Urteil des HessVGH vom 13.05.1996

VGH Kassel: fahrbahn, stadt, grundstück, hauptsache, zone, ausnahme, verschmutzung, einheit, benutzungsgebühr, hessen

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
5. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 N 1664/92
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 47 VwGO, § 10 StrG HE
(Normenkontrollverfahren: Höhe der Reinigungsgebühr in
einer Straßenreinigungssatzung - Straßeneinstufung und
Reinigungsklassen)
Tatbestand
I.
Die Antragsteller sind Eigentümer des Grundstücks -Straße im Stadtteil der
Antragsgegnerin. Die -Straße - eine von der -Straße abzweigende kurze
Stichstraße mit Wendehammerabschluß - ist im Straßenverzeichnis zur
Straßenreinigungssatzung der Antragsgegnerin vom 17. Juni 1992 und zur
zugehörigen Gebührenordnung gleichen Datums als Straße der
Reinigungspflichtklasse B 8 mit wöchentlich 2maliger Fahrbahnreinigung
aufgeführt. Die Gebührenordnung sieht hierfür in ihrem § 3 Abs. 4 eine
Benutzungsgebühr von jährlich 7,20 DM je Meter Frontlänge vor. Der
Frontmetermaßstab war in der ursprünglichen Satzungsfassung so ausgestaltet,
daß hintereinanderliegende Grundstücke in Bezug auf die Gebührenberechnung
"jeweils eine Einheit mit dem unmittelbar an die Straße angrenzenden Grundstück
bzw. den angrenzenden Grundstücken" bildeten und anteilig mit der für die Einheit
errechneten Gebühr belastet wurden (§ 3 Abs. 1 Sätze 2 und 3 der
Gebührenordnung in der Fassung vom 17. Juni 1992). Durch die Änderungssatzung
vom 13. Juli 1993 ist die Gebührenordnung mit Rückwirkung auf den 1. Juli 1992
dahingehend geändert worden, daß an die Stelle der Aufteilung einer
gemeinsamen Frontlänge für hintereinanderliegende Grundstücke die Gebühr bei
Vollhinterliegergrundstücken nach der Länge der der erschließenden Straße
zugewandten Grundstücksseite als "fiktiver" Frontlänge und bei
Teilhinterliegergrundstücken nach der Länge des an die Straße angrenzenden
Grundstücksteils zuzüglich der Länge der nicht angrenzenden Grundstücksseite
bemessen wird (§ 3 Abs. 2 der Gebührenordnung in der geänderten Fassung vom
13. Juli 1993).
Die Antragsteller werden von der Antragsgegnerin auf der Grundlage des
vorgenannten Satzungsrechts zu Straßenreinigungsgebühren herangezogen. Laut
Grundbesitzabgabenbescheid vom 24. Juli 1992 beträgt die auf ihr Grundstück
entfallende Gebühr ab 1. Juli 1992 bei einem Gebührensatz von jährlich 7,20 DM
für die Reinigungspflichtklasse B 8 und bei einer veranlagungsfähigen Frontlänge
von 35 m 21,-- DM je Monat (7,20 DM X 35 m = 252,-- DM : 12 = 21,-- DM).
Mit Schreiben vom 2. September 1992 haben die Antragsteller unter Vorlage des
Grundbesitzabgabenbescheides vom 24. Juli 1992 ein Normenkontrollverfahren
nach § 47 VwGO anhängig gemacht mit dem Antrag,
1. die Straßenreinigungssatzung der Stadt vom 17. Juni 1992 insoweit für nichtig
zu erklären, als diese Satzung in ihrem § 1 i.V.m. dem darin in Bezug
genommenen Straßenverzeichnis für die Straße eine mehr als 1malige
wöchentliche Reinigung vorschreibt,
2. die zu der o.a. Straßenreinigungssatzung gehörige Gebührenordnung der
Antragsgegnerin vom 17. Juni 1992 für nichtig zu erklären.
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Ihren Antrag zu 1) begründen die Antragsteller unter Hinweis auf eine schriftliche
Eingabe an die Stadt vom 4. Juli 1992 wie folgt:
Die Einstufung der -Straße in die Pflichtreinigungsklasse B 8 sei unverhältnismäßig
und verstoße gegen das Gebot gleichmäßiger Belastung der Straßenanlieger im
Stadtgebiet. Die -Straße müsse der Pflichtreinigungsklasse B 9 mit nur 1maliger
Fahrbahnreinigung in der Woche und dem hierfür in § 3 Abs. 4 der
Gebührenordnung vorgesehenen Gebührensatz von 3,60 DM je Meter Frontlänge
zugeordnet werden. Eine 1malige wöchentliche Reinigung der Fahrbahn reiche bei
der fraglichen Straße völlig aus, da es sich um eine Anliegerstichstraße handele,
die nur sieben Gebäude erschließe. Die Straße sei kürzlich als "verkehrsberuhigte
Zone" mit einer Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h ausgewiesen worden.
Mangels Durchgangsverkehrs sei der Verschmutzungsgrad äußerst gering. Die
Inanspruchnahme durch Fußgänger oder spielende Kinder führe nicht zu einer
stärkeren Verschmutzung. Sie sei jedenfalls weitaus geringer als bei den meisten
der über 100 Straßen im Stadtgebiet, die in die Reinigungsklasse B 9 eingestuft
seien und deren Fahrbahn demnach nur einmal in der Woche gereinigt werde. Den
hierfür - in der Antragsschrift - beispielhaft benannten 20 Straßen komme als
Durchgangsstraßen eine größere Verkehrsbedeutung als der -Straße zu, und sie
erschlössen auch eine wesentlich höhere Zahl an Grundstücken; teilweise finde auf
ihnen städtischer Busverkehr statt. Dem Argument der Antragsgegnerin bei
Beantwortung der Eingabe vom 4. Juli 1992, in der gesamten Wohnsiedlung werde
seit deren Bestehen eine wöchentlich zweimalige Fahrbahnreinigung durchgeführt,
was sich bewährt habe und im Interesse der Beibehaltung eines einheitlichen
Reinigungsturnus für ein größeres zusammenhängendes Gebiet nicht ohne
weiteres geändert werden könne, sei entgegenzuhalten, daß die Zuordnung der
etwa 100 Straßen im Stadtgebiet zur Reinigungsklasse B 9 unabhängig von der
Zugehörigkeit zu einem größeren zusammenhängenden Gebiet erfolgt sei und
somit belege, daß es auf dieses Kriterium nicht ankomme. Die -Straße sei eine
von insgesamt drei kurzen Stichstraßen, die am nördlichen Siedlungsrand der
Siedlung von der -Straße abzweigten. Für diese Stichstraßen sei eine Verringerung
der Reinigungshäufigkeit auf eine 1malige Reinigung pro Woche organisatorisch
ohne weiteres möglich. Die Siedlung K sei im übrigen vergleichbar mit den neu
entstandenen Hochhaussiedlungen in ehemals selbständigen Vororten der
Antragsgegnerin. Wenn die Antragsgegnerin für die letztgenannten Siedlungen die
Einstufung der Straßen in die Reinigungspflichtklasse B 9 vorgesehen habe, könne
und müsse Gleiches auch für die Siedlung möglich sein.
Ihren Antrag zu 2) - Nichtigerklärung der Gebührenordnung zur
Straßenreinigungssatzung in der Fassung vom 17. Juni 1992 - haben die
Antragsteller im Verlauf des Verfahrens wegen der Änderung des Satzungsrechts
durch die Änderungssatzung vom 13. Juli 1993 in der Hauptsache für erledigt
erklärt. Sie beantragen insoweit, die Kosten des Verfahrens der Antragsgegnerin
aufzuerlegen, denn in der ursprünglichen Fassung habe die Gebührenordnung
keine gültige Bemessungsregelung enthalten, wie sich aus dem Beschluß des
Senats vom 22. April 1992 - 5 N 2292/89 - ergebe.
Die Antragsgegnerin hat ebenfalls den Rechtsstreit hinsichtlich des Antrags zu 2)
der Antragsteller in der Hauptsache für erledigt erklärt. Hinsichtlich des noch im
Streit stehenden Antrags zu 1) der Antragsteller beantragt die Antragsgegnerin,
den Antrag abzulehnen.
Sie trägt vor: Die Einstufung der Straße in die Reinigungsklasse B 8 sei rechtlich
nicht zu beanstanden. Die Reinigungshäufigkeit werde von der Gemeinde in
Ausübung des ihr insoweit zustehenden weiten Ermessens festgelegt. Sie, die
Antragsgegnerin, habe bei dieser Entscheidung den Verschmutzungsgrad und die
örtlichen Gegebenheiten der einzelnen Straßen zu berücksichtigen. Zur
Verdeutlichung der Kriterien, nach denen die Einteilung der Straßen in
verschiedene Reinigungsklassen erfolgt sei, verweise sie auf die Stellungnahme
des Amtes für Abfallwirtschaft in Form einer Tabelle vom 11. Oktober 1993
(vorgelegt als Anlage 1 zum Schreiben der Antragsgegnerin vom 25. Oktober
1993) und auf eine Karte mit farblicher Markierung der Stadtgebiete je nach
Reinigungsklassen (Anlage 2 zu dem vorgenannten Schreiben). Danach sei das
gesamte Stadtgebiet in fünf verschiedene Reinigungshäufigkeitsklassen eingeteilt
worden. Im übrigen werde gemäß § 2 der Straßenreinigungssatzung vom 17. Juni
1992 in Verbindung mit dem Straßenverzeichnis danach unterschieden, ob die
Stadt Fahrbahn u n d Gehwege (Reinigungsklasse A) oder nur die Fahrbahn
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Stadt Fahrbahn u n d Gehwege (Reinigungsklasse A) oder nur die Fahrbahn
(Reinigungsklasse B) reinige oder aber die Reinigung sowohl der Fahrbahn als auch
der Gehwege den Anliegern übertragen habe (Reinigungsklasse C). Die in der
Innenstadt gelegenen Straßen würden 13 X pro Woche gereinigt. Da sich in diesen
Straßen vorwiegend Kaufhäuser, andere Geschäfte, Biergärten, Straßencafes etc.
befänden, was mit einer verstärkten Frequentierung durch Fußgänger verbunden
sei, sei hier der Verschmutzungsgrad besonders hoch. Die Häufigkeit der
Reinigung nehme ringförmig von der Innenstadt nach außen hin entsprechend der
verminderten gewerblichen Nutzung und der damit geringeren
Fußgängerfrequentation ab. Die -Straße befinde sich außerhalb der erweiterten
Innenstadt im Bereich des auf der Karte blau umrandeten "Gürtels". Bei den
Straßen innerhalb dieses Gürtels handele es sich um Wohnstraßen mit einem
durchschnittlichen bis mittleren Verschmutzungsgrad. Für diese Straßen sei eine
2malige Reinigung angebracht. Bei den Straßen, die nur einmal in der Woche
gereinigt würden, handele es sich um neu entstandene Hochhaussiedlungen in
den ehemals selbständigen Vororten von Wiesbaden. Diese Vororte seien nicht in
vollem Umfang an die Straßenreinigung angeschlossen worden. Die alten
Ortskerne seien schon immer von den Anliegern selbst gereinigt worden. Hierbei
habe es sich um ein gut funktionierendes System gehandelt, an dem die Stadt
nichts habe ändern wollen. Die Reinigung durch die städtische
Straßenreinigungseinrichtung sei deshalb lediglich in den neu entstandenen -
vorwiegend mit Hochhäusern bebauten - Siedlungen dieser Vororte eingeführt
worden. Der Verschmutzungsgrad sei dort mittelmäßig bis gering, so daß eine
1malige Reinigung als ausreichend habe erachtet werden können. Die Einstufung
der fraglichen Siedlungen in die Reinigungsklasse B 9 sei erst durch die
Straßenreinigungssatzung vom 17. Juni 1992 erfolgt. Soweit sich künftig
herausstellen sollte, daß auch hier die 1malige Reinigung nicht ausreiche, werde
die Umstufung in eine höhere Reinigungsklasse vorgenommen werden. Sie, die
Antragsgegnerin, überprüfe immer wieder anhand des tatsächlichen
Verschmutzungsgrads die Reinigungshäufigkeit und damit die vorgenommene
Einstufung.
Bei der -Straße sei die Ausweisung als verkehrsberuhigte Zone kein Argument
dafür, daß eine 1malige Reinigung pro Woche ausreiche. In einer
verkehrsberuhigten Straße müsse damit gerechnet werden, daß Kinder häufig
auch die Fahrbahn zum Spielen benutzten. Im übrigen komme es bei einer
stärkeren Verschmutzung der Gehwege auch - als Folge von Verwehungen - zu
einer Zunahme der Verschmutzung im Fahrbahnbereich. Gerade eine
Verringerung des Straßenverkehrs könne wegen dadurch ermöglichter stärkerer
Frequentierung des Straßenraums durch Fußgänger und spielende Kinder das
Reinigungsbedürfnis ansteigen lassen. Von daher sei der Hinweis der Antragsteller
auf den stärkeren Kraftfahrzeugverkehr in den von ihnen benannten Straßen der
Reinigungsklasse B 9 nicht geeignet, ihre Auffassung zu stützen, daß die
Zuordnung der -Straße zur Reinigungsklasse B 8 offensichtlich fehlerhaft sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Hinsichtlich des Antrags zu 2) der Antragsschrift vom 2. September 1992 haben
die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt
erklärt, so daß insoweit das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs.
2 VwGO einzustellen ist.
Der noch im Streit befindliche Antrag zu 1), der sich gegen die Gültigkeit der im
Straßenverzeichnis zur Straßenreinigungssatzung der Antragsgegnerin vom 17.
Juni 1992 vorgenommenen Einstufung der -Straße richtet, ist zwar zulässig, kann
aber in der Sache keinen Erfolg haben und ist aus diesem Grunde abzulehnen.
Der vorgenannte Antrag ist nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO statthaft. Mit der
beanstandeten Einstufung im Straßenverzeichnis greifen die Antragsteller eine
Satzungsregelung an, die als solche im Range unter dem Landesgesetz steht;
hierfür sieht § 11 Abs. 1 des Hessischen Ausführungsgesetzes zur
Verwaltungsgerichtsordnung (HessAG VwGO) die Überprüfung durch den
Hessischen Verwaltungsgerichtshof im Normenkontrollverfahren vor. Der
Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof steht nicht gemäß § 47 Abs. 3
VwGO eine ausschließliche Prüfungskompetenz des Landesverfassungsgerichts
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VwGO eine ausschließliche Prüfungskompetenz des Landesverfassungsgerichts
entgegen. Nach Art. 132 der Verfassung des Landes Hessen ist dem Hessischen
Staatsgerichtshof lediglich für Gesetze oder Rechtsverordnungen, nicht aber für
Satzungen die Entscheidung über die Vereinbarkeit mit der Verfassung
vorbehalten.
Das für die Zulässigkeit eines Normenkontrollantrags bestehende Erfordernis, daß
durch die angegriffene Rechtsvorschrift oder deren Anwendung ein Nachteil
eingetreten oder in absehbarer Zeit zu erwarten ist (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO), ist
ebenfalls erfüllt. Die Antragsteller sind Eigentümer eines Grundstücks, welches
durch die -Straße im Stadtgebiet der Antragsgegnerin erschlossen wird. Aufgrund
der Zuordnung dieser Straße zur Reinigungspflichtklasse B 8 mit 2maliger
wöchentlicher Fahrbahnreinigung fällt für das Grundstück der Antragsteller eine
Benutzungsgebühr von jährlich 7,20 DM je Meter Frontlänge an (§ 3 Abs. 4 Buchst.
h der Gebührenordnung vom 17. Juni 1992), was bei 35 Frontmetern eine jährliche
Gebührenbelastung von 252,-- DM ergibt. Wäre die Straße der niedrigeren
Reinigungspflichtklasse B 9 mit nur 1maliger wöchentlicher Reinigung zugeordnet,
wie es die Antragsteller für richtig halten, so käme der in § 3 Abs. 4 Buchst. i der
Gebührenordnung vorgesehene Gebührensatz von jährlich 3,60 DM je Meter
Frontlänge zur Anwendung, und die Gebührenbelastung der Antragsteller würde
sich so um die Hälfte verringern. Durch die beanstandete Einstufung im
Straßenverzeichnis sind daher die Antragsteller - ausgehend von ihrem eigenen
Vorbringen - nachteilig betroffen.
Der gegen die Einstufung der Straße im Straßenverzeichnis gerichtete Antrag ist
jedoch nicht begründet.
Keine Bedenken gegen die Gültigkeit dieser Regelung bestehen zunächst in
formeller Hinsicht. Das Straßenverzeichnis bildet die "Anlage" zur
Straßenreinigungssatzung der Antragsgegnerin vom 17. Juni 1992 und zur
Gebührenordnung gleichen Datums. In dieser Eigenschaft ist das
Straßenverzeichnis zusammen mit dem vorgenannten Satzungsrecht am 21. Mai
1992 von der Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin beschlossen
und auf Verfügung des Magistrats durch Veröffentlichung im Wiesbadener Kurier,
im Wiesbadener Tageblatt und in der Allgemeinen Zeitung - Mainzer Anzeiger - am
25. Juni 1992 ordnungsgemäß bekanntgemacht worden. In den genannten
Zeitungen wurde am 20. Juli 1993 auch die Änderungssatzung vom 13. Juli 1993
veröffentlicht. Die gewählte Form der öffentlichen Bekanntmachung entsprach der
Veröffentlichungsregelung im Hauptsatzungsrecht der Antragsgegnerin.
Die beanstandete Straßeneinstufung erweist sich darüber hinaus auch in materiell-
rechtlicher Hinsicht als eine rechtmäßige und damit gültige Satzungsregelung.
Die Bildung verschiedener Reinigungsklassen (Reinigungspflichtklassen) für die in
die städtische Straßenreinigung einbezogenen Straßen knüpft an den bereits in
gegenständlicher Hinsicht unterschiedlichen Umfang der städtischen Reinigung
gemäß § 10 des Hessischen Straßengesetzes (HStrG) sowie an das
unterschiedliche Reinigungsbedürfnis aufgrund des jeweiligen
Verschmutzungsgrades an. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 der Straßenreinigungssatzung
betreibt die Landeshauptstadt Wiesbaden die Reinigung der im Straßenverzeichnis
zu dieser Satzung aufgeführten öffentlichen Straßen "in dem darin festgelegten
Umfang" als öffentliche Einrichtung. Der Umfang ergibt sich gemäß § 2 Abs. 1 Satz
2 aus der aus dem Straßenverzeichnis ersichtlichen Einstufung in eine bestimmte
Reinigungsklasse. In den Reinigungsklassen 1 bis 5 reinigt die Stadt "die gesamte
Fahrbahn und - mit Ausnahme der Winterwartung - auch die Geh- und Überwege";
bei überwiegend dem Fußgängerverkehr gewidmeten Straßen (Fußgängerzonen)
und auf Straßen mit verkehrsberuhigt ausgebauten Mischflächen
(verkehrsberuhigte Zonen) umfaßt die Reinigung "die gesamte Straßenfläche mit
Ausnahme der Winterwartung" (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a). In den
Reinigungsklasse 6 bis 9 reinigt die Stadt nur die Fahrbahn (§ 2 Abs. 1 Satz 2
Buchst. b). Im Straßenverzeichnis selbst sind die Straßen in alphabetischer
Reihenfolge untereinander aufgeführt, wobei die jeweils zugeordnete
Reinigungsklasse hinter dem jeweiligen Straßennamen mit den Kürzeln A 1 bis A 5
und B 6 bis B 9 gekennzeichnet ist. Nach den Erläuterungen im Eingangstext zum
Straßenverzeichnis (Fassung der Änderungssatzung vom 13. Juli 1993) bedeutet
der Buchstabe A, "daß die Stadt die gesamte Fahrbahn sowie - mit Ausnahme der
Winterwartung - die Gehwege und Überwege, Fußgängerzonen und
verkehrsberuhigte Zonen reinigt", während der Buchstabe B besagt, daß die Stadt
"lediglich die Fahrbahn" reinigt. Die diesen Buchstaben beigefügten Ziffern (bei A:
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"lediglich die Fahrbahn" reinigt. Die diesen Buchstaben beigefügten Ziffern (bei A:
1 bis 5, bei B: 6 bis 9) geben Aufschluß über die Zahl der Reinigungen pro Woche.
In der Kategorie A bedeuten
1 = 13malige Reinigung 2 = 7malige Reinigung 3 = 3malige Reinigung 4 =
2malige Reinigung 5 = 1malige Reinigung,
und in der Kategorie B bedeuten
6 = 7malige Reinigung 7 = 3malige Reinigung 8 = 2malige Reinigung 9 = 1malige
Reinigung.
Die hiernach maßgebliche Anzahl wöchentlicher Reinigungen für die einzelne
Straße ist hinter dem jeweiligen Straßennamen in einer besonderen Spalte
angegeben. Im Straßenverzeichnis ebenfalls aufgeführt und mit dem Buchstaben
C gekennzeichnet sind schließlich diejenigen Straßen, die "in ihrer Gesamtheit
durch den jeweiligen Grundstückseigentümer zu reinigen" sind.
Der -Straße ist im Straßenverzeichnis der Reinigungspflichtklasse B 8 (2malige
Fahrbahnreinigung in der Woche) zugeordnet. Die Antragsteller halten diese
Einstufung für rechtswidrig und begründen dies damit, daß das tatsächliche
Reinigungsbedürfnis bei dieser Straße eine mehr als 1malige Reinigung pro Woche
nicht erfordere und infolgedessen lediglich die Einstufung in die Reinigungsklasse B
9 rechtfertige. Mit diesem Einwand können die Antragsteller aus den folgenden
Gründen nicht durchdringen:
Bei der Festlegung von Reinigungsklassen mit unterschiedlicher
Reinigungshäufigkeit und der Einstufung der Straßen in eine dieser
Reinigungsklassen handelt es sich um eine Entscheidung, die der Satzungsgeber
innerhalb eines ihm insoweit zustehenden weiten Ermessens- und
Einschätzungsspielraums trifft. Er hat sich bei dieser Entscheidung an dem
typischerweise zu erwartenden Verschmutzungsgrad und an dem hieraus
folgenden Reinigungsbedürfnis zu orientieren. Gerade in Großstädten mit einem
umfangreichen Straßennetz ist es ihm nicht verwehrt, im Interesse der
Praktikabilität zu pauschalieren. Das aber bedeutet, daß er die
Reinigungshäufigkeit nicht notwendig nach dem individuellen Verschmutzungsgrad
jeder einzelnen Straße festzulegen braucht, sondern auf deren Zugehörigkeit zu
einem Gebiet abstellen darf, für das - nutzungsmäßig bedingt - von einem
bestimmten "typischen" Umfang der Straßenverschmutzung und des daraus
folgenden Reinigungsbedürfnisses auszugehen ist. Ein solches Vorgehen
erleichtert sowohl die Einstufung als auch - weil dann zusammenhängende Gebiete
nach einem einheitlichen Rhythmus gereinigt werden können - die tatsächliche
Durchführung der öffentlichen Straßenreinigung.
Gemessen an diesen Kriterien ist die Zuordnung der -Straße zur
Reinigungspflichtklasse B 8 nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin hat in ihrer
Stellungnahme vom 25. Oktober 1993 unter Vorlage einer Tabelle und einer
Übersichtskarte dargelegt, daß sie fünf verschiedene Gebietstypen unterscheidet:
Innenstadt/Fußgängerzone mit sehr hohem Verschmutzungsgrad und 13maliger
Reinigung, kleines historisches Fünfeck mit großem Verschmutzungsgrad und
7maliger Reinigung, erweiterte Innenstadt mit mittlerem, teilweise großem
Verschmutzungsgrad und 3maliger Reinigung, umgebender Siedlungsgürtel
("Wohnstraßen, Seiten- und Stichstraßen") mit durchschnittlichem bis mittlerem
Verschmutzungsgrad und 2maliger Reinigung sowie schließlich Großsiedlungen in
den Randgebieten ehemals selbständiger Vororte mit mittlerem bis geringem
Verschmutzungsgrad und 1maliger Reinigung. Diese der Bildung entsprechender
Reinigungsklassen zugrundeliegende Einteilung bewegt sich noch im Rahmen
zulässiger Typisierung und Pauschalierung. Daß die Straßenverschmutzung vom
Innenstadtbereich zu den Außenbezirken hin entsprechend der geringer
werdenden Intensität der Nutzung der Straßen abnimmt, erscheint
nachvollziehbar. Die M -Straße liegt im Stadtteil und damit in dem die erweiterte
Innenstadt umgebenden "Siedlungsgürtel". Daraus ergibt sich für diese Straße die
Einstufung in die Reinigungsklasse B 8 mit 2maliger wöchentlicher Reinigung.
Soweit bei der Einteilung nach Gebietszonen individuelle Unterschiede, die mit der
unterschiedlichen Verkehrsbedeutung der einzelnen Straßen innerhalb einer
solchen Zone zusammenhängen mögen, nicht zur Geltung kommen, ist das eine
Folge der oben genannten Pauschalierung, die im Interesse der Praktikabilität
hingenommen werden muß. Hiervon ausgehend können sich die Antragsteller
nicht auf die geringere Verkehrsbedeutung der -Straße, die diese im Vergleich
etwa zur -Straße aufweist, berufen. Ihrer Annahme, daß geringerer
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etwa zur -Straße aufweist, berufen. Ihrer Annahme, daß geringerer
Kraftfahrzeugverkehr in verkehrsberuhigten Zonen automatisch eine geringere
Straßenverschmutzung und damit ein geringeres Reinigungsbedürfnis zur Folge
habe, ist im übrigen nicht ohne weiteres zu folgen. Erfahrungsgemäß geht ein
nicht unerheblicher Teil der Straßenverschmutzung auch auf die Frequentierung
der Straße durch Fußgänger und spielende Kinder zurück. Die Einrichtung
verkehrsberuhigter Zonen, die diese Benutzung fördert, kann so gesehen
wiederum zu einem Anstieg des Reinigungsbedürfnisses führen, wie die
Antragsgegnerin zu Recht geltend macht.
Auch ein Vergleich mit den in die Reinigungspflichtklasse B 9 eingestuften
Siedlungen am Ortsrand der ehemals selbständigen Vororte der Antragsgegnerin
vermag die Rechtmäßigkeit der Zuordnung der -Straße zur Reinigungspflichtklasse
B 8 nicht in Frage zu stellen. Die Beschränkung auf nur eine wöchentliche
Reinigung für bestimmte Teile des Stadtgebiets ist durch die
Straßenreinigungssatzung vom 25. Juni 1992 erstmals eingeführt worden. Das
frühere Satzungsrecht der Antragsgegnerin sah als niedrigste Reinigungshäufigkeit
sowohl bei der Fahrbahnreinigung als auch bei der Gehwegreinigung lediglich die
zweimalige Reinigung in der Woche vor (vgl. § 3 Abs. 3 der Gebührenordnung vom
28. Dezember 1972 in der Fassung vom 11. Juni 1975). Nach den Erläuterungen in
dem Schreiben der Antragsgegnerin vom 25. Oktober 1993 wurde die
Reinigungsklasse B 9 ausschließlich für die Siedlungen am Ortsrand der früher
selbständigen Vororte eingeführt. Die alten Ortskerne dieser Vororte waren schon
immer durch die Anlieger selbst gereinigt worden. Da dies ein "funktionierendes
System" darstellte, an dem man nichts ändern wollte, hat die Antragsgegnerin von
einem Anschluß dieser Ortskerne an die städtische Straßenreinigung abgesehen.
In die städtische Reinigung einbezogen wurden dagegen die neu entstandenen
Siedlungen am jeweiligen Ortsrand der Vororte. Soweit die Antragsgegnerin hierfür
dann eine besondere Reinigungsklasse mit nur 1maliger wöchentlicher Reinigung
gebildet hat, läßt sich das zum einen mit einem vergleichsweise niedrigen
gebietstypischen Verschmutzungsgrad, zum anderen aber auch mit dem
Bestreben rechtfertigen, den "Übergang" zur städtischen Reinigung in einem
bislang der Anliegerreinigung vorbehaltenen Gebiet durch eine niedrigere
Reinigungshäufigkeit "abzumildern". Die sich auf diese Weise ergebende
Differenzierung zwischen der "Gürtelzone" des alten Stadtgebiets
(Reinigungsklasse B 8) und den neu entstandenen Randsiedlungen der ehemals
selbständigen Vororte (Reinigungsklasse B 9) erscheint zumindest nicht willkürlich.
Sollte sich in der Zukunft erweisen, daß das typische Reinigungsbedürfnis in den
beiden Bereichen so weitgehend vergleichbar ist, daß die Zuordnung zu
unterschiedlichen Reinigungsklassen mit unterschiedlicher Reinigungshäufigkeit
nicht mehr vertretbar ist, wird die Antragsgegnerin nicht umhin können, die
Einstufung zu vereinheitlichen. Davon geht sie auch selbst aus, wie die
Ausführungen in ihrer Stellungnahme vom 25. Oktober 1993 zeigen. Daß schon
jetzt Anlaß für eine Vereinheitlichung bestünde, vermag der Senat nicht zu
erkennen. Eine künftige Vereinheitlichung dürfte im übrigen eher zur Erstreckung
der 2maligen wöchentlichen Reinigung auf die Randsiedlungen der ehemals
selbständigen Vororte führen als zu dem - den Antragstellern erwünschten -
Ergebnis, daß auch für den "Gürtel" um die erweiterte Innenstadt eine nur 1malige
wöchentliche Reinigung gemäß der jetzigen Reinigungsklasse B 9 vorgesehen wird.
Der gegen die Gültigkeit der Einstufung der Straße im Straßenverzeichnis
gerichtete Normenkontrollantrag der Antragsteller ist nach allem abzulehnen.
Insoweit sind die Antragsteller gemäß § 154 Abs. 1 VwGO kostentragungspflichtig.
Soweit dagegen - bezogen auf den Antrag zu 2) der Antragsschrift vom 2.
September 1992 - das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist,
hat die Antragsgegnerin gemäß § 161 Abs. 2 VwGO die Kosten zu tragen. Dieser
Antrag richtete sich nämlich gegen die Gültigkeit der Gebührenordnung vom 17.
Juni 1992 und hätte ohne die - zum Anlaß der übereinstimmenden
Erledigungserklärungen genommene - Änderungssatzung vom 13. Juli 1993 Erfolg
haben müssen, da die Gebührenordnung in ihrer ursprünglichen Fassung keine
gültige Gebührenbemessungsregelung für hintereinanderliegende Grundstücke
aufwies (vgl. Senatsbeschluß vom 22.4.1992 - 5 N 2292/89 - ZMR 1992, 557, zur
Ungültigkeit der inhaltlich übereinstimmenden Bemessungsregelung in der
Vorgängersatzung der Antragsgegnerin vom 28.12.1972). Die somit beiderseitige
Kostentragungspflicht führt in entsprechender Anwendung des § 155 Abs. 1 VwGO
dazu, daß die Beteiligten jeweils mit der Hälfte der gesamten Verfahrenskosten zu
belasten sind, wobei die Antragsteller ihrerseits als Gesamtschuldner haften (§ 159
Satz 2 VwGO).
31 Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG. Soweit sich der
Normenkontrollantrag gegen die Gültigkeit der Gebührenordnung richtete, ist -
anknüpfend an die Wertberechnung bei der Bewilligung wiederkehrender
Nutzungen oder Leistungen gem. § 9 ZPO - der dreieinhalbfache Betrag der nach
der Gebührenordnung vom 17.06.1992 anfallenden Jahresgebühr für das
Grundstück der Antragsteller zugrundezulegen. Das führt zu einem Streitwert für
diesen Streitgegenstand in Höhe von 3,5 X 252,--DM = 882,--DM. Bei der
angegriffenen Einstufung der Moritz- M.-Straße als Straße der Reinigungsklasse B
8 im Straßenverzeichnis zur Straßenreinigungssatzung bemißt sich das Interesse
der Antragsteller ebenfalls an der Gebührenersparnis. Der Wegfall der fraglichen
Einstufung hätte nämlich zur Folge, daß jedenfalls für diese Straße Gebühren nicht
erhoben werden könnten. Somit ist auch bei diesem Streitgegenstand - wiederum
unter Anknüpfung an § 9 ZPO - von einem Streitwert in Höhe von 882,--DM
auszugehen. Auf diese Weise ergibt sich ein Gesamtstreitwert von 2 X 882,--DM =
1.764,--DM.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.