Urteil des HessVGH vom 29.06.1999

VGH Kassel: durchgangsverkehr, vermietung, verpachtung, abgrenzung, quelle, zivilprozessrecht, immaterialgüterrecht, verwaltungsrecht, teilung, dokumentation

1
2
3
4
5
Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
5. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 TZ 1251/99
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 11 Abs 3 KAG HE, § 16
StrG HE
(Zur Abgrenzung von Anliegerverkehr und
Durchgangsverkehr; Fußgängerzone; Marktplatz)
Leitsatz
Leitsatz in HSGZ 2001, 453: Eine Fußgängerzone dient grundsätzlich überwiegend dem
Anliegerverkehr, sodass gemäß § 11 Abs. 3 KAG 75 % der umlagefähigen Kosten auf
die Anlieger abwälzbar sind.
Gründe
Der Antrag der Antragstellerin auf Zulassung der Beschwerde gegen den
Beschluss des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 22. März 1999 ist abzulehnen.
Die Voraussetzungen für eine Beschwerdezulassung wegen der geltend
gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung
(§ 146 Abs. 4 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO) liegen ebensowenig vor wie für die behauptete grund-sätzliche Bedeutung
(§ 146 Abs. 4 VwGO i.V.m. 5 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) oder die geltend gemachten
besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 146
Abs. 4 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit einer erstinstanzlichen Entscheidung sind nur
dann anzunehmen, wenn nach der im Zulassungsverfahren gebotenen
summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage der Erfolg des
Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als der Misserfolg. Dargelegt im Sinne von § 146
Abs. 5 VwGO ist ein auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützter Zulassungsantrag nur
dann, wenn sich die Antragsbegründung mit den entscheidungstragenden
Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzt und im Einzelnen plausibel
macht, aus welchen Gründen tatsächlicher oder rechtlicher Art diese Annahmen -
und zwar bezogen auf das Ergebnis der angegriffenen Entscheidung - ernsthaften
Zweifeln begegnet (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 9. März 1999 - 5 UZ 2966/98 -
).
Diesen Anforderungen genügt der Zulassungsantrag der Antragstellerin nicht,
denn damit konnte sie die Rechtmäßigkeit des Beschlusses des
Verwaltungsgerichts Darmstadt nicht ernsthaft in Zweifel ziehen.
Das Verwaltungsgericht hat mit dem im Eilverfahren gebotenen Prüfungsaufwand
zu Recht festgestellt, dass die strittige Ausbaumaßnahme der Antragsgegnerin
überwiegend dem Anliegerverkehr dient. Kennzeichnend für einen Anliegerverkehr
ist der Ziel- und Quellverkehr, der von den an die Verkehrsanlage angrenzenden
Grundstücken oder von der Anlage selbst verursacht wird. Bei einem zu einer
Fußgängerzone umgestalteten Marktplatz handelt es sich um eine dem
geschäftlichen Verkehr dienende Fläche, bei der die Fußgängerströme
überwiegend durch die an den Marktplatz angrenzenden gewerblich genutzten
Grundstücke und durch die Platznutzung selbst verursacht werden. Der dadurch
veranlasste Zielverkehr ist damit dem Anliegerverkehr zuzuordnen.
Soweit die Antragstellerin meint, dass die Fußgänger hauptsächlich einen vor
ihrem Geschäftsgrundstück verlaufenden privaten ... benutzten, ändert dies nichts
6
7
8
9
10
11
12
ihrem Geschäftsgrundstück verlaufenden privaten ... benutzten, ändert dies nichts
an der Richtigkeit der Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass die
Ausbaumaßnahme dem Anliegerverkehr dient, und lässt auch keinen Zweifel
daran aufkommen, dass ihr Grundstück an den Marktplatz angrenzt und
zumindest auch darüber erschlossen ist. Maßgeblich für die Beur-teilung der
Frage, ob Anlieger- oder Durchgangsverkehr im Sinne von § 11 Abs. 3
Kommunales Abgabengesetz - KAG - vorliegt, ist die der Ausbaumaßnahme zuteil
werdende Funktion, welche sich aus der Verkehrsplanung der, Gemeinde und dem
auf der Planung beru-henden Ausbauzustand sowie der straßenrechtlichen
Einordnung ergibt, soweit die tatsächlichen Verhältnisse nicht eine andere
Funktionszuweisung erzwingen (vgl. Driehaus, Kommentar zum
Kommunalabgabenrecht, § 8 Rdnr. 380). Die Antragstellerin konnte dem Senat
nicht plausibel machen, dass der Marktplatz der Antragsgegnerin - abweichend
von der ihm zugedachten Funktion und der Regel, dass eine Fußgängerzone
überwiegend dem Anliegerverkehr dient (vgl. Hess. VGH, Urteil vom 31. Mai 1979 -
V UE 19/78 -) - nach den tatsächlichen Verhältnissen hauptsächlich
Durchgangsverkehr aufnimmt.
Ernstlich zweifelhaft ist der Beschluss des Verwaltungsgerichts auch nicht deshalb,
weil Teilflächen des Marktplatzes dauerhaft oder zeitweise Dritten überlassen
werden. Hierbei handelt es sich entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht um
eine Vermietung oder Verpachtung, sondern um eine straßenrechtliche
Sondernutzung gemäß § 16 Hess. Straßengesetz, die letztlich die
Funktionszuweisung der Ausbaumaßnahme, nämlich Zielverkehr aufzunehmen,
bestätigt.
Fehl geht auch die Annahme der Antragstellerin, dass die Antragsgegnerin wegen
der "Vermietung und Verpachtung" selbst Anliegerin des Marktplatzes sei und sich
deshalb entsprechende Kosten der Ausbaumaßnahme zurechnen lassen müsse.
Die Antragstellerin verkennt insoweit bereits, dass nur 43 % der gesamten
Ausbaufläche des Marktplatzes beitragspflichtig sind und davon lediglich 50 % auf
die Anlieger umgelegt wurden, wobei nach § 11 Abs. 3 KAG 75 % auf die Anlieger
hätten abgewälzt werden dürfen. Die Antragsgegnerin hat mithin den größten Teil
der Kosten der Ausbaumaßnahme selbst finanziert und damit den sogenannten
Ge-meindeanteil in genügendem Umfang abgegolten.
Soweit die Antragstellerin die Zulassung der Beschwerde wegen grundsätzlicher
Bedeutung oder besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der
Rechtssache begehrt, ist dem Zulassungsantrag ebenfalls der Erfolg zu versagen,
weil er insoweit bereits nicht den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 5 VwGO
genügt.
Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat eine
Rechtsstreitigkeit nur dann, wenn sie eine rechtliche oder tatsächliche Frage
aufwirft, die entscheidungserheblich ist und über den Einzelfall hinaus im Interesse
der Einheitlichkeit der Rechtsprechung einer obergerichtlichen Klärung bedarf.
Dargelegt ist die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dann, wenn dem
Antrag mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist, welche
entscheidungserhebliche, konkrete und in ihrer Bedeutung über den Einzelfall
hinausgehende Rechtsfrage oder welche bestimmte für eine Vielzahl
gleichgelagerter Fälle bedeutsame Frage tatsächlicher Art einer obergerichtlichen
Klärung zugeführt werden soll (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 27. November 1997
- 5 TZ 1838/97 -).
Konkrete Fragen dieser Art hat die Antragstellerin in ihrem Zulassungsantrag nicht
aufgeworfen. Hinzu kommt, dass die grundsätzliche Rechtsfrage, ob
Fußgängerzonen dem Anlieger- oder Durchgangsverkehr dienen, durch das Urteil
des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 31. Mai 1979 - V UE 19/78 - geklärt
worden ist. Der Senat sieht keinen Anlass, davon abzuweichen. Im Übrigen ist die
von der Antragstellerin im Zusammenhang mit dem von ihr geltend gemachten
Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache angesprochene
Problematik einzelfallbezogen und auch von daher keiner grundsätzlichen Klärung
zugänglich.
Die Rechtssache erweist sich auch nicht aus tatsächlichen oder rechtlichen
Gründen als besonders schwierig, ungeachtet dessen, dass die Antragstellerin
auch insoweit dem Darlegungserfordernis des § 146 Abs. 5 VwGO nicht genügt
hat.
Die Antragstellerin hat gemäß § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des
12
13
14
Die Antragstellerin hat gemäß § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des
Beschwerdezulassungsverfahrens zu tragen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 13 Abs. 2, 14 (analog), 25 Abs. 3
Gerichtskostengesetz - GKG -.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.