Urteil des HessVGH vom 18.12.2003

VGH Kassel: bebauungsplan, stadt, ausschluss, gemeinde, versorgung, zubehör, rechtfertigung, firma, eigentümer, form

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
4. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 N 1372/01
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 1 Abs 3 BauGB, § 9 Abs 1
Nr 1 BauGB, § 1 Abs 5
BauNVO, § 1 Abs 9
BauNVO, § 1 Abs 6 BauGB
(Einzelhandelsbetriebe mit nicht innenstadtrelevanten
Sortimenten)
Leitsatz
In einem Gewerbegebiet kann die Nutzung durch Bebauungsplan dahingehend
eingeschränkt werden, dass nur Einzelhandelsbetriebe mit nicht innenstadtrelevanten
Sortimenten zulässig sind. Zur Rechtfertigung dieses Ziels bedarf es nicht der
Einholung eines Einzelhandelsgutachtens.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin darf
die Vollstreckung jedoch durch Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren
Kosten abwenden, sofern nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung in
entsprechender Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Antragstellerin wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen die 3.
Änderung des Bebauungsplans Nr. 5.1 "Großes Industriegebiet" der
Antragsgegnerin.
Die Antragstellerin ist Eigentümerin mehrerer zusammenhängender Grundstücke
in der Flur 65 der Gemarkung A-Stadt, die im Geltungsbereich des vorgenannten
Bebauungsplans liegen. Es handelt sich hierbei um einen Teil des ehemaligen
Betriebsgrundstücks der stillgelegten Vereinigten J.-S. GmbH (N-technikwerke). Die
Grundstücke sollten von der Antragstellerin gewerblich für die Produktion von
Klima- und Luftkanälen bzw. Schlossereierzeugnissen genutzt werden.
Die Bauleitplanung der Antragstellerin für den Bereich "Großes Industriegebiet"
stellt sich wie folgt dar:
Im Bebauungsplan Nr. 5.1 vom 18.02.1967 sind die Grundstücke der
Antragstellerin als Gewerbegebiet festgesetzt. Am 30.10.1986 beschloss die
Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin die 2. Änderung des
Bebauungsplans Nr. 5.1 "Großes Industriegebiet", in dem der Textteil durch den
Satz "Nicht zulässig sind Einzelhandels- und Großhandelsbetriebe in Verbindung
mit Einzelhandelsbetrieben sowie Einkaufszentren und Verbrauchermärkten im
Sinne des § 11 Abs. 3 Baunutzungsverordnung" ergänzt worden ist. In der
Begründung ist hierzu ausgeführt, es sei zu befürchten, dass sich aufgrund der
Bestimmungen der Baunutzungsverordnung 1962 auch großflächige
Einzelhandelsbetriebe und Einkaufszentren auf den für eine gewerbliche Nutzung
ausgewiesenen Flächen ansiedeln könnten, die den Rahmen der örtlichen
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ausgewiesenen Flächen ansiedeln könnten, die den Rahmen der örtlichen
Versorgung sprengen und sich für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung
negativ auswirkten. Daher solle künftig die Möglichkeit der Nutzung durch eine
Änderung des Bebauungsplans, der auf die Bestimmungen der neuen
Baunutzungsverordnung von 1977 abstelle, entfallen.
Nach der Wiedervereinigung hatte die bisherige Hauptmieterin der Hallen, die
Firma S., kein Interesse mehr am Standort A-Stadt und kündigte das
Mietverhältnis.
Auf ihren Antrag erteilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin am 28.06.1995
die Baugenehmigung für den Umbau einer Lagerhalle zu einem Baumarkt mit
Gartencenter. Die Baugenehmigung war mit einer Auflage über
Sortimentsbegrenzungen versehen, die zu mehreren gerichtlichen
Auseinandersetzungen zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin
führten.
Am 04.02.1999 beschloss die Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin
die Aufstellung der 3. Änderung des Bebauungsplans Nr. 5.1 "Großes
Industriegebiet", für die bereits seit 1995 ein Aufstellungsbeschluss vorlag. In dem
Plangebiet sollte die Ansiedlung von im Einzelnen aufgeführten Innenstadt
untypischen Einzelhandelssortimenten in Teilbereichen zugelassen werden. Der
Aufstellungsbeschluss sowie die öffentliche Auslegung des Entwurfs in der Zeit
vom 24.03. bis 26.04.1999 in der Technischen Verwaltung der Antragsgegnerin
wurden am 01.03.1999 in der "H. Zeitung", dem amtlichen
Bekanntmachungsorgan der Antragsgegnerin, bekannt gemacht. Gegen die
vorgesehene Änderung erhob die Antragstellerin durch ihre Bevollmächtigte mit
Schreiben vom 23.03.1999 Einwendungen. Sie machte geltend, dass die
vorgesehene Änderung ihre Interessen als Inhaberin einer Baugenehmigung vom
09.06.1995 für die Nutzungsänderung einer Lagerhalle zu einem Baumarkt mit
Gartencenter nicht hinreichend berücksichtige. Die vorgesehene textliche
Änderung werde ihrer geschützten Rechtsposition nicht gerecht. Sie bedürfe
zumindest einer Ergänzung dahingehend, dass im Bau- und Gartencenter
Randsortimente gemäß "K. Liste" zulässig seien. Im Übrigen machte sie sich die
Bedenken von Fickert/Fieseler, BauNVO, 9. Aufl., Rn 11 zu § 11 zu eigen.
Die Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin beschloss in ihrer Sitzung
vom 24.06.1999 die 3. Änderung des Bebauungsplans Nr. 5.1 "Großes
Industriegebiet" als Satzung und wies gleichzeitig die Bedenken der Antragstellerin
mit der Begründung zurück, die der Antragstellerin erteilte Baugenehmigung nebst
Befreiungsbescheid bleibe auch nach der Änderung des Bebauungsplans
uneingeschränkt bestehen. Für die Antragstellerin bestehe insoweit
Bestandsschutz. Ziel der Antragsgegnerin sei es jedoch, zukünftig durch die
Festsetzung von Sortimenten eindeutige Rechtsgrundlagen in Form von
Bebauungsplänen zu haben, um entsprechende Nutzungsanträge beurteilen zu
können. Dabei solle durch Branchenfestsetzungen die Ansiedlung von
Einzelhandelsbetrieben mit zentralrelevanten Sortimenten in dezentralen
Gewerbegebieten ausgeschlossen werden.
Die 3. Änderung des Bebauungsplans Nr. 5.1 "Großes Industriegebiet" wurde am
09.11.1999 öffentlich bekannt gemacht. In den textlichen Festsetzungen des
Bebauungsplans heißt es u.a.:
"Für das Plangebiet werden folgende Sortimente als nicht zentralrelevant und
damit als zulässig angesehen:
Baustoffe, Sanitär, Fliesen, Bauelemente, Installationsmaterial, Beschläge,
Badeinrichtung, -ausstattung, Eisenwaren und Werkzeuge (insgesamt höchstens
10 % der Gesamtverkaufsfläche)
Rollläden, Gitter, Rollos, Markisen
Holz, Türen, Fenster
Pflanzengefäße, Pflanzen und Zubehör, Pflege- und Düngemittel, Torf, Erde,
Rasenmäher (insgesamt höchstens 10 % der Gesamtverkaufsfläche)
Gartenmöbel, Gartenwerkzeuge, Zäune, Gartenhäuser, Gewächshäuser,
Naturhölzer
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Tiernahrung und Tierhaltungszubehör (keine lebenden Tiere)
Herde, Öfen
Brennstoffe, Mineralerzeugnisse
Möbel, Küchen, Büromöbel, Teppiche und Bodenbeläge bis 3.500 m²
Verkaufsfläche
Campingartikel
Kfz und Zubehör, Motorräder und Zubehör, Boote und Zubehör."
In der Begründung zur 3. Änderung wird u.a. ausgeführt, es habe sich in der
Vergangenheit gezeigt, dass bei Aufgabe von gewerblichen Nutzungen eine
Nachfolgenutzung oft nur sehr schwer zu finden sei und die Liegenschaften leer
stünden. Es sei daher vorgesehen, in dem Bebauungsplan die Ansiedlung von
Innenstadt untypischen Einzelhandelssortimenten in Teilbereichen zuzulassen und
die Bebauungspläne entsprechend zu ändern.
Die Antragstellerin vermietete im April 2000 eine auf ihrem Grundstück befindliche
Halle an die Firma V. GmbH, die dort einen Getränkemarkt betrieb. Diese Nutzung
wurde der Firma V. GmbH von der Antragsgegnerin mit Sofortvollzug untersagt.
Das vorläufige Rechtsschutzbegehren dieser Firma wurde durch Beschluss des
Verwaltungsgerichts Kassel vom 02.11.2000 - 2 G 2378/00 - abgelehnt; ihr Antrag
auf Zulassung der Beschwerde durch Beschluss des Senats vom 19.02.2001 - 4
TZ 3869/00 - abgelehnt.
Am 14.05.2001 hat die Antragstellerin Antrag auf Normenkontrolle gestellt. Sie ist
der Auffassung, dem Antrag fehle es nicht an dem erforderlichen
Rechtsschutzbedürfnis, denn sie erfahre durch die 3. Änderung des
Bebauungsplans entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin keinen Vorteil,
sondern einen Nachteil. Ihre Rechtsposition habe sich weder bezüglich des
Baumarkts noch hinsichtlich der weiteren in ihrem Eigentums stehenden Flächen
verbessert. Ihre Schlechterstellung ergebe sich daraus, dass die zweite Änderung
des Bebauungsplans lediglich den großflächigen Einzelhandel ausgeschlossen
habe, während nach den textlichen Festsetzungen der dritten Änderung nicht
mehr auf die Großflächigkeit abgestellt werde, sondern alle nicht in der Positivliste
aufgezählten Einzelhandelsbetriebe ausgeschlossen seien.
Die 3. Änderung des Bebauungsplans sei wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 3
BauGB unwirksam. Sie sei nur deshalb erfolgt, weil das Regierungspräsidium B-
Stadt die der Klägerin erteilte Baugenehmigung vom 28.06.1995 für rechtswidrig
erachtet habe. Die Verwaltung habe der Stadtverordnetenversammlung der
Antragsgegnerin vorgeschlagen, den Anregungen der Regionalplanung zu
entsprechen. Somit seien aus den textlichen Festsetzungen die
"branchenspezifische Nebensortimente" einschließlich der "maximalen
Verkaufsflächengrößen" herausgenommen worden. Damit solle gewährleistet
werden, dass zwischen dem Einzelhandel in den Gewerbegebiete keine
Wettbewerbsverzerrungen stattfinden. Es liege auf der Hand, dass dies keine
städtebauliche Rechtfertigung darstelle. Der wahre Grund der
Bebauungsplanänderung sei der Schutz des Einzelhandels in der Innenstadt vor
dem Wettbewerb in den angrenzenden Gebieten und der Schutz von
Wettbewerbern im Bereich der Landecker Straße. Auch die Auffassung der
Antragsgegnerin, Lebensmittel grundsätzlich auszuschließen, da sie zur
Nahversorgung für den täglichen Bedarf in der unmittelbaren Nähe der
Wohnbereiche erforderlich seien, könne einem Getränkemarkt mit 100 qm
Verkaufs- und 200 qm Lagerfläche nicht entgegengehalten werden, da er weder
der Erstversorgung der Bevölkerung mit Gütern des täglichen Bedarfs diene noch
ein zentrumstypischer Einzelhandelsbetrieb sei. Die fehlende Planrechtfertigung
folge auch daraus, dass die Antragsgegnerin keine auf die örtlichen
Besonderheiten abstellendes Marktgutachten eingeholt habe.
Der Bebauungsplan sei darüber hinaus wegen der Sortiments- und
Verkaufsflächenbegrenzung unwirksam, da hierfür weder besondere
städtebauliche Gründe im Sinne des § 1 Abs. 9 BauNVO dargelegt noch ersichtlich
seien. Wenn in einem Bebauungsplan die Branchen "Bau- und Heimwerkerartikel"
und "Gartenbedarf" ausnahmsweise zugelassen würden, dann habe dies zur Folge,
dass die insoweit branchenüblichen Sortimente geführt werden dürften. Es seien
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dass die insoweit branchenüblichen Sortimente geführt werden dürften. Es seien
keine städtebaulichen Gründe dafür ersichtlich, warum nur die ausdrücklich
zugelassenen Sortimente erlaubt sein sollen.
Die 2. und 3. Änderung des Bebauungsplans sei ungültig, weil der Ausschluss des
Einzelhandels und die Sortimentsbegrenzung willkürlich erfolgt seien. Die
Fehlerhaftigkeit des Ausschlusses von Getränkemärkten im Gewerbegebiet ergebe
sich daraus, dass mangels Einholung eines Gutachtens über die
Innenstadtrelevanz der Sortimente ein Abwägungsdefizit vorliege. Ein
Getränkemarkt sei in A-Stadt eindeutig nicht innenstadtrelevant. Bei einer
Sortimentsbeschränkung im Einzelfall müssten aus Gründen der Rechtssicherheit
stets die besonderen städtebaulichen Gründe anhand der örtlichen Situation durch
ein Einzelgutachten nachgewiesen werden. Ein derartiges Gutachten hätte
ergeben, dass es in der ganzen Innenstadt von A-Stadt keinen einzigen
Getränkemarkt gebe, sondern nur einen Getränkemarkt innerhalb eines E.-
Geschäftes. Weitere Abholmärkte befänden sich sämtlich außerhalb des
Zentrums. Wenn der Ausschluss von Getränkemärkten in der Vorlage zur
Bebauungsplanänderung bewusst erfolgt sein sollte, so sei dies primär und
unzulässigerweise aus Wettbewerbsgründen geschehen, wofür Aussagen des
Bürgermeisters der Antragsgegnerin am 09.11.2000 sprächen. Aus den textlichen
Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 5.1 3. Änderung ergebe sich, dass das
Regel-Ausnahme-Verhältnis unter Verkennung der gesetzlichen Voraussetzungen
des § 8 BauNVO festgelegt worden sei. Da sich die ausnahmsweise Zulassung
bereits aus dem Gesetz ergebe, hätte es des Satzes "Ausnahmen gemäß § 8 Abs.
3 BauNVO sind nicht zulässig", nicht bedurft. Soweit sich der weitere Text auf
Verkaufsflächen beziehe, könne dies nicht im Rahmen des § 8 Abs. 3 BauNVO
relevant sein, sondern ausschließlich im Rahmen des § 8 Abs. 2 BauNVO.
Die Antragstellerin beantragt,
die 3. Änderung des Bebauungsplans Nr. 5.1 "Großes Industriegebiet" für
nichtig,
hilfsweise,
für nicht wirksam zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt,
Haupt- und Hilfsantrag abzulehnen.
Sie ist der Auffassung, der Antrag sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses
unzulässig. Nach der 2. Änderung des Bebauungsplans Nr. 5.1 seien im
betreffenden Bereich Einzelhandelsbetriebe und Großhandelsbetriebe in
Verbindung mit Einzelhandelsbetrieben sowie Einkaufszentren und
Verbrauchermärkten gänzlich ausgeschlossen gewesen. Nach diesem
bestandskräftigen Bebauungsplan wäre der fragliche Baumarkt unzulässig. Da
diese planungsrechtliche Situation bereits im Zeitpunkt der Genehmigung des
Baumarkts gegeben gewesen sei, habe das Vorhaben nur im Wege der Befreiung
gemäß § 31 Abs. 2 BauGB genehmigt werden können. Mit der 3. Änderung des
Bebauungsplans Nr. 5.1 sei u.a. dem Umstand Rechnung getragen worden, dass
der Baumarkt den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 5.1 widerspreche. Die
3. Änderung solle die vorhandene tatsächliche Bebauung planungsrechtlich
absichern. Die Antragstellerin werde durch die 3. Änderung des Bebauungsplans
Nr. 5.1 nicht beschwert. Vielmehr werde der Bestand des Marktes zusätzlich
planungsrechtlich abgesichert, da nunmehr entgegen der bisherigen Fassung des
Bebauungsplans ausnahmsweise auch Einzelhandelsbetriebe zugelassen würden.
Soweit die Antragstellerin die Nichtzulassung eines Getränkemarktes rüge, wäre
ein derartiger Markt nach der bis zur 3. Änderung geltenden Fassung des
Bebauungsplans ebenfalls unzulässig gewesen. Auch insoweit würde sich bei
einem Wegfall der 3. Änderung nichts positiv zu Gunsten der Antragstellerin
ändern.
Für den Fall, dass der Antrag als zulässig angesehen würde, wäre er jedenfalls
unbegründet. Die 3. Änderung des Bebauungsplans Nr. 5.1 sei für die
städtebauliche Entwicklung erforderlich gewesen. Mit dieser Änderung habe der
Tatsache Rechnung getragen werden können, dass bereits verschiedene
großflächige, Bestandsschutz genießende Handelsbetriebe im Plangebiet
vorhanden seien. Es sei keine neue planungsrechtliche Situation geschaffen
worden, sondern die bestehenden tatsächlichen Verhältnisse seien im
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worden, sondern die bestehenden tatsächlichen Verhältnisse seien im
Bebauungsplan wiedergegeben und festgeschrieben worden. Hierdurch sei in
planungsrechtlicher Hinsicht eine höhere Rechtssicherheit und für die Öffentlichkeit
eine größere Transparenz geschaffen worden. Hinzu sei gekommen, dass nach der
Grenzöffnung für produzierende Gewerbe wenig Nachfrage nach Fläche bestanden
habe und somit mit unerwünschten langfristigen Leerständen, insbesondere auch
auf der Liegenschaft der Antragstellerin, nicht habe gerechnet werden müssen. Es
sei dann nach städtebaulich vertretbaren Lösungen für die vorhandenen Probleme
gesucht worden, ohne dabei das Ziel, die Attraktivität der innenstädtischen
Bereiche sowie die wohnortnahe Versorgung mit Waren des täglichen Bedarfs zu
beeinträchtigen. Mit dem Regierungspräsidium B-Stadt sei ein Katalog mit
Branchen erarbeitet worden, welche durch ihre Zweckbestimmung den Interessen
der Einzelhandelsbetriebe in der Innenstadt nicht entgegenstünden bzw. wegen
der Größe der Betriebe dort nicht angesiedelt werden könnten. Bei der Festlegung
der Positivliste sei auch der Entwurf des Regionalplans Nordhessen aus dem Jahre
1998 berücksichtigt worden, dessen Regelung über zentrenrelevante Sortimente in
den Regionalplan Nordhessen 2000 übernommen worden sei. Die Positivliste
entspreche inhaltlich diesen Vorgaben, wobei lediglich einige spezifizierende
Unterteilungen vorgenommen worden seien. Die festgelegten Sortimente seien in
der Regel für Innenstadtbesucher nicht attraktiv und würden dort auch nicht
erwartet. Die Änderung des Bebauungsplans sei von einem positiven
städtebaulichen Konzept getragen. Anlass und Gegenstand der Änderungsplanung
seien vor allem städtebauliche Belange der Wirtschaft und ihrer mittelständischen
Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung im
Sinne von § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 8 BauGB.
Die den Verfahrensgang des Bebauungsplans Nr. 5.1 und des
Flächennutzungsplans der Antragsgegnerin betreffenden Verwaltungsvorgänge (3
Hefter), der Landschaftsplan der Antragsgegnerin (1 Heft), die Erläuterungen zum
Flächennutzungsplan (1 Heft) und die Akten des Verwaltungsgerichts Kassel 2 G
2378/00 waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Der Antrag ist statthaft, denn die Antragstellerin wendet sich gegen einen
Bebauungsplan und damit gegen eine Satzung, die nach den Vorschriften des
BauGB erlassen worden ist und deren Gültigkeit von dem Hessischen
Verwaltungsgerichtshof gemäß §§ 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, 15 Abs. 1 HessAGVwGO
überprüft werden kann.
Der Antrag ist auch im Übrigen zulässig. Die Antragstellerin ist antragsbefugt im
Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Sie wendet sich gegen textliche
Festsetzungen eines Bebauungsplans, wonach die bauliche Nutzung ihres
Grundstücks dadurch eingeschränkt wird, dass Einzelhandelsbetriebe nur
ausnahmsweise und nur dann zugelassen werden können, wenn sie - im Einzelnen
aufgeführte - nicht zentrenrelevante Sortimente führen. Für einen
Normenkontrollantrag, mit dem sich der Eigentümer eines im Plangebiet
gelegenen Grundstücks gegen eine die Nutzung seines Grundstücks regelnde
Festsetzung wendet, besteht regelmäßig die Antragsbefugnis gemäß § 47 Abs. 2
Satz 1 VwGO. Eine planerische Festsetzung nach § 9 Abs. 1 BauGB stellt eine
Bestimmung des Inhalts des Grundeigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2
GG dar. Die Rechtswidrigkeit eines derartigen normativen Eingriffs in das
Grundeigentum darf der Eigentümer grundsätzlich abwehren (BVerwG, Beschluss
vom 07.07.1997 - 4 BN 11.97 -, BRS 59 Nr. 36).
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin fehlt dem Antrag auch nicht das
erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Für einen Normenkontrollantrag bedarf es -
ebenso wie für eine Klage oder einen sonstigen Antrag - außer der
Geltendmachung einer die Antragsbefugnis begründenden Rechtsverletzung eines
Rechtsschutzbedürfnisses, das dann nicht gegeben ist, wenn sich die
Inanspruchnahme des Gerichts als nutzlos erweist, weil der Antragsteller seine
Rechtsstellung mit der begehrten Entscheidung nicht verbessern kann (vgl.
BVerwG, Beschluss vom 25.05.1993 - 4 NB 50.92 -, BRS 55 Nr. 25). Die
Antragsgegnerin meint, diese Voraussetzungen seien hier gegeben, weil für den
Fall, dass die Antragstellerin obsiege und die 3. Änderung des Bebauungsplans Nr.
5.1 aufgehoben werde, der Bebauungsplan in der Fassung seiner 2. Änderung
gelte, wonach u.a. Einzelhandelsbetriebe gänzlich ausgeschlossen seien. Mit der
Aufhebung der 3. Änderung des Bebauungsplans Nr. 5.1 würde sie ihre
Rechtsstellung nicht verbessern, sondern verschlechtern. Dies trifft jedoch nicht
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Rechtsstellung nicht verbessern, sondern verschlechtern. Dies trifft jedoch nicht
zu. Die Antragsgegnerin hat mit der 2. Änderung des Bebauungsplans Nr. 5.1 nur
großflächige Einzelhandelsbetriebe im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO
ausgeschlossen. Ziel der 2. Änderung des Bebauungsplans war die Umstellung auf
die Baunutzungsverordnung 1977, wonach Vorhaben im Sinne des § 11 Abs. 3
BauNVO nicht mehr im Plangebiet zulässig sein sollten. Dies ergibt sich mit
hinreichender Deutlichkeit durch die Bezugnahme auf die vorgenannte
Bestimmung im Textteil des Bebauungsplans sowie der Begründung hierzu, in der
ausgeführt ist, dass für die bisher in Gewerbegebieten nach der BauNVO 1962
zulässigen großflächigen Einzelhandelsbetriebe und Einkaufszentren künftig auf die
BauNVO 1977 abgestellt werden solle. Diese Betriebe sollten daher nicht mehr in
Gewerbegebieten, sondern außer in Kerngebieten nur in für sie festgesetzten
Sondergebieten zulässig sein. Die 3. Änderung des Bebauungsplans Nr. 5.1
schränkt die Nutzungsmöglichkeiten der Grundstücke weiter ein, weil jetzt auch
nicht großflächige Einzelhandelsbetriebe nur unter den festgesetzten
Voraussetzungen zulässig sind. Diese Auffassung hat auch das
Regierungspräsidium B-Stadt in seinem von der Antragstellerin vorgelegten
Schriftsatz vom 09.11.1999 in dem vor dem Verwaltungsgericht Kassel
anhängigen Verfahren der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin und das
Land Hessen vertreten und ausgeführt, die Antragstellerin habe mit der 2.
Änderung des Bebauungsplans den Einzelhandel nicht generell ausgeschlossen.
Als im dortigen Gewerbegebiet unzulässig seien lediglich Einzelhandelsbetriebe im
Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO erklärt worden. Die 3. Änderung des
Bebauungsplans Nr. 5.1 schränkt die Nutzungsmöglichkeiten der Grundstücke
weiter ein, weil jetzt auch nicht großflächige Einzelhandelsbetriebe nur unter den
festgesetzten Voraussetzungen zulässig sind.
Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Bei der angefochtenen Planänderung handelt es sich um eine unselbständige
Planänderung, so dass Mängel des Ursprungsplans auf die Planänderung
durchschlagen. In der Regel liegt eine Abhängigkeit von einer vorausgegangenen
Planung vor, wenn ein Bebauungsplan durch eine nachfolgende Planung geändert
oder ergänzt wird, weil die nachfolgende Planung grundsätzlich das Schicksal der
vorausgegangenen Planung teilt; etwas Anderes gilt jedoch dann, wenn sich die
nachfolgende Planung gegenüber der Ursprungsplanung verselbständigt hat. Dies
ist hier nicht der Fall. Die Planänderung hat sich mit ihren ergänzenden textlichen
Festsetzungen zu den in der vorausgegangenen Planung getroffenen
Baugebietsausweisung nicht derart verselbständigt, dass sie auch ohne den
Fortbestand des Ursprungsplans aus sich heraus Grundlage der städtebaulichen
Entwicklung und Ordnung im Änderungsgebiet sein kann, denn die Festsetzungen
des Ursprungsplans sind weder sämtlich durch den Änderungsplan ersetzt noch
erneut in die planerische Abwägung aufgenommen worden.
Die von der Antragstellerin gegen den Bebauungsplan in der Fassung seiner 2.
Änderung, mit dem die Planung auf die Baunutzungsverordnung 1977 abgestellt
worden ist, gerügten Mängel greifen nicht durch. Die Antragstellerin hält den
Bebauungsplan in der Fassung seiner 2. Änderung aus den Gründen der
Entscheidung des OVG Rheinland-Pfalz vom 15.07.1987 - 10 C 46/46 -, NVwZ
1988, 379, für nichtig. Die Entscheidung ist jedoch für die 2. Änderung des
Bebauungsplans nicht einschlägig. In dem dieser Entscheidung zugrunde
liegenden Bebauungsplan waren in einem Gewerbegebiet Einzelhandelsgeschäfte
mit Ausnahme des Kfz-Zubehörhandels ausgeschlossen worden; es ging also um
die Frage, ob der Ausschluss auf § 1 Abs. 5 oder Abs. 9 BauNVO gestützt werden
konnte. Die 2. Änderung des Bebauungsplans betrifft jedoch eine Anpassung des
Bebauungsplans an die Regelungen des § 11 Abs. 3 BauNVO 1977, wonach die
nach der BauNVO 1962 in Gewerbegebieten grundsätzlich zulässigen
Einkaufszentren und Verbrauchermärkte nicht mehr in Gewerbegebieten, sondern
nur noch in Kern- oder Sondergebieten zulässig sind. Wie sich aus der Begründung
zur 2. Änderung des Bebauungsplans ergibt, wollte die Antragsgegnerin
verhindern, dass aufgrund der für den Bebauungsplan von 1967 maßgeblichen
BauNVO 1962 weiterhin auch großflächige Einzelhandelsbetriebe und
Einkaufszentren in einem ausgewiesenen Gewerbegebiet ansiedelten, obwohl dies
nach § 11 Abs. 3 BauNVO 1977 nicht mehr zulässig war. Dies ist rechtlich nicht zu
beanstanden. Da der textliche Teil der 2. Änderung des Bebauungsplans den Satz
enthält, dass im Übrigen die Festsetzungen des Bebauungsplans unverändert
bleiben, hat die Antragsgegnerin die ursprünglichen Festsetzungen des
Bebauungsplans erneut in ihre planerische Abwägung einbezogen, so dass sich die
2. Änderungsplanung gegenüber der Ursprungsplanung verselbständigt hat und
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2. Änderungsplanung gegenüber der Ursprungsplanung verselbständigt hat und
eine eventuelle Fehlerhaftigkeit der Ursprungsplanung die 2. Änderungsplanung
nicht erfasst.
Die 3. Änderung des Bebauungsplans ist in formeller Hinsicht nicht zu
beanstanden. Weder hat die Antragstellerin rechtserhebliche Form- oder
Verfahrensfehler gerügt noch sind derartige Verstöße ersichtlich.
Der Bebauungsplan begegnet auch in materieller Hinsicht keinen Bedenken. Der
von der Antragstellerin geltend gemachte Verstoß der 3. Änderung des
Bebauungsplans gegen § 1 Abs. 3 BauGB liegt nicht vor. Nach dieser Vorschrift
haben die Gemeinden Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die
städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Aus dem
Erforderlichkeitsmerkmal lässt sich allerdings nicht ableiten, dass bauplanerische
Festsetzungen nur zulässig sind, wenn sie zur Bewältigung einer bauplanerischen
Problemlage unentbehrlich oder zwingend geboten sind. Vielmehr ist die
Gemeinde schon dann zur Planung befugt, wenn sie hierfür gewichtige
städtebauliche Allgemeinbelange ins Feld führen kann (BVerwG, Beschluss vom
11.05.1999 - 4 BN 15.99 -, BauR 1999, 1136 <1137>). Ausreichend ist eine
Planung, die von einem bodenrechtlichen Konzept getragen ist und nach den
Maßstäben des § 1 Abs. 5 und 6 BauGB von vornherein nicht undurchführbar
erscheint, somit vernünftigerweise geboten ist (BVerwG, Urteil vom 22.01.1993 - 8
C 46.91 -, BauR 1993, 585 <587>). An der Erforderlichkeit fehlt es nur dann, wenn
der Bebauungsplan einer positiven Planungskonzeption entbehrt und offensichtlich
der Förderung von Zielen dient, für deren Verwirklichung die Bauleitplanung nicht
bestimmt ist. Welche städtebaulichen Zielen die Gemeinde sich setzt, liegt in
ihrem planerischen Ermessen, denn der Gesetzgeber ermächtigt sie, die
"Städtebaupolitik" zu betreiben, die ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen
entspricht. Hierzu gehört auch die Entscheidung, in welchem Umfang sie
Gemeindeteile zur Unterbringung von Gewerbebetrieben zur Verfügung stellt.
Sofern sie an einem bestimmten Standort keine Einzelhandelsbetriebe wünscht,
ist es ihr unter dem Blickwinkel des § 1 Abs. 3 BauGB nicht verwehrt, ein
Gewerbegebiet unter Ausschluss dieser Nutzungstypen festzusetzen. Geht es der
planenden Gemeinde darum, das Gebiet insbesondere davor zu bewahren, dass
Einzelhandelsbetriebe auf Kosten von Betrieben des produzierenden Gewerbes
überhand nehmen, so bedarf es zur Rechtfertigung dieses Ziel nicht des konkreten
Nachweises, dass ohne diese Beschränkung andere Einzelhandelsstandorte
gefährdet werden oder das Ortszentrum an Attraktivität verliert (BVerwG,
Beschluss vom 11.05.1999 - 4 NB 15.99 -, BRS 62 Nr. 19). Ein derartiges Ziel
verfolgt auch die Antragsgegnerin, denn ihre Planung zielt darauf ab, die durch
Schließung eines Baumarktes entstandene brachliegende Gewerbefläche in
eingeschränkter Form durch in der Positivliste aufgeführte Einzelhandelsbetrieb
mit nicht innenstadtrelevanten Sortimenten einer gewerblichen Nutzung
zuzuführen. Es ist der Gemeinde nicht verwehrt, auf Flächen, auf denen bisher
Einzelhandelsbetriebe allgemein zulässig und Großhandelsbetriebe in Verbindung
mit Einzelhandelsbetrieben sowie Einkaufszentren und Verbrauchermärkte nicht
zulässig waren, ausnahmsweise Einzelhandelsbetriebe mit nicht zentrenrelevanten
Warensortimenten zuzulassen, um eine sich abzeichnenden Fehlentwicklung in
einem ausgewiesenen Gewerbegebiet abzuwenden.
Dass die Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin bei der Fassung des
Satzungsbeschlusses aufgrund der ihr vorgelegten Begründung insoweit
unzutreffend informiert worden ist, dass mit den Festsetzungen der 3. Änderung
des Bebauungsplans eine gegenüber der 2. Änderung erweiterte gewerbliche
Nutzung zugelassen werde, weil durch die Änderung des Bebauungsplans 1987
der Einzelhandel in diesem Gebiet ausgeschlossen worden sei (Satz 2 der
Begründung), führt nicht zur Fehlerhaftigkeit der beschlossenen Planänderung.
Zwar muss eine Stadtverordnetenversammlung bei der Beratung und
Beschlussfassung über die Änderung eines Bebauungsplans grundsätzlich
vollständig und richtig über den Umfang der Planänderung informiert werden, wozu
auch gehört, dass sie sich darüber im Klaren ist, ob mit der Änderung eine
Nutzungseinschränkung oder eine erweiterte gewerbliche Nutzungszulassung
verbunden ist; eine fehlerhafte Information über die bisherigen planerischen
Festsetzungen ist jedoch dann unschädlich, wenn die
Stadtverordnetenversammlungen in jedem Fall für die Zukunft nur eine
eingeschränkte gewerbliche Nutzung zulassen wollte. In einem derartigen Fall ist
eine fehlerhafte Information über die bisher gültigen Festsetzungen für die
Beschlussfassungen nicht relevant. So liegt es hier. Die
Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin wollte im Einklang mit den
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Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin wollte im Einklang mit den
Zielen des Entwurfs des Regionalplans Nordhessen 2000 unter Berücksichtigung
der Belange der Sicherstellung der wohnortnahen Versorgung und der Erhaltung
und Verbesserung der Attraktivität des innerstädtischen Bereichs die Ansiedlung
von Einzelhandelsbetrieben mit zentralrelevanten Sortimenten in dezentralen
Gewerbegebieten ausschließen. Dieses Ziel der Bauleitplanung hat die
Antragsgegnerin auch der Antragstellerin mit Schreiben vom 12.07.1999 dargelegt
und gleichzeitig mitgeteilt, dass ihrer Anregung nicht entsprochen werde.
Die textlichen Festsetzungen, mit denen ausnahmsweise in den schraffierten
Bereichen Einzelhandelsbetriebe mit nicht zentrenrelevanten Warensortimenten,
die im Einzelnen aufgeführt sind, zulässig sind, verstoßen nicht gegen das Gebot
der Bestimmtheit planerischer Festsetzungen, wonach aus Gründen der
Rechtsklarheit und damit der Rechtssicherheit die Festsetzungen eines
Bebauungsplans so eindeutig und klar sein müssen, dass ihnen
unmissverständlich zu entnehmen ist, wo und wie gebaut und baulich genutzt
werden darf oder muss. Sie enthalten eine Positivliste mit als nicht
innenstadtrelevant bezeichneten Sortimenten, die ausnahmsweise zugelassen
werden können. Damit ist eindeutig festgelegt, welche Sortimente als nicht
innenstadtrelevant ausnahmsweise zulässig sind.
Die 3. Änderung des Bebauungsplans findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 9 Abs. 1
Nr. 1 BauGB, 1 Abs. 9 i.V.m. Abs. 5 BauNVO. Danach kann im Bebauungsplan
festgesetzt werden, dass bestimmte Arten von Nutzungen, die nach den §§ 2, 4
bis 9 und 13 BauNVO allgemein zulässig sind, nicht zulässig sind oder nur
ausnahmsweise zugelassen werden können, sofern die allgemeine
Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt (§ 1 Abs. 5 BauNVO) und, wenn
besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen, nur bestimmte Arten der in
den Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zulässigen baulichen oder
sonstigen Anlagen zulässig oder nicht zulässig sind oder ausnahmsweise
zugelassen werden können (§ 1 Abs. 9 BauNVO). § 1 Abs. 9 BauNVO gestattet
über § 1 Abs. 5 BauNVO hinausgehend, einzelne Unterarten von Nutzungen mit
planerischen Festsetzungen zu erfassen. Ziel dieser Vorschrift ist es, die
allgemeinen Differenzierungsmöglichkeiten der Baugebietstypen nochmals einer
Feingliederung unterwerfen zu können, falls sich hierfür besondere städtebauliche
Gründe ergeben, um die Vielfalt der Nutzungsarten im Plangebiet zu mindern
(BVerwG, Beschluss vom 27.07.1998 - 4 BN 31.98 -, BRS 60 Nr. 29). Eine
Festsetzung nach § 1 Abs. 9 BauNVO kann auch das gegenüber § 1 Abs. 5
BauNVO zurückhaltendere und den betroffenen Eigentümer weniger belastende
Planungsinstrument sein. In diesem Fall kann ein gegenüber Abs. 5 größeres
Gewicht der städtebaulichen Gründe nicht gefordert werden. Die besonderen
städtebaulichen Gründe für einen auf bestimmte Arten der baulichen oder
sonstigen Nutzung begrenzten planerischen Zugriff der Gemeinde können gerade
in der konkreten Planungssituation und einer sich hieraus ergebenden
Beschränkung auf einen Abschnitt der an sich nach Abs. 5 insgesamt
ausschließbaren Nutzungsart liegen (BVerwG, Urteil vom 22.05.1987 - 4 C 77.84 -,
BRS 47 Nr. 58). Die Antragsgegnerin hat mit der ausnahmsweisen Zulassung von
Einzelhandel mit nicht innenstadtrelevanten Sortimenten eine Nutzungsunterart
von Einzelhandelsbetrieben zugelassen. Festsetzungen auf der Grundlage des § 1
Abs. 9 BauNVO müssen dem Erfordernis genügen, bestimmte Anlagentypen zu
umschreiben. Dabei kommen als ein zur Konkretisierung geeignetes Mittel auch
Sortimentsbeschränkungen in Betracht, sofern die Differenzierung marktüblichen
Gegebenheiten entspricht. Der Rückgriff auf Listen in Einzelhandelserlassen oder
sonstigen Orientierungshilfen ist unbedenklich, soweit dadurch bestimmte Arten
von Anlagen im Sinne des § 1 Abs. 9 BauNVO zutreffend gekennzeichnet werden
(BVerwG, Beschluss vom 04.10.2001 - 4 BN 45/01 -, BRS 64 Nr. 28). Dies ist bei
dem von der Antragsgegnerin verwendeten Begriff des nicht innenstadtrelevanten
Sortiments der Fall. Die Begriffe des innenstadtrelevanten oder nicht
innenstadtrelevanten Sortiments haben inzwischen eine solche Verfestigung der
ökonomischen Realität des Einzelhandels und in der bauplanungsrechtlichen Praxis
erfahren, dass sie typusbildend im Sinne von § 1 Abs. 9 BauNVO für
Einzelhandelsbetriebe eingesetzt werden können (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil
vom 24.08.2000 - 1 C 11457/99 -, BRS 63 Nr. 83; König/Roeser/Stock, BauNVO, 2.
Aufl., § 8 RN 23a). Die von der Antragsgegnerin vorgenommene Feingliederung ist
durch "besondere" städtebauliche Gründe im Sinne des § 1 Abs. 9 BauNVO
gerechtfertigt. Soweit die Antragstellerin unter Hinweis auf die Ausführung von
Fickert/Fiesler, BauNVO, 9. Aufl., § 11 RN 27.22 - ebenso die 10. Aufl. - die
Auffassung vertritt, dass die besonderen städtebaulichen Gründe stets anhand der
örtlichen Situation durch ein Einzelhandelsgutachten nachgewiesen werden
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örtlichen Situation durch ein Einzelhandelsgutachten nachgewiesen werden
müssten, vermag ihr der Senat nicht zu folgen. Zur Rechtfertigung des
planerischen Ziels, durch Branchenfestsetzungen die Ansiedlung von
Einzelhandelsbetrieben mit zentralrelevanten Sortimenten in dezentralen
Gewerbegebieten auszuschließen, bedarf es nicht des konkreten Nachweises etwa
durch Einholung eines Einzelhandelsgutachtens, dass ohne diese Beschränkung
andere Einzelhandelsstandorte gefährdet werden (BVerwG, Beschluss vom
11.05.1999, a. a. O.; Hess. VGH, Urteil vom 19.09.2002 - 3 N 78/00 -, BauR 2003,
501 (502)). Was die Antragsgegnerin in ihrer Begründung zur 3. Änderung des
Bebauungsplans ausführt, wird den Anforderungen des § 1 Abs. 9 BauNVO
gerecht. Die Antragsgegnerin macht geltend, dass sie bestrebt gewesen sei, bei
Aufgabe von gewerblichen Nutzungen die Nutzungsmöglichkeiten zu erweitern, um
städtebauliche Missstände zu vermeiden und die Funktionszuweisung im
regionalen Raumordnungsplan als "Mittelzentrum mit Teilfunktion eines
Oberzentrums" durch entsprechende Vorgaben erfüllen zu müssen. Dabei hat sie
sich die Ausführungen im Entwurf des Regionalplans Nordhessen 2000 zu eigen
gemacht, dass neue Entwicklungen im Handel mit verkehrszentralen Ansiedlungen
sorgfältig mit der Sicherstellung der wohnortnahen Versorgung und der Erhaltung
und Verbesserung der Attraktivität der innenstädtischen Bereiche von zentralen
Orten abzuwägen und auf ihre Vereinbarkeit mit den örtlichen Entwicklungen zu
prüfen seien. Die Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben mit zentralrelevanten
Sortimenten in dezentralen - nicht integrierten - Gewerbebetrieben sei mit den
Zielen der Raumordnung nicht vereinbar. Damit hat die Antragsgegnerin spezielle
Gründe für eine gegenüber § 1 Abs. 5 BauNVO noch feinere Ausdifferenzierung der
zulässigen Nutzung gegeben, denn sie unterscheidet danach, ob die den
Anlagentyp bestimmenden (Haupt-)Sortimente zentrenrelevant sind. Dies stellt
einen zur Sicherung des Einzelhandelskonzepts der Antragsgegnerin
hinreichenden Differenzierungsgrund dar, weil die Antragsgegnerin durch diese
feinere Differenzierung der zulässigen Nutzungen dem durch die Aufgabe
gewerblicher Nutzungen hervorgerufenen städtebaulichen Missstand
entgegentreten und gleichzeitig der Gefahr eines Attraktivitätsverlustes der
Innenstadt begegnen will. Diese Überlegungen beruhen auf legitimen
städtebaulichen Gründen. Die Stärkung des Stadtzentrums durch eine
verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung mit Gütern des täglichen Bedarfs,
insbesondere auch für nicht mobile Käuferschichten sowie das Entgegenwirkung
einer Verödung des Stadtzentrums sind besondere städtebauliche Gründe im
Sinne des § 1 Abs. 9 BauNVO.
Die 3. Änderung des Bebauungsplans Nr. 5.1 verstößt auch nicht gegen das
Abwägungsgebot des § 1 Abs. 6 BauGB, wonach bei der Aufstellung eines
Bebauungsplans die öffentlichen und privaten gegeneinander und untereinander
abzuwägen sind. Das Abwägungsgebot erfordert, dass der Träger der
Bauleitplanung 1. überhaupt eine Abwägung vornimmt, 2. in die Abwägung an
Belangen einstellt, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, 3.
weder die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange verkennt
noch 4. den Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vornimmt, der zur objektiven
Gewichtung einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen
Rahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt, wenn sich die zur
Planung berufene Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für
die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung
eines anderen Belangs entscheidet, denn die darin liegende Gewichtung der von
der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange ist ein wesentliches
Element der planerischen Gestaltungsfreiheit und als solche der
verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogen. Dabei sind Mängel im
Abwägungsvorgang nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das
Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind (§ 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB). Unter
Berücksichtigung dieser Kriterien sind die Festsetzungen der 3. Änderung des
Bebauungsplans nicht abwägungsfehlerhaft. Die Stadtverordnetenversammlung
der Antragsgegnerin hat sich mit den Folgen der Umsetzung ihres Zielkonzepts für
den Einzelhandel eingehend befasst und insbesondere auch vor dem Hintergrund
der durch diese Regelung eintretenden wirtschaftlich nachteiligen Folgen für die
Antragstellerin sowie andere Betroffene durch das Verbot von
Einzelhandelsbetrieben mit zentrenrelevanten Sortimenten beschäftigt. Sie hat
auch nicht die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange
verkannt. Soweit die Antragstellerin rügt, die Sortimentsbegrenzung sei willkürlich,
jedenfalls soweit sie den Ausschluss von Getränkemärkten betreffe, kann sie damit
keinen Erfolg haben. Die Antragsgegnerin hat sich bei der vorgenommenen
Sortimentsbegrenzung in nicht zu beanstandender Weise an dem Entwurf des
Regionalplans Nordhessen 2000 orientiert, in dem Getränkemärkte nicht unter den
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Regionalplans Nordhessen 2000 orientiert, in dem Getränkemärkte nicht unter den
nichtzentrenrelevanten Sortimenten aufgeführt sind. Der Ausschluss von
Einzelhandelsbetrieben, Großhandelsbetrieben sowie Einkaufszentren mit
Verbrauchermärkten durch eine Positivliste, in der nichtzentrenrelevante Brachen
aufgeführt sind, ist nicht ermessensfehlerhaft.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO
liegen nicht vor.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.