Urteil des HessVGH vom 06.02.1989

VGH Kassel: politische verfolgung, ausreise, staatliche verfolgung, orthodoxe kirche, entführung, religionsunterricht, wahrscheinlichkeit, minderheit, bundesamt, schüler

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
12. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 UE 2580/85
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 16 Abs 2 S 2 GG, § 1
Abs 1 AsylVfG, § 4 Abs 1
AsylVfG
(Asylrecht syrisch-orthodoxer Christen aus der
Südosttürkei)
Tatbestand
Der am 1. Februar 1950 - laut Paß in Mardin, laut Nüfus vom 16. Februar 1979 in
Midyat und laut Nüfus vom 1. September 1967 in Arbay, Kreis Midyat, Provinz
Mardin - geborene Kläger zu 1) sowie die am 3. Februar 1954 - nach ihren drei
entsprechenden Personalpapieren jeweils im selben Ort geborene Klägerin zu 2)
sind Eheleute. Die am 15. April 1974, am 12. Juli 1976, am 2. August 1978 und am
10. August 1979 - laut ihren Nüfen jeweils in Midyat - geborenen Kläger zu 3) bis 6)
sowie die am 25. Februar 1981 in Offenbach geborene Klägerin zu 7) sind die
gemeinsamen Kinder der Kläger zu 1) und 2). Sämtliche Kläger sind türkische
Staatsangehörige syrisch-orthodoxen Glaubens. Die Kläger zu 1) bis 6) verließen
die Türkei am 11. Juni 1980 über Edirne-Kapikule und reisten - nach ihren Angaben
- ca. vier Tage später mit einem Kleinbus u.a. über Bulgarien in die Bundesrepublik
Deutschland ein. Sie waren im Besitz eines am 13. Februar 1980 in Mardin
ausgestellten und für zwei Jahre gültigen Familienpasses. Nach der darin
enthaltenen Nüfuseintragung sowie nach den Eintragungen in sämtlichen Nüfen
der Kläger zu 1) bis 6) ist die Familie in dem Dorf Arbay, Kreis Midyat, Provinz
Mardin, registriert.
Der Vater R. A. des Klägers zu 1) lebte zunächst noch in der Türkei; er reiste am
26. Februar 1984 in die Bundesrepublik Deutschland ein; sein Asylantrag wurde
rechtskräftig abgelehnt (VG Wiesbaden I E 5240/86). Die Mutter G. A. des Klägers
zu 1) kam zusammen mit den Klägern zu 1) bis 6) ins Bundesgebiet; sie ist
bestandskräftig als Asylberechtigte anerkannt (VG Wiesbaden IV/3 E 5545/83). Der
am 1. Dezember 1952 geborene Bruder C. des Klägers zu 1) war bereits am 13.
September 1977 mit seiner Familie eingereist; er und seine Familie sind
rechtskräftig anerkannte Asylberechtigte (VG Ansbach 7872-IV/78 ). Der
Bruder Y. des Klägers zu 1) lebt seit ca. 1978 in Schweden. Seine Schwester C. ist
mit einem Muslimen nach Angaben des Klägers zu 1) nach vorheriger Entführung -
verheiratet; sie wohnt in Arbay. Seine am 12. Februar 1964 geborene Schwester H.
kam zusammen mit dem Vater ins Bundesgebiet; sie ist rechtskräftig anerkannte
Asylberechtigte (VG Wiesbaden I E 5240/86). Die Eltern M. und F. D. der Klägerin zu
2) kamen (ebenfalls) am 11. Juni 1980 zusammen mit den beiden am 2. März
1965 und am 15. Juni 1976 geborenen Brüdern T. und D. der Klägerin zu 2) ins
Bundesgebiet; die Eltern sind rechtskräftig als Asylberechtigte anerkannt (VG
Minden 8 K 10754/83); die beiden Brüder haben kein Asylverfahren betrieben. Die
verheiratete Schwester A. K. der Klägerin zu 2) lebt in der Schweiz.
Mit Schriftsatz ihrer früheren Bevollmächtigten vom 25. Juni 1980 beantragten die
Kläger zu 1) bis 6) ihre Anerkennung als Asylberechtigte mit folgender
Begründung: Nachdem fast sämtliche syrisch-orthodoxen Einwohner aus Midyat -
u.a. 1977 auch der Bruder C. des Klägers zu 1) - vertrieben worden seien, hätten
auch sie Haus und Hof verkaufen müssen, um ihre Heimat verlassen zu können.
Sie seien nicht aus wirtschaftlichen Gründen geflohen, hätten vielmehr in der
Türkei, wo der Kläger zu 1) als Maurer gearbeitet habe, ihr Auskommen gehabt.
Sie seien jedoch religiös verfolgt worden. So seien sie von den Moslems
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Sie seien jedoch religiös verfolgt worden. So seien sie von den Moslems
"geschnitten" worden, hätten in den Geschäften keine Lebensmittel mehr erhalten
und seien abends auf der Straße ihres Lebens nicht mehr sicher gewesen.
Außerdem seien sie Pressionen und Verfolgungen ausgesetzt gewesen, weil aus
ihren Ausweisen ihre Religionszugehörigkeit ersichtlich sei. Verschiedene
Glaubensgenossen seien bereits beschossen und verletzt worden. Die türkische
Regierung gewähre nicht den erforderlichen Schutz. In eine größere Stadt hätten
sie nicht umziehen können, da sie dort ihren Glauben hätten verheimlichen
müssen und sie außerdem jederzeit von nachziehenden Bewohnern ihrer
Heimatregion hätten erkannt werden können. In einem Drittland hätten sie Asyl
nicht beantragt.
Bei ihrer in türkischer und deutscher Sprache durchgeführten persönlichen
Anhörung bei der Ausländerbehörde am 20. Oktober 1980 gaben die Kläger zu 1)
und 2) als eigenen Geburtsort und als Geburtsort der Kläger zu 3) bis 6) "Midyat",
als letzte Anschrift im Heimat-/Herkunftsland "Alayunt, Kr. Midyat" und als
erlernten Beruf des Klägers zu 1) "Waldarbeiter" an; im übrigen bezogen sie sich
auf den anwaltlichen Asylantrag vom 25. Juni 1980.
Anläßlich ihrer in kurdischer Sprache durchgeführten Anhörung im Rahmen der
Vorprüfung durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge
am 8. März 1982 in Nürnberg ließen sie zunächst ihre Angaben bei der
Ausländerbehörde wie folgt ergänzen und berichtigen: Zum einen wurde die
Klägerin zu 7) unter Buchstabe e) in die Niederschrift aufgenommen; gleichzeitig
wurde durch Ankreuzen klargestellt, daß sich das Asylbegehren auch auf die Kläger
zu 2) bis 7) erstreckt. Ferner gaben die Kläger zu 1) und 2) als eigenen Geburtsort
und als Geburtsort der Kläger zu 3) bis 6) nunmehr "Alayurt" (Köyü) und als
Volkszugehörigkeit "aramäisch" an; unter der Rubrik "Sprachkenntnisse" der
Niederschrift ließen sie für den Kläger zu 1) "Kurdisch" und für die Klägerin zu 2)
"Kurdisch, aramäisch" eintragen. Des weiteren führte der Kläger zu 1), dessen
Angaben teilweise durch die Klägerin zu 2) ergänzt wurden, aus: Er habe keine
Schule besucht und sei Analphabet; er habe auch keinen Beruf erlernt und sei vor
der Ausreise in der eigenen Landwirtschaft tätig gewesen; Militärdienst habe er
nicht geleistet. Sie hätten in Alayurt ca. 100 Dönüm Felder und sechs Weinberge
(von insgesamt ca. 20 Dönüm) sowie 50 bis 60 Schafe und Ziegen besessen. Im
Sommer 1978 sei seine damals ca. 30 Jahre alte ledige Schwester C. eines Nachts
von vier bewaffneten Moslems entführt worden. Als er ihr habe helfen wollen, sei er
durch einen Pistolenschuß am linken Bein verletzt worden. Er sei daraufhin neun
Tage stationär behandelt worden und seither gehbehindert. Anzeige bei der Polizei
hätten sie damals nicht erstattet, weil die Moslems ihnen für diesen Fall mit dem
Tod gedroht hätten. Wegen seiner Gehbehinderung habe er, der Kläger zu 1), die
gesamte Landwirtschaft an Moslems verpachtet; christliche Pächter hätten sich
aus Angst vor den Moslems nicht gefunden. Von den Moslems habe er aber nicht -
wie vereinbart - die Hälfte, sondern nur ein Viertel der Erträge erhalten; habe er
sich hierüber beschwert und mehr verlangt, so hätten sie ihn beschimpft und
beleidigt. Seit der Entführung seiner Schwester sei das Leben in Alayurt
unerträglich geworden. Sie hätten nicht mehr ohne Gefahr das Haus verlassen
können; die Klägerin zu 2) sei beim Wasserholen von Moslems immer öfter
beschimpft und mit Steinen beworfen, ihr Wasserkrug sei zerstört worden. Kurz
nach der Entführung seien seine Brüder aus Angst, ermordet zu werden, ins
Ausland geflüchtet. Sie selbst seien damals einige Male von Moslems aufgefordert
worden, das Dorf zu verlassen. Ende 1979 oder Anfang 1980 sei dann das Haus
der Familie von ca. zehn Moslems aus der Sippe der Entführer überfallen worden;
diese hätten sie gezwungen, ihr Haus und das Dorf zu verlassen. In Alayurt hätten
zu diesem Zeitpunkt ca. 60 bis 70 moslemische und noch ca. vier christliche
Familien gelebt; der Dorfpfarrer Yusuf Dursun sei bereits etwa einen Monat vorher
nach Midyat geflüchtet gewesen, wo er heute noch lebe. Nach ihrer Vertreibung
aus Alayurt seien sie zu den Schwiegereltern seines Bruders C nach Midyat
gegangen, wo sie noch ca. zwei bis vier Wochen geblieben seien; während dieser
Zeit sei ihnen ohne Schwierigkeiten der Familienpaß ausgestellt worden. Danach
hätten sie sich bis zur Ausreise noch ca. einen Monat bei Verwandten der Klägerin
zu 2) in Istanbul-Tarlabasi aufgehalten. Ausgereist seien sie im Kleinbus eines
moslemischen Türken, der als Gastarbeiter in Belgien tätig sei. Die Ausreise
hätten sie aus Ersparnissen sowie durch den Verkauf einiger Tiere finanziert. Die
Klägerin zu 2) gab an, sie habe fünf Jahre lang die Grundschule in Alayurt Köyü
besucht, keinen Beruf erlernt und sei vor der Ausreise als Hausfrau tätig gewesen.
Mit Bescheid vom 4. März 1983 - zugestellt am 11. Mai 1983 - lehnte das
Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge die Asylanträge der
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Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge die Asylanträge der
Kläger ab. Zur Begründung wurde ausgeführt: Es sei nicht ersichtlich, daß die
Christen in der Türkei allgemein in asylerheblicher Weise verfolgt wären und daß
darüber hinaus im vorliegenden Fall für die Ausreise aus der Türkei politische
Verfolgung ursächlich gewesen sei oder daß bei einer Rückkehr mit asylerheblichen
Verfolgungsmaßnahmen gerechnet werden müsse. Weder gebe es in der Türkei
eine gezielte staatliche Verfolgung von Angehörigen der christlichen Minderheit,
noch könne von einer generellen Duldung, Untätigkeit oder gar Unterstützung des
türkischen Staates bei Übergriffen Dritter die Rede sein, wenngleich die türkische
Regierung nicht in jedem Fall die Sicherheit des einzelnen garantieren könne. Die
Folgen der früheren desolaten innenpolitischen Zustände hätten im übrigen nicht
nur die christlichen Minderheiten sondern die türkische Bevölkerung in ihrer
Gesamtheit getroffen. Daß vielfach Christen Opfer von Angriffen und Bedrohungen
von Privatpersonen wurden, sei nicht in erster Linie auf ihre Volks- bzw.
Religionszugehörigkeit, sondern auf ihre relativ bessere wirtschaftliche Situation
sowie auf ihre - durch Abwanderung eines großen Teils der arbeits- und
verteidigungsfähigen Männer - geschwächte Selbstverteidigungskraft
zurückzuführen. Durch den Machtwechsel vom 12. September 1980 habe sich
überdies die Sicherheitslage grundlegend gebessert; dies gelte auch für die
traditionellen Siedlungsgebiete der Christen. Darüber hinaus ergäben sich aus
dem Vortrag der Kläger keine Anhaltspunkte für eine bereits erfolgte oder noch zu
befürchtende asylerhebliche Verfolgung. Gegen die von den Klägern geltend
gemachten Bedrohungen bzw. Übergriffe von Privatpersonen sei der Schutz des
türkischen Staates in Anspruch zu nehmen. Daß den Klägern gezielt staatlicher
Schutz verweigert worden sei, hätten sie nicht hinreichend substantiiert und
glaubhaft gemacht. Vielmehr seien staatliche Stellen von ihnen gar nicht um
Schutz gebeten worden. Nach dem vorliegenden Informationsmaterial sei im
übrigen davon auszugehen, daß auch Christen bei Anrufung der Gerichte in der
Türkei zu ihrem Recht gelangten. Unabhängig hiervon seien die westliche Türkei
und insbesondere Istanbul als inländische Fluchtalternative anzuführen; dort träfen
Christen auf bereits vorhandene hilfsbereite und oft wohlhabende christliche
Gemeinden, die ihnen zusätzlich Rückhalt und Hilfestellung böten. Auch für vom
Lande nach Istanbul ziehende Christen bestehe deshalb die Möglichkeit, sich dort
einen Arbeits- und Sozialkreis zu schaffen. Für die Kläger zu 3) bis 7) seien weitere
eigene Asylgründe ohnehin nicht dargetan.
Mit Bescheid vom 3. Mai 1983 forderte der Landrat des Kreises Offenbach die
Kläger zu 1) und 2) zur Ausreise auf und drohte ihnen für den Fall, daß sie nicht
innerhalb eines Monats nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Bescheids des
Bundesamtes der Ausreiseaufforderung nachkämen, die Abschiebung an.
Mit Schriftsatz vom 19. Mai 1983, der am 25. Mai 1983 einging, erhoben die Kläger
gegen Bundesamtsbescheid und Ausreiseaufforderung Klage.
Zur Begründung trugen sie durch ihre damaligen Bevollmächtigten vor: In der
Türkei sei in letzter Zeit eine verstärkte Hinwendung zum orthodoxen Islam
festzustellen. Missionierende Christen müßten deshalb damit rechnen, daß ihnen
Aufforderung zur Änderung der Verfassung vorgeworfen und sie hierfür nach Art.
146 Abs. 2 TStGB bestraft würden; dies bedeute eine Bestrafung für die religiöse
Gesinnung und damit eine politische Verfolgung i.S. des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG.
Darüber hinaus stehe den Klägern ein Nachfluchtgrund zur Seite, weil nicht
auszuschließen sei, daß ihre Bekundungen im Asylverfahren von der Beklagten zu
1) dem türkischen Geheimdienst übermittelt worden seien. Wegen des
individuellen Verfolgungsschicksals werde zunächst auf das bisherige Vorbringen
der Kläger zu 1) und 2) sowie auf dasjenige der Mutter des Klägers zu 1) in deren
Asylverfahren Bezug genommen, das wie folgt zu ergänzen sei: Im Jahre 1975 sei
ein Onkel der Klägerin zu 2) von Moslems aus einen Nachbarort ermordet worden;
daraufhin hätten 27 von bis dahin 30 christlichen Familien das Dorf verlassen. Nur
drei Familien und der Pfarrer seien geblieben; ein Gottesdienst habe aber nicht
mehr stattgefunden, weil der Pfarrer bespuckt und beschimpft worden sei. Die
Familie der Kläger habe viel Ackerland und viel Vieh besessen. Das Land hätten sie
an Moslems verpachtet, da der Kläger zu 1) nach häufig erfolgten Angriffen durch
Moslems Furcht vor einer weiteren eigenen Bewirtschaftung gehabt habe. Als zum
ersten Male Rinder gestohlen worden seien, habe der Kläger zu 1) dies bei der
Polizei im moslemischen Nachbardorf angezeigt; diese habe den Diebstahl aber
nicht weiter aufgeklärt. Bei seiner Rückkehr seien weitere vier Rinder gestohlen
gewesen; daraufhin habe er nicht mehr gewagt, spätere Viehdiebstähle zu
melden. Aus der stationären Behandlung anläßlich der bei der Entführung seiner
Schwester erlittenen Schußverletzung sei er entlassen worden, obwohl die Wunde
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Schwester erlittenen Schußverletzung sei er entlassen worden, obwohl die Wunde
noch nicht verheilt gewesen sei. Dies habe er seiner Meinung nach dem Schützen
zu verdanken, den er kurz vor seiner Entlassung im Gespräch mit einem
verantwortlichen Pfleger gesehen habe. Der Kläger zu 3) sei vor der Ausreise zwei
Monate lang zur Schule gegangen; dort sei er beschimpft und von
Klassenkameraden immer wieder aufgefordert worden, zu Hause zu bleiben.
Zwischenzeitlich seien auch die zunächst in Arbay verbliebenen drei christlichen
Familien - u.a. die Eltern der Klägerin zu 2) und die Familie des 1975 ermordeten
Onkels - in die Bundesrepublik Deutschland und nach Schweden geflohen. In
Midyat, wo sich der Dorfpfarrer hinbegeben habe, bestehe immerhin die
Möglichkeit, im privaten Kreis Gottesdienste abzuhalten und Religionsunterricht zu
erteilen. Der Vater des Klägers zu 1) habe in ständiger Angst gelebt, die Schwester
H. des Klägers zu 1) nicht dauerhaft vor Angriffen der Moslems beschützen zu
können. Die entführte Schwester C. des Klägers zu 1) sei zwischenzeitlich zum
Vater zurückgekehrt gewesen, jedoch nach etwa einem Monat erneut entführt
worden. Eine inländische Fluchtalternative stehe ihnen, den Klägern, nicht zur
Verfügung; insbesondere sei ihnen eine Umsiedlung nach Istanbul nicht zumutbar.
Die Kläger beantragten,
die Beklagte zu 1) unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamtes für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 4. März 1983 zu verpflichten, sie als
Asylberechtigte anzuerkennen, sowie den Bescheid des Landrats des Kreises
Offenbach vom 3. Mai 1983 aufzuheben.
Die Beklagte zu 1) beantragte,
die Klage abzuweisen.
Sie machte geltend: Im Anerkennungsverfahren vor dem Bundesamt sei
zutreffend festgestellt worden, daß ein Anspruch auf Asylgewährung nicht bestehe.
Die Ausführungen der Kläger zur angeblichen Handhabung der Art. 140 ff. TStGB in
bezug auf syrisch-orthodoxe Christen entbehrten jeder Grundlage; überdies sei
nicht dargetan, daß gerade die Kläger durch die Ausübung ihres Glaubens gegen
türkische Strafvorschriften verstoßen haben könnten. Abgesehen davon
unterlägen syrisch-orthodoxe Christen aramäischer Volkszugehörigkeit im
Tur'Abdin keiner Gruppenverfolgung. Ein Ausnahmefall, in dem private
Verfolgungshandlungen dem türkischen Staat zuzurechnen seien, liege hier nicht
vor. Es fehle schon an objektiven Anhaltspunkten dafür, daß die von den Klägern
geschilderten Übergriffe religiös motiviert gewesen seien. Ungeachtet dessen
bestehe für sie in Istanbul eine inländische Fluchtalternative, wo Christen von
staatlichen Stellen nicht verfolgt würden und wo sie gegen Übergriffe
nichtstaatlicher Personen grundsätzlich den Schutz staatlicher Sicherheitskräfte in
Anspruch nehmen könnten. Wie sich die materielle Lebenssituation der Kläger in
Istanbul darstellen würde, sei asylrechtlich ohne Belang.
Der Beklagte zu 2) beantragte ebenfalls mit näherer Begründung,
die Klage abzuweisen.
Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten äußerte sich nicht.
Das Verwaltungsgericht gab mit Urteil vom 26. September 1985 den Klagen unter
Zulassung der Berufung statt und führte zur Begründung aus: Die Kläger seien als
Asylberechtigte anzuerkennen, denn sie seien politisch Verfolgte i.S. des Art. 16
Abs. 2 Satz 2 GG. Politisch Verfolgter sei ein Ausländer, der in seiner Person
liegenden Eigenschaften wegen oder aufgrund seiner Überzeugungen
Verfolgungsmaßnahmen staatlicher Organe seines Heimat- oder Herkunftslandes
erlitten oder zu befürchten habe. Diese Voraussetzungen erfüllten die Kläger, da
sie als syrisch-orthodoxe Christen einer Gruppe angehörten, die in jüngster Zeit in
asylrechtlich erheblicher Weise verfolgt worden sei. Es erscheine allerdings
zweifelhaft, ob von einer religiösen Gruppenverfolgung gesprochen werden könne;
die Situation stelle sich eher als eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer
bestimmten sozialen Gruppe dar, nämlich einer durch das gemeinsame Merkmal
des christlichen Glaubens verbundenen Minderheit. Nach 1960 sei die syrisch-
orthodoxe Minderheit zunehmend nicht mehr in der Lage gewesen, sich gegen die
vornehmlich aus Neid und Feindseligkeit erfolgten Übergriffe türkischer Moslems
zu wehren. Staatliche Hilfe hätten die Christen nur in seltenen Fällen zu erlangen
vermocht. Insofern treffe die Stellungnahme von Monsignore Wilschowitz vom 9.
April 1981 den Kern der Sache, wenn es sich hierbei auch um eine vereinfachende
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April 1981 den Kern der Sache, wenn es sich hierbei auch um eine vereinfachende
Darstellung der Situation der Christen in der Türkei handele. Die Beklagte zu 1)
habe die Lage der Christen in zahlreichen Bescheiden (etwa vom 10. Dezember
1982 - Tür-T-13538 -) ebenfalls zutreffend geschildert. Da die Kläger nach ihren
glaubhaften Darlegungen in der Türkei mit feindlich gesinnten Moslems in
Berührung gekommen seien, könne auch nicht davon ausgegangen werden, daß
sie von der allgemein stattfindenden Gruppenverfolgung der Christen in der Türkei
ausgenommen gewesen seien. Zudem müßten sie bei einer Rückkehr in die Türkei
befürchten, dort in asylrechtlich erheblicher Weise verfolgt zu werden. Zwar habe
sich insgesamt gesehen die Sicherheitslage nach dem Militärputsch am 12.
September 1980 deutlich verbessert. Dies gelte jedoch - bedingt durch
zunehmende Abwanderung - nicht für die christlichen Minderheiten, so daß von
einer weiterhin bestehen Gruppenverfolgung gesprochen werden müsse.
Schließlich gebe es keine Möglichkeit, der Gruppenverfolgung innerhalb der Türkei
auszuweichen. Die als inländische Fluchtalternative in Betracht kommenden
Großstädte Istanbul und Ankara seien nicht in der Lage, die große Zahl der
abgewanderten Christen aufzunehmen und ihnen das Existenzminimum zu
gewährleisten. Die Rückkehr der Christen würde deshalb voraussichtlich zu
Spannungen führen, die sich zu pogromartigen Übergriffen steigern könnten.
Letzten Endes könne aber dahinstehen, ob zum gegenwärtigen Zeitpunkt die
Minderheit der Christen in der Türkei verfolgt werde; sie müsse hiermit jedenfalls in
absehbarer Zukunft ernsthaft rechnen; denn die weitere Entwicklung lasse sich vor
dem Hintergrund der wachsenden Islamisierungstendenzen nicht sicher
abschätzen. Nach alledem sei den Klägern Asyl zu gewähren. Dementsprechend
sei auch die Klage begründet, die sich gegen den Bescheid des Beklagten zu 2)
richte.
Gegen dieses ihm am 8. November 1985 zugestellte Urteil hat der
Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten mit Schriftsatz vom 5. Dezember
1985 - eingegangen am 6. Dezember 1985 - hinsichtlich des asylrechtlichen
Verfahrensteils Berufung eingelegt.
Er macht geltend: Die Kläger hätten weder bisher eine asylrechtlich erhebliche
Verfolgung erlitten, noch brauchten sie eine solche für den Fall ihrer Rückkehr zu
befürchten. Zwar habe in der Zeit vor dem Militärputsch vom 12. September 1980
in abgelegenen Gebieten wie der östlichen Türkei die türkische Regierung nicht in
jedem Fall die Sicherheit des einzelnen garantieren können; davon sei aber nicht
nur die christliche Minderheit, sondern die gesamte Bevölkerung betroffen
gewesen. Damalige Übergriffe seien Abbild der Gewaltkriminalität gewesen und
ohne Rücksicht auf die Religions- und Volkszugehörigkeit der Opfer erfolgt, zumal
ihre Häufigkeit nach der Machtübernahme durch die Militärs rapide abgenommen
habe. Im übrigen sei der türkische Staat im wesentlichen auch seinerzeit willens
und grundsätzlich in der Lage gewesen, der christlichen Minderheit Schutz zu
gewähren, so daß die von den Klägern geschilderten Beeinträchtigungen dem
Staat asylrechtlich nicht zurechenbar seien. Mindestens hätte eine
Inanspruchnahme vorgesetzter Dienststellen oder der Staatsanwaltschaft
wahrscheinlich Erfolg gehabt, wenn die örtlichen Stellen untätig geblieben sein
sollten. Abgesehen davon sei den Klägern jedenfalls jetzt eine Rückkehr in ihr
Heimatland zuzumuten, da mindestens in Istanbul eine inländische
Fluchtalternative bestehe; dort sei eine asylerhebliche Verfolgung mit
hinreichender Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Auch wenn die Kläger nie in
Istanbul gelebt hätten, wäre es für sie aufgrund des Zusammenhalts der dortigen
christlichen Gemeinden nicht schwieriger als für jeden anderen Türken, sich dort
eine Existenzgrundlage zu schaffen.
Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 26. September 1985 in
bezug auf die Beklagte zu 1) aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie machen geltend: Aus - näher bezeichneten - neueren Erkenntnisquellen gehe
hervor, daß die Situation der Christen im Südosten der Türkei so schlecht sei daß
ihnen ein Verbleib nicht zugemutet werden könne. Aus der Summe der bekannt
gewordenen Einzelfälle von Übergriffen durch Moslems ergebe sich eine mittelbare
staatliche Verfolgung
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Die Beklagte zu 1) stellt zu der Berufung keinen Antrag.
Der Senat hat aufgrund des Beschlusses vom 14. Oktober 1988 Beweis erhoben
über die Asylgründe der Kläger durch Vernehmung des Klägers zu 1) und der
Klägerin zu 2) als Beteiligte durch den Berichterstatter als beauftragten Richter.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift vom 25.
November 1988 verwiesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung
einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der
Beteiligten wird auf die von diesen eingereichten Schriftsätze, den einschlägigen
Vorgang des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge -
Gesch.-Z.: 163/75051/80 - und die über die Kläger zu 1) und 2) geführten
Ausländerakten des Landrats des Kreises Offenbach - 5/29442 u. 5/29443 - (vier
Hefter) Bezug genommen, ferner auf die über den Vater R. A. des Klägers zu 1)
(Bundesamt 163/05546/84 und VG Wiesbaden I E 5240/86), die Mutter G. A. des
Klägers zu 1) (Bundesamt Tür-S-64772 und VG Wiesbaden IV/3 E 5545/83), die
Eltern M. und F. D. der Klägerin zu 2) (Bundesamt Tür-S-63751 und VG Minden 8 K
10754/83) sowie den Bruder C. A. und die Schwester H. A. des Klägers zu 1)
(Bundesamt Tür-V-1424 und 163/05547/84) geführten Bundesamts- und
Gerichtsakten. Diese sind ebenso Gegenstand der Beratung gewesen wie die
nachfolgend aufgeführten Dokumente:
1. Dez. 1978 Yonan: "Assyrer heute"
2. 11.04.1979 Auswärtiges Amt an Bay. VGH
3. Mai/Juni pogrom Nr. 64 ("Verfolgte christliche Minderheiten in der Türkei" u.a.)
1979
4. 07.08.1979 Dr. Harb-Anschütz an Bay. VGH
5. 12.11.1979 epd Dokumentation Nr. 49/79: "Christliche Minderheiten aus der
Türkei"
6. Nov. 1979 Ev. Akademie Bad Boll, Materialdienst 2/80: "Christen aus der Türkei
suchen Asyl"
7. Mai 1980 pogrom Nr. 72/73 ("Zur Lage der syrisch-orthodoxen Christen in der
Türkei" u.a.)
8. 20.05.1980 Patriarch Yakup III und Bischof Cicek vor dem VG Gelsenkirchen
9. 15.10.1980 Carragher an Bay. VGH
10. 09.04.1981 Msgr. Wilschowitz: "Die Situation der christlichen Minderheiten in
der Türkei"
11. 29.04.1981 Reisebericht einer schwedisch-norwegischen Reisegruppe
12. 02.05.1981 Dr. Hofmann "Zur Lage der Armenier in Istanbul/Konstantinopel"
13. 12.06.1981 Prof. Dr. Kappert vor VG Hamburg
14. 06.07.1981 Staatssekretär von Staden (BT-Drs. 9/650)
15. 20.07.1981 IGFM an VG Wiesbaden
16. 22.07.1981 Vocke an VG Karlsruhe
17. 04.08.1981 Auswärtiges Amt an VG Wiesbaden
18. 24.11.1981 RA Wiskandt an Bundesamt: "Situation der Christen in der Türkei"
19. 21.01.1982 Schweiz. Ev. Pressedienst Nr. 3
20. 03.02.1982 Auswärtiges Amt an VG Minden
21. 26.03.1982 Auswärtiges Amt an VG Trier
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22. 07.04.1982 Pfarrer Diestelmann: "Die Situation der syrisch-orthodoxen
Christen ..."
23. 21.04.1982 Carragher zum Gutachten Wiskandt
24. 28.04.1982 Dr. Hofmann zum Gutachten Wiskandt
25. 06.05.1982 Diakonisches Werk EKD zum Gutachten Wiskandt
26. 18.05.1982 Ev. Gemeinde dt. Sprache in der Türkei an EKD
27. Juni 1982 CCMWE: "The Situation of the Christian Minorities of Turkey ..."
28. 03.07.1982 Anschütz/Harb, Protokoll HR (3. Fernsehprogramm)
29. 26.07.1982 Sürjanni Kadim an VG Minden
30. 17.08.1982 Dr. Harb-Anschütz an VG Minden
31. 1983 Kraft, in "Christ in der Gegenwart": "Fremde und Außenseiter"
32. 28.02.1983 RA Müller: "Zur Lage der Christen in der Türkei"
33. 04.03.1983 Pfarrer Weber: "Christen aus der Türkei suchen Asyl"
34. Mai 1983 Ev. Akademie Bad Boll, Protokolldienst 27/83: "Studienfahrt in die
Türkei"
35. 09.04.1984 Oberkreisdirektor Gütersloh an RP Detmold
36. 25.05.1984 Auswärtiges Amt an VG Karlsruhe
37. 12.06.1984 epd Dokumentation Nr. 26/84: "Die Lage der christlichen
Minderheiten in der Türkei ...."
38. 26.06.1984 Auswärtiges Amt an Bay. VGH
39. 11.09.1984 Auswärtiges Amt an Hess. VGH
40. 14.09.1984 Dr. Oehring an VG Minden
41. 09.11.1984 Auswärtiges Amt an VGH Baden-Württemberg
42. 03.12.1984 RA Müller, RA Wiskandt, Dr. Oehring und Erzbischof Cicek als
sachverständige Zeugen vor dem Bay. VGH
43. 04.02.1985 Dr. Hofmann an VG Stuttgart
44. 17.03.1985 Prof. Dr. Wießner an VG Stuttgart
45. 07.05.1985 Dr. Binswanger an VGH Baden-Württemberg
46. 30.05.1985 Dr. Oehring an VG Gelsenkirchen
47. 22.06.1985 RA Müller: "Reisebericht zur Lage der Christen in der Türkei"
48. 07.10.1985 Auswärtiges Amt an VG Ansbach
49. 31.03.1986 Sprenzel: "Situation der aramäisch sprechenden, syrisch-
orthodoxen Christen in der (Ost)Türkei"
50. 01.07.1986 EKD an VG Hamburg
51. 14.10.1986 Prof. Dr. Wießner an VG Hamburg
52. 10.11.1986 Auswärtiges Amt an VG Hamburg
53. 03.12.1986 Auswärtiges Amt an VG Köln
54. 06.01.1987 Dr. Tasci vor VG Gelsenkirchen
55. 07.04.1987 Yonan: Gutachten
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56. 23.04.1987 Yonan an Bundesamt; Stellungnahme
57. 01.06.1987 Auswärtiges Amt an VG Ansbach
58. 30.06.1987 Ev. Gemeinde deutscher Sprache in der Türkei an VGH Baden-
Württemberg
59. 06.07.1987 Auswärtiges Amt an VGH Baden-Württemberg
60. 09.10.1987 EKD an RA König
61. 18.12.1987 Auswärtiges Amt an OVG Bremen
62. 15.01.1988 Dr. Oehring an VGH Baden-Württemberg
63. 20.01.1988 Auswärtiges Amt - Lagebericht Türkei -
64. April 1988 Regine Erichsen: "Die Religionspolitik im türkischen
Erziehungswesen von der Atatürk-Ära bis heute" in: Zeitschrift für Kulturaustausch
1988, 234
65. 15.05.1988 Taylan an VG Karlsruhe
66. 25.05.1988 Dr. Oehring an VG Düsseldorf
67. 02.09.1988 Dr. Binswanger an VGH Baden-Württemberg
68. 24.09.1988 Dr. Binswanger an VG Karlsruhe
Entscheidungsgründe
In Anbetracht des Einverständnisses der Beteiligten kann der Senat ohne
mündliche Verhandlung entscheiden (§§ 125 Abs. 1 i.V.m. 101 Abs. 2 VwGO).
I.
Die auf den asylrechtlichen Verfahrensteil beschränkte Berufung des
Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten ist frist- und formgerecht eingelegt
(§§ 124, 125 VwGO) und auch sonst zulässig. Sie ist nämlich vom
Verwaltungsgericht zugelassen worden (§ 32 Abs. 1 AsylVfG), und der
Bundesbeauftragte war zur Einlegung der Berufung ungeachtet dessen befugt,
daß er sich am erstinstanzlichen Verfahren weder durch einen Antrag noch sonst
beteiligt hat (BVerwG, 11.03.1983 - 9 B 2597.82 -, BVerwGE 67, 64 = NVwZ 1983,
413; Hess. VGH, 11.08.1981 - X OE 649/81 -, ESVGH 31, 268).
II.
Die Berufung des Bundesbeauftragten ist aber nur hinsichtlich des Klägers zu 1)
begründet, denn dieser kann nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im
Zeitpunkt der Berufungsentscheidung die Anerkennung als Asylberechtigter durch
die Beklagte zu 1) nicht beanspruchen, weil er nicht politisch verfolgt ist (§§ 1 Abs.
1, 4 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG).
Dagegen ist die Berufung hinsichtlich der Kläger zu 2) bis 7) nicht begründet; zu
ihrer Anerkennung als Asylberechtigte ist das Bundesamt nämlich vom
Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht verpflichtet worden.
Asylrecht als politisch Verfolgter im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG genießt,
wer bei einer Rückkehr in seine Heimat aus politischen Gründen
Verfolgungsmaßnahmen mit Gefahr für Leib und Leben oder Beeinträchtigungen
seiner persönlichen Freiheit zu erwarten hat (BVerfG, 02.07.1980 -1 BvR 147/80
u.a. -, BVerfGE 54, 341 = EZAR 200 Nr. 1). Eine Verfolgung ist in Anlehnung an
den Flüchtlingsbegriff des Art. 1 Abschn. A Nr. 2 GK als politisch im Sinne von Art.
16 Abs. 2 Satz 2 GG anzusehen, wenn sie auf die Rasse, Religion, Nationalität,
Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder die politische
Überzeugung des Betroffenen zielt; insoweit kommt es entscheidend auf die
Motive für die staatlichen Verfolgungsmaßnahmen an (BVerwG, 17.05.1983 - 9 C
874.82 -, BVerwGE 67, 195 = EZAR 201 Nr. 5; BVerwG, 17.05.1983 - 9 C 36.83 -,
BVerwGE 67, 184; BVerwG, 08.11.1983 - 9 C 93.83 -, BVerwGE 68, 171 = EZAR
200 Nr. 9; BVerwG, 26.06.1984 - 9 C 185.83 -, BVerwGE 69, 320 = EZAR 201 Nr. 8;
103
200 Nr. 9; BVerwG, 26.06.1984 - 9 C 185.83 -, BVerwGE 69, 320 = EZAR 201 Nr. 8;
BVerwG, 21.10.1986 - 9 C 28.85 -, BVerwGE 75, 99 = EZAR 200 Nr. 17; BVerwG,
19.05.1987 - 9 C 184.86 -, BVerwGE 77, 258 = EZAR 200 Nr. 19; BVerwG,
20.10.1987 - 9 C 277.86 -, EZAR 202 Nr. 11 = NVwZ 1988, 160; BVerwG,
15.03.1988 - 9 C 278.86 -, EZAR 201 Nr. 13 = JZ 1988, 709). Werden nicht Leib,
Leben oder physische Freiheit gefährdet, sondern andere Grundfreiheiten wie etwa
die Religionsausübung oder die berufliche und wirtschaftliche Betätigung, so sind
allerdings nur solche Beeinträchtigungen asylrelevant, die nach Intensität und
Schwere die Menschenwürde verletzen und über das hinausgehen, was die
Bewohner des Heimatstaats aufgrund des dort herrschenden Systems allgemein
hinzunehmen haben (BVerfG, 02.07.1980, a.a.O.; BVerfG, 01.07.1987 - 2 BvR
478/86 u.a. -, BVerfGE 76, 143 = EZAR 200 Nr. 20; BVerwG, 18.02.1986 - 9 C
16.85 -, BVerwGE 74, 31 = EZAR 202 Nr. 7; BVerwG, 18.02.1986 - 9 C 104.85 -,
BVerwGE 74, 41; BVerwG, 20.10.1987 - 9 C 42.87 -, InfAuslR 1988, 22).
Asylerhebliche Bedeutung haben nicht nur unmittelbare Verfolgungsmaßnahmen
des Staats; dieser muß sich vielmehr auch Übergriffe nichtstaatlicher Personen
und Gruppen - als mittelbare staatliche Verfolgungsmaßnahmen -zurechnen
lassen, wenn er sie anregt, unterstützt, billigt oder tatenlos hinnimmt und damit
den Betroffenen den erforderlichen Schutz versagt, der allerdings nicht lückenlos
zu sein braucht (BVerfG, 02.07.1980, a.a.O.; BVerwG, 02.08.1983 - 9 C 818.81 -,
BVerwGE 67, 317 = EZAR 202 Nr. 1; BVerwG, 03.12.1985 - 9 C 33.85 -, BVerwGE
72, 269 = EZAR 202 Nr. 5; BVerwG, 22.04.1986 - 9 C 318.85 u.a. -, BVerwGE 74,
160 = EZAR 202 Nr. 8; BVerwG, 02.07.1986 - 9 C 2.85 -). Asylrelevante politische
Verfolgung - und zwar sowohl unmittelbar staatlicher als auch mittelbar staatlicher
Art kann sich nicht nur gegen Einzelpersonen, sondern auch gegen durch
gemeinsame Merkmale verbundene Gruppen von Menschen richten mit der
regelmäßigen Folge, daß jedes Gruppenmitglied als von dem Gruppenschicksal
mitbetroffen anzusehen ist (BVerfG, 02.07.1980, a.a.O.; BVerwG, 02.08.1983 - 9 C
599.81 -, BVerwGE 67, 314 = EZAR 203 Nr. 1; BVerwG, 30.10.1984 - 9 C 24.84 -,
BVerwGE 70, 232 = EZAR 202 Nr. 3; BVerwG, 18.02.1986 - 9 C 16.85 -, BVerwGE
74, 31 = EZAR 202 Nr. 7; BVerwG, 23.02. 1988 - 9 C 85.87 -, EZAR 202 Nr. 13).
Die Gefahr einer derartigen Verfolgung ist gegeben, wenn dem Asylsuchenden bei
verständiger Würdigung aller Umstände seines Falles politische Verfolgung mit
beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, wobei die insoweit erforderliche
Zukunftsprognose auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen
Tatsachenentscheidung abgestellt und auf einen absehbaren Zeitraum
ausgerichtet sein muß (BVerwG, 31.03.1981 - 9 C 286.80 -, EZAR 200 Nr. 3 =
DVBl. 1981, 1096; BVerwG, 03.12.1985 - 9 C 22.85 -, EZAR 202 Nr. 6 = NVwZ
1986, 760). Einem Asylbewerber, der bereits einmal politisch verfolgt war, kann
eine Rückkehr in seine Heimat nur zugemutet werden, wenn die Wiederholung von
Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist
(BVerfG, 02.07.1980, a.a.O.; BVerwG, 27.04.1982 - 9 C 308.81 BVerwGE 65, 250 =
EZAR 200 Nr. 7; BVerwG, 02.08.1983 - 9 C 599.81 -, BVerwGE 67, 314 = EZAR 203
Nr. 1; BVerwG, 15.10.1985 - 9 C 3.85 -, EZAR 630 Nr. 22; BVerwG, 23.02.1988 - 9
C 85.87 -, EZAR 202 Nr. 13 = NVwZ 1988, 635). Der Asylbewerber ist aufgrund der
ihm obliegenden prozessualen Mitwirkungspflicht gehalten, umfassend die in seine
eigene Sphäre fallenden Ereignisse zu schildern, die seiner Auffassung zufolge
geeignet sind, den Asylanspruch zu tragen (BVerwG, 08.05.1984 - 9 C 141.83 -,
EZAR 630 Nr. 13 = NVwZ 1985, 36; BVerwG, 12.11.1985 - 9 C 27.85 -, EZAR 630
Nr. 23 = InfAuslR 1986, 79; BVerwG, 23.02.1988 - 9 C 32.87 -, EZAR 630 Nr. 25)
und insbesondere auch eine politische Motivation der Verfolgungsmaßnahmen
festzustellen (BVerwG, 22.03.1983 - 9 C 68.81 -, Buchholz 402.24 Nr. 44 zu § 28
AuslG; BVerwG, 18.10.1983 - 9 C 473.82 -, EZAR 630 Nr. 8). Bei der Darstellung
der allgemeinen Umstände im Herkunftsland genügt es dagegen, daß die
vorgetragenen Tatsachen die nicht entfernt liegende Möglichkeit politischer
Verfolgung ergeben (BVerwG, 23.11.1982 - 9 C 74.81 -, BVerwGE 66, 237 = EZAR
630 Nr. 1). Die Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung kann schließlich nur
festgestellt werden, wenn sich das Gericht in vollem Umfang die Überzeugung von
der Wahrheit des von dem Asylbewerber behaupteten individuellen
Verfolgungsschicksals verschafft, wobei allerdings der sachtypische
Beweisnotstand hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerstaat bei der Auswahl der
Beweismittel und bei der Würdigung des Vortrags und der Beweise angemessen zu
berücksichtigen ist (BVerwG, 29.11.1977 - 1 C 33.71 -, BVerwGE 55, 82 = EZAR
201 Nr. 3; BVerwG, 16.04.1985 - 9 C 109.84 -, BVerwGE 71, 180 = EZAR 630 Nr.
17; BVerwG, 12.11.1985, a.a.O.).
Der erkennende Senat ist nach diesen Grundsätzen aufgrund der eigenen
Angaben und Aussagen der Kläger zu 1) und 2), der beigezogenen Akten und der
in das Verfahren eingeführten Dokumente zu der Überzeugung gelangt, daß die
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in das Verfahren eingeführten Dokumente zu der Überzeugung gelangt, daß die
Kläger zwar nicht kraft innerstaatlich geltender völkerrechtlicher Vereinbarung als
Asylberechtigte anzuerkennen sind (1.) und daß die Kläger zu 1) bis 6) auch vor
ihrer Ausreise aus der Türkei weder als Mitglieder der Gruppe der syrisch-
orthodoxen Christen politisch verfolgt (2.) noch persönlich von
Verfolgungsmaßnahmen betroffen waren (3.), ferner daß die Kläger auch bei einer
Rückkehr bzw. - soweit die in der Bundesrepublik Deutschland geborene Klägerin
zu 7) betroffen ist - schlichten Ausreise in die Türkei keine Gruppenverfolgung zu
befürchten haben (4.), daß aber die Kläger zu 2) bis 7) dann - anders als der
Kläger zu 1) (5.) - politischer Verfolgung i.S. des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG
ausgesetzt sein werden (6. und 7.).
1. Die Kläger, an deren syrisch-orthodoxer Glaubenszugehörigkeit der Senat
ebenso wie die übrigen Beteiligten keinen Zweifel hat, können ihre Anerkennung
nicht (schon) aufgrund des Abkommens über die Ausdehnung gewisser
Maßnahmen zugunsten russischer und armenischer Flüchtlinge auf andere
Kategorien von Flüchtlingen vom 30. Juni 1928 (abgedruckt in: Societe des
Nations, Recueil des Traites, Bd. 89 <1929>, S. 64) erreichen. Da sie 1950 und
später geboren sind und - abgesehen von der danach geborenen Klägerin zu 7) -
erst 1980 die Türkei verlassen haben, kann dieses Abkommen auf sie ohnehin
nicht angewandt werden (ständige und vom BVerwG durch Urteil vom 17.05.1983 -
9 C 874.82 -, BVerwGE 67, 195 = EZAR 201 Nr. 5, bestätigte Rechtsprechung des
Hess. VGH, vgl. z.B. 11.08.1981 - X OE 649/81 -, ESVGH 31, 268, 07.08. 1986 - X
OE 189/82 -, 01.02.1988 - 12 OE 419/82 - u. 05.12. 1988 - 12 UE 2487/85 u. 12 UE
2569/85 -). Der Senat kann deshalb offenlassen, ob dem durch die genannte
Vereinbarung geschützten Personenkreis überhaupt noch ein Anspruch auf
Asylanerkennung oder Asylgewährung in anderer Form zusteht, nachdem § 39 Nr.
4 AsylVfG die bis dahin in § 28 AuslG enthaltene Bezugnahme auf Art. 1 GK und
die dort in Abschn. A Nr. 1 enthaltene Verweisung auf die erwähnte Vereinbarung
ersatzlos beseitigt hat und eine Asylanerkennung nunmehr allein an die
Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG anknüpft (vgl. dazu auch Berberich,
ZAR 1985, 30 ff., Köfner/Nicolaus, ZAR 1986, 11, 15).
2. Der Senat hat auch nicht feststellen können, daß die Angehörigen der syrisch-
orthodoxen Minderheit in der Türkei im Gebiet des Tur'Abdin oder in Istanbul bis
zur Ausreise der Kläger zu 1) bis 6) einer unmittelbaren oder mittelbaren
Gruppenverfolgung ausgesetzt waren.
a) Der Senat legt seiner Beurteilung der Lage der Christen in der Türkei im
allgemeinen und der syrisch-orthodoxen Glaubensgemeinschaft im besonderen
sowie des Verhältnisses dieser Christen zu anderen dort lebenden religiösen und
ethnischen Gruppen die nachfolgend anhand der vorliegenden schriftlichen
Unterlagen (im folgenden nur noch mit der entsprechenden Nummer der Liste von
S. 12 ff. bezeichnet) auszugsweise dargestellte historische Entwicklung der
christlichen Siedlungsgemeinschaften im Nahen Osten zugrunde.
Die Anhänger der syrischen Kirchen siedelten ursprünglich im mesopotamischen
Raum, und zwar im Bergland des Tur'Abdin mit dem Zentrum Midyat, im weiter
östlich gelegenen Bergland von Bohtan, im alpenähnlichen Hochgebirge Hakkari
und weiter südlich in der Mosul-Ebene sowie in der Urmia-Ebene. Nachdem im 7.
Jahrhundert im Zuge der Arabisierung die Mehrheit dieser Christen zum Islam
übergetreten war und dann mongolische Eindringlinge Ende des 14. Jahrhunderts
die syrischen Kirchen bis auf wenige Überreste vernichtet hatten, erlebten sowohl
die syrisch-orthodoxen als auch die anderen im Osmanischen Reich lebenden
Christen vom Ende des 15. Jahrhunderts an eine vergleichsweise friedliche und
gesicherte Periode, in der sie als nichtmuslimische Völkerschaften - als millat -
auch ihr Personal- und Familienrecht nach eigenem Rechtsstatut regeln konnten.
Während der im 19. Jahrhundert zur Bewahrung des Osmanischen Reichs
eingeleiteten Reformbewegungen kam es sodann etwa nach der Seeschlacht von
Navarino 1827 zu einer Verfolgung der Armenier und 1843 zu einem Massaker der
Kurden unter den nestorianischen Bergstämmen im Hakkari. Die abseits in ihren
Siedlungsräumen in Ostanatolien lebenden syrischen Christen blieben von
derartigen Ereignissen aber weitgehend verschont. Sie waren ähnlich wie die
ebenfalls in dieser Region siedelnden Kurden stammesmäßig organisiert und
erhielten sich Unabhängigkeit und Schutz durch Selbstverteidigung und durch
Tributzahlungen an den Sultan. Nachdem seit der ersten Hälfte des 19.
Jahrhunderts eine rege Missionstätigkeit christlicher Religionsgesellschaften aus
Amerika, England und Frankreich dazu beigetragen hatte, die kulturelle und
gesellschaftliche Bedeutung der Christen im Nahen Osten zu heben und
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109
gesellschaftliche Bedeutung der Christen im Nahen Osten zu heben und
gleichzeitig deren politisches Bewußtsein zu fördern, reagierte das Osmanische
Reich im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts auf Unabhängigkeitsbestrebungen
der Christen mit dem Einsatz kurdischer Söldnertruppen, und dabei kam es dann
häufig zu Morden, Plünderungen und Hungersnöten (1., S. 17 ff.). Schließlich
fanden während des Ersten Weltkriegs unter den Christen zahlreiche Massaker
statt, die insgesamt über drei Millionen Tote gefordert haben sollen (1., S. 28; 5.,
S. 14); für sie werden zumindest auch die Allianz der Christen mit England und
Rußland und die Kriegserklärung des damaligen Patriarchen Benjamin XXI. an die
Türkei im Mai 1915 verantwortlich gemacht. So wurden etwa bis März 1915 im
Urmia- und im Salamas-Gebiet über 70 Dörfer von türkischen Truppen und
kurdischen Freiwilligen zerstört und geplündert und die christliche Bevölkerung
massakriert, und im selben Jahr folgten weitere Massenmorde in der armenischen
Stadt Van und im Bohtan-Gebiet (1., S. 29 f.). Bei der Flucht der Bergassyrer nach
Salamas und der Urmia-Assyrer nach Hamadan sollen jeweils mehr als 10.000
Menschen umgekommen sein (1., S. 30 ff.). Schließlich siedelten syrische Christen
in den Jahren 1922 und 1924 in zwei großen Fluchtbewegungen aus der Türkei in
das benachbarte Syrien über (1., S. 110), und im Gefolge des Ersten Weltkriegs
und des Friedensvertrags von Lausanne vom 24. Juli 1923 verließen mehr als zwei
Millionen Griechen die Türkei (3., S. 41). Damals verlegte der syrisch-orthodoxe
Patriarch seinen Sitz vom Kloster Dair Za'faran bei Mardin nach Homes im
heutigen Syrien, wo er seit 1954 in Damaskus residiert (5., S. 21; 8., S. 2; 9., S. 2).
Es mag im einzelnen Streit darüber herrschen, welche Bedeutung das christliche
Bekenntnis der verschiedenen Gruppen der Christen für ihr jeweiliges Schicksal in
der Vergangenheit im einzelnen hatte, welche Rolle politische und militärische
Interessen fremder Großmächte gespielt haben und ob und in welchem Maße sich
etwa bei Armeniern, Griechen oder Syrisch-Orthodoxen ein eigenes
Nationalbewußtsein entwickeln konnte (vgl. dazu: 1., S. 12 ff.; 5., S. 1 ff.; 18., S. 6
ff.). Die Situation der Christen in der Türkei ist jedenfalls seit langem geprägt von
ihrer bis in die Anfänge des Christentums zurückreichenden religiösen und
kirchlichen Tradition, von den ethnischen und sprachlichen Besonderheiten der
einzelnen Gruppen und von einem mehr und mehr hoffnungslos erscheinenden
Überlebenskampf in einer mehrheitlich türkischen/muslimischen Umwelt, der
angesichts der leidvollen historischen Erfahrungen als besonders bedrückend
empfunden wird. Während die Christen Ende des 19. Jahrhunderts noch etwa 30 %
der Untertanen des Osmanischen Reichs ausmachten, stellen sie nunmehr in der
Türkei mit schätzungsweise kaum noch 100.000 Menschen nur eine äußerst kleine
Minderheit der Gesamtbevölkerung von 43 Millionen (zu den Zahlenangaben und
im übrigen vgl.: 2.; 5., S. 5; 6., S. 5; 7.; 18., S. 8; 44.). Außer den Armeniern und
den Griechen sind zahlenmäßig vor allem die Syrer von Bedeutung, denen aber im
Unterschied zu den Armeniern, Griechen und Juden ein Schutz als
nichtmuslimische Minderheit aufgrund des Lausanner Vertrags von 1923 nicht
zugestanden wird. Die syrischen Christen bestehen in der Türkei im wesentlichen
aus Syrisch-Katholischen und Nestorianern sowie aus Syrisch-Orthodoxen
(Jakobiten) unter dem Patriarchat von Antiochia und dem gesamten Osten, deren
Patriarch Mar Ignazius Yakup III. seinen Sitz jetzt in Damaskus hat. Die Syrisch-
Orthodoxen berufen sich auf eine Abstammung von Noah und eine Bekehrung in
unmittelbarer Beziehung zu Christus, bedienen sich einer altsyrischen
Liturgiesprache und heben sich durch verschiedene Dialekte der neuaramäischen
Umgangssprache (im Tur'Abdin: turoyo) von den muslimischen Türken und Kurden
sowie von den Yeziden ab. Während bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts im
Gebiet der heutigen Türkei noch etwa eine Million Jakobiten und Nestorianer gelebt
haben sollen und 1927 immerhin noch insgesamt 257.000 (1., S. 46, 110), beträgt
die Zahl der Syrisch-Orthodoxen in der Türkei neueren Schätzungen zufolge nur
noch etwa 45.000 (1., S. 111; 5., S. 20), 35.000 (1., S. 46), 20.000 bis 35.000 (6.,
S. 17), 20.000 (8., S. 2) oder sogar nur 10.000 bis 15.000 (2.). Im Gebiet des
Tur'Abdin (Berg der Gottesknechte), wo vor 25 Jahren noch 70.000 Syrisch-
Orthodoxe lebten, sollen es 1967/68 noch 20.000 gewesen sein (4., S. 2) und 1980
noch 25.000 (5., S. 29) oder zumindest annähernd 40.000 (27., S. 18; 37., S. 17),
während ihre Zahl in Istanbul im selben Zeitraum von einigen Hundert auf 15.000
oder gar auf 17.000 angestiegen sein soll (5., S. 46; 9., S. 7; 21.; 26.; 29.; für die
Zeit nach 1982 vgl. auch 40. und 42., S. 11). In der Kreisstadt Midyat sollen im Jahr
1978 von den ursprünglich 3.000 syrischen Familien infolge einer seit 1960
anhaltenden starken Abwanderung in türkische Großstädte und ins Ausland noch
1.000 Familien gewohnt haben (1., S. 117). Aus dem Dorf Kefrezi sind die Christen,
die 1970 dort noch 90 Familien zählten, inzwischen vollständig vertrieben (8.).
b) Vor dem Hintergrund dieser geschichtlichen Entwicklung kann nicht festgestellt
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b) Vor dem Hintergrund dieser geschichtlichen Entwicklung kann nicht festgestellt
werden, daß die christliche Bevölkerung in der Türkei und insbesondere im Gebiet
des Tur'Abdin in dem hier maßgeblichen Zeitraum bis zur Ausreise der Kläger zu
1) bis 6) aus der Türkei im Juni 1980 unter einer religiös motivierten
Gruppenverfolgung zu leiden hatte; dies gilt sowohl hinsichtlich einer unmittelbaren
staatlichen Verfolgung als auch hinsichtlich einer vom türkischen Staat gebilligten
oder geduldeten Verfolgung durch andere Bevölkerungsgruppen (ebenso schon
der früher für Asylverfahren allein zuständige 10. Senat des Hess. VGH in st. Rspr.,
zuletzt 30.05.1985 - 10 OE 35/83 -, und jetzt der 12. Senat, 22.02.1988 - 12 UE
1071/84 -, NVwZ-RR 1988, 48, - 1587/84 und 2585/85 -, 16.05.1988 - 12 UE
2571/85 -, 30.05.1988 - 12 UE 2500/85 u. 2514/85 -, 13.06.1988 - 12 OE 94/83 -,
27.06. 1988 - 12 UE 2438/85 -, 04.07.1988 - 12 UE 2573/85 u. 12 UE 25/86 -,
17.10.1988 - 12 UE 2601/84, 12 UE 767/85, 12 UE 2497/85 u. 12 UE 2813/86 -
sowie 05.12.1988 - 12 UE 2487/85 u. 12 UE 2569/85 -; ähnlich VGH Baden-
Württemberg, 25.07. 1985 - A 12 S 573/81 -, und OVG Lüneburg, 25.08.1986 - 11
OVG A 263/85 -; a.A. Bay. VGH, 19.03.1981 12.B/5047/79 -, InfAuslR 1981, 219,
VGH Baden-Württemberg, 09.02.1987 - A 13 S 709/86 -, und OVG Nordrhein-
Westfalen, 23.04.1985 - 18 A 10237/84 -, sowie OVG Rheinland- Pfalz, 10.12.1986 -
11 A 131/86 -). Bei der Frage nach einer religiösen oder religiös motivierten
Gruppenverfolgung ist allgemein zu beachten, daß eine aus Gründen der Religion
stattfindende Verfolgung nur dann asylerheblich ist, wenn die Beeinträchtigungen
der Freiheit der religiösen Betätigung nach Intensität und Schwere die
Menschenwürde verletzen (BVerfG, 02.07.1980 - 1 BvR 147/80 u.a. -, BVerfGE 54,
341 <357> = EZAR 200 Nr. 1). Es muß sich um Maßnahmen handeln, die den
Gläubigen als religiös geprägte Persönlichkeit ähnlich schwer treffen wie bei
Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit oder die physische Freiheit (BVerwG,
18.02. 1986 - 9 C 16.85 -, BVerwGE 74, 31 = EZAR 202 Nr. 7), indem sie ihn
physisch vernichten, mit vergleichbar schweren Sanktionen bedrohen, seiner
religiösen Identität berauben oder daran hindern, seinen Glauben im privaten
Bereich und durch Gebet und Gottesdienst zu bekennen (BVerfG, 01.07.1987 -
BvR 472/86 u.a. -, BVerfGE 76, 143 = EZAR 200 Nr. 20).
aa) Aus den in das Verfahren eingeführten Gutachten, Auskünften und anderen
Erkenntnismitteln ergeben sich keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür, daß der
türkische Staat die syrisch-orthodoxen Christen in diesem Sinne in dem hier
maßgeblichen Zeitraum unmittelbar aus religiösen Gründen verfolgt hat.
Die syrisch-orthodoxen Christen waren - und sind - von Verfassungs wegen ebenso
wie die Angehörigen anderer muslimischer und nichtmuslimischer
Glaubensgemeinschaften gegen Eingriffe in die Religionsfreiheit und gegen
Diskriminierungen aus religiösen Gründen geschützt (Art. 19 d. türk. Verf. v. 1961,
Art. 24 Abs. 1 d. Verf. vom 07.11.1982; 1., S. 2; 18., S. 23). Sie sind in den durch
Art. 14 der Verfassung von 1982 gezogenen Grenzen frei, Gottesdienste, religiöse
Zeremonien und Feiern abzuhalten (Art. 24 Abs. 2 dieser Verfassung). Sie werden
jedoch seit jeher anders als die Armenier, Griechen und Juden in der Staatspraxis
nicht zu den nichtmuslimischen Minderheiten gerechnet, denen aufgrund der Art.
38 ff. des Friedensvertrags von Lausanne vom 24. Juli 1923 besondere
Minderheitenrechte gewährleistet sind, so u.a. gemäß Art. 40 das Recht, auf
eigene Kosten jegliche karitative, religiöse und soziale Institutionen, Schulen und
andere Einrichtungen für Lehre und Erziehung mit dem Recht auf Gebrauch ihrer
eigenen Sprache und freie Religionsausübung zu errichten, zu betreiben und zu
kontrollieren (1., S. 112; 5., S. 57 f.; 8., S. 3 f.; 9., S. 15 f.; 13.; 45.). Während die in
Istanbul lebenden etwa 80.000 Armenier dazu imstande sind, ungefähr 40 Kirchen
und 30 Schulen, mindestens ein Krankenhaus und 12 Jugendclubs zu unterhalten
(12., 53.), verfügen die etwa 15.000 Syrisch-Orthodoxen in Istanbul lediglich über
ein eigenes Kirchenzentrum und sind in fünf weiteren Kirchen zu Gast (26., 29.), sie
dürfen aber keine Schulen und keine Sozialeinrichtungen betreiben. Die syrisch-
orthodoxen Christen werden allerdings ebensowenig wie andere christliche
Glaubensgemeinschaften staatlicherseits unmittelbar an der Ausübung ihrer
Religion gehindert. Sie können sowohl im Gebiet des Tur'Abdin als auch in Istanbul
in den ihnen verbliebenen Kirchen Gottesdienst nach ihrer Liturgie feiern und ihren
Glauben praktizieren.
Obwohl die Religionsausübung nach außen hin - weder in der Vergangenheit noch
jetzt - offen behindert oder gar untersagt ist, sind dennoch zahlreiche
administrative Schwierigkeiten festzustellen, die die Syrisch-Orthodoxen bei der
Ausübung ihres Glaubens und der Pflege ihres Brauchtums empfindlich stören und
auf Dauer gesehen das kirchliche und religiöse Leben beeinträchtigen und
schließlich zum Erliegen bringen können. So ist beispielsweise die Ausbildung der
113
schließlich zum Erliegen bringen können. So ist beispielsweise die Ausbildung der
Priester zwar von Staats wegen nicht verboten und auch nicht erkennbar restriktiv
reglementiert. Tatsächlich gibt es aber seit geraumer Zeit in der Türkei weder
einen syrisch-orthodoxen Bischof noch Priesterseminare (8., S. 4; 19., S. 16), und
deshalb können neue Priester, die die türkische Staatsangehörigkeit besitzen
müssen, nur im Ausland ausgebildet und geweiht werden (9., S. 5). Die
seelsorgerische Betreuung der noch in den ehemals syrisch-orthodoxen
Siedlungsgebieten verbliebenen Gläubigen ist auch dadurch erschwert, daß viele
Priester ihre Gemeinden gegen den Willen der Kirchenleitung verlassen haben und
im Zuge der Anwerbung von Arbeitnehmern durch die Bundesrepublik
Deutschland und andere westeuropäische Staaten ins Ausland abgewandert sind
(44., S. 3; 51., S. 3). Die ehemals zahlreichen Klöster im Tur'Abdin sind jetzt nur
noch von wenigen Mönchen oder Nonnen bewohnt und im übrigen verlassen (5., S.
21). Die Klosterschule in Dair Za'faran wurde zudem mehrmals zumindest
zeitweilig geschlossen, weil der türkische Staat das Schulprogramm mit syrisch-
aramäischem Sprachunterricht und christlichem Religionsunterricht für illegal
erachtete (5., S. 28; 6., S. 18; 37., S. 18; 51., S. 5). Der Bau und die Errichtung von
Kirchen sind, nachdem das Eigentum an dem Besitz der "frommen Stiftungen" im
Jahre 1965 auf den Staat übertragen worden ist, nur noch mit vorheriger
staatlichen Genehmigung zulässig (9., S. 17). Die Tatsache, daß in den
vergangenen Jahren keine neue syrisch-orthodoxe Kirche gebaut worden ist,
während in der ganzen Türkei zahlreiche neue Moscheen entstanden sind (47., S.
3 f.; 50., S. 3; 51., S. 4), kann allerdings darauf zurückzuführen sein, daß Geld für
einen derartigen Kirchenbau nicht vorhanden war (30.). Trotz dieser faktischen
Behinderungen im administrativen Bereich läßt sich daraus eine unmittelbare
staatliche Beeinträchtigung der Religionsfreiheit für die Zeit bis zur Ausreise der
Kläger zu 1) bis 6) aus der Türkei nicht herleiten.
Ebenso verhält es sich mit der Gestaltung des Religionsunterrichts an den
staatlichen Schulen (vgl. 64.). Insoweit neigt der Senat allerdings grundsätzlich zu
einer anderen Betrachtung als das Bundesverwaltungsgericht, das annimmt, ein
islamischer Pflichtunterricht beeinträchtige die Religionsfreiheit andersgläubiger
Kinder nicht (BVerwG, 14.05. 1987 - 9 B 149.87 -, EZAR 202 Nr. 9 = DVBl. 1987,
1113). Religionsunterricht, der gegen den Willen der Kinder oder der insoweit
erziehungsberechtigten Eltern erteilt wird, kann den Beginn einer
Zwangsbekehrung bedeuten, stellt doch die religiöse Unterweisung von Kindern,
Jugendlichen und Erwachsenen einen unverzichtbaren, weil lebenswichtigen Teil der
Religionsfreiheit dar. Denn ohne die Weitergabe religiösen Wissens und religiöser
Überzeugungen vermag weder der einzelne Gläubige noch die
Glaubensgemeinschaft auf Dauer zu bestehen. Neben der Verkündigung des
Glaubens während des kirchlichen Gottesdienstes spielt hierbei vor allem der
Religionsunterricht für Kinder eine ausschlaggebende Rolle. In diesem
Zusammenhang ist es von Bedeutung, daß die Vorschriften des Art. 24 der
türkischen Verfassung von 1982 vorsehen, daß niemand gezwungen werden darf,
an Gottesdiensten, religiösen Zeremonien und Feiern teilzunehmen oder seine
religiöse Anschauung und seine religiösen Überzeugungen zu offenbaren (Abs. 3),
und daß die Religions- und Sittenerziehung und -lehre unter der Aufsicht und
Kontrolle des Staats durchgeführt wird und religiöse Kultur und Sittenlehre in den
Grund- und Mittelschulanstalten zu den Pflichtfächern gehören (Abs. 4). Auf der
Grundlage dieser Verfassungsbestimmung ist in den letzten Jahren der
Religionsunterricht als Pflichtfach an türkischen Schulen eingeführt worden (64.);
ob und in welcher Weise daraufhin christliche Schüler zur Teilnahme am
islamischen Religionsunterricht gezwungen worden sind, war anfangs zweifelhaft,
ist aber inzwischen aufgeklärt. Das Auswärtige Amt hat zunächst berichtet,
christliche Schüler nähmen nicht am islamischen Religionsunterricht teil, sondern
erhielten eine christliche Unterweisung; in Einzelfällen hätten Schulleiter allerdings
gegen einen entsprechenden Runderlaß des Erziehungsministeriums verstoßen
(39.). Nunmehr hat das Auswärtige Amt unter Bezugnahme auf einen Erlaß des
Ministeriums für nationale Erziehung, Jugend und Sport vom 20. Oktober 1986 Nr.
2219 die Auskunft erteilt, daß christliche Schüler im Fach "Religionslehre und
Grundsätze der Ethik" nicht dazu verpflichtet seien, das islamische
Glaubensbekenntnis, die islamische Einleitungsformel Amentü, die Koranverse und
das islamische Ritualgebet Namaz zu lernen und Kenntnisse über Namaz,
Ramadan, die Regeln der islamischen Jahresspenden und das Pilgern nach Mekka
zu erwerben; allerdings habe man Kenntnis erlangt von Diskriminierungen in der
Praxis und davon, daß manche Schüler lieber an den islamischen Gebeten
teilnähmen, bevor sie dauernd einer demütigenden Behandlung ausgesetzt seien
(57.; ähnlich 66.). Anderen Auskünften zufolge soll der sog. Ethik- und
Moralunterricht in den früheren 70er Jahren weitgehend laizistisch und wertneutral
114
Moralunterricht in den früheren 70er Jahren weitgehend laizistisch und wertneutral
gewesen sein, inzwischen aber immer mehr islamisiert und zu einem Neben-
Religionsunterricht ausgebaut worden sein (40.). Die jetzige Ausgestaltung des
staatlichen Religions- und Ethikunterrichts führe insofern zu einer Benachteiligung
der christlichen Minderheiten, als ein Äquivalent für die nichtmuslimischen Schüler
nicht angeboten werde (50.). Die Annahme, es sei nunmehr ein islamischer
Religionsunterricht als Pflichtfach eingeführt und damit auch für christliche Schüler
verbindlich (50., 51.), erscheint indes nicht gerechtfertigt. Die in deutscher
Übersetzung vorliegenden Richtlinien (Anlage zu 57.) bestimmen eindeutig, daß
der Grundsatz des Laizismus während des Ausbildungsprogramms "Religionslehre
und Grundsätze der Ethik" immer zu beachten und zu schützen ist und niemand
zu religiösen Handlungen gezwungen werden darf. Außerdem ist bestimmt, daß,
wenn den Kindern die "nationale Moral gelehrt wird", nicht unter den Religionen
unterschieden wird, um den Kindern später die Anpassung an die Gesellschaft zu
erleichtern. Insgesamt kommt zwar in den Richtlinien deutlich zum Ausdruck, daß
der Islam die Religion der Türkei und Mohammed ein Vorbild für die Türken sein
soll. Die nach dem Verfassungsgrundsatz des Laizismus (vgl. hierzu 64.) gebotene
Distanz des türkischen Staats gegenüber der islamischen Religion äußert sich
allerdings darin, daß Namaz, Suren und Gebete im staatlichen Unterricht nicht in
arabischer Sprache gelehrt werden dürfen. Nach alledem bieten die gesetzlichen
und die verwaltungsinternen Vorschriften ten für den Religionsunterricht an
staatlichen Schulen keine Veranlassung für die Annahme, der türkische Staat
greife unmittelbar in die Freiheit der religiösen Betätigung der Syrisch-Orthodoxen
in einer Art und Weise ein, die die Menschenwürde oder das sogenannte religiöse
Existenzminimum antastet. Dies gilt auch und erst recht für die Zeit vor
Inkrafttreten der Verfassung von 1982 und vor der Machtübernahme durch das
Militär im September 1980. Auch wenn berücksichtigt ist, daß ein christlicher
Religionsunterricht an staatlichen Schulen nicht angeboten wird und es bei der
praktischen Handhabung der Unterscheidung zwischen ethischen und allgemein-
religiösen Lehrinhalten einerseits und islamischen Glaubenslehren andererseits im
Unterricht leicht zu Benachteiligungen und Beeinträchtigungen der
Glaubensüberzeugungen christlicher Schüler kommen könnte (66.), kann darin
insgesamt ein asylrelevanter Eingriff nicht gesehen werden. Denn abgesehen von
der fehlenden Intensität mangelt es insoweit auch an der erforderlichen staatlichen
Motivation und an der Zurechenbarkeit. Die Einführung des staatlichen
Pflichtunterrichts in Ethik und Religion verfolgt das Ziel einer Eindämmung des
Einflusses der privaten Koranschulen (20.; 66.) und läßt deshalb für sich noch
keinen Rückschluß auf eine im Jahre 1986 oder schon früher vorhandene Neigung
staatlicher Stellen zur gezielten Beeinträchtigung nichtmuslimischer Religionen zu.
Schließlich wären gelegentliche Übergriffe einzelner Lehrer, die die Anweisungen
zur Achtung der Religion nichtmuslimischer Schüler mißachten, dem türkischen
Staat asylrechtlich schwerlich zuzurechnen, weil Anhaltspunkte dafür, daß die
Verantwortlichen derartige dienstliche Verfehlungen förderten oder zumindest
duldeten, nicht bekannt sind.
Schließlich können Anzeichen für eine gegen Christen gerichtete
Gruppenverfolgung auch nicht in der Art und Weise festgestellt werden, wie
christliche Wehrpflichtige in der türkischen Armee behandelt werden. Insoweit
liegen allerdings unterschiedliche Auskünfte und Stellungnahmen vor. So hat das
Auswärtige Amt im Juni und November 1984 berichtet, Christen hätten in der
türkischen Armee nach allen bisherigen Erkenntnissen in aller Regel weder seitens
ihrer Vorgesetzten noch seitens ihrer Kameraden mit diskriminierenden
Handlungen zu rechnen; wenn ein Christ allerdings die Tatsache seines Glaubens
demonstrativ deutlich mache, seien Sticheleien und gelegentliche Übergriffe
seiner Kameraden nicht auszuschließen (38., 41.). Im Oktober 1985 hat das
Auswärtige Amt darüber hinausgehend berichtet, daß zuverlässigen Angaben
zufolge regelmäßig beim ersten Gesundheitsappell nach der Einberufung von
Vorgesetzten im Unteroffiziersrang hämische Bemerkungen über die "dreckigen
Christenschweine" gemacht würden, die noch nicht einmal eine so elementare
hygienische Maßnahme wie die Beschneidung durchführen ließen; einfache
Rekruten in normalen Einheiten sähen sich leicht infolge der Schikanen der
Unteroffiziere und der Kameraden einem zumindest subjektiv als unwiderstehlich
empfundenen Druck ausgesetzt, der viele veranlasse, den geforderten Eingriff
"freiwillig" vornehmen zu lassen (48.). Im Dezember 1987 hat das Auswärtige Amt
wiederum die Auskunft gegeben, es sei von gezielten Schikanen gegen Christen
während des Wehrdienstes nichts bekannt geworden; außerdem hat es berichtet,
es seien keine Fälle von Zwangsbeschneidungen mehr bekannt geworden (61.).
Dagegen sprechen andere Quellen teilweise in pauschaler Form, teilweise aber
auch sehr dezidiert von Zwangsbeschneidungen christlicher Wehrpflichtiger in der
115
auch sehr dezidiert von Zwangsbeschneidungen christlicher Wehrpflichtiger in der
Türkei. Die Sachverständige Dr. Hofmann (43.) berichtet aufgrund zahlreicher
Gespräche mit Betroffenen, die Diskriminierungen reichten von der verbalen
Beleidigung ("schmutziges Christenschwein", "Gavur") bis hin zur schweren
Körperverletzung, an denen Kameraden und Vorgesetzte beteiligt seien; bis in die
Gegenwart (Februar 1985) würden christlichen Soldaten Gewalt und
Zwangsbeschneidung zumindest angedroht, die Androhung der
Zwangsbeschneidung begleite die männlichen Christen durch alle
Lebensabschnitte, sei aber während des Militärdienstes besonders virulent. Dem
Sachverständigen Prof. Wiesner (44.) sind Versuche der zwangsweisen Bekehrung
und der Zwangsbeschneidung während des Militärdienstes dagegen nicht bekannt
geworden; er hält derartige Angaben von Asylbewerbern für Greuelmärchen und
begründet im einzelnen seine Bedenken gegen die Wahrheit entsprechender
Erzählungen. Auch der Sachverständige Dr. Binswanger (45.; ähnlich 68.) gibt an,
Fälle von Zwangsbeschneidungen christlicher Soldaten während ihrer
Militärdienstzeit seien unbekannt, ein offenes Geheimnis sei hingegen die
körperliche Mißhandlung durch sadistische Unteroffiziere, deren Haltung in
seltenen Fällen auch muslimische Wehrpflichtige treffe; diskriminiert würden die
Christen insofern, als Wehrpflichtige mit Abitur nicht wie sonst in der Regel als
Offiziersanwärter rekrutiert würden. Der Sachverständige Dr. Oehring (46.) hat
noch im Frühjahr 1985 erfahren, daß christliche Soldaten generell mit den
unangenehmsten Aufgaben betraut werden und Pöbeleien an der Tagesordnung
und Übergriffe nicht ausgeschlossen seien; Zwangsbeschneidungen oder
zumindest entsprechende Drohungen kämen vor, allerdings "nicht überall und
nicht immer". Demgegenüber hat ein Zeuge in einem Verfahren vor dem
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen nähere Angaben über einzelne Fälle von
Zwangsbeschneidungen gemacht (54.). Er ist 16 Monate lang bis Juli 1985
Militärarzt in der Osttürkei gewesen und hat während seiner Dienstzeit etwa 90
christliche Rekruten kennen gelernt. Seinen Angaben zufolge kann er nicht als
Augenzeuge bestätigen, daß jemand beim Militär einer gewaltsamen
Zwangsbeschneidung unterzogen worden ist; er hat allerdings glaubhaft bezeugt,
daß man auf andere Weise Personen gezwungen hat, sich beschneiden zu lassen.
Er selbst habe die Beschneidung einiger Soldaten, die zu ihm zur
Zwangsbeschneidung geschickt worden seien, abgelehnt. Er habe aber mit
eigenen Augen gesehen, daß man in dem Militärkrankenhaus von Agri einen
christlichen Soldaten beschnitten habe, der bei einem späteren Gespräch
offenbart habe, daß er nur unter Zwang die Beschneidung habe vornehmen
lassen; er sei nämlich nach seiner anfänglichen Weigerung "vom Schreibdienst
zum Toilettenplatz degradiert" und dann auch noch wiederholt geschlagen worden.
Er wisse, daß 30 bis 40 christliche Soldaten der Beschneidung im Krankenhaus
unterzogen worden seien; er habe diese Soldaten aus den üblichen
Generaluntersuchungen, die alle drei Monate stattfänden, gekannt, und alle hätten
ihm unter vier Augen bedeutet, sie seien auf keinen Fall zur Beschneidung bereit
gewesen. Wenn nach alledem auch nicht auszuschließen ist, daß christliche
Wehrpflichtige von Kameraden und auch von Vorgesetzten mit mehr oder weniger
Druck gezwungen worden sind - und weiterhin gezwungen werden -, sich
beschneiden zu lassen, so kann doch andererseits nicht festgestellt werden, daß
christliche Wehrpflichtige allgemein mit einer derartigen Behandlung im Militär in
dem Sinne zu rechnen hatten oder haben, daß daraus auf eine direkte
Kollektivverfolgung aller Christen oder zumindest aller christlichen Wehrpflichtigen
geschlossen werden kann. Anhaltspunkte dafür, daß die militärische Führung
derartige Übergriffe duldet oder gar fördert, bestehen nämlich nicht (vgl. aber 65.;
68.). Selbst wenn angesichts der straffen Disziplin in den türkischen Streitkräften
unterstellt wird, daß die Beschwerde eines Soldaten zumindest in den unteren
Rängen nicht akzeptiert würde und die Folgen für den Soldaten eher negativ
wären, besteht schon im Hinblick auf die geringe Anzahl nachgewiesener Fälle
wirklicher Zwangsbeschneidungen und die fehlende Förderung oder zumindest
Duldung durch nicht nur untergeordnete Stellen im türkischen Militär kein
genügender Anhalt für eine asylrechtliche Zurechenbarkeit derartiger Vorfälle (vgl.
Hess. VGH, 14.10.1987 - 12 TE 1770/84 -, EZAR 633 Nr. 13; ähnlich auch VGH
Baden-Württemberg, 23.07.1984 - A 13 S 267/84 -, bestätigt durch BVerwG,
22.04.1986 - 9 C 318.85 u.a. -, BVerwGE 74, 160 = EZAR 202 Nr. 8), geschweige
denn für eine unmittelbare Verantwortlichkeit des türkischen Staats.
bb) Darüber hinaus waren die Christen in der Türkei, insbesondere in der
Südosttürkei in dem hier maßgeblichen Zeitraum auch keiner mittelbaren
staatlichen Kollektivverfolgung in der Weise ausgesetzt, daß sie von anderen
Bevölkerungsgruppen ihrer Religion und ihres christlichen Bekenntnisses wegen
verfolgt wurden und hiergegen staatlichen Schutz nicht erhalten konnten.
116
117
In diesem Zusammenhang ist es nicht erforderlich, die Ursachen der oben (unter
II. 2. a) dargestellten Abwanderungsbewegungen aus den ursprünglich
ausschließlich oder zumindest überwiegend christlichen Dörfern nach Mardin und
Midyat und vor allem nach Istanbul und von dort aus ins Ausland im einzelnen zu
ermitteln. Tatsächlich sind die Christen den Anwerbeaktionen der
westeuropäischen Wirtschaft seit Beginn der 60er Jahre wohl dank ihrer besseren
Ausbildung und ihrer größeren Flexibilität eher gefolgt als die in der Südosttürkei
lebenden Kurden und haben dann nach und nach ihre Familien in die
Bundesrepublik Deutschland und andere westeuropäische Länder nachgeholt. Eine
gewisse Rolle mag anfangs auch die allgemein in der Türkei zu beobachtende
Landflucht gespielt haben, die die Einwohnerzahl von Istanbul auf jetzt acht bis
zehn Millionen hat anwachsen lassen (1., S. 111; 18., S. 20). Wie bereits oben
(unter II. 2. b aa) festgestellt, haben zudem viele Priester im Zuge der
Gastarbeiterwanderung ihre syrisch-orthodoxen Gemeinden im Tur'Abdin
verlassen und sind gegen den Willen der Kirchenleitung nach Europa und nach
Übersee ausgewandert (50., S. 3), was zusätzlich zu einer Destabilisierung der
gewachsenen Siedlungsstrukturen der Christen in der Südosttürkei beigetragen
hat. Schließlich haben auch die Ereignisse um Zypern, im Libanon und im Iran
sowie allenthalben feststellbare Islamisierungstendenzen zu einer Verhärtung des
Verhältnisses zwischen Christen und muslimischen Kurden im Tur'Abdin
beigetragen. Ungeachtet der im einzelnen maßgeblichen Gründe für die
Bevölkerungsbewegungen, die durchaus umstritten sein mögen, wurde aber seit
Mitte der 70er Jahre aus dem Gebiet um Midyat über eine auffällige Zunahme
schwerer Übergriffe der muslimischen Mehrheit (meist Kurden) gegen Christen
berichtet, und zwar über Morde, Mordversuche, Entführungen,
Zwangsbeschneidungen, Viehdiebstähle, Landnahme, Sachbeschädigungen und
Plünderungen (vgl. dazu etwa: Schreiben eines syrisch-orthodoxen Ortsvorstehers
an den türkischen Staatspräsidenten vom März 1976, zitiert in 1., S. 112 f.; 3.,S.
46 f.; Schilderungen in der Zeitschrift "Egartho", zitiert in 1., S. 115 f.; 5., S. 32 ff.
und 106 ff.; 8., S. 5; 14.; 16.; 37., S. 17 ff.). Gleichzeitig wurde allgemein
beanstandet, daß staatliche Stellen, wenn sie um Hilfe angegangen wurden,
entweder überhaupt nicht tätig geworden sind oder aber sogar offen zum
Ausdruck gebracht haben, sie lehnten es ab, Christen Schutz zu gewähren (vgl.
etwa: 4., S. 3, 5; 5., S. 34; 15.). Außerdem wurde betont, ähnliche Gewalttaten
Syrisch-Orthodoxer seien, wenn sie vereinzelt vorgekommen seien, auch verfolgt
worden (9., S. 21). Für die zahlreichen Übergriffe gegenüber syrisch-orthodoxen
Christen seien beispielhaft folgende Ereignisse erwähnt: Raubüberfall auf einen
Priester auf der Fahrt zwischen Ado und Midyat Anfang 1978 (1., S. 115); Überfall
auf einen Pfarrer in Gölgöze am 30. April 1978, dabei zwei Verwandte erschossen
(1., S. 116); Entführung eines christlichen Mädchens einen Tag vor der Hochzeit,
Anrufung der Gerichte blieb ohne Erfolg (5., S. 34 f.); Entführung eines 13jährigen
Mädchens am 19. Februar 1979 durch drei Kurden, trotz Gerichtsentscheidung
keine polizeilichen Maßnahmen wie Festnahme der Entführer und Vorführung des
Mädchens bei Gericht (5., S. 36; ähnliche Fälle in 11., S. 7, 9); Landwegnahme
1948, vor Gericht erfolgreicher Christ anschließend ermordet, 1958 Mord an zehn
Christen, die ebenfalls gerichtliche Verfahren zur Wiedererlangung ihres Besitzes
angestrengt hatten (5., S. 37 f.); Mord an dem letzten in Kerburan verbliebenen
Christenführer am 29. Oktober 1978 nach Ermordung und allmählicher
Verdrängung der ursprünglich mehrheitlich christlichen Bevölkerung (3., S. 50; 5.,
S. 40; vgl. dazu auch 11., S. 5).
Bei der Frage nach den Ursachen für die danach seit Mitte der 70er Jahre vermehrt
feststellbaren Beeinträchtigungen der Christen durch die muslimische Bevölkerung
im Tur'Abdin werden teils die Auswirkungen der Verfolgung weniger schwerwiegend
dargestellt, teils die religionsbezogene Motivation der Verfolger bezweifelt und teils
die Einstellung der staatlichen Stellen zu diesen Maßnahmen der andersgläubigen
Mitbürger nicht so gewertet und eingeschätzt, daß den Christen der erforderliche
staatliche Schutz gegen private Übergriffe ihrer Religion wegen verwehrt wurde. So
bestätigen etwa auch andere als die bereits erwähnten Quellen gewalttätige
Auseinandersetzungen und existenzbedrohende Übergriffe im Südosten der Türkei
(2., S. 2; 17.) und die Gefahr administrativer Schikanen sowie die Schutzlosigkeit
gegenüber gesetzlosen Zuständen vor der Machtübernahme durch das Militär im
September 1980 (15.). Andererseits wird aber darauf hingewiesen, daß unter
schwierigen Lebensverhältnissen und der gesetzlosen Lage vor September 1980
auch die übrige Bevölkerung zu leiden gehabt habe, die Abwanderung aus dem
Tur'Abdin vorwiegend wirtschaftliche und soziale Gründe habe und die
Wanderungsbewegung bei den Christen nicht stärker sei als bei der übrigen
118
119
Wanderungsbewegung bei den Christen nicht stärker sei als bei der übrigen
Bevölkerung (vgl. vor allem 18., S. 23 ff., 31. ff.). Während das Auswärtige Amt als
Ursachen für die Abwanderung neben religiösen Spannungen sowohl
wirtschaftliche Schwierigkeiten als auch die in Gewalttätigkeiten ausufernden
Streitigkeiten aus sprachlichen, sozialen und ethnischen Motiven nennt, räumt es
doch gleichzeitig ein, Christen hätten teilweise existenzbedrohende
Benachteiligungen erlitten und seien gewalttätigen Übergriffen ausgesetzt
gewesen, gegen die ausreichender staatlicher Schutz besonders in schwer
zugänglichen ländlichen Gebieten häufig nicht habe gewährt werden können, so
daß praktisch die christliche Minderheit oftmals gewalttätigen Übergriffen schutzlos
preisgegeben gewesen sei (2., S. 2). Wenn Wiskandt bezweifelt, daß Christen aus
dem Tur'Abdin in wesentlich größerem Ausmaß als Kurden abgewandert sind (18.,
S. 23 ff., besonders S. 28), so fällt auf, daß er die Anzahl der in der Provinz Mardin
lebenden Syrisch-Orthodoxen aus einer offiziellen Einwohnerstatistik und eigenen
Berechnungen ableitet, während die oben (unter II. 2. a) erwähnten
Zahlenangaben anderer Autoren zwar vorwiegend auf Schätzungen beruhen, aber
insgesamt zutreffender erscheinen, weil dort der Bevölkerungsrückgang bei den
Christen zum größten Teil durch die Nennung von Ortsnamen und exakten
Einwohnerzahlen belegt ist. Es mag zutreffen, daß die historischen Fakten in den
epd-Dokumentationen (5. und 37.) nicht immer neutral dargestellt sind und die
religiösen Bezüge dort ebenso einseitig in den Vordergrund gestellt werden wie
von Yonan (1.) der Prozeß der Entwicklung einer assyrischen Nation. Abgesehen
aber davon, daß Wiskandt seine Befragungen offenbar ohne die in solchen
Situationen wichtige Vertrauensbasis zu den befragten Personen und ohne
Bekanntgabe seines Auftrags durchgeführt hat, ist in seinem Gutachten an
zahlreichen Stellen nachzuweisen, daß seine Ausführungen nicht völlig frei sind von
Vorverständnissen und festliegenden persönlichen Positionen, die die
Beantwortung der ihm gestellten Fragen teilweise beeinflußt haben könnten (vgl.
dazu im einzelnen 23., 24., 25.). So wirft er der ersten epd-Dokumentation offen
bewußte Zahlenmanipulation vor (S. 27, 29), polemisiert gegen die "hiesige Lobby
der Sürjannis" (S. 65) und beschreibt die "Erfolge" der Militärregierung ohne jede
Einschränkung (S. 20 ff.), obwohl Vorbehalte gegen die Politik der Militärregierung
angesichts zahlreicher Proteste gegen Menschenrechtsverletzungen in der Türkei
zumindest erwähnenswert gewesen wären.
Nach alledem vermag der Senat nicht festzustellen, daß die Christen in der Türkei
- und zwar auch im Tur'Abdin - in ihrer Gesamtheit im Zeitraum von etwa 1973 bis
etwa 1980 in der Weise mittelbar aus religiösen Gründen verfolgt worden sind, daß
sie als Angehörige der christlichen Minderheit gewalttätigen Übergriffen mit
Gefahren für Leib und Leben und die persönliche Freiheit durch die muslimische
Bevölkerung ausgesetzt waren und der türkische Staat diese
Verfolgungsmaßnahmen entweder gebilligt oder zumindest tatenlos
hingenommen und damit den Christen den erforderlichen staatlichen Schutz
versagt hat. Die dargelegten Verhältnisse stellen sich allerdings so dar, daß in
zahlreichen Einzelfällen tatsächlich syrisch-orthodoxe Bewohner des Tur'Abdin von
muslimischen Mitbürgern umgebracht, verletzt, entführt oder beraubt worden sind,
ohne daß die zuständigen staatlichen Behörden hiergegen eingeschritten sind,
obwohl ihnen dies möglich gewesen wäre (vgl. z.B. die Fälle in den vom 10. Senat
des Hess. VGH entschiedenen Verfahren X OE 847/81 und X OE 1131/81).
Wenn das Verwaltungsgericht demgegenüber in dem angegriffenen Urteil
angenommen hat, die Kläger seien von einer mittelbaren Gruppenverfolgung aller
Syrisch-Orthodoxen in der Türkei betroffen worden, die allerdings nach dem
Militärputsch vom September 1980 nicht mehr andauere, dann beruht dies auf
einer nicht gerechtfertigten Auswertung des Inhalts der in diesem Urteil zitierten
Gerichtsentscheidungen und Erkenntnisquellen. So beruft sich das
Verwaltungsgericht zu Unrecht zum Nachweis dafür, daß die Syrisch-Orthodoxen
zumindest vor September 1980 im Tur'Abdin wegen ihres Glaubens verfolgt
worden seien, u.a. auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. August
1983 - 9 C 599.81 - (BVerwGE 67, 314 = EZAR 203 Nr. 1). In dieser Entscheidung
mußte das Bundesverwaltungsgericht wie auch in anderen Verfahren aufgrund
seiner Bindung an Tatsachenfeststellungen in dem zugrundeliegenden Urteil des
Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO) davon ausgehen,
daß existenzbedrohende Benachteiligungen und gewalttätige Übergriffe um das
Jahr 1976 so zugenommen hatten, daß die Auswanderung der Christen aus dieser
Region zunehmend Fluchtcharakter annahm und ihre Zahl von ursprünglich 70.000
auf einen Bruchteil dessen absank und daß die Sachwalter des türkischen Staats
das Vorgehen der Muslime aufgrund der weitgehend von feudalen Stammes- und
Religionsführern bestimmten Machtstrukturen in der Region nicht oder völlig
120
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Religionsführern bestimmten Machtstrukturen in der Region nicht oder völlig
unzureichend ahndeten. Wenn das Revisionsgericht daraufhin ausgeführt hat, das
Berufungsgericht habe diesen Sachverhalt zu Recht dahin gewürdigt, daß zu der in
dem dortigen Verfahren maßgeblichen Zeit die syrisch-orthodoxen Christen in
einer dem türkischen Staat zuzurechnenden Weise als Gruppe asylrechtlich
verfolgt worden sind, dann bedeutete dies nicht, daß diese Frage seitdem
letztverbindlich entschieden war. Deshalb blieb auch die Revision eines syrisch-
orthodoxen Christen erfolglos, in dessen Verfahren der 10. Senat des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofs eine dem türkischen Staat zurechenbare allgemeine
Gruppenverfolgung syrisch-orthodoxer Christen im Tur'Abdin verneint hatte
(27.05.1982 - X OE 727/81 -); das Bundesverwaltungsgericht hat dazu ausdrücklich
ausgeführt, ein Asylbewerber könne tatsächliche Feststellungen der
Tatsachengerichte zur Gruppenverfolgung im Revisionsverfahren nicht erfolgreich
damit angreifen, daß andere Tatsachengerichte dieselbe Situation anders
beurteilten (BVerwG, 08.05.1984 - 9 C 141.83 -, EZAR 630 Nr. 13 = NVwZ 1985,
36). Dieselben Überlegungen gelten im übrigen für die Frage, ob politisch
motivierte Übergriffe von Vorgesetzten und Kameraden auf syrisch-orthodoxe
Wehrpflichtige in der Türkei asylerheblich sind oder zumindest als Indiz für eine
Kollektivverfolgung gewertet werden können. Insoweit hat das
Bundesverwaltungsgericht zwar aufgrund entsprechender bindender
Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg
entschieden, daß derartige Übergriffe dem türkischen Staat nicht zuzurechnen
sind, weil die Militärführung eine religiös motivierte Verfolgung von Christen in der
Armee nicht nur mißbilligt, sondern auch nach Kräften zu verhindern trachtet
(BVerwG, 22.04.1986 - 9 C 318.85 u.a. -, BVerwGE 74, 160 = EZAR 202 Nr. 8);
damit ist aber noch nicht ausgeschlossen, daß ein Gericht aufgrund anderer
tatsächlicher Erkenntnisse zu anderen Schlußfolgerungen gelangt. Schließlich gibt
es auch keine verbindliche Revisionsentscheidung über die asylrechtliche
Bedeutung der Pflicht christlicher Schüler zur Teilnahme am staatlichen
Religionsunterricht in der Türkei. Insoweit hat das Bundesverwaltungsgericht
anläßlich der Zurückweisung einer Nichtzulassungsbeschwerde ausgeführt, die
Pflicht zur Teilnahme am islamischen Religionsunterricht in staatlichen Schulen der
Türkei stelle für Angehörige anderer Religionsgemeinschaften für sich allein keine
asylerhebliche Beeinträchtigung der Religionsausübung dar (BVerwG, 14.05.1987 -
9 B 149.87 -, EZAR 202 Nr. 9 = DVBl. 1987, 1113). Es können durchaus Bedenken
bestehen gegen die Meinung, es sei offensichtlich, daß durch die "bloße
Teilnahmepflicht am islamischen Religionsunterricht" das religiöse
Existenzminimum unberührt bleibe, und die Pflicht zur Teilnahme am islamischen
Religionsunterricht könne keinesfalls mit der Pflicht, sich zum Islam zu bekennen,
gleichgesetzt werden. Zudem ist zu berücksichtigen, daß die Verpflichtung zur
Teilnahme an diesem Religionsunterricht in tatsächlicher Hinsicht bereits
differenzierter gesehen werden muß, als dies das Oberverwaltungsgericht
Nordrhein-Westfalen in dem der Beschwerdeentscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts zugrundeliegenden Urteil angenommen hat, und
gerade nicht die Pflicht zum Erlernen islamischer Gebete und islamischer
Glaubenssätze mitumfaßt (vgl. dazu oben S. 26 ff.).
3. Es kann auch nicht festgestellt werden, daß die Kläger zu 1) bis 6) - die Klägerin
zu 7) ist ohnehin erst im Bundesgebiet geboren - persönlich bereits vor ihrer
Ausreise aus der Türkei von religiös motivierten Übergriffen muslimischer
Mitbürger betroffen waren und dagegen staatlichen Schutz nicht in Anspruch
nehmen konnten. Ebensowenig kann angenommen werden, daß die Kläger zu 1)
bis 6) damals schon in ihrer persönlichen Freiheit oder in ihrer körperlichen
Unversehrtheit oder in ihrer Religionsfreiheit beeinträchtigt oder bereits so konkret
bedroht waren, daß ein asylrelevanter Eingriff unmittelbar bevorstand, und sie
deshalb als vorverfolgt anzusehen sind. Die Angaben der Kläger zu 1) bis 6) zu
ihrem Lebensschicksal und zu den Gründen und Umständen ihrer Ausreise aus der
Türkei sind allerdings im wesentlichen glaubhaft.
Danach steht fest, daß jedenfalls die Kläger zu 1) bis 5) in dem 34 km nordöstlich
von Midyat gelegenen Dorf Arbay - das den Aussagen der Kläger zu 1) und 2) bei
ihrer Vernehmung durch den Berichterstatter des Senats am 25. November 1988
zufolge auf Türkisch Alayurt heißt (vgl. zu weiteren Bezeichnungen Anschütz. Die
syrischen Christen vom Tur'Abdin, Würzburg 1985, S. 96) - geboren wurden; die
Klägerin zu 6) ist entweder ebenfalls in diesem Dorf oder (schon) in Midyat
geboren, wohin die Familie frühestens im Jahre 1979 umgezogen sein dürfte. Dies
ergibt sich aus den anläßlich der Vorprüfungsanhörung erfolgten Ergänzungen
bzw. Berichtigungen der Niederschrift zum Asylbegehren der Kläger (Bl. 44 i.V.m. 1
der Bundesamtsakte 163/75051/80) und insbesondere aus den jedenfalls in bezug
122
123
der Bundesamtsakte 163/75051/80) und insbesondere aus den jedenfalls in bezug
auf ihre Person eindeutigen und zweifelsfreien Bekundungen der Kläger zu 1) und
2) bei ihrer Vernehmung am 25. November 1988 sowie aus den Eintragungen in
den alten Nüfen der Kläger zu 1) und 2) (vgl. Bl. 27 und 35 d. Bundesamtsakte
163/75051/80). Den hiervon abweichenden Eintragungen in den neueren
Personalpapieren, in denen "Mardin" bzw. "Midyat" als Geburtsort angeführt sind,
kommt demgegenüber keine maßgebende Bedeutung zu, weil es sich hierbei um
die Provinz- bzw. um die zugehörige Kreishauptstadt handelt und weil dem Senat
aus seiner Praxis bekannt ist, daß die türkischen Behörden häufig derartige Städte
als Geburtsort in die Personalpapiere eintragen. Der Senat geht ferner davon aus,
daß Arbay vor dem Ersten Weltkrieg - in dem etwa die Hälfte der Einwohner
umkamen - ein rein christliches Dorf war (vgl. das Vorbringen des Vaters M. D. der
Klägerin zu 2) in dessen Asylgerichtsverfahren
VG Minden 8 K 10754/83> sowie Anschütz, a.a.O.,), daß nach dem Zweiten
Weltkrieg etwa 60 bis 100 christliche Familien dort lebten (vgl. wiederum M. D.,
a.a.O.; ferner 22., S. 15), diese Zahl sich zunächst auf etwa 15 bis 35 gegen Mitte
bis Ende der 70er Jahre (so die Angaben des Klägers zu 1) im vorliegenden
Verfahren , seines Vaters in dessen Asylverfahren
Bundesamtsakte 163/05546/84> sowie bei Anschütz, a.a.O.; vgl. ferner 22., S. 15)
und schließlich auf ungefähr drei bis sechs in den Jahren 1979/1980 verringerte,
wobei sich bis dahin etwa 60 bis 70 muslimische Familien in Arbay angesiedelt
hatten (vgl. insoweit die Angaben des Klägers zu 1) bei der Vorprüfung
Bundesamtsakte 163/75051/80> und im vorliegenden Verfahren
d.A.> sowie des Vaters M. D. der Klägerin zu 2) in dessen Asylverfahren
der Gerichtsakte des VG Minden 8 K 10754/83 > und daß schließlich auch die
letzten christlichen Familien, wobei es sich u.a. um diejenigen der Kläger, des
Vaters M. D. der Klägerin zu 2), des Onkels B. A. des Klägers zu 1) und des
Pfarrers Yusuf Dursun handelte, das Dorf verließen, so daß sich heute keine
Christen mehr dort befinden (so wiederum die Angaben des Klägers zu 1) im
vorliegenden Verfahren , des Vaters der Klägerin zu 2)
in dessen Asylverfahren
Bl. 25 der Gerichtsakte des VG Minden 8 K 10754/83>, ferner des Vaters und der
Mutter des Klägers zu 1) in ihren Asylverfahren
VG Wiesbaden I E 5240/86 und Bl. 20 der Bundesamtsakte Tür-S-64772> sowie bei
Anschütz, a.a.O.). Der Senat ist des weiteren zu der Überzeugung gelangt, daß die
Kläger, soweit sie dort geboren sind, bis mindestens 1979 in Arbay gelebt haben,
daß ihre Familie dort über Grundbesitz in erheblichem Umfang - und zwar in Form
von Feldern, Weinbergen und Wald, welche teilweise vom Kläger zu 1)
bewirtschaftet wurden - sowie über einen großen Bestand an Vieh verfügte (vgl. zu
den insoweit im wesentlichen übereinstimmenden Angaben des Klägers zu 1) und
seiner Verwandten Bl. 203 f. d. A. sowie Bl. 47 der Bundesamtsakte 163/75051/80,
Bl. 20 der Bundesamtsakte Tür-S-64772 und Bl. 6 und 20 der Bundesamtsakte
163/05564/84) und daß sie sodann nach Midyat übergesiedelt sind, wo sie sich bis
kurz vor ihrer Ausreise im Juni 1980 aufgehalten haben.
Der Senat konnte indessen nicht die Überzeugung gewinnen, daß die Kläger zu 1)
bis 6) in Arbay, Midyat oder anderswo in der Türkei politische Verfolgung erlitten
haben. Die Gründe, warum sie - soweit sie dort geboren sind -, ihre Verwandten
und die übrigen Christen Arbay verlassen haben, erscheinen vielgestaltig,
rechtfertigen aber nicht die Annahme einer dortigen Verfolgung in asylrechtlich
erheblicher Weise.
Wenn die Kläger im erstinstanzlichen Verfahren zwei Rinderdiebstähle haben
vortragen lassen (Bl. 37 d. A.) und auch ihre Verwandten von solchen und
ähnlichen Beeinträchtigungen im Zusammenhang mit ihrer landwirtschaftlichen
Berufstätigkeit - etwa von Zerstörungen und Diebstählen in den Weinbergen -
berichtet haben (vgl. u.a. Bl. 6 der Bundesamtsakte 163/05546/84, Bl. 20 f. der
Bundesamtsakte Tür-S-64772 u. Bl. 19 der Bundesamtsakte Tür-V-1424), so fehlt
es an konkreten Anhaltspunkten für eine religiöse - und nicht nur wirtschaftliche -
Motivation der Täter; außerdem ist nicht dargetan, daß - abgesehen von dem
ersten Rinderdiebstahl - überhaupt der Versuch unternommen wurde, staatliche
Hilfe in Anspruch zu nehmen. Vielmehr haben sowohl die Kläger (hinsichtlich
späterer Viehdiebstähle) als auch die Mutter des Klägers zu 1) in deren
Asylverfahren (Bl. 21 der Bundesamtsakte Tür-S-64772) angegeben, sie hätten
aus Angst keine Anzeige (mehr) erstattet. Was aber die Anzeige beim ersten
Rinderdiebstahl angeht, so ist nicht ersichtlich, daß den türkischen Behörden
genügende Angaben für eine nicht von vornherein aussichtslose
Ermittlungstätigkeit gemacht worden sind. Daß die Kläger selbst den
diesbezüglichen Beeinträchtigungen keine in asylrechtlicher Hinsicht
124
diesbezüglichen Beeinträchtigungen keine in asylrechtlicher Hinsicht
ausschlaggebende Bedeutung beizumessen scheinen, läßt sich im übrigen daraus
entnehmen, daß weder der Kläger zu 1) noch die Klägerin zu 2) bei ihrer
Vernehmung am 25. November 1988 hierauf zu sprechen gekommen sind.
Entsprechendes gilt hinsichtlich der nur bei der Vorprüfung aufgestellten und in
einem anwaltlichen Schriftsatz vom 20. September 1983 (Bl. 38 d. A.)
wiederholten Behauptungen, Muslime, an die Teile des umfangreichen
Grundbesitzes der Familie verpachtet gewesen seien, hätten den vereinbarten
Pachtzins nicht in voller Höhe entrichtet; abgesehen davon stehen diese
Behauptungen in gewissem Widerspruch zu Angaben der Mutter des Klägers zu 1)
in deren Asylverfahren, die Ernte sei bis zuletzt je zur Hälfte zwischen der Familie
und den sie unterstützenden Muslimen aufgeteilt worden (vgl. Bl. 20 der
Bundesamtsakte Tür-S-64772).
Soweit die Kläger offenbar aus der Entführung der Schwester C. des Klägers zu 1)
eigene Asylgründe herzuleiten versuchen, vermag ihnen der Senat nicht zu folgen.
Allerdings kann den Klägern - trotz der jedenfalls in bezug auf Einzelheiten in
vielfacher Hinsicht voneinander abweichenden Angaben der Kläger und ihrer
Verwandten (vgl. etwa Bl. 204 d.A. sowie Bl. 46 f. der Bundesamtsakte
163/75051/80, Bl. 6 u. 19 der Bundesamtsakte 163/05546/84, Bl. 3 f. u. 20 der
Bundesamtsakte Tür-S-64772, Bl. 19 der Bundesamtsakte Tür-V-1424 sowie Bl. 19
der Bundesamtsakte 163/05547/84) - geglaubt werden, daß die fragliche
Entführung in der Zeit zwischen Sommer 1975 und Ende 1979 tatsächlich erfolgt
ist, daß die Schwester C. des Klägers zu 1) hierbei eine schwere Augenverletzung
erlitten hat und daß die der Familie bekannten Täter nicht bestraft worden sind.
Letzteres dürfte freilich darauf zurückzuführen sein, daß - wie der Vater des
Klägers zu 1) bei seiner Vorprüfungsanhörung angegeben hat - sie Angst gehabt
hätten, in dem betreffenden Gerichtsverfahren auszusagen (vgl. Bl. 19 f. der
Bundesamtsakte 163/05546/84); eine Aussage war den Familienangehörigen aber
zumutbar, weil in Anbetracht des anläßlich der Entführung gewährten staatlichen
Schutzes nicht anzunehmen war, daß sie hinsichtlich möglicher Racheakte der
Täter schutzlos bleiben würden; die seinerzeitige Entführung mit Körperverletzung
und offenbar sich anschließender Zwangsverheiratung und -bekehrung ist daher
dem türkischen Staat asylrechtlich nicht zurechenbar. Unabhängig davon ist nichts
dafür ersichtlich, daß den Klägern zu 1) bis 6) seinerzeit ein ähnliches Schicksal
unmittelbar bevorstand. Dies versteht sich für den Kläger zu 1) und die damals
höchstens sechs Jahre alten Kläger zu 3) bis 6) von selbst. Aber auch in bezug auf
die Klägerin zu 2) fehlt es insoweit an konkreten Anhaltspunkten; insbesondere
haben die Kläger von etwa gegen die Klägerin zu 2) gerichteten konkreten
Entführungsdrohungen nichts berichtet; daher kann angesichts des Schutzes, der
ihr damals infolge ihrer familiären Einbindung noch zuteil wurde, nicht von einem
unmittelbar bevorstehenden entsprechenden asylrelevanten Eingriff ausgegangen
werden. Ein Vorfluchttatbestand ergibt sich für den Kläger zu 1) auch nicht daraus,
daß er anläßlich der Entführung seiner Schwester durch einen Pistolenschuß
seitens der Täter am Bein verletzt worden ist. Es mag dahinstehen, ob die
Körperverletzung gegenüber dem Kläger zu 1) deshalb als religiös motiviert
anzusehen ist, weil sie zur Durchsetzung der ihrerseits religiös motivierten
Entführung seiner Schwester diente, denn jedenfalls wäre der Übergriff dem
türkischen Staat nicht im asylrechtlichen Sinne zurechenbar. Der Kläger zu 1) hat
nämlich bei der Vorprüfungsanhörung selbst angegeben, deswegen aus Angst
nicht bei der Polizei gewesen zu sein, und selbst wenn auch die ihm zugefügte
Körperverletzung Gegenstand des im Zusammenhang mit der Entführung
offenbar durchgeführten Gerichtsverfahrens gewesen sein sollte, so kommt eine
Zurechnung jedenfalls wegen der unterbliebenen, aber zumutbaren Aussagen der
Familie der Kläger nicht in Betracht. Soweit der Kläger zu 1) geltend macht, die
erlittene Verletzung sei in der Türkei nicht ordnungsgemäß versorgt worden, mag
dies zutreffen; hierfür könnte möglicherweise sprechen, daß - wie der Kläger zu 1)
bei seiner Vernehmung am 25. November 1988 dargetan hat - das Projektil
offenbar erst im Juni 1986 in der Bundesrepublik Deutschland herausoperiert
worden ist. Indessen verwundert, daß der Kläger zu 1) sich in der Türkei nicht an
ein weiteres Krankenhaus gewandt hat. Jedenfalls ergibt sich aus alledem kein
asylrechtlicher Vorfluchttatbestand. Angesichts insoweit widersprüchlicher
Angaben des Klägers zu 1) im Verlaufe seiner Vernehmung und im Vergleich zu
seinen Ausführungen bei der Vorprüfungsanhörung ist schon in tatsächlicher
Hinsicht zweifelhaft, ob, wann und durch wen ihm eine Operation zunächst
angekündigt und dann doch abgesagt worden ist. Unabhängig hiervon fehlen
objektive Anhaltspunkte dafür, daß die betreffende Entscheidung im Krankenhaus
nicht auf medizinischen Erwägungen beruhte, sondern - wie der Kläger zu 1)
mutmaßt - auf eine Einflußnahme desjenigen zurückzuführen war, der ihm zuvor
125
126
127
mutmaßt - auf eine Einflußnahme desjenigen zurückzuführen war, der ihm zuvor
die Schußverletzung beigebracht hatte. Der Kläger zu 1) hat insoweit lediglich
schriftsätzlich vortragen lassen, er habe den betreffenden Täter im Krankenhaus
im Gespräch mit einem verantwortlichen Pfleger gesehen (Bl. 37 d. A.), ist
hingegen hierauf im übrigen Verlauf des Verfahrens - insbesondere bei seiner
Vernehmung am 25. November 1988 - nicht substantiiert zurückgekommen. Im
übrigen wäre fraglich, ob von einem religiös motivierten Eingriff ausgegangen
werden könnte, wenn die betreffende Motivation lediglich bei dem - ein
Bestechungsgeld zahlenden - Hintermann feststellbar ist, nicht aber bei dem
vorwiegend aus wirtschaftlichen Gründen handelnden Krankenhauspersonal.
Näherer Ausführungen hierzu bedarf es jedoch schon deshalb nicht, weil der Kläger
zu 1) nicht dargetan hat, daß er nach seiner Krankenhausentlassung wegen der
ihm dort widerfahrenen Umstände in irgendeiner Weise um staatlichen Schutz
nachgesucht hat, und deshalb fehlt es (auch) insoweit jedenfalls an der
asylrechtlichen Zurechenbarkeit.
Die darüber hinaus von den Klägern geschilderten Beeinträchtigungen in Arbay
stellten ebenfalls keine politische Verfolgung dar. Soweit die Klägerin zu 2) beim
Wasserholen beschimpft, ihr Krug zerstört und sie mit Steinen beworfen worden
ist, lassen die Angaben der Kläger zu 1) und 2) schon nicht erkennen, daß die
Schwelle zur asylerheblichen Intensität hierdurch erreicht worden ist. Im übrigen ist
nichts dargetan, das ermöglichen würde, die Übergriffe dem türkischen Staat
zuzurechnen. Gleiches gilt für die vom Kläger zu 3) den Angaben der Kläger
zufolge beim Schulbesuch erlittenen Drangsalierungen. Hinsichtlich der im
Asylantrag geschilderten allgemeinen Beeinträchtigungen ist außerdem nicht
erkennbar, daß und inwiefern gerade die Kläger hiervon betroffen waren.
Schließlich hat der Kläger zu 1) seine bei der Vorprüfungsanhörung gegebene
Darstellung, Ende 1979 sei das Haus der Familie von zehn Personen aus der
Sippschaft der Entführer seiner Schwester überfallen und sie, die Familie,
gezwungen worden, Haus und Dorf zu verlassen, bei der Vernehmung am 25.
November 1988 auf Befragen unter Vorhalt seiner früheren Angaben ausdrücklich
nicht aufrechterhalten (Bl. 205 d. A.), und auch die Klägerin zu 2) hat von einem
solchen Überfall nichts erwähnt (vgl. Bl. 209 d. A.), so daß eine Vertreibung der
Kläger nicht festgestellt werden kann; sie waren vielmehr - den Angaben der Kläger
zu 1) und 2) sowie der Mutter des Klägers zu 1) zufolge - durchaus noch in der
Lage, Vieh und Hausrat vor der Ausreise zu verkaufen (vgl. Bl. 206 u. 209 d. A.
sowie Bl. 46 der Bundesamtsakte 163/75051/80 u. Bl. 21 der Bundesamtsakte Tür-
S-64772). Es bestehen ferner keine Anhaltspunkte dafür, daß die moslemischen
Einwohner aus Arbay und den umliegenden Dörfern sich die zwangsweise
Bekehrung der christlichen Einwohner von Arbay zum Ziel gesetzt hatten. Eine
Erklärung dafür, daß alle christlichen Familien den Ort zwischenzeitlich verlassen
haben, kann ebensogut darin gefunden werden, daß es früher zu Übergriffen
gekommen ist und es sich dabei um gewöhnliche Straftaten handelte, bei denen
es die Täter in der Hauptsache auf den Besitz der Christen, insbesondere auf
deren Viehherden und Erntegut sowie unter Umständen auch auf deren Felder und
Weinberge abgesehen hatten. Die Vorfälle, die die christlichen Bewohner von
Arbay zur allmählichen Abwanderung bewogen haben - wie etwa der Tod des
Sohnes eines Muslimen, der für den Mörder eines Christen in Kerburan gehalten
wurde (vgl. dazu die Bekundungen der Kläger zu 1) und 2) bei ihrer Vernehmung,
Bl. 203 f. u. 209, sowie oben S. 34), oder die Ermordung eines Verwandten der
Klägerin zu 2) in Arbay Mitte der 70er Jahre -, stehen demnach zwar in Beziehung
zu ihrer Religionszugehörigkeit und zu ihrer Eigenschaft als Bewohner eines
christlichen Dorfes in einer weitgehend muslimischen Umgebung. Sie erlauben
damit aber noch nicht - weder für sich genommen noch im Zusammenhang
gesehen - den Schluß, daß die Kläger zu 1) bis 6) zu den Christen gehörten, in
deren Person sich der oben beschriebene Zustand einer latenten allgemeinen
Gefährdung und Verdrängung der Christen aus der Osttürkei zu einer individuellen
Verfolgung oder unmittelbaren Verfolgungsgefahr verdichtet hatte.
Daß es während der - verhältnismäßig kurzen - Zeit ihres Aufenthalts in Midyat
oder Istanbul zu asylerheblichen Verfolgungen gekommen sei, tragen die Kläger zu
1) bis 6) selbst nicht vor.
4. Waren demnach die Kläger zu 1) bis 6) vor ihrer Ausreise aus der Türkei nicht
politisch verfolgt und legt man demzufolge den "normalen"
Wahrscheinlichkeitsmaßstab an (vgl. BVerwG, 31.03.1981 - 9 C 286.80 -, EZAR 200
Nr. 3 = DVBl. 1981, 1096; BVerwG, 25.09.1984 - 9 C 17.84 -, BVerwGE 70, 169 =
EZAR 200 Nr. 12; BVerwG, 03.12.1985 - 9 C 22.85 -, EZAR 202 Nr. 6 = NVwZ
1986, 760), so kann auch nicht festgestellt werden, daß den Klägern bei einer
128
129
1986, 760), so kann auch nicht festgestellt werden, daß den Klägern bei einer
Rückkehr bzw. - soweit die Klägerin zu 7) betroffen ist - schlichten Ausreise in die
Türkei im jetzigen Zeitpunkt als Angehörigen einer kollektiv verfolgten Gruppe
politische Verfolgungsmaßnahmen drohen.
Für die Frage, ob die Kläger bei einer Rückkehr bzw. Ausreise in die Türkei mit
beachtlicher Wahrscheinlichkeit politisch motivierte Verfolgungsmaßnahmen zu
erwarten haben, ist zu unterstellen, daß sie jeweils allein dorthin zurückkehren.
Insoweit kann nur fiktiv auf eine Rückkehr und außerdem auf die tatsächlichen
Umstände im Zeitpunkt der Prognose und in einer absehbaren Zeit danach
abgestellt werden und nicht darauf, ob die Kläger aus asylverfahrensunabhängigen
Gründen zum weiteren Verbleib im Bundesgebiet berechtigt sind und ob etwa
einer ihrer Verwandten dazu bereit oder familienrechtlich verpflichtet wäre, ihnen
bei einer Rückkehr in die Heimat zu folgen. Ebensowenig wie ihnen ein
Rechtsschutzbedürfnis an der Weiterverfolgung ihrer Asylverpflichtungsklage mit
dem Hinweis auf die Asylanerkennung von Verwandten abgesprochen werden kann
(vgl. BVerwG, 13.01.1987 - 9 C 50.86 -, EZAR 204 Nr. 3; Hess. VGH, st. Rspr., vgl.
etwa 13.11.1986 - 10 OE 108/83 - m.w.N.), kann umgekehrt bei der
Verfolgungsprognose auf die Schutz- und Aufnahmebereitschaft von Verwandten
abgestellt werden, die sich im Entscheidungszeitpunkt außerhalb des
gemeinsamen Heimatlands aufhalten und nicht bereit sind, dorthin
zurückzukehren.
Die Gefahr einer Gruppenverfolgung Syrisch-Orthodoxer in der Türkei vermag der
Senat auch für die Zukunft nicht festzustellen. Wie schon oben (unter II. 2. b)
ausgeführt, hatten die syrisch-orthodoxen Christen bis zur Ausreise der Kläger zu
1) bis 6) aus der Türkei allgemein in der Türkei und insbesondere auch in Istanbul
eine derartige politische Verfolgung nicht zu befürchten. Inzwischen hat sich die
Sicherheitslage nach der Machtübernahme durch die Militärs im September 1980
allgemein erheblich verbessert, und dies hat sich nach allgemeiner Einschätzung
auch zugunsten der syrisch-orthodoxen Christen in Istanbul wie in anderen
Landesteilen ausgewirkt (vgl. dazu etwa: 18., S. 34; 21.; 26.; 29.; 30.; 38.; 40.; 42.).
Das Auswärtige Amt hat dazu nach eingehenden Gesprächen mit syrisch-
orthodoxen Geistlichen unter Bezugnahme auf einen deutschsprachigen Bericht in
dem Organ der Erzdiözese der syrisch-orthodoxen Kirche von Antiochien in Europa
vom Dezember 1982/Januar 1983 einen zunehmenden staatlichen Schutz für die
syrisch-orthodoxen Christen nach der Machtübernahme durch die Militärs
festgestellt (38.). Die Evangelische Gemeinde deutscher Sprache in der Türkei
berichtet davon, daß von der Geistlichkeit und von einzelnen Gemeindemitgliedern
immer wieder festgestellt werde, daß sich die Verhältnisse nach dem 12.
September 1980 gebessert hätten (26.). Die Sürjanni Kadim berichtet, ihre
Mitglieder befänden sich wie jeder anderer türkische Bürger nach dem 12.
September 1980 "in Ruhe und in Sicherheit" (29.). Nach Auskunft der
Sachverständigen Dr. Harb-Anschütz hat sich nach dem 12. September 1980
auch in Istanbul die Lage der syrisch-orthodoxen Christen wesentlich verbessert
(30.). Zu demselben Ergebnis gelangten die Teilnehmer einer von der
Evangelischen Akademie Bad Boll im Mai 1983 veranstalteten Studienfahrt in die
Türkei (34., S. 7, 18). Soweit - wie vom Verwaltungsgericht in dem angefochtenen
Urteil - eine Verbesserung der Sicherheitslage mit den entsprechenden
Auswirkungen auf die Situation der Syrisch-Orthodoxen in Istanbul bezweifelt wird
(37., S. 17 ff.), fehlt es an konkreten Hinweisen darauf, daß sich tatsächlich
entgegen der allgemeinen Lebenserfahrung die in der Türkei in den letzten Jahren
zu beobachtende Verbesserung der Sicherheitslage nicht auch zugunsten der
christlichen Bevölkerung ausgewirkt haben könnte (so auch: Bay. VGH, 29.11.1985
- 11 B 85 C 35 -; VGH Baden-Württemberg, 20.06.1985 - A 13 S 221/84 -, bestätigt
durch BVerwG, 16.10.1986 - 9 C 320.85 -; VGH Baden-Württemberg, 09.02.1987 -
A 13 S 709/86 -; OVG Bremen, 14.04.1987 - 2 BA 28/85 u. 32/85 -; OVG Hamburg,
10.06.1987 - Bf V 21/86 -; OVG Nordrhein-Westfalen, 19.02.1987 - 18 A 10315/86 -
; Hess. VGH, 30.08.1984 - X OE 306/82 -, 22.02. 1988 - 12 UE 1071/84, 1587/84 u.
2585/85 -, 16.05.1988 - 12 UE 2571/88 -, 30.05.1988 - 12 UE 2500/85 u. 2514/85 -,
13.06.1988 - 12 OE 94/83 -, 27.06.1988 - 12 UE 2438/85 -, 04.07.1988 -12 UE
2573/85 u. 12 UE 25/86 -, 17.10.1988 - 12 UE 2601/84, 12 UE 767/85, 12 UE
2497/85 u. 12 UE 2813/86 - sowie 05.12.1988 - 12 UE 2487/85 u. 12 UE 2569/85 -;
a.A. OVG Rheinland-Pfalz, 10.12.1986 - 11 A 131/86 -, aufgehoben durch BVerwG,
06.10.1987 - 9 C 13.87 -, EZAR 203 Nr. 4 = InfAuslR 1988, 57). Die demgegenüber
in dem angegriffenen Urteil geäußerten Zweifel an der Dauerhaftigkeit der nach
dem Militärputsch erreichten Stabilisierung der Sicherheitslage haben sich nicht
bewahrheitet. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, auf dessen Urteil
vom 23. April 1983 - 18 A 10237/84 - sich das Verwaltungsgericht insoweit beruft,
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vom 23. April 1983 - 18 A 10237/84 - sich das Verwaltungsgericht insoweit beruft,
ohne die zugrundeliegenden Prognosetatsachen zu nennen, hält an seiner damals
geäußerten Auffassung ersichtlich nicht mehr fest (vgl. 19.02.1987 - 18 A
10315/86 -).
5. Ferner kann für den Kläger zu 1) - mangels einer Änderung der hierfür in
Betracht zu ziehenden Prognosetatsachen nicht zur Überzeugung des Senats
festgestellt werden, daß gerade ihm bei einer Rückkehr in seine Heimat im
derzeitigen Zeitpunkt politisch motivierte (Einzel-)Verfolgung droht.
Ob ein Asylbewerber in seinen Heimatstaat zurückkehren kann, ohne dort mit
beachtlicher Wahrscheinlichkeit asylrechtlich relevanten Verfolgungsmaßnahmen
ausgesetzt zu sein, ist für das gesamte Territorium des Heimatstaats zu
beantworten; eine Beschränkung auf etwa den Geburtsort oder den letzten
Aufenthaltsort ist weder geboten noch statthaft. Droht einem Asylbewerber
nämlich eine Verfolgung in Teilen seines Heimatlandes erstmals oder wiederholt,
dann kann er darauf verwiesen werden, dort Aufenthalt zu nehmen, wo er
innerhalb seines Heimatstaats ohne Furcht vor politischer Verfolgung leben kann
(sog. interne Fluchtalternative; vgl. BVerfG, 02.07.1980 - 1 BvR 147/80 u.a. -,
BVerfGE 54, 341 <359 ff.> = EZAR 200 Nr. 1, sowie BVerwG, 02.08.1983 - 9 C
599.81 -, BVerwGE 67, 314 = EZAR 203 Nr. 1, 15.02.1984 - 9 CB 191.83 -, EZAR
203 Nr. 2 = DVBl. 1984, 570, 02.07.1985 - 9 C 58.84 -, EZAR 203 Nr. 3 = NVwZ
1986, 485, 06.10.1987 - 9 C 13.87 -, EZAR 203 Nr. 4 = InfAuslR 1988, 57,
09.02.1988 - 9 C 55.87 - u. 16.06.1988 - 9 C 1.88 -).
Es kann hier dahinstehen, ob der Kläger zu 1) gefahrlos nach Arbay zurückkehren
kann, wo er bis mindestens 1979 gelebt hat, nach Midyat, wo der frühere
Dorfpfarrer aus Arbay und die Schwiegereltern des Bruders C. des Klägers zu 1)
noch heute wohnen oder etwa nach Adana, wo sich der Vater R. und die Schwester
H. des Klägers zu 1) ihren Angaben zufolge (vgl. Bl. 107 f. der Gerichtsakte VG
Wiesbaden I E 5240/86) vor ihrer Ausreise mehrere Jahre lang aufgehalten haben.
Der Kläger zu 1) kann nämlich jedenfalls in Istanbul ohne Furcht vor politischer
Verfolgung leben. Denn wie oben (unter II. 4.) dargelegt, hat sich die Verbesserung
der Sicherheitslage nach der Machtübernahme durch die Militärs im September
1980 auch zugunsten der syrisch-orthodoxen Christen in Istanbul in der Weise
ausgewirkt, daß nicht angenommen werden kann, dort seien Männer im Alter des
Klägers von religiös motivierten Übergriffen muslimischer Türken betroffen und
diesen Verfolgungsmaßnahmen schutzlos ausgesetzt.
Hierzu ergibt sich gemäß der telefonischen Mitteilung der Klägerbevollmächtigten
vom 6. Februar 1989 auch aus den im Schriftsatz vom 3. Februar 1989 genannten
Erkenntnisquellen nichts substantiell Neues, so daß deren Beiziehung unterbleiben
kann. Allerdings hat der Kläger zu 1) bisher nicht in Istanbul gelebt, sondern sich
dort nur auf der Durchreise Mitte 1980 offenbar ca. einen Monat lang aufgehalten;
auch ist der Onkel der Klägerin zu 2), bei dem die Familie damals gewohnt hat,
zwischenzeitlich nach Schweden ausgereist; schließlich hat der Kläger zu 1) keine
Berufsausbildung, ist Analphabet und verfügt - wie sich bei der Vernehmung am
25. November 1988 gezeigt hat - praktisch über keine türkischen
Sprachkenntnisse. Dennoch vermag der Senat keine beachtliche
Wahrscheinlichkeit dafür zu erkennen, daß es dem nicht vorverfolgten Kläger zu 1)
nicht wie anderen Rückkehrern oder Zuwanderern aus dem Tur'Abdin gelingen
sollte, sich vor möglichen Übergriffen Andersgläubiger in Istanbul hinreichend zu
schützen und insbesondere auch eine Beschäftigung zu finden, die es ihm
ermöglicht, jedenfalls seinen eigenen Unterhaltsbedarf zu befriedigen, so daß für
ihn nicht nur ein Leben "am Rande des Verderbens" (vgl. dazu BVerwG, 06.10.
1987 - 9 C 13.87 -, EZAR 203 Nr. 4 = InfAuslR 1988, 57, u. Hess. VGH, 16.05.1988
- 12 UE 2571/85 -) gewährleistet ist. Diese Prognose beruht zunächst darauf, daß
es aus jüngerer Zeit offenbar keine Bezugsfälle gibt, in denen männliche Christen
in Istanbul ernsthaft an der Ausübung ihrer Religion gehindert worden sind oder
aber eine ausreichende materielle Lebensgrundlage nicht erlangen konnten.
Außerdem hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof eine gegenteilige Prognose
bislang - soweit es um erwachsene männliche Asylbewerber geht - nur in dem
besonders gelagerten Einzelfall eines 19jährigen vorverfolgten Mannes - also bei
Anlegung des herabgeminderten Wahrscheinlichkeitsmaßstabs - getroffen
(13.05.1982 - X OE 847/81 -); die vorliegende Sache ist indessen anders gelagert.
Zum einen ist der Kläger zu 1) nicht vorverfolgt, so daß - wie dargelegt - der
"normale" Wahrscheinlichkeitsmaßstab zugrundezulegen ist; auch handelt es sich
bei ihm nicht um einen gerade volljährig gewordenen, sondern um einen Mann
mittleren Alters mit entsprechender Lebenserfahrung. Des weiteren ist ihm die
134
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mittleren Alters mit entsprechender Lebenserfahrung. Des weiteren ist ihm die
Stadt Istanbul nicht völlig fremd; immerhin hat er sich eine - wenn auch
verhältnismäßig kurze - Zeitlang dort aufgehalten und währenddessen Kontakte
mit Dritten zum Zwecke der Unterstützung bei der Vorbereitung der damaligen
Ausreise geknüpft. Außerdem lebte nach den Angaben des Vaters R. A. des
Klägers zu 1) bei dessen Vorprüfungsanhörung am 4. Juni 1984 jedenfalls im
Februar 1984 noch ein Neffe des Vaters in Istanbul, so daß der Kläger zu 1)
möglicherweise doch noch einen - wenn auch entfernten - verwandtschaftlichen
Anknüpfungspunkt vorfinden könnte. Selbst wenn der Neffe zwischenzeitlich
ebenfalls ausgereist sein sollte, bleibt für den Kläger zu 1) jedenfalls die
Möglichkeit, sich nähere Informationen über Istanbul und dortige Anlaufstellen für
ihn als syrisch-orthodoxen Christen bei diesem Neffen oder bei dem Mitte 1980
noch dort wohnhaften Onkel der Klägerin zu 2) zu beschaffen. Schließlich geht der
Senat davon aus, daß der Kläger zu 1) - auch wenn er Analphabet ist - durchaus
imstande ist - wie andere Zuwanderer - die türkische Sprache nach einer gewissen
Zeit im erforderlichen Umfang zu beherrschen; denn immerhin hat er, der
ursprünglich kein Aramäisch sprach, eigenen Angaben bei der Vernehmung am
25. November 1988 zufolge während seines hiesigen Aufenthalts gelernt, sich
auch in der aramäischen Sprache zu verständigen. Der Senat verkennt nicht, daß
es für den Kläger zu 1) gleichwohl nicht einfach werden wird, für seinen Unterhalt in
Istanbul zu sorgen. Er ist jedoch - auch unter Berücksichtigung der Folgen der
seinerzeitigen Schußverletzung - offensichtlich arbeitsfähig und auch arbeitswillig.
Zwar hat er bei seiner Vernehmung am 25. November 1988 bekundet, bei
längerem Stehen noch Beschwerden und bei längerem Sitzen ein "Kribbeln" im
Kniebereich zu verspüren und sich auch nur ganz kurzzeitig hinknien zu können.
Abgesehen davon, daß diese eher subjektiven Empfindungen nicht ärztlich belegt
sind, bei der zur Erlangung der Aufenthaltserlaubnis durchgeführten Untersuchung
am 20. Oktober 1980 vielmehr ärztlicherseits keine Bedenken gegen die Erteilung
einer Aufenthaltserlaubnis bestanden (vgl. Bl. 33 d. ersten Bandes der über den
Kläger zu 1) geführten Ausländerbehördenakten), hindern die genannten
Beschwerden den Kläger zu 1) ersichtlich nicht, seit Juni 1985 einer Tätigkeit als
Metallarbeiter in einem Metall- und Oberflächenveredlungsbetrieb nachzugehen,
wie sich aus seinen Angaben zur Person bei der Vernehmung am 25. November
1988 und insbesondere aus den in den über ihn geführten
Ausländerbehördenakten befindlichen Arbeitserlaubnissen (Band 1, Bl. 95, sowie
Band 2, Bl. 122 u. 125) ergibt. Unter diesen Umständen ist nicht beachtlich
wahrscheinlich, daß der Kläger zu 1) etwa aus gesundheitlichen Gründen damit
rechnen müßte, in Istanbul keine - von der körperlichen Belastung her ähnlich
geartete -Tätigkeit zu finden.
Dem Kläger zu 1) droht im Rückkehrfalle auch nicht deshalb mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung, weil - seinem anwaltlichen Vorbringen im
Klageverfahren zufolge - missionierende Christen damit rechnen müßten, daß
ihnen Aufforderung zur Änderung der Verfassung vorgeworfen und sie hierfür
wegen ihrer religiösen Gesinnung nach Art. 146 Abs. 2 TStGB bestraft würden.
Zwar ist nach den Staatsschutzvorschriften der Art. 140 ff TStGB drohende
Strafverfolgung regelmäßig politisch motiviert (ständige Rechtsprechung, zuletzt
Hess. VGH, 02.05.1988 - 12 OE 503/82 -, InfAuslR 1988, 267, u. 13.11.1986 - X OE
416/82 -). Es liegen aber - wie die Beklagte zu 1) zutreffend angeführt hat -
keinerlei Erkenntnisse vor, daß die türkischen Gerichte die Missionstätigkeit
syrisch-orthodoxer Christen nach den genannten Bestimmungen ahnden;
abgesehen davon ist nichts dafür dargetan, daß der Kläger zu 1) nach seiner
Rückkehr missionarisch tätig würde, zumal er sich vor seiner Ausreise offenbar
nicht in dieser Hinsicht engagiert hat.
Der Kläger zu 1) muß schließlich auch dann nicht mit asylerheblicher Verfolgung
rechnen, wenn er - der gerade 39 Jahre alt geworden ist und deshalb der
türkischen Wehrpflicht grundsätzlich noch unterliegt, aber bisher keinen
Militärdienst geleistet hat - nach seiner Rückkehr hierzu herangezogen werden
sollte. Es sind nämlich, wie bereits oben (unter II. 2. b aa) ausgeführt worden ist,
zwar gelegentliche Übergriffe auf christliche Wehrpflichtige in der türkischen Armee
festgestellt worden. Es liegen jedoch keine ausreichenden Erkenntnisse für die
Schlußfolgerung vor, daß evtl. Übergriffe von vorgesetzten Stellen oder vom
türkischen Staat geduldet würden, und außerdem ist die Wahrscheinlichkeit,
hiervon betroffen zu werden, für den Kläger zu 1) nicht als so groß anzusehen, daß
Asylrelevanz angenommen werden kann (vgl. Hess. VGH, 30.08.1984 - X OE
306/82 -, 22.02.1988 - 12 UE 1071/84 -, 13.06.1988 - 12 OE 94/83 -, 17.10.1988 -
12 UE 2601/84 , 12 UE 767/85, 12 UE 2497/85 u.12 UE 2813/86 -).
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6. Demgegenüber droht der Klägerin zu 2) nach Überzeugung des Senats mit
beachtlicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante (Einzel-)Verfolgung, wenn sie - und
zwar allein (vgl. oben unter II. 4.) - entweder in Arbay, in Midyat oder in Istanbul zu
leben versuchte. Für die Klägerin zu 2) wird in erster Linie eine Rückkehrmöglichkeit
nach Arbay zu prüfen sein, wo sie geboren ist und den größten Teil ihres Lebens
verbracht hat, während sie sich in Midyat und Istanbul nur auf der Durchreise für
maximal 4 Wochen bzw. für ca. einen Monat aufgehalten hat. In allen diesen Orten
hat die Klägerin zu 2) jedoch mit asylrelevanten Übergriffen muslimischer Türken
zu rechnen, gegen die sie staatlichen Schutz nicht wirksam wird in Anspruch
nehmen können, und ein anderer Ort, an dem sie innerhalb ihres Heimatstaats
ohne Furcht vor politischer Verfolgung leben könnte und der deshalb als sog.
interne Fluchtalternative (vgl. oben unter II. 5.) in Betracht käme, ist nicht
ersichtlich.
In ihrem Heimatdorf Arbay kann sich die Klägerin zu 2) im Rückkehrfalle nicht
niederlassen, weil dort den Feststellungen des Senats zufolge (vgl. oben unter II.
3.) heute keine Christen mehr leben. Ferner wurde der Besitz der Familien der
Klägerin zu 2) und ihres Ehemannes offenbar spätestens anläßlich der
gemeinsamen Ausreise aufgegeben, soweit er nicht zuvor verkauft bzw. von den
im Dorf ansässigen Muslimen eigenmächtig übernommen worden war (vgl. hierzu
etwa Bl. 20 der Bundesamtsakte 163/05546/84). Es erscheint deshalb für die
Klägerin zu 2) von vornherein als aussichtslos, in Arbay etwa den früheren
Familienbesitz wieder in Anspruch nehmen und von den dortigen Erträgnissen
leben zu wollen. Daran ändert der Umstand nichts, daß die seinerzeit entführte
Schwester C. des Klägers zu 1) noch in Arbay lebt und den Angaben des Vaters
des Klägers zu 1) zufolge (vgl. Bl. 107 der Gerichtsakte VG Wiesbaden I E 5240/86)
zwischenzeitlich drei Kinder haben soll; denn es ist gänzlich unwahrscheinlich, daß
der muslimische Ehemann ihrer Schwägerin der Klägerin zu 2) den erforderlichen
Schutz zukommen lassen würde.
Dagegen leben sowohl in Istanbul als auch in Midyat trotz der seit der Ausreise der
Klägerin zu 2) aus der Türkei fortgeschrittenen Abwanderung weiterhin syrisch-
orthodoxe Christen in größerer Anzahl. Wie bereits oben (unter II. 4.) ausgeführt,
hat sich die Sicherheitslage nach der Machtübernahme durch die Militärs im
September 1980 landesweit und damit auch zugunsten der syrisch-orthodoxen
Christen in Istanbul erheblich verbessert. Der Senat teilt insoweit nicht die
Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (10.10.1986 - 11 A
131/86 -, aufgehoben durch BVerwG, 06.10.1987 - 9 C 13.87 -, EZAR 203 Nr. 4 =
InfAuslR 1988, 57), daß Asylbewerbern, die in der Osttürkei von einer
Gruppenverfolgung betroffen worden seien und sich nicht länger in Istanbul
aufgehalten hätten, dort allgemein keine zumutbare Fluchtalternative zur
Verfügung stehe, weil auch dort gewaltsame Übergriffe gegenüber Christen nicht
ausgeschlossen werden könnten (vgl. dazu Hess. VGH, 30.05.1988 - 12 UE
2514/88 -). Für den erkennenden Senat steht jedoch nach Auswertung der ihm
vorliegenden Berichte und Gutachten (insbesondere 4.; 5., S. 23 ff., 43 ff.; 14. bis
16.; 40.; 50., S. 5 f.) über die Lage der syrisch-orthodoxen Christen in Istanbul fest,
daß diejenigen, die in diese Stadt zuziehen, ohne dort auf die Unterstützung von
Verwandten und Bekannten rechnen zu können, schon allgemein auf erhebliche
Schwierigkeiten bei der Sicherung ihrer wirtschaftlichen und religiösen Existenz
stoßen. Dabei wird es nach Überzeugung des Senats jüngeren alleinstehenden
Frauen noch weitaus schwerer als etwa einem jüngeren Mann fallen, einen
Arbeitsplatz und eine Wohnung zu finden. Die Bemühungen der christlichen
Kirchengemeinden, neu zuziehende Christen aufzunehmen und mit dem
Notwendigsten zu versorgen, sind begrenzt und im übrigen in den letzten Jahren
durch die große Zahl der christlichen Zuwanderer sehr stark in Anspruch
genommen worden.
Wenn ein aus dem Ausland zurückkehrender syrisch-orthodoxer Christ danach
weder in seinem Heimatdorf noch in Istanbul eine ausreichende materielle
Lebensgrundlage zu erreichen vermag, wächst selbstverständlich die Gefahr,
Übergriffen Andersgläubiger hilflos ausgesetzt und damit auch in der religiösen
Existenz bedroht zu sein. Gegen Nachstellungen Andersgläubiger und gegen
gewaltsame Übergriffe sowie gegen Entführungen und damit verbundene
Zwangsbekehrungen kann sich angesichts des nach wie vor nicht ausreichenden
staatlichen Sicherheitssystems wirksam nur schützen, wer in materiell gesicherten
Verhältnissen lebt und über gesellschaftliche Verbindungen zu Gleichgesinnten
verfügt. Nach alledem hängt die Möglichkeit eines verfolgungsfreien Lebens
entscheidend vom sozialen Status und den persönlichen Voraussetzungen,
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entscheidend vom sozialen Status und den persönlichen Voraussetzungen,
insbesondere der Arbeitsfähigkeit und den Sprachkenntnissen des aus dem
Ausland zurückkehrenden syrisch-orthodoxen Christen ab. Alleinstehenden
christlichen Frauen, die danach zu einer Sicherung ihrer wirtschaftlichen
Lebensgrundlage nicht imstande sind, droht mit einer Wahrscheinlichkeit, die nach
Überzeugung des Senats der Gewißheit gleichkommt, Entführung durch
muslimische Männer und damit notwendigerweise der zwangsweise Übertritt zum
Islam (vgl. Hess. VGH, 23.08.1984 - X OE 609/82 -, 30.05.1988 - 12 UE 2500/85 -,
27.06.1988 - 12 UE 2438/85 -, 04.07.1988 - 12 UE 2573/85 -, 17.10.1988 - 12 UE
2601/84 u. 12 UE 767/85 - sowie 05.12.1988 - 12 UE 2487/85 u. 12 UE 2569/85 -).
Bei dieser Prognose läßt sich der Senat nicht etwa von rein quantitativen oder
statistischen Erwägungen leiten; die Prognose ist vielmehr das Ergebnis einer
zusammenfassenden Bewertung des relevanten Sachverhalts, wobei vor allem
auch der Schwere des drohenden Eingriffs erhebliche Bedeutung zuzumessen ist,
so daß im Ergebnis die für eine Verfolgung sprechenden Umstände größeres
Gewicht besitzen als die dagegen sprechenden (vgl. zum Prognosemaßstab
neuerdings insbesondere BVerwG, 23.02.1988 - 9 C 32.87 -, EZAR 630 Nr. 25). Die
zahlreichen Berichte über Entführungen junger Mädchen und Frauen (5., S. 33 ff.,
48 f.; 11., S. 4 f.; 7., S. 9) belegen bereits überzeugend die hohe
Wahrscheinlichkeit, mit der jede wirtschaftlich und sozial ungesicherte Christin -
auch in der Stadt Istanbul - dieser Gefahr ausgesetzt ist, ohne hiergegen
staatlichen Schutz erhalten zu können, so daß es der Beiziehung der von den
Klägerbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 3. Februar 1989 hierzu weiter
angeführten Erkenntnisquellen nicht mehr bedarf. Es liegt in der Eigenart einer
Entführung begründet, daß dabei auf die Religion des Opfers keine Rücksicht
genommen wird und mit der Aufnahme in den Haushalt des Entführers oder mit
der Heirat durch den Entführer der Wechsel der Religionszugehörigkeit verbunden
ist, wenn es sich bei dem Entführer um einen Muslimen und bei der entführten
Frau um eine Christin handelt. Der Annahme einer in der Freiheitsentziehung und
Zwangsbekehrung liegenden religiös motivierten Verfolgung steht nicht entgegen,
daß auch Frauen muslimischen Glaubens entführt werden.
Denn die Täter, die eine christliche Frau entführen, nutzen dabei bewußt die
Schutzlosigkeit einer Angehörigen einer religiösen Minderheit aus und betreiben
deren Übertritt zum Islam auch aus religiöser Überzeugung. Wenn der türkische
Staat den erforderlichen Schutz hiergegen nicht bereitzustellen vermag, wie die
dem Senat vorliegenden Unterlagen bestätigen (5., S. 33 ff., 48 f.; 11., S. 4 f.; 7.,
S. 9), dann ist dies als mittelbare staatliche Verfolgung ungeachtet dessen zu
werten, daß im Einzelfall eine politische, d.h. religiöse Motivation auf Seiten des
türkischen Staats nicht festzustellen ist; denn bei Übergriffen nichtstaatlicher
Personen oder Gruppen braucht zur Feststellung des Asylanspruchs eine politische
Verfolgungsmotivation lediglich des privaten Verfolgers, nicht aber auch des
letztlich verantwortlichen Staats festgestellt zu werden, wenn dieser zur
Verhinderung der Übergriffe grundsätzlich oder auf gewisse Dauer außerstande ist
(BVerwG, 14.03. 1984 - 9 B 412.83 -, Buchholz 402.25, Nr. 20 zu § 1 AsylVfG).
Angesichts dieser allgemein syrisch-orthodoxen Frauen drohenden Gefährdung ist
festzustellen, daß der Klägerin zu 2) unter Berücksichtigung ihrer persönlichen
Eigenschaften, Kenntnisse und Beziehungen ein verfolgungsfreies Leben in der
Türkei nicht möglich sein wird. Mit Ausnahme des früheren Dorfpfarrers aus Arbay,
Yusuf Dursun, und der Schwiegereltern ihres Schwagers C. A., die sich noch in
Midyat aufhalten, sowie eines möglicherweise noch in Istanbul lebenden Neffen
ihres Schwiegervaters verfügt die Klägerin zu 2) über keinen Anknüpfungspunkt
mehr in der Türkei, nachdem ihre Eltern und Geschwister allesamt ausgereist sind.
Yusuf Dursun bemüht sich indessen den Angaben der Kläger zu 1) und 2) zufolge
(Bl. 207 u. 210 d. A.) selbst um eine baldige Ausreise, und die übrigen genannten
Personen sind mit der Klägerin zu 2) nicht einmal verwandt, sondern nur entfernt
verschwägert. Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden,
daß jemand von ihnen sich der Klägerin zu 2) annehmen und für sie sorgen würde.
Es ist weder von der Beklagten zu 1) oder dem Bundesbeauftragten für
Asylangelegenheiten geltend gemacht noch aus den Angaben der Klägerin zu 2)
ersichtlich, daß sie sonst über konkrete Beziehungen zu in der Türkei lebenden
Christen verfügt, die ihr den Aufbau einer Existenz und damit ein verfolgungsfreies
Leben erleichtern oder zumindest dafür sorgen könnten, daß sie unbehelligt dort
leben könnte. Die Klägerin zu 2) verfügt zwar über eine fünfjährige Schulausbildung
und spricht infolgedessen etwas Türkisch. Sie hat indessen keinen Beruf erlernt,
sich nur etwa einen Monat während der Durchreise in Istanbul aufgehalten und
besitzt auch sonst ersichtlich keine Erfahrungen über die Lebensweise in einer
westtürkischen Großstadt. Sie ist daher aufgrund ihrer Persönlichkeit und ihres
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westtürkischen Großstadt. Sie ist daher aufgrund ihrer Persönlichkeit und ihres
Bildungsstandes nicht in der Lage, sich allein und ohne fremde Hilfe eine
Existenzgrundlage in der Türkei zu schaffen, und infolgedessen mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit der Gefahr einer Entführung durch muslimische Türken mit
anschließender Zwangsbekehrung ausgesetzt. Daß die Klägerin zu 2) mittlerweile
35 Jahre alt und überdies seit langem verheiratet ist, ändert an dieser
Einschätzung nichts. Denn angesichts der vom Islam erlaubten Polygynie sind
Muslime nicht nur an der Entführung junger Mädchen, sondern auch an Frauen
mittleren Alters interessiert, um diese alsdann etwa Haushalts- und sonstige
anfallende Arbeiten verrichten zu lassen (vgl. 22., S. 9).
Ob auch hinsichtlich der gut 12 1/2 Jahre bzw. 10 1/2 Jahre alten Klägerinnen zu 4)
und 5) bereits jetzt angenommen werden kann, daß ihnen mindestens in
absehbarer Zeit Entführung und Zwangsbekehrung drohen, kann der Senat
offenlassen, weil sie jedenfalls - wie sogleich (unter II. 7.) dazulegen sein wird - aus
anderen Gründen asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt sein werden.
7. Den Klägern zu 3) bis 7) droht bei einer Rückkehr bzw. - soweit die Klägerin zu 7)
betroffen ist - schlichten Ausreise in die Türkei nach Überzeugung des Senats
ebenfalls mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgung.
Auch bei den Klägern zu 3) bis 7) ist hinsichtlich der Verfolgungsprognose zu
unterstellen, daß sie jeweils allein in die Türkei zurückkehren. Auch für sie kommt
es nicht darauf an, ob ihre Eltern als Asylberechtigte anerkannt oder aber aus
anderen Gründen nicht dazu gezwungen sein werden, in ihre Heimat
zurückzukehren (vgl. oben unter II. 4.). Bisweilen ist zwar in der Rechtsprechung
angedeutet, es sei bei minderjährigen Asylbewerbern darauf abzustellen, daß sie
gewöhnlich zusammen mit ihren Eltern in den Heimatstaat zurückkehrten (vgl.
etwa OVG Nordrhein-Westfalen, 06.03.1987 - 18 B 20195/86 -); diese Auffassung
erscheint jedoch nicht gerechtfertigt. Es mag sein, daß asylrechtliche
Verfolgungsprognosen weitgehend fiktiv sind, wie das Oberverwaltungsgericht
Nordrhein-Westfalen in dem genannten Beschluß anmerkt; das gilt aber sowohl für
minderjährige Kinder von in der Bundesrepublik lebenden Ausländern als auch für
mit Deutschen verheiratete Asylbewerber, ohne daß in dem einen oder anderen
Fall allein mit Blick auf die aufenthaltsrechtliche Stellung des Asylbewerbers oder
seiner Familienangehörigen von einer asylrechtlichen Verfolgungsprognose
abgesehen werden dürfte.
Für die hier zu treffende Verfolgungsprognose ist das Alter der Kläger zu 3) bis 7)
insofern von Bedeutung, als die Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung für einen
absehbaren Zeitraum nach dem jetzigen Zeitpunkt beurteilt werden muß. Insofern
kann davon ausgegangen werden, daß jedenfalls die Klägerinnen zu 5) bis 7) auch
in der Türkei noch schulpflichtig sind. Dagegen könnten der knapp 15 Jahre alte
Kläger zu 3) und die gut 12 1/2 jährige Klägerin zu 4) nach türkischem Recht ihrer
Schulpflicht bereits genügt haben; andererseits steht für den Kläger zu 3) eine
Einberufung zum Wehrdienst möglicherweise in absehbarer Zeit bevor. Wie oben -
unter II. 2. b) aa) - im einzelnen ausgeführt, kann die Einführung des islamischen
Religionsunterrichts an türkischen Schulen nicht als asylrelevante Verfolgung
christlicher Schüler angesehen werden, und ist im übrigen auch die Behandlung im
Wehrdienst nicht so zu bewerten, daß daraus auf eine politische Verfolgung junger
Christen geschlossen werden könnte (vgl. dazu auch oben unter II. 5.). Da jedoch
im vorliegenden Fall davon auszugehen ist, daß die Kläger zu 3) bis 7) weder in
ihrem Heimatdorf noch sonstwo in der Türkei über aufnahmebereite Verwandte
verfügen (vgl. oben unter II. 6.), ist zu befürchten, daß ihnen wegen der ihnen mit
beachtlicher Wahrscheinlichkeit bevorstehenden Aufnahme in ein staatliches
türkisches Waisenhaus die zwangsweise Aufgabe ihres christlichen Bekenntnisses
droht (vgl. Hess. VGH, 23.08.1984 - X OE 609/82 -, 30.05.1988 - 12 UE 2514/85 -,
27.06.1988 - 12 UE 2438/85 - u. 04.07.1988 - 12 UE 25/86 -; OVG Nordrhein-
Westfalen, 23.04.1985 - 18 A 10237/84 -). Dies gilt auch für den knapp 15 Jahre
alten Kläger zu 3), es fehlt an Anhaltspunkten dafür, daß dieser sich - bei der zu
unterstellenden alleinigen und legalen Rückkehr - der Aufmerksamkeit der
türkischen Behörden und der anschließenden Einweisung in ein Waisenhaus
erfolgreich entziehen und stattdessen etwa in Istanbul "untertauchen" und seinen
Lebensunterhalt durch eigene Arbeit verdienen könnte.
Wenn keine aufnahmebereiten Eltern oder Verwandten für minderjährige Kinder in
der Türkei leben, werden diese - sofern die Voraussetzungen dafür vorliegen (vgl.
zu Bedenken insoweit 67.) - in staatliche Waisenhäuser aufgenommen. Der
Zustand dieser Waisenhäuser entspricht nach Auskunft des Auswärtigen Amts
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Zustand dieser Waisenhäuser entspricht nach Auskunft des Auswärtigen Amts
(36.) nicht unseren Vorstellungen; mit Sicherheit werden dort aufgenommene
Kinder danach in ihren Entfaltungschancen beeinträchtigt, und bei christlichen
Kindern ist davon auszugehen, daß sie in keinem Fall im christlichen Sinne erzogen
würden (ebenso 67.). Nach Auskunft der Evangelischen Gemeinde deutscher
Sprache in der Türkei (58.) wird sich die syrisch-orthodoxe Kirche um ein
alleinstehendes minderjähriges Kind kümmern und versuchen, es bei Verwandten
oder Freunden der Familie unterzubringen; sollte dies nicht möglich sein, würde es
in einem Kloster aufgenommen werden. Die in Istanbul vorhandenen
Waisenhäuser anderer christlicher Konfessionen sind allerdings danach nicht
befugt, syrisch-orthodoxe Kinder aufzunehmen. Öffentliche Waisenhäuser sind auf
laizistische Grundsätze verpflichtet; in einer Zeit des zunehmenden islamischen
Bewußtseins kann es aber nach dieser Auskunft "durchaus dazu kommen, daß der
Erzieher den Islam betont." Auch das Auswärtige Amt hat inzwischen bestätigt
(59.), daß öffentliche Waisenhäuser von der kemalistisch-laizistischen
Staatsideologie geprägt sind, daneben aber auch von den islamischen
Vorstellungen der Bevölkerungsmehrheit beeinflußt werden und Kontakte zur
syrisch-orthodoxen Kirche nicht unterbunden würden, eine pro-islamische
Beeinflussung aber wahrscheinlich sei; Repressalien, Schläge oder Ehrverletzungen
durch Aufsichtspersonen habe ein christliches Kind in einer öffentlichen
Sozialeinrichtung oder Schule wohl nicht zu befürchten, inwieweit solche
Handlungen von Altersgenossen verhindert oder wirksam geahndet würden, hänge
aber weitgehend von der Einstellung und Durchsetzungskraft der
Aufsichtspersonen ab. Schließlich hat Oehring in einem neueren Gutachten (62.)
im einzelnen dargelegt, daß die syrisch-orthodoxe Kirche in Istanbul sich bemühen
würde, für ein alleinstehendes, in der Türkei befindliches Kind Pflegeeltern zu
finden, daß aber für außerhalb der Türkei lebende Kinder allein die kirchlichen
Stellen in Hengelo (Niederlande) zuständig seien. Der Erfolg von Bemühungen, für
in die Türkei zurückkehrende minderjährige Syrisch-Orthodoxe Pflegeeltern zu
finden, sei zudem ungewiß. Die Neigung selbst der Großfamilie, der das Kind
angehöre, dieses Kind als Pflegekind aufzunehmen, werde nicht groß sein, weil
keine syrisch-orthodoxe Großfamilie noch mehr Schwierigkeiten mit der Obrigkeit
haben möchte, als dies ohnehin schon aufgrund ihres Glaubens der Fall sei; eine
Aufnahme in einer anderen Großfamilie bereite schon deswegen Schwierigkeiten,
weil der größte Teil der heute noch in der Türkei lebenden syrisch-orthodoxen
Christen den einkommensschwachen Bevölkerungsschichten zuzurechnen sei. In
einem staatlichen türkischen Waisenhaus sei hingegen eine Erziehung im
christlichen Sinne auf keinen Fall gewährleistet (ebenso 67.). Daran ändere auch
die Tatsache nichts, daß das Prinzip des Laizismus seit 1937 in der Türkischen
Verfassung verankert sei und das staatliche Erziehungswesen seither von der
kemalistischen Staatsideologie geprägt worden sei; die Durchsetzung der
kemalistischen Staatsideologie habe von allem Anfang an dort ihre Grenzen
gehabt, wo sie mit den islamischen Vorstellungen der Bevölkerungsmehrheit
kollidiert sei. Es sei ferner davon auszugehen, daß ein alleinstehendes
minderjähriges syrisch-orthodoxes Kind in einem staatlichen türkischen
Waisenhaus keine Möglichkeit hätte, an einer religiösen Unterweisung durch
Religionslehrer oder Geistliche der syrisch-orthodoxen Kirche oder an syrisch-
orthodoxen Gottesdiensten teilzunehmen. Der Sachverständige Oehring führt
weiter aus, einem minderjährigen Kind werde sehr bald klar sein, daß der Versuch
eines Kontakts zur syrisch-orthodoxen Kirchengemeinde seine allgemeinen
Lebensumstände im Waisenhaus verschlechtern würde, deshalb komme es nicht
darauf an, ob solche Kontakte von offizieller Seite unterbunden würden (vgl. hierzu
auch 67.). Schließlich kämen Ehrverletzungen christlicher Kinder durch
Aufsichtspersonen inzwischen in einer Vielzahl von Schulen häufig vor, und zwar
auch im Zusammenhang mit der Einführung des islamischen Religionsunterrichts
an Schulen; ein alleinstehendes minderjähriges Kind, das nicht auf die moralische
Unterstützung seiner Eltern bauen könne, würde bald dem Assimilationsdruck, der
in der Schule - und dort nicht nur im Religionsunterricht - und in dem Waisenhaus
latent vorhanden sei, erliegen und sich bald zum Islam bekennen.
In der damit verbundenen Gefährdung einer christlichen Erziehung syrisch-
orthodoxer Kinder in einem türkischen Waisenhaus ist nach Überzeugung des
Senats ein Eingriff in die Religionsfreiheit zu sehen. Da die Kläger zu 3) bis 7) aus
einer christlichen Großfamilie stammen, droht ihnen gegen den Willen ihrer Eltern
und ihren eigenen Willen eine Aufgabe ihres christlichen Glaubens und
Bekenntnisses und damit ein Eingriff in den Kernbereich der Religionsfreiheit, der
nach Intensität und Schwere die Menschwürde verletzt und deshalb asylrechtlich
relevant ist. Eingriffe in die Religionsfreiheit müssen, um zu einer Asylanerkennung
führen zu können, ein derartiges Gewicht haben, daß sie in den elementaren
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führen zu können, ein derartiges Gewicht haben, daß sie in den elementaren
Bereich der sittlichen Person eingreifen, in dem für ein menschenwürdiges Dasein
die Selbstbestimmung möglich bleiben muß, sollen nicht die physischen
Grundlagen menschlicher Existenz zerstört werden (BVerfG, 01.07.1987 - BvR
478/86 u.a. -, BVerfGE 76, 143 = EZAR 200 Nr. 20; BVerwG, 18.02.1986 - 9 C
16.85 -, BVerwGE 74, 31 = EZAR 202 Nr. 7). Wie das Bundesverfassungsgericht
(a.a.O.) ausgeführt hat, gehören die Religionsausübung im häuslich-privaten
Bereich, die Möglichkeit zum Reden über den eigenen Glauben und zum religiösen
Bekenntnis im nachbarschaftlich-kommunikativen Bereich, ferner das Gebet und
der Gottesdienst abseits der Öffentlichkeit in persönlicher Gemeinschaft mit
anderen Gläubigen unter dem Gesichtspunkt der Menschenwürde wie nach
internationalem Standard zu dem elementaren Bereich, den der Mensch als
"religiöses Existenzminimum" zu seinem Leben- und Bestehenkönnen als sittliche
Person benötigt. Es liegt auf der Hand, daß dieses religiöse Existenzminimum
angetastet ist, wenn die Kläger zu 3) bis 7) aufgrund einer Einweisung in ein
staatliches Waisenhaus in der Türkei überhaupt keine Möglichkeit mehr erhalten, in
ihrem christlichen Glauben erzogen zu werden und aufzuwachsen. Hierbei
verkennt der Senat nicht, daß die Intensität des Eingriffs je nach dem Alter der
betroffenen Minderjährigen unterschiedlich sein wird. So dürften ältere Kinder - wie
etwa der Kläger zu 3) - durch die ihnen in einem staatlichen Waisenhaus
auferlegten Einschränkungen insofern stärker betroffen werden, als sie diese
infolge ihrer längeren christlichen Erziehung subjektiv als einschneidender
empfingen; andererseits werden sie aufgrund ihrer meist ausgeprägteren
religiösen Überzeugung eher in der Lage sein, trotzdem innerlich an ihrem
Glauben festzuhalten. Demgegenüber werden jüngere Kinder zwar mehr
unbewußt, dafür aber auch ohne effektive Abwehrmöglichkeit den Verlust ihrer
christlichen Erziehung ertragen müssen. In das religiöse Existenzminimum wird zur
Überzeugung des Senats freilich in allen diesen Fällen eingegriffen. Das
hinzunehmen kann den Klägern zu 3) bis 7) auch nicht für die beschränkte - beim
Kläger zu 3) nur noch gut drei Jahre währende - Zeit bis zum Eintritt ihrer
Volljährigkeit abverlangt werden
III.
Die Entscheidungen über die Kosten des Verfahrens und die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 154 Abs. 1 und 2, 155 Abs. 1 Satz 1, 167 VwGO
i.V.m. 708 Nr. 11 und 711 Satz 1 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor;
insbesondere rechtfertigt es nicht die Zulassung der Revision, daß der Senat von
den Entscheidungen anderer Oberverwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtshöfe)
abweicht, soweit er eine kollektive Verfolgung der christlichen Minderheit im
Tur'Abdin für die Zeit vor 1980 verneint.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde innerhalb eines Monats
nach Zustellung dieser Entscheidung angefochten werden. Die Beschwerde ist
durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule
einzulegen. In der Beschwerdeschrift muß die grundsätzliche Bedeutung der
Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts
oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von der
die Entscheidung abweicht, oder ein Verfahrensmangel bezeichnet werden, auf
dem das Urteil beruhen kann (vgl. § 132 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -
und § 18 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der
obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Juni 1968 - BGBl. I S. 661).
Die Revision ist auch ohne Zulassung statthaft, wenn einer der in § 133 VwGO
genannten Verfahrensmängel gerügt wird. In diesem Fall ist die Revision innerhalb
eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung durch einen Rechtsanwalt oder
einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule schriftlich einzulegen und
spätestens innerhalb eines weiteren Monats zu begründen. Die Revision muß die
angefochtene Entscheidung bezeichnen. Die Revisionsbegründung oder die
Revision muß einen bestimmten Antrag enthalten, ferner die verletzte Rechtsnorm
und die Tatsachen bezeichnen, die den gerügten Verfahrensmangel ergeben.
Beschwerde und Revision sind einzulegen bei dem
Hessischen Verwaltungsgerichtshof
155
156
Brüder-Grimm-Platz 1
3500 Kassel
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.