Urteil des HessVGH vom 22.12.1987
VGH Kassel: sozialhilfe, beihilfe, eltern, zivilprozessrecht, immaterialgüterrecht, verwaltungsrecht, versicherungsrecht, quelle, rechtsgrundlage, dokumentation
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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
9. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 TG 3438/87
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 11 BSHG, § 12 BSHG, §
21 BSHG
(Sozialhilfe - Bewirtungskosten bei Tauffeier)
Gründe
Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist teilweise begründet. Bei der im
Verfahren nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO allein möglichen summarischen Prüfung
ist davon auszugehen, daß die Antragstellerin einen Anspruch auf eine Beihilfe von
120,-- DM aus Mitteln der Sozialhilfe hat, um die Kosten einer Tauffeier anläßlich
der Taufe ihres Sohnes am 18. Oktober 1987 aufzufangen.
Rechtsgrundlage für das Begehren der Antragstellerin sind die §§ 11, 12, 21 BSHG.
Wie das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 12. April 1984 (ZfSH/SGB 1984
S. 564) ausgeführt hat, umfaßt der nach den vorgenannten Bestimmungen aus
Mitteln der Sozialhilfe sicherzustellende notwendige Lebensunterhalt nicht nur das
für die menschliche Existenz unerläßliche Minimum. Vielmehr ist es Aufgabe der
Sozialhilfe, dem Empfänger der Hilfe die Führung eines Lebens zu ermöglichen,
das der Würde des Menschen entspricht. Dabei sind auch die herrschenden
Lebensgewohnheiten zu berücksichtigen.
Wie der erkennende Senat bereits in einem vergleichbaren Fall (Beschluß vom 13.
August 1987 - 9 TG 1892/87) entschieden hat, entspricht es den herrschenden
Lebensgewohnheiten, daß die Eltern eines Täuflings die nächsten Verwandten
sowie die Paten im Rahmen einer privaten Tauffeier im Anschluß an den kirchlichen
Taufgottesdienst bewirten. Das dabei gebotene Essen und die Getränke erfordern
- dem festlichen Charakter des Tages entsprechend - für alle an der Tauffeier
Beteiligten einen höheren finanziellen Aufwand, als dieser normalerweise von
Empfängern laufender Hilfe zum Lebensunterhalt für das tägliche Essen und
Trinken aufgebracht werden kann. Es ist einem Hilfeempfänger auch nicht
zumutbar, den anläßlich einer Taufe erhöhten Lebensbedarf anzusparen, weil die
Regelsätze so bemessen sind, daß sie nur die normalerweise auftretenden Kosten
für Essen und Trinken decken. Infolgedessen ist dem bei einer Taufe auftretenden
zusätzlichen Bedarf durch eine einmalige Beihilfe gemäß § 21 Abs. 1 BSHG
Rechnung zu tragen.
Bei der Bemessung der Beihilfe ist die Anzahl der an der privaten Tauffeier
üblicherweise beteiligten Personen zu berücksichtigen. Im Fall der unverheirateten
Antragstellerin erscheinen besondere Bewirtungskosten für diese selbst, für deren
Eltern, für die Großmutter der Antragstellerin und für zwei Paten angemessen, so
daß eine Beihilfe von insgesamt 120,-- DM (6 x 20,-- DM) ausreichend erscheint,
um den von der Antragstellerin geltend gemachten besonderen Bedarf zu decken.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist der Senat der Ansicht, daß
die Teilnahme weiterer Verwandter, insbesondere von Kindern, Schwiegerkindern
und Enkeln der Paten an der Tauffeier nicht allgemein üblich ist, so daß die Kosten
für deren Bewirtung aus Mitteln der Sozialhilfe nicht verlangt werden können.
Der angefochtene Beschluß war folglich in der Weise abzuändern, daß die
Antragsgegnerin lediglich zur Zahlung einer einmaligen Beihilfe von 120,-- DM
verpflichtet ist.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 188 Satz 2 VwGO.
Dieser Beschluß ist nach § 152 Abs. 1 Satz 1 VwGO unanfechtbar.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.