3. Aufl. 1991, Einf. Rdnr. 15). In "Titel 9 der Vorschriften der Militärregierung:
Öffentliches Sicherheitswesen" hieß es in Nr. 235: "Verwaltungspolizei: Alle früher
von der deutschen Polizei wahrgenommenen Aufgaben, die nicht unmittelbar im
Zusammenhang mit dem Schutz von Leben und Eigentum, der Aufrechterhaltung
der öffentlichen Ordnung und der Verhütung und Entdeckung von Straftaten
stehen, werden dem polizeilichen Tätigkeitsgebiet entzogen. Derartige Pflichten
können von anderen geeigneten behördlichen Stellen wahrgenommen werden,
doch ist die Bezeichnung 'Polizei' für derartige Funktionen oder für die sie
ausübenden Dienststellen oder Personen nicht zu benutzen" (Titel 9 i.d. Fassung
vom 22.5.1947 mit späteren Abänderungen, zitiert nach: Pioch, Das Polizeirecht,
2. Aufl. 1952, dort als Anlage 7 a). Unter "Polizei" wurde entsprechend - wie auch
das Verwaltungsgericht schon nachgewiesen hat - nur der Vollzugsdienst der
uniformierten Polizei verstanden (Muntzke- Schlempp, Kommentar zur Hessischen
Gemeindeordnung mit Handbuch des Gemeinderechts, 1954, 2. Bd., § 150 HGO,
Anm. IV, S. 1181). Auch nach Erlaß des Hessischen Polizeigesetzes v. 10.11.1954
blieb der Polizeibegriff auf die Vollzugspolizei beschränkt (vgl. E. E. Schneider,
Hessisches Polizeigesetz, Kommentar mit Nebenvorschriften, 2. Aufl. 1963, § 1
HPolG, Anm. E.). Wenn § 1 DVO zu § 56 HKO von "Landes"polizei spricht, dann
drückt das den Unterschied zu der damals noch bestehenden, durch die
Besatzungsmacht eingeführten kommunalen Vollzugspolizei aus.
Der Beklagte hat aber ermessensfehlerhaft gehandelt. Die gerichtliche
Überprüfung der Ermessensentscheidung ist darauf beschränkt festzustellen, ob
der Beklagte die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von
dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise
Gebrauch gemacht hat (vgl. § 114 VwGO).
Der Beklagte hat hier die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens überschritten (§
114 1. Var. VwGO). Er war nicht befugt, einen weiteren Kreisbediensteten ohne
Kostenerstattung an den Kreis zur Wahrnehmung von Aufgaben des Landrats als
Behörde der Landesverwaltung heranzuziehen. Das ergibt sich zwar nicht
unmittelbar aus dem Wortlaut der §§ 56, 57 HKO, § 1 DVO zu § 56 HKO, folgt
jedoch aus Systematik und Entstehungsgeschichte der Vorschriften. § 56 Abs. 1
Satz 1 HKO erlegt dem Land die zwingende Verpflichtung auf
("hat.......beizugeben"), den Landrat als Behörde der Landesverwaltung mit den
"erforderlichen Kräften" auszustatten. Eine Einschränkung in irgendeiner Form,
etwa dahingehend, daß das Land nur die beamteten Dienstkräfte abzustellen
habe, fehlt. Demgegenüber ist die Vorschrift des § 56 Abs. 1 Satz 2 HKO "weicher"
ausgestaltet. Es handelt sich zunächst um eine doppelte "Kann"-Bestimmung
insofern, als dem Minister des Innern und dem Minister der Finanzen nur die
Möglichkeit eingeräumt wird, durch Verordnung die Rechtsgrundlage für eine
Anforderung von Kreisbediensteten zu schaffen. Wenn die Minister - wie geschehen
- von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, so stellt die Heranziehung im Einzelfall
eine Ermessensentscheidung des Landrats dar. Der Landrat ist also nicht
verpflichtet, bei jedem personellen Engpaß oder gar in der Regel auf
Kreisbedienstete zurückzugreifen. Der in Satz 1 der Vorschrift vorangestellten
Verpflichtung des Landes kommt daher im Vergleich zu der nachgestellten
Möglichkeit einer Heranziehung von Kreisbediensteten nach § 56 Abs. 1 Satz 2
HKO das größere Gewicht zu. Zu berücksichtigen ist ferner der Zusammenhang
mit der Kostenerstattungsvorschrift des § 57 HKO. Hier wird deutlich unterschieden
zwischen den Kosten für die Amtstätigkeit des Landrats selbst (als Behörde der
Landesverwaltung), für die keine Entschädigung an den Landkreis gewährt wird,
und den Kosten für die Amtstätigkeit der Bediensteten des Landkreises innerhalb
der Behörde der Landesverwaltung, deren Erstattung nach Art und Umfang
("inwieweit") durch spezielles Gesetz geregelt werden sollte.
Legt also bereits ein Verständnis der Vorschriften der §§ 56, 57 HKO in ihrem
systematischen Zusammenhang die Folgerung nahe, daß eine weitgehende oder
gar unbeschränkte Heranziehung von Kreisbediensteten für Aufgaben des
Landrats als Behörde der Landesverwaltung ohne Kostenerstattung an den Kreis
unzulässig ist, so wird dieses Ergebnis durch die Entstehungsgeschichte der
Vorschriften bestätigt. Der Gesetzgeber strebte mit Erlaß der HKO im Jahre 1952
eine im Grundsatz klare Trennung der Kostenlast für die staatliche und für die
kommunale Verwaltung auf Kreisebene an.
Durch den sog. Vereinfachungserlaß des preußischen Innenministers vom
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Durch den sog. Vereinfachungserlaß des preußischen Innenministers vom
8.3.1943 (Ministerialblatt des Reichs- und Preußischen Ministeriums des Innern,
1943, Sp. 411 - 413) war in Preußen in der Zeit des Nationalsozialismus die strikte
Trennung von staatlichem und kommunalem Bereich auf der Ebene des
Landkreises aufgehoben worden. Der Erlaß bestimmte: "Ab 1.4.1943 tragen die
Landkreise ... die sächlichen Ausgaben der staatlichen landrätlichen Verwaltung ...
Alle den Landräten z.Z. beigegebenen staatlichen nichtbeamteten Kräfte, die aus
Mitteln des Preußischen Staates ihre Bezüge erhalten, werden am 1.4.1943 in den
Dienst der Kreise übernommen" (Sp. 411). Wegen der Kosten der Neuregelung
wurden die Kreise pauschal abgefunden. In dem Erlaß heißt es dazu: "Die
Ausgaben, die den Kreisen ... entstehen, werden im Rahmen des Finanzausgleichs
durch Erhöhung der Zuweisungen ausgeglichen. Die für Schlüsselzuweisungen an
die Landkreise zur Verfügung gestellte Summe wird um den vom Staat ersparten
und auf 23.000.000 RM nach oben abgerundeten Betrag erhöht; das bedeutet,
daß die Landkreise im Durchschnitt etwa 1 RM je Einwohner zusätzlich erhalten"
(Sp. 412).
In den heute gültigen Kreisordnungen der übrigen Bundesländer wird z.T.
ausdrücklich bestimmt, daß die Kreise die personellen Kosten der unteren
staatlichen Verwaltungsbehörde zumindest teilweise selbst zu tragen haben; wobei
ähnlich wie im Vereinfachungserlaß (beamtete - nichtbeamtete Kräfte) zwischen
verschiedenen Gruppen von Bediensteten unterschieden wird. So werden gem. §
52 Abs. 1 Satz 1 der Landkreisordnung für Baden-Württemberg die für die
Aufgaben der unteren Verwaltungsbehörde erforderlichen Beamten des höheren
Dienstes vom Land, die übrigen Beamten sowie die Angestellten und Arbeiter vom
Landkreis gestellt. In Bayern wird gem. Art. 37 Abs. 3 der Landkreisordnung für den
Freistaat Bayern jedem Landratsamt mindestens ein Staatsbeamter mit der
Befähigung für den höheren Verwaltungsdienst oder für das Richteramt zugeteilt.
Nach Bedarf werden weitere Staatsbeamte des gehobenen, des mittleren und des
einfachen Dienstes zugewiesen. In Nordrhein-Westfalen haben nach § 50 Abs. 1
der Kreisordnung für das Land Nordrhein-Westfalen die Kreise die für die Erfüllung
der Aufgaben der unteren staatlichen Verwaltungsbehörde erforderlichen
Dienstkräfte zur Verfügung zu stellen. Zur Unterstützung bei der Durchführung
dieser Aufgaben können dem Oberkreisdirektor Landesbeamte zugeteilt werden.
Eine entsprechende Regelung findet sich in § 5 des Gesetzes über die Errichtung
allgemeiner unterer Landesbehörden in Schleswig-Holstein. Am detailliertesten ist
die rheinland-pfälzische Regelung. Gem. § 48 Abs. 2 der Landkreisordnung für
Rheinland-Pfalz werden die für die Aufgaben der Kreisverwaltung als untere
Behörde der allgemeinen Landesverwaltung erforderlichen Beamten vom Land, die
Angestellten und Arbeiter vom Landkreis bereitgestellt. Die Aufwendungen für die
Besoldung des Landrats hat das Land dem Kreis pauschal zu erstatten. Genau
geregelt wird auch, in welcher Weise dem Landkreis die Aufwendungen für die
sächlichen Verwaltungskosten erstattet werden.
Schon der Vergleich mit diesen Regelungen zeigt das Besondere der hessischen
Gesetzeslage. Der hessische Gesetzgeber hat in § 57 Satz 3 HKO ausdrücklich
vorgeschrieben, daß die Kostenerstattung für die Amtstätigkeit der Bediensteten
des Landkreises innerhalb der Behörde der Landesverwaltung gesetzlich geregelt
wird, ohne dabei wie der Vereinfachungserlaß Zahlungen im Rahmen des
Finanzausgleichs ausdrücklich genügen zu lassen. Eine derartige gesetzliche
Kostenregelung ist bisher nicht erfolgt.
In dem Gesetzentwurf der Landesregierung für eine Hessische Landkreisordnung
vom 11.12.1951 (LTDrucks., II. Wahlperiode, Abt. I, Nr. 309, S. 559 ff.) war für den
heutigen § 56 Abs. 1 Sätze 1 und 2 HKO noch folgende Fassung vorgesehen: "Für
die Wahrnehmung der Aufgaben der unteren Verwaltungsbehörde hat das Land
dem Landrat Hilfskräfte, in der Regel einen Beamten des höheren Dienstes und
eine angemessene Zahl von Beamten des mittleren Dienstes, beizugeben. Der
Minister des Innern und der Minister der Finanzen können durch Verordnung
bestimmen, daß der Landrat zur Erfüllung der Aufgaben der unteren
Verwaltungsbehörde Bedienstete des Kreises heranziehen kann" (§ 52 Abs. 4
Sätze 1 und 2 des Entwurfs). Der heutige § 57 Satz 3 HKO sollte ursprünglich
lauten: "Inwieweit dem Kreise die Kosten für die Amtstätigkeit der Bediensteten
des Kreises innerhalb der unteren Verwaltungsbehörde des Landes und die Kosten
für die Bereitstellung von Einrichtungen zu erstatten sind, wird von dem Minister
des Innern und dem Minister der Finanzen durch Verordnung geregelt" (§ 54 Satz
3 der Vorlage). Die Bestimmung des § 56 Abs. 1 Satz 1 HKO, daß nämlich das
Land dem Landrat zur Wahrnehmung der Aufgaben, die diesem als Behörde der
Landesverwaltung obliegen, die erforderlichen Kräfte - und nicht nur eine
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Landesverwaltung obliegen, die erforderlichen Kräfte - und nicht nur eine
angemessene Zahl von Beamten - beizugeben hat, fehlte also im
Regierungsentwurf noch. Trotzdem ging die Landesregierung davon aus, die neue
Kreisordnung werde eine im Grundsatz klare Trennung der Kosten von staatlicher
und kommunaler Verwaltung auf der Kreisebene mit sich bringen.
Die Entwicklung nach 1945 habe, so die Begründung zum Gesetzentwurf der
Landesregierung, das Verhältnis zwischen Staat und Kreiskommunalverband
unübersichtlich gemacht. Hier Wandel zu schaffen, insbesondere für das
Haushaltsgebaren eine "klare Grenze" zwischen dem staatlichen und dem
kommunalen Bereich zu ziehen, sei dringend erforderlich (LTDrucks. II, Abt. I, Nr.
309, S. 583; auf S. 584 ist von "grundsätzlicher Trennung" der beiden Bereiche die
Rede). Die Übertragung der Aufgaben der unteren Verwaltungsbehörde des
Landes auf den Landrat unterscheide sich von der üblichen Weisungsverwaltung,
die durch Organe des Kreises ausgeführt werde, dadurch, "daß die Kosten der
durch die untere Verwaltungsbehörde geübten Landesverwaltung unmittelbar
beim Lande anfallen." Nur aus Gründen der Zweckmäßigkeit sehe § 54, der dem
heutigen § 57 im wesentlichen entsprach, einige Abweichungen von diesem
Grundsatz vor (S. 583). Weiter heißt es: Um für die Haushaltsführung von Staat
und Kreis eine klare Basis zu schaffen, solle der Einsatz der Bediensteten des
Kreises innerhalb der unteren Verwaltungsbehörde des Landes nur nach Maßgabe
einer Verordnung Platz greifen, in der, damit nicht die unerquicklichen Verhältnisse
wiederkehrten, die zur damaligen Zeit die Durchführung des
Vereinfachungserlasses vom 8.3.1943 belasteten, auch "eine eingehende
Regelung der Kostenerstattung, notfalls im Wege der Pauschalierung", zu treffen
sei (S. 584). Von einem "Einbau der Pauschalabfindung in den Finanzausgleich"
hielt die hessische Landesregierung damals wenig, genau dies sei eine der
Entwicklungen, die die Verhältnisse zwischen Staat und Kreis in der Nachkriegszeit
unübersichtlich gemacht habe (S. 583).
Bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs im Landtag am 19. Dezember 1951 hat
der damalige Innenminister Zinnkann den folgenden Gesichtspunkt noch einmal
besonders herausgestrichen: Die Gemeinden und Kreise würden normalerweise in
die Erfüllung staatlicher Verwaltungsgeschäfte in der Form der sog. Auftrags- oder
Weisungsverwaltung eingeschaltet. Dann habe die Selbstverwaltungskörperschaft
auch die entsprechenden Kosten zu tragen. Von dieser Auftragsverwaltung
unterscheide sich die für die untere Verwaltungsbehörde des Landes vorgesehene
Gestaltung dadurch, "daß die Kosten der durch diese untere Verwaltungsbehörde
geübten Landesverwaltung unmittelbar beim Lande anfallen, also vom Lande zu
etatisieren und aufzubringen sind." Von dem Grundsatz, daß die Kosten der
unteren Verwaltungsbehörde des Landes vom Land zu tragen seien, würden nur
aus Gründen der Zweckmäßigkeit in § 54 des Entwurfs einige Abweichungen
gemacht (LTDrucks. II, Abt. III, S. 691).
Durch den Kommunalpolitischen Ausschuß haben die §§ 56, 57 im folgenden jene
Fassung erhalten (zunächst allerdings noch als §§ 53, 54), die später Gesetz
geworden ist (LTDrucks. II, Abt. II, Nr. 106, S. 264). Die damalige Opposition, die
CDU-Fraktion im Hessischen Landtag, hat sogar eine noch radikalere Personal-
und Kostentrennung für die Bereiche von Kommunal- und Landesverwaltung auf
Kreisebene gefordert. Ihr Abänderungsantrag sah für § 53 - also den späteren § 56
HKO - folgenden Wortlaut vor: (1) "Die Geschäfte der unteren staatlichen
Verwaltungsbehörde werden unter Leitung des Landrats von staatlichen Beamten
und Angestellten wahrgenommen. Der Landrat ist Dienstvorgesetzter der
staatlichen Bediensteten." (2) "Staatliche Bedienstete können bei kommunalen
Aufgaben und kommunale Bedienstete bei staatlichen Aufgaben mitwirken." (3)
"Die näheren Bestimmungen trifft die Landesregierung durch Verordnung." Der die
Kostenerstattung regelnde § 54 (später § 57) sollte ganz gestrichen werden
(LTDrucks. II, Abt. I, Nr. 355, S. 687). Damit wären die Kosten der unteren
staatlichen Verwaltungsbehörde vollständig vom Land aufzubringen gewesen.
Die Änderungsvorschläge der CDU wurden von der Landtagsmehrheit abgelehnt.
Das darf aber nicht so verstanden werden, als wenn nach Meinung der Mehrheit
nicht auch die Kosten der unteren Verwaltungsbehörde des Landes - im
Grundsatz! - vom Land zu tragen seien. Zunächst einmal verfolgte die CDU
grundlegend andere kommunalverfassungsrechtliche Vorstellungen. Ihr
Abänderungsantrag ging vom staatlichen Landrat aus (vgl. § 7 Abs. 3, § 52 Abs. 1
in der von der CDU-Fraktion vorgeschlagenen Fassung). Deshalb wurde er von der
Mehrheit abgelehnt. Ferner wurde bei der zweiten Lesung des Gesetzentwurfs im
Landtag, als der Änderungsantrag der CDU beraten wurde, erneut deutlich, daß
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Landtag, als der Änderungsantrag der CDU beraten wurde, erneut deutlich, daß
die Regierung weiterhin am Grundsatz der Kostentrennung festhalten wollte. Der
Abgeordnete Dr. Großkopf (CDU) hatte die im Regierungsentwurf vorgesehene
Bezahlung des Landrats kritisiert. Danach habe der Kreis den Landrat vollständig
zu bezahlen, ohne für dessen Tätigkeit als untere Verwaltungsbehörde einen
Ausgleich zu erhalten. Er warf die Frage auf, ob der Staat "diese Funktionen auf
Kosten des Kreises" durchführen lassen wolle (LTDrucks. II, Abt. III, S. 820). In
seiner Entgegnung war Minister Zinnkann ohne weiteres bereit zu konzedieren, es
könne darüber geredet werde, unter Umständen müsse sogar darüber geredet
werden, "in welcher Weise der Staat die Kreise für die Aufgaben der staatlichen
Verwaltung, die dem Landrat nach wie vor zur Erledigung zugeteilt werden, zu
entschädigen gedenkt" (LTDrucks. II, Abt. III, S. 821). Damit war sogar § 57 Satz 1
HKO in Zweifel gezogen. Hinzu kommt, daß der Grundsatz der Kostentrennung im
Text des Gesetzes nun stärker zum Ausdruck kam, als das noch in der ersten
Entwurfsfassung der Fall war.
Die Rechtslage des Jahres 1952 besteht bis heute fort. § 56 Abs. 1 Satz 2 HKO war
auch nach Erlaß des Gesetzes zur Eingliederung von Sonderverwaltungen
(Eingliederungsgesetz) vom 14.7.1977 (GVBl. I, S. 319 ff.) nicht im Sinne eines
Rechts zur Heranziehung von Kreisbediensteten in unbeschränktem Umfang ohne
Kostenerstattung an den Kreis auszulegen. Durch das Eingliederungsgesetz
wurden auch bei den Oberbürgermeistern der kreisfreien Städte staatliche
Abteilungen geschaffen. In die hessische Gemeindeordnung wurde zu diesem
Zwecke ein § 146 a eingefügt. Nach § 146 a Abs. 6 Satz 1 HGO hat das Land dem
Oberbürgermeister die zur Erfüllung seiner Aufgaben als Behörde der
Landesverwaltung erforderlichen Bediensteten und Einrichtungen bereitzustellen.
Eine § 56 Abs. 1 Satz 2 HKO entsprechende Vorschrift fehlt in der HGO. Die
Veränderung der Rechtslage konnte daher für die kreisfreien Städte nicht mit
zusätzlichen Kosten verbunden sein. Die Veränderungen durch das
Eingliederungsgesetz waren aber auch für die Kreise kostenneutral ausgestaltet
worden. In die DVO zu § 56 HKO wurde am 5.9.1977 ein § 2 a eingefügt. Danach
gilt die DVO zu § 56 HKO nicht für die Erfüllung der Aufgaben von
Sonderverwaltungen, die durch das Eingliederungsgesetz "in den Landrat als
Behörde der Landesverwaltung" eingegliedert worden sind. Die Kosten der neu
eingegliederten Verwaltungsbereiche hat das Land also vollständig zu tragen.
Mit den dargestellten Regelungen hat der Gesetzgeber im Jahre 1977 den
Grundsatz der Personal- und Kostentrennung für die Bereiche der
Kommunalverwaltung und der Landesverwaltung noch einmal deutlich bestätigt
und ist sogar über den auf Kreisebene seit 1952 bestehenden Rechtszustand
hinausgegangen, indem eine Heranziehung von kommunalem Personal auf
einseitige Anforderung hin für die eingegliederten Sonderverwaltungen
ausgeschlossen ist.
Der durch das Neugliederungsgesetz 1977 neu angefügte Satz 4 des § 56 Abs. 1
HKO hat dagegen für die Auslegung der Sätze 1 und 2 der Vorschrift nicht die ihm
vom Verwaltungsgericht und der Berufung zugeschriebene Bedeutung. Das
Verwaltungsgericht ist der Auffassung, der neu angefügte Satz 4 mache ein Regel-
Ausnahme-Verhältnis zwischen der Bereitstellung der Bediensteten durch das
Land (§ 56 Abs. 1 Satz 1 HKO) und der Heranziehung von Kreisbediensteten (§ 56
Abs. 1 Satz 2 HKO) deutlich. Die neue Vorschrift, nach welcher Kreisbedienstete
mit Zustimmung des Kreisausschusses und der im jeweiligen Aufgabenbereich die
Dienstaufsicht führenden Landesbehörde auch beim Landrat als Behörde der
Landesverwaltung beschäftigt werden können, müsse im wesentlichen leerlaufen,
wenn bereits § 56 Abs. 1 Satz 2 HKO eine Heranziehung und Beschäftigung von
Kreisbediensteten in der staatlichen Verwaltung regelmäßig ermögliche. Diese
Folgerung ist indes nicht zwingend. Allerdings kann auch der Argumentation der
Berufung nicht gefolgt werden. Es ist unzutreffend, daß ein Recht zur
unbeschränkten Heranziehung von Kreisbediensteten gem. § 56 Abs. 1 Satz 2
HKO deshalb den § 56 Abs. 1 Satz 4 HKO nicht leerlaufen lassen kann, weil durch
letztere Vorschrift auch Beamte ohne Beschränkung auf bestimmte Gruppen
umgesetzt werden können. Denn auf formellgesetzlicher Ebene unterscheidet
auch § 56 Abs. 1 Satz 2 HKO nicht zwischen Beamten und sonstigen
Kreisbediensteten. Die Einfügung des § 56 Abs. 1 Satz 4 HKO führte zwar dazu,
daß nunmehr erstmals generell auch Beamte in die staatliche Abteilung
umgesetzt werden durften, das war aber lediglich Folge der in § 1 Abs. 1 DVO zu §
56 HKO enthaltenen Beschränkungen und deshalb für die Auslegung des § 56 Abs.
1 Satz 2 HKO nicht von Bedeutung. Entscheidend ist vielmehr, daß § 56 Abs. 1
Satz 4 HKO das Gegenstück zu § 56 Abs. 1 Satz 3 HKO bildet. Beide regeln den
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Satz 4 HKO das Gegenstück zu § 56 Abs. 1 Satz 3 HKO bildet. Beide regeln den
einvernehmlichen Austausch von Personal zwischen Landesverwaltung und
Kommunalverwaltung. Auf § 56 Abs. 1 Satz 2 HKO dagegen bezieht sich der Satz 4
überhaupt nicht. Das ergibt sich auch daraus, daß § 146 a Abs. 6 HGO, wo eine
dem § 56 Abs. 1 Satz 2 HKO entsprechende Vorschrift fehlt, gleichwohl Satz 3 und
4 entsprechende Bestimmungen enthält. Im übrigen sollte der entsprechenden
Gesetzesänderung auch nach der Begründung zum Eingliederungsgesetz 1977
keine weitergehende Bedeutung zukommen. Der Gesetzentwurf enthalte nur
diejenigen Änderungen der HKO, die den vorgesehenen Ergänzungen der HGO
entsprächen (LTDrucks. 8/3500, S. 49).
Die Auslegung der §§ 56, 57 HKO, § 1 DVO zu § 56 HKO unter besonderer
Berücksichtigung des Gesetzeszwecks, wie er in der Entstehungsgeschichte
zweifelsfrei zum Ausdruck kommt, ergibt mithin, daß jedenfalls die
entschädigungslose Heranziehung von Kreisbediensteten die Ausnahme bleiben
muß. Nur auf diese Weise ist dem Grundsatz der Kostentrennung, den der
hessische Gesetzgeber von Anfang an verwirklichen wollte, angemessen Rechnung
zu tragen. Der kommunale und der staatliche Verwaltungsbereich sollten nach
Möglichkeit haushaltsmäßig nicht vermischt werden.
Die für das Bund-Länder-Verhältnis bestimmende Lastenverteilungsregel des Art.
104 a GG, wonach die Ausgabenzuständigkeit der jeweiligen
Aufgabenzuständigkeit folgt, wird hier in sinnvoller Weise auf das Verhältnis Land-
Kommunen übertragen (die Anwendung des finanzverfassungsrechtlichen
Konnexitätsprinzips auch auf die Rechtsbeziehungen zwischen Land und Kommune
wird allgemein bejaht; vgl. etwa Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht,
Urteil vom 20. März 1992 - 1 L 146/91 -, Die Gemeinde SH, 1992, S. 300 f.;
zustimmend Erichsen, "Jura"-Kartei 93, Allg.VerwR, Öff.-rechtl.
Erstattungsanspruch/4; ders., Kommunalrecht des Landes Nordrhein-Westfalen,
1988, S. 138; Kirchhof, in: Püttner (Hrsg.), Handbuch der komm. Wissenschaft und
Praxis, 2. Aufl., Bd. 6, 1985, S.13, jeweils m.w.Nachw.). Sicherlich hätte der
Landesgesetzgeber den Gesetzgebungsauftrag des § 57 Satz 3 HKO zu einer
abgestuften Regelung der Kostenerstattung nutzen können, seine Untätigkeit ist
jedoch nicht als Freibrief für die unbegrenzte entschädigungslose Heranziehung
von Kreisbediensteten nach § 56 Abs. 1 Satz 2 HKO zu werten.
Der Anforderungsbescheid vom 13. März 1985 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 1985 hat den Grundsatz der Kostentrennung
zwischen kommunalem und staatlichem Bereich nicht hinreichend beachtet. Der
Beklagte hat insofern die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens überschritten.
Schon bisher trug das Land die Personalkosten der staatlichen Abteilung beim
Landrat des M -Kreises nicht in dem gebotenen Umfang. Von den 65 Planstellen
im Bereich der Hauptabteilung "Allgemeine Landesverwaltung" waren 21
Planstellen mit Landesbeamten, 39 Planstellen mit Kreisbediensteten und 5
Planstellen gegen Kostenerstattung mit Kreisbediensteten besetzt. Es ergibt sich
ein numerisches Verhältnis von 39:26 Stellen zuungunsten des Kreises (3/5 zu
2/5). Unter den gegebenen Umständen war die Anforderung eines weiteren
Kreisbediensteten ohne Kostenerstattung an den Kreis ermessensfehlerhaft und
damit rechtswidrig. Wieviele Kreisbedienstete der Landrat des -Kreises zur
Erfüllung seiner Aufgaben als Behörde der Landesverwaltung hätte heranziehen
dürfen, muß hier nicht entschieden werden.
Der Beklagte kann demgegenüber nicht mit Erfolg einwenden, die
Kostenerstattung ergebe sich im vorliegenden Fall entweder aus § 79 Nr. 4 HSOG
in der bis zum 31. Dezember 1990 geltenden Fassung oder aus den
Bestimmungen des Finanzausgleichsgesetzes (FAG). Zwar sind nach § 79 Nr. 4
HSOG a.F. die Kosten der übrigen allgemeinen Polizeibehörden - wozu auch der
Landrat als Kreispolizeibehörde gehört - grundsätzlich vom Land zu tragen. § 79
Nr. 4 HSOG a.F. ist aber keine Kostenerstattungsvorschrift i.S. des § 57 Satz 3
HKO. Das ergibt sich aus § 79 Nr. 4, 2. Halbs. HSOG, wonach die DVO zu § 56 HKO
unberührt bleiben soll. Der Gesetzgeber hat damit in der Tat, wie der Beklagte
meint, das Problem der Kostenerstattung für Kreisbedienstete, die bei dem
Landrat als Behörde der Landesverwaltung tätig werden, gesehen, diesen Fall
jedoch von der allgemeinen Kostentragungspflicht des § 79 Nr. 4, 1. Halbs. HSOG
ausnehmen wollen. Doch folgt aus dem Fehlen einer gesetzlichen Kostenregelung
nicht, daß die Heranziehung ohne Kostenerstattung zulässig war.
Eine Erstattung der Kosten für die Amtstätigkeit der Kreisbediensteten innerhalb
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Eine Erstattung der Kosten für die Amtstätigkeit der Kreisbediensteten innerhalb
der landrätlichen Behörde der Landesverwaltung läßt sich auch nicht der Regelung
des Finanzausgleichs im FAG entnehmen. Wie die Auslegung der §§ 56, 57 HKO,
insbesondere unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte, ergeben hat,
wäre zwar auch eine Abgeltung in Form von Pauschalzahlungen zulässig. Die
Zuweisungen des Landes an die Kreise nach dem FAG stellen jedoch keine
Pauschalabgeltung für die Heranziehung von Kreisbediensteten nach § 1 DVO zu §
56 HKO dar. Gem. Art. 137 Abs. 5 Satz 1 der Verfassung des Landes Hessen (HV)
hat der Staat den Gemeinden und Gemeindeverbänden die zur Durchführung ihrer
eigenen und der übertragenen Aufgaben erforderlichen Geldmittel im Wege des
Lasten- und Finanzausgleichs zu sichern. Dieser Verpflichtung kommt das Land
durch die Zahlungen nach dem FAG nach. Unzweideutig heißt es in § 1 Abs. 1 FAG,
daß den Gemeinden und Gemeindeverbänden im Wege des Lasten- und
Finanzausgleichs die Geldmittel zur Verfügung gestellt werden, die erforderlich
sind, "um ihre eigenen und die ihnen übertragenen Aufgaben durchzuführen".
Dabei geht es also gar nicht um eine Entschädigung für die Heranziehung von
Kreisbediensteten für Aufgaben der unteren Behörde der Landesverwaltung; auch
für die Höhe der jeweiligen Zahlungen nach dem FAG ist es ohne Bedeutung, in
welchem Maße der Landrat beim jeweiligen Kreis Bedienstete angefordert hat.
Wenn § 45 Abs. 2 FAG (in der hier anwendbaren, 1985 geltenden Fassung)
bestimmt, daß die beim Landrat als Behörde der Landesverwaltung
aufkommenden Verwaltungsgebühren dem Kreis überlassen werden, so stellt dies
keinen hinreichenden Ausgleich für die umfängliche Heranziehung von
Kreisbediensteten dar. Auch ist der Landkreis auf der anderen Seite nach § 45
Abs. 1 FAG verpflichtet, die Reisekosten für die beim Landrat als Behörde der
Landesverwaltung beschäftigten Bediensteten zu tragen.
Es kann letztlich offen bleiben, ob ein weiterer Ermessensfehler in der Art und
Weise liegt, in der der Beklagte geprüft hat, ob die frei werdende Position in der
staatlichen Abteilung mit anderen Kräften besetzt werden konnte. Für die
Annahme des Verwaltungsgerichts, daß der Beklagte insoweit von seinem
Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise
Gebrauch gemacht habe, sprechen immerhin gewichtige Umstände.
Ermessensfehlgebrauch liegt vor, wenn die Verwaltung bei der
Ermessensentscheidung Gesichtspunkte außer acht läßt, mit denen sie sich
auseinandersetzen mußte (Kopp, VwGO, 9. Aufl. 1992, § 114 Rdnr. 12). Dazu
gehörte hier auch die Frage, ob der Beklagte in der Lage war, die frei werdende
Stelle mit Landesbediensteten, also mit eigenen Kräften, zu besetzen. Der
Anforderungsbescheid vom 13. März 1985 schweigt insoweit; er läßt - wie bereits
oben ausgeführt - nicht einmal erkennen, ob der Beklagte überhaupt irgendeine
Ermessensüberlegung angestellt hat. Ein Bericht des Landrates an den Beklagten
vom 19. Februar 1985 bezieht sich im wesentlichen auf die schlechte
Personalsituation im Bereich des Kreisausschusses. Ein Aktenvermerk des
Beklagten vom 7. März 1985 zeigt immerhin, daß in der Personalabteilung
nachgefragt wurde, ob diese "Stellen für den Landrat" habe. Die provozierende
Hinzufügung der Worte "doch wohl nicht!?" hat die knappe (und unbegründete)
Antwort mit "nein" quasi vorweggenommen. Auch der Bericht des Landrats vom
30. Mai 1985, auf den sich der Beklagte in seinem Widerspruchsbescheid vom 13.
Juni 1985 ausdrücklich bezieht, deckt die für eine ordnungsgemäße
Ermessensentscheidung notwendigen Überlegungen nur teilweise ab.
Denn der Landrat teilt in dem angeführten Bericht lediglich mit, daß er nicht in der
Lage sei, "aus anderen Bereichen der Landesverwaltung (Untere Wasserbehörde,
Ausländerbehörde) Kreisbedienstete zur Verfügung zu stellen". Daraus ergibt sich
nicht, inwieweit der Beklagte in der Lage war, einen Landesbediensteten aus einem
anderen Bereich für die fragliche Stelle in der Kfz- Zulassung heranzuziehen. Nun
darf man allerdings nicht zu hohe Anforderungen an einen solchen "Negativtest"
stellen, andernfalls müßte der Beklagte bei Erlaß eines Anforderungsbescheides
gem. § 1 DVO zu § 56 HKO im einzelnen begründen, warum alle anderen
entsprechenden Stellen in allen anderen Bereichen der Landesverwaltung
unverzichtbar sind. Das ginge aber ersichtlich zu weit.
Letztlich bleiben im vorliegenden Fall Zweifel, ob der Beklagte auch hinsichtlich der
Art und Weise, wie er zu seiner Ermessensentscheidung gekommen ist, fehlerhaft
gehandelt hat. Da er jedenfalls die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens
überschritten hat (§ 114 1. Alt. VwGO), kommt es darauf nicht mehr an.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.