Urteil des HessVGH vom 25.09.1985

VGH Kassel: aufschiebende wirkung, hessen, privates interesse, sri lanka, asylbewerber, anhörung, widerspruchsverfahren, ermessen, behörde, interessenabwägung

1
2
3
4
5
6
7
Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
10. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 TH 1562/85
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 22 Abs 6 S 1 AsylVfG, §
22 Abs 6 S 2 AsylVfG, § 22
Abs 8 AsylVfG, § 34 Abs 1
Nr 6 AsylVfG
(Verteilung von Asylbewerbern)
Gründe
I.
Die 1947 geborene Antragstellerin ist Staatsangehörige von Sri Lanka. Sie
beantragte nach ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland und nach
Stellung ihres Antrags auf Anerkennung als Asylberechtigte mit Schriftsatz ihres
Bevollmächtigten vom 20. Februar 1985, sie in den Großraum Frankfurt am Main
zu verteilen, weil dort ihre Schwester mit Ehemann und zwei Kindern als
Asylbewerberin wohne. Nachdem sie am 11. März 1985 gemäß § 22 Abs. 3
AsylVfG von Hessen nach Baden-Württemberg verteilt und zuvor am 1. März 1985
zu ihrem Asylbegehren persönlich angehört worden war, erließ das
Notaufnahmelager Gießen am 29. April 1985 eine Zuweisungsentscheidung, mit
der der Antragstellerin die Verteilung nach Baden-Württemberg mitgeteilt und sie
aufgefordert wurde, sich unverzüglich, spätestens am 6. Mai 1985, bei der
Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber in Karlsruhe einzufinden. Gegen diesen
ihrem Bevollmächtigten am 6. Mai 1985 zugestellten Bescheid legte die
Antragstellerin unter dem 8. Mai 1985 Widerspruch ein und beantragte am 10. Mai
1985 die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Dabei machte sie geltend, der
Ehemann ihrer Schwester sei bereit und imstande, sie bei sich aufzunehmen und
sie auch finanziell zu unterstützen, und sie sei als Alleinstehende auf die Hilfe und
Unterstützung ihrer Familienangehörigen angewiesen.
Sie beantragte,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die
Zuweisungsentscheidung vom 29. April 1985 anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Er vertrat die Auffassung, die vorgetragenen verwandtschaftlichen Bindungen
genügten nicht den Anforderungen des § 22 Abs. 6 Satz 1 AsylVfG, dessen
restriktive Formulierung Ausnahmen nur dann zulasse, wenn beispielsweise
glaubhaft gemacht sei, daß der Asylbewerber auf Verwandte in besonderer Weise
angewiesen sei.
Das Verwaltungsgericht ordnete die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs
gegen den Bescheid vom 29. April 1985 mit Beschluß vom 11. Juli 1985 an, weil die
Antragstellerin ein überwiegendes privates Interesse hieran habe. Nach
summarischer Überprüfung könne weder die offensichtliche Rechtmäßigkeit noch
die offensichtliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides festgestellt
werden; es müsse offen bleiben, ob ein dem § 22 Abs. 6 Satz 1 AsylVfG
vergleichbarer Belang der Antragstellerin verneint worden sei. Die
Interessenabwägung müsse aber zugunsten der Antragstellerin ausgehen, weil
diese dargetan habe, daß ihre in Frankfurt am Main wohnenden Verwandten bereit
seien, sie zu unterstützen, und weil dies für die Antragstellerin eine wertvolle Hilfe
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
seien, sie zu unterstützen, und weil dies für die Antragstellerin eine wertvolle Hilfe
darstelle, sich in einem fremden Land zurechtzufinden.
Der Antragsgegner hat gegen diesen ihm am 16. Juli 1985 zugestellten Beschluß
am 29. Juli 1985 Beschwerde eingelegt, der das Verwaltungsgericht nicht
abgeholfen hat. Er macht geltend, bei Geschwistern könne regelmäßig nicht von
engen familiären Bindungen im Sinne des § 22 Abs. 6 AsylVfG ausgegangen
werden und das Gesetz habe gegenüber der Unterstützung des Asylbewerbers
durch Verwandte beim Zurechtfinden in einem fremden Land andere Ziele als
vorrangig ausgestaltet. Die Zuweisungsentscheidung sei der Antragstellerin nicht
bekannt gegeben worden, da sie sich zum Zeitpunkt der beabsichtigten Anhörung
und Bescheidaushändigung am 29. April 1985 nicht in der Hessischen
Gemeinschaftsunterkunft für ausländische Flüchtlinge aufgehalten habe. Sie sei
sowohl durch Aushang als auch durch Ausruf über die Lautsprecheranlage dieser
Unterkunft gebeten worden, am 29. April 1985 bei der dort befindlichen
Außenstelle des Notaufnahmelagers Gießen vorzusprechen. Letztlich habe die
Antragstellerin Kenntnis von der Verteilungsentscheidung erhalten, wie sich aus
dem an sie gerichteten Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 19. März 1985
ergebe. In der Folgezeit hätte sie ausreichend Gelegenheit gehabt, auf ihre
Interessenlage aufmerksam zu machen.
Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,
den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs
vom 8. Mai 1985 unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses abzulehnen.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
ihr für das Beschwerdeverfahren Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung von
Rechtsanwalt W. zu bewilligen und die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie macht geltend, sie werde von ihrem Schwager in der Weise unterstützt, daß sie
freien Unterhalt erhalte. Auch wenn kein Asylbewerber einen Anspruch darauf
habe, sich an einen bestimmten Ort innerhalb der Bundesrepublik aufzuhalten,
dürfe dies doch nicht dazu führen, daß verständliche und für jedermann
nachfühlbare Wünsche grundsätzlich nicht erfüllt würden, selbst wenn dies im
Einzelfall möglich und sogar noch mit der Einsparung von Sozialhilfe verbunden
sei. Von der beabsichtigten Anhörung am 1. März 1985 sei sie nicht unterrichtet
worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakten und der Behördenakten des Regierungspräsidenten in Gießen -
18 - 58 a 08/142 - Bezug genommen.
II.
Dem Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe und Beiordnung von
Rechtsanwalt W. für das Beschwerdeverfahren ist stattzugeben, weil die
Antragstellerin die wirtschaftlichen Voraussetzungen hierfür erfüllt und der
Antragsgegner Beschwerde eingelegt hat (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff., 119 ZPO).
Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig, aber nur teilweise begründet;
denn das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht die aufschiebende Wirkung
des Widerspruchs der Antragstellerin vom 8. Mai 1985 angeordnet, soweit es die
Verpflichtung der Antragstellerin angeht, sich bereits während des
Widerspruchsverfahrens nach Baden-Württemberg zu begeben.
Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig, weil
die trotz des Widerspruchs (vgl. § 22 Abs. 10 AsylVfG) sofort vollziehbare
Verpflichtung der Antragstellerin, sich aufgrund der angegriffenen
Zuweisungsentscheidung zur Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber von Baden-
Württemberg in Karlsruhe zu begeben (§ 22 Abs. 8 AsylVfG) , ungeachtet dessen
fortbesteht, daß die ihr hierfür zum 6. Mai 1985 gesetzte Frist inzwischen
verstrichen ist und der Antragsgegner die Zuweisungsentscheidung bisher nicht
zwangsweise durchzusetzen versucht hat.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen
die Zuweisungsentscheidung des Notaufnahmelagers Gießen ist auch teilweise
begründet. Es kann zwar bei der hier im Eilverfahren allein möglichen
summarischen Überprüfung der Zuweisungsentscheidung nicht. festgestellt
19
20
21
summarischen Überprüfung der Zuweisungsentscheidung nicht. festgestellt
werden, daß diese eindeutig rechtmäßig oder offenbar rechtswidrig ist; eine
Abwägung der Interessen der Beteiligten ergibt jedoch, daß dem Begehren der
Antragstellerin, vorläufig bis zum Abschluß des Hauptsacheverfahrens in Hessen
zu verbleiben, für die Zeit bis zur Entscheidung über ihren Widerspruch Vorrang
gebührt gegenüber dem öffentlichen Interesse an ihrem sofortigen Umzug nach
Baden-Württemberg.
Ob die Zuweisungsentscheidung vom 29. April 1985 der Nachprüfung im
Widerspruchsverfahren standhalten wird, erscheint dem Senat offen. Allerdings
bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die
Ausgestaltung des in § 22 Abs. 2 bis 8 und Abs. 10 AsylVfG geregelten
länderübergreifenden Verteilungsverfahrens. Das Zusammenwirken von Bundes-
und Länderbehörden bei der Verteilung und Zuweisung von Asylbewerbern
verstößt nicht gegen die bundesstaatliche Regelung der Verwaltungskompetenzen
und gegen das Verbot unzulässiger Mischverwaltung (vgl. i. e. OVG Hamburg,
EZAR 228 Nr. 1).
Darüber hinaus läuft es nicht den grundgesetzlichen Garantien des Asylrechts, des
rechtlichen Gehörs und eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 16 Abs. 2 Satz 2, 19
Abs. 4, 103 Abs. 1 GG) zuwider, daß der Ausländer vor der
Zuweisungsentscheidung nicht angehört zu werden braucht, die Entscheidung
selbst keiner Begründung bedarf und der Suspensiveffekt der Rechtsbehelfe
ausgeschlossen ist (§ 22 Abs. 5 Sätze 3 u. 4, Abs. 10 AsylVfG); es ist nur zu
verlangen, daß die zuständige Landesbehörde, die die intern vorgenommene
Verteilung des Asylbewerbers auf ein Bundesland durch Erlaß der
Zuweisungsentscheidung ausführt, zumindest im gerichtlichen
Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO die für die Entscheidung
maßgeblichen Gründe bekannt gibt. (Hess. VGH, EZAR 228 Nr. 3). Schließlich
begegnet es keinen Bedenken, daß in Hessen für den Erlaß der
länderübergreifenden Zuweisungsentscheidung das Notaufnahmelager Gießen
durch die Hessische Landesregierung gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über
die Verkündung von Rechtsverordnungen, Organisationsanordnungen und
Anstaltsordnungen vom 2. November 1971 (GVBl. 1971 I. S. 258, 1983 I S. 27) als
zuständige Behörde im Sinne des § 22 Abs. 5 Satz 1 AsylVfG bestimmt worden ist
(§ 2 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung über die zuständigen Behörden für die Verteilung
und Zuweisung von Asylbewerbern nach dem Asylverfahrensgesetz vom 7.
Februar 1985, GVBl. I S. 45). Die Hessische Landesregierung durfte und mußte
sich insoweit auf die Bestimmung der Behördenzuständigkeit. beschränken, da ihr
im Asylverfahrensgesetz für die länderübergreifende Verteilung eine Ermächtigung
zur Regelung anderer Fragen nicht eingeräumt ist (anders u. U. nach § 22 Abs. 9
Satz 2 AsylVfG für die landesinterne Verteilung). Zudem ist die angegriffene
Zuweisungsentscheidung offenbar auch nicht verfahrensfehlerhaft zustande
gekommen oder sonst aus formellen Gründen rechtswidrig. Insbesondere bedurfte
es weder einer vorherigen Anhörung der Antragstellerin noch einer Begründung
des Bescheids (§ 22 Abs. 5 Sätze 3 u. 4 AsylVfG), dessen Formulierung läßt die
Verteilung der Antragstellerin von Hessen nach Baden-Württemberg und deren
Verpflichtung zur Meldung bei der Zentralen Anlaufstelle in Karlsruhe eindeutig
erkennen (§ 22 Abs. 5 Satz 1, Abs. 8 AsylVfG; vg1. Beschluß d. Senats vom 18.
April 1985 - 10 TH 573/85 -), und der Bescheid ist der Antragstellerin durch
Zustellung an ihren Bevollmächtigten wirksam bekannt gemacht worden (§ 41
Abs. 1 Satz 2 HVwVfG), nachdem das Notaufnahmelager Gießen den Bescheid der
Antragstellerin nicht selbst bekannt geben konnte (vgl. § 22 Abs. 7 AsylVfG und
dazu Hess. VGH; EZAR 228 Nr. 2).
Letztendlich ist aber nicht abzusehen, ob die Zuweisungsentscheidung im
Widerspruchsverfahren zu bestätigen sein wird. Mit der Zuweisungsentscheidung
nach § 22 Abs. 5 Satz 1 AsylVfG wird die verwaltungsintern vom
Bundesbeauftragten für die Verteilung nach Anhörung der Länder aufgrund des
jeweils geltenden Verteilerschlüssels vorgenommene länderübergreifende
Verteilung (§ 22 Abs. 2 u. 3 AsylVfG; die Zentralstelle nach § 22 Abs. 4 AsylVfG ist
noch nicht errichtet) gegenüber dem Asylbewerberin eine für ihn verbindliche
Regelung umgesetzt. Ungeachtet dessen, daß das betreffende Bundesland zur
unverzüglichen Aufnahme des ihm im Verteilungsverfahren zugewiesenen
Asylbewerbers verpflichtet ist (§ 22 Abs. 9 Satz 1 AsylVfG) , hat die zuständige
Landesbehörde bei der Zuweisung nach pflichtgemäßen Ermessen die Verteilung
vorzunehmen und insbesondere die Haushaltsgemeinschaft von Ehegatten und
Kindern unter 18 Jahren zu berücksichtigen (§ 22 Abs. 6 Satz 1 AsylVfG). Läßt sich
die im Verteilungsverfahren zustande gekommene Verteilung, etwa aufgrund
22
23
die im Verteilungsverfahren zustande gekommene Verteilung, etwa aufgrund
nachträglich bekannt gewordener Umstände, gegenüber einem Asylbewerber nicht
rechtfertigen, ist von ihr Abstand zu nehmen und intern die Verteilung so zu
ändern, daß sie insbesondere den gesetzlichen Verteilungsregeln des § 22 Abs. 6
Sätze 1 u. 2 AsylVfG genügt. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Formulierung
"Der Beauftragte der Bundesregierung für die Verteilung gem. § 22 Abs. 3 AsylVfG
hat nach Anhörung der Länder für Sie als Aufenthaltsland Baden-Württemberg
bestimmt. Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage werden Sie daher gemäß § 22
Abs. 8 und 9 AsylVfG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung über die
zuständigen Behörden für die Verteilung und Zuweisung von Asylbewerben nach
dem AsylVfG aufgefordert, sich unverzüglich - spätestens bis zum 06.05.1985 bei
der zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber in 7500 Karlsruhe, Wolfartsweiererstr. 7
einzufinden.", daß die zuständige Behörde des Antragsgegners sich ihres
Ermessensspielraums bewußt war und Ermessen ausgeübt hat. Es erscheint aber
nicht sicher, daß sich die Entscheidung, die Antragstellerin Baden-Württemberg
zuzuweisen, unter Berücksichtigung der von der Antragstellerin teilweise erst
nachträglich substantiiert vorgebrachten familiären Bindungen im Großraum
Frankfurt am Main im Widerspruchsverfahren als rechtlich geboten und auch als
zweckmäßig erweisen wird. Es handelt sich zwar bei der geltend gemachten
Beziehung zu der Familie der Schwester der Antragstellerin formell nicht um ein
Verwandtschaftsverhältnis der in § 22 Abs. 6 Satz 1 AsylVfG genannten Art, es ist
aber nicht ausgeschlossen, daß die Antragstellerin auf diese Personen aufgrund
ihrer individuellen psychischen Situation in ähnlicher Weise angewiesen ist wie
Ehegatten auf ein an der und wie minderjährige Kinder auf ihre Eltern. Dabei wird
auch, was bisher nicht genügend beachtet ist, von Bedeutung sein können, ob die
Antragstellerin etwa dasselbe tatsächliche Verfolgungsschicksal erlitten hat wie
ihre Schwester und nunmehr infolge der Verteilung sozusagen aus einer
Verfolgungs- und Fluchtgemeinschaft herausgenommen und mit zusätzlichen
Schwierigkeiten belastet wird, die vermeidbar sein können. Vor allem ist bisher
nicht deutlich gemacht, welche öffentliche Interessen den Umzug der
Antragstellerin nach Baden-Württemberg gebieten. Auch wenn Asylbewerber aus
Hessen nach Baden-Württemberg umverteilt werden müssen, weil sonst der
Schlüssel des § 22 Abs. 2 AsylVfG nicht einzuhalten ist, bedarf es der Darlegung
des Antragsgegners, daß beim Ausgleichen eines Ungleichgewichts zwischen den
Ländern Hessen und Baden-Württemberg die Trennung der Antragstellerin von
ihrer Schwester nicht zu vermeiden ist. Hierzu wäre es notwendig, die bei der
Verteilung angewandten Kriterien (wie etwa Nationalität, Geschlecht, Alter,
Verfolgtengruppe o. ä.) bekannt zu geben und zu erläutern, um die Annahme
einer ermessenswidrigen Auswahl auszuschließen. Aufgrund der dahingehenden
Behauptungen der Antragstellerin ist zudem zu untersuchen, ob tatsächlich bei
einer Unterbringung in Frankfurt am Main Aufwendungen der Sozialhilfe erspart
werden und ob dies ein Abgehen von der nach § 22 Abs. 3 AsylVfG
vorgenommenen Verteilung als notwendig oder zumindest als zweckmäßig
erscheinen lassen kann. Bevor .nicht diese Fragen im Widerspruchsverfahren
untersucht sind und das Interesse der Antragstellerin an einem weiteren Verbleib
in Hessen in seiner Bedeutung erneut gewichtet worden ist, bestehen Zweifel
daran, ob die Entscheidung, die Antragstellerin nach Baden-Württemberg zu
verteilen, frei von Ermessensfehlern ist.
Die nach alledem erforderliche Abwägung der beiderseitigen Interessen der
Beteiligten ergibt, daß dem Wunsch der Antragstellerin, vorläufig in Hessen zu
verbleiben, jedenfalls bis zum Abschluß des Widerspruchsverfahrens der Vorrang
gebührt. Es ist nämlich bei der oben dargestellten Interessenlage nichts dafür
ersichtlich, daß es einem gewichtigen öffentlichen Belang zuwiderläuft, wenn die
Antragstellerin zunächst bis zur Entscheidung über den Widerspruch vom 8. Mai
1985 vorläufig in Hessen verbleibt und dadurch die Möglichkeit erhält, mit der
Familie ihrer Schwester in enger Verbindung zu bleiben. Die Ermittlung der hierfür
notwendigen Tatsachen insbesondere aus dein persönlichen Lebensbereich der
Antragstellerin wird wahrscheinlich keinen derart großen Zeitaufwand erfordern,
daß die Widerspruchsentscheidung dadurch erheblich verzögert werden müßte.
Andererseits ist nicht ausgeschlossen, daß die Widerspruchsbehörde eine
Entscheidung trifft, die sich als eindeutig rechtmäßig oder aber als eindeutig
rechtswidrig erweist und damit eine Änderung der jetzt möglichen
Interessenabwägung erfordert. Deshalb ist die Aussetzung der Vollziehung nur für
die Dauer des Widerspruchsverfahrens geboten und gerechtfertigt.
Die Entscheidungen über die Kosten des gesamten Verfahrens und den
Beschwerdewert ergeben sich aus §§ 155 Abs. 1 VwGO und §§ 13 Abs. 1, 20 Abs. 3
GKG.
24 Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.